Die bürgerliche Euro-Allianz
„Das der Euro kommt, das ist sicher; aber was er bringt, das ist nicht so sicher.“ In diesem Werbemotto ist grob umrissen die Haltung der Mehrheit der werktätigen Massen in Deutschland zur Frage der Einführung der neuen Währung ausgedrückt. Der Kohl-Intimus Arnulf Baring bemerkt hierzu richtig: „Die Politiker wissen, daß die Bevölkerung seit langem konstant mit soliden Mehrheiten gegen den Euro ist..“. Gleichzeitig ist er aber überzeugt, daß „der Euro komme. Auf diesen zweiten Befund stützen sie (die Politiker) ihren Entschluß den Euro durchzuziehen.“ (FAZ, 12.11.97)
Alle Umfragen, die in Deutschland zum Euro gemacht wurden, zeigen, das es stabile Mehrheiten in der Bevölkerung gegen die Einführung einer europäischen Einheitswährung gibt. Während 70% der Werktätigen gegen den Euro sind, haben sich die Befürworter der neuen Währung, nämlich das Großkapital, die Volksparteien einschließlich der Grünen und die Gewerkschaften darauf verständigt, den Euro nicht auf die politische Tagesordnung zu setzen.
Die Stellung des bürgerlichen Lagers zur EWU
Für den Kanzler „dieser unserer Republik“, den Europa-Visionär Kohl, ist die Haltung zum Euro im Kern aussenpolitisch-geostrategisch bestimmt. Hierzu noch einmal sein Intimus Baring: „Den Bundeskanzler interessieren, …ökonomische Zusammenhänge kaum. Seine Hoffnung ist im Kern politisch. Noch immer glaubt er, mit Hilfe der Währungsunion den Durchbruch zu irgendeiner Form von europäischen Bundesstaat zu schaffen.“ (ebd.). So soll verhindert werden, daß das wiedervereinigte Deutschland in die Konstellation des Bismarckschen Reiches zurückfällt. Im Zusammenhang mit dem Staatsbesuch in Italien betonte er noch einmal, daß in seine Augen ein Scheitern der EWU den Rückfall Europas in das 19.Jh. bedeuten würde.
Im Unterschied zu dem Visionär Kohl rückt der zweite Mann in der CDU, der Fraktionsvorsitzende Schäuble, die sozialpolitische Frage in das Zentrum der (Außen-) Politik. Für Schäuble „(ist) Maastricht…eine Übereinkunft über das Ende des keynesianistischen Sozialstaates“ (FAZ, 16.10.97). Schäuble formuliert hier politisch die ökonomischen Interessen des deutschen Kapitals an der europäischen Währungsunion. Die deutsche Bourgeoisie will über den Umweg Europa und Euro den Angriff auf den Sozialstaat in Deutschland in seiner derzeitigen Form, als Verteilungs- und Umverteilungsstaat keynesianistischer Prägung. Das Ziel dabei ist, eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten und der sozialen Standards derwerktätigen Massen durchzusetzen. So will das Kapital seinem schon lange anvisierten Ziel, eine allgemeine Senkung des Lohn- und damit Lebensniveaus der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen durchzusetzen, einen entscheidenden Schritt näher kommen.
Neben diesem indirekten Angriff (Lohnnebenkosten) soll die EWU dem Kapital auch die Mittel für einen direkten Angriff auf das Lohn- und Lebensniveau der arbeitenden Massen liefern. Lassen wir hier zu die Vertreter der Kapitalinteressen zu Wort kommen, die Wirtschaftsexperten der NZZ. „Deshalb wäre die Währungsunion nur bei völlig flexiblen Löhnen und Preisen sowie bei ausreichender Mobilität der Arbeitnehmer ökonomisch unproblemat)sch.“… „Lohnflexibilität würde bedingen, …die Lohnentwicklung ausschließlich am Produktivitätsfortschritt zu orientieren.“(N Z 1997, Nr. 167) „Produktivitätsfortschritt“ ist hier selbstver—ständlich im Sinne der Kapitalverwertung zu sehen. Die Löhne sind zu hoch und müssen gesenkt werden. Das ist die Kampfparole des deutschen Kapitals seit Anfang der 90er Jahre. Damit wird auch klar, was mit Lohnflexibilität und Anbindung der Lohnentwicklung an den Produktivitätsfortschritt aus der Sicht des Kapitals gemeint ist. Wenn das deutsche Kapitals mit Hilfe der EWU eine allgemeine Senkung des Lohn- und Lebensstandards der werktätigen Massen in Deutschland durchsetzen will, muß die deutsche Arbeiterklasse die EWU ablehnen und den Lohnkampf führen. Notwendige Voraussetzung dafür wäre allerdings, sich endlich der Büttel des Kapitals und Eurobefürworter in den eigenen Reihen, der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer, zu entledigen.
Arbeiterstimme und Euro
Und damit kommen wir zur Arbeiterstimme, welche in einem recht ausführlichen Papier (kommentarlos in der AzD Nr. 65 abgedruckt) zur EWU Stellung genommen hat und dabei den Anspruch erhebt, Elemente einer strategischen Orientierung der deutschen Linken zur EWU zu entwickeln. Obwohl sich das Blättchen Arbeiterstimme nennt, wird man nach einer strategischen Orientierung für die Arbeiterklasse vergeblich suchen.
Beginnen wir mit dem Problem der sog. „starken“ D-Mark und einem möglichen weichen Euro. Hier wird der Leser mit, für Leute die sich als Marxisten bezeichnen, recht ungewöhnlichen „sozialen“ Kategorien konfrontiert. Es ist die Rede von Urlaubern, Geldkapitalbesitzern und kleinen Sparern. Die Klassenfrage taucht hier überhaupt nicht auf. Darüber, wie die Arbeiterklasse sich auf dem Boden ihrer sozialen Interessen als Lohn- und damit Geldempfänger, zu der Frage einer möglichen Abwertung der DM gegenüber dem Euro um 25% zu stellen hat, wird man in dem ganzen Artikel vergeblich eine Antwort suchen. Oder ist der Referent von der Arsti der Auffassung, dieses Problem würde sich für die werktätigen Massen durch die Tatsache erledigen, das auch der Geldkapitalist ein Interesse an einem starken Euro hat? Der Referent von der Arsti hat etwas bemerkt, und zwar die Tatsache, das die stabilen Mehrheiten gegen den Euro in Deutschland etwas mit der sozialen Frage zu tun haben. Aber die Richtung paßt ihm nicht, deshalb wird er polemisch anstatt zu untersuchen.
Der Kampf gegen den Neoliberalismus
„Das Hauptziel unserer Kritik muß der Neoliberalismus sein und somit die neoliberale Ausrichtung des Projekts EWU…Das strategische Ziel muß sein den Neoliberalismus zu bekämpfen.“ (Arsti zit. nach AzD 65, S. 90 und 92) Wenn der CDU-Mann Schäuble zu recht feststellt, daß Maastricht eine Übereinkunft über das Ende des bürgerlich-keynesianischen Sozialstaat in Europa ist, so finden wir hier den Kern der strategischen Überlegungen der Arbeiterstimme. Gemeinsam mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften für die Erhaltung des Sozialstaates, der Sozialpartnerschaft und der bürgerlichen Hegemonie über die Arbeiterklasse, sowie die wohltätige Erweiterung all dieser schönen Dinge auf ganz Europa. Die Aufgabe von Kommunisten ist es heute nicht, eine Variante bürgerlicher Politik gegenüber einer anderen zu verteidigen, sondern den sozialen Gegensatz zwischen Kapital und Arbeiterklasse heraus zu arbeiten. Welches Interesse soll das Proletariat daran haben, eine Variante des Lohnabbaus, die keynesianisch-sozialpartnerschaftliche, gegenüber einer anderen, die neoliberale zu verteidigen? Für die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen steht heute der Lohnkampf im Zentrum ihrer ökonomischen Interessen. Anstatt der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften im Kampf für ein Europa der Sozialpartnerschaft hinterher zu laufen, wäre es wichtiger, die Gewerkschaften dazu aufzufordern, endlich das zu tun, wozu sie eigentlich da sind: den Lohnkampf zu führen. Dies ist um so notwendiger, wenn man die oben dargestellten Ziele des deutschen Kapitals bei der Einführung einer europäischen Einheitswährung in Rechnung stellt.
Abschied vom Proletariat
Der Referent von der Arbeiterstimme ist ein prinzipieller Befürworter der EWU. Über die teilweise gespenstisch anmutenden theoretischen Konstruktionen, warum die europäische Einheitswährung ein Fortschritt sei, soll hier nicht näher eingegangen werden. Festgehalten werden muß allerdings, daß die Klassenfrage, die soziale Frage und die Eigentumsfrage in diesen ganzen Betrachtungen nicht mehr auftauchen. Die sogenannte Überwindung des Nationalen, die von dem Referenten der Arsti als Fortschritt gefeiert wird, ist ein spezifisches Problem der deutschen Linken. Sie ist die Form, in der ein Teil der Linken in Deutschland heute seinen Abschied vom Proletariat als dem revolutionären Subjekt legitimiert. Der Schreck über den Untergang der DDR, wo das ostdeutsche Proletariat seine sozialen Interessen im nationalen Gewande formulierte, steckt diesen Linken heute noch in den Gliedern. Von solchen „nationalen und rechtspopulistischen Strömungen“ muß man sich als Arbeiterstimme natürlich strikt abgrenzen. Auf diesem Boden grenzt man sich dann auch strikt von den sozialen Interessen der Arbeiterklasse ab. Statt dessen dackelt man lieber in trauter Eintracht zusammen mit den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern und dem deutschen Kapital nach Brüssel.