Für die Regierung und gegen die Demokratie – die Kampagne „gegen rechts und für Demokratie“*

* Der Text ist die überarbeitete Fassung eines Referats, das auf einer internen Sitzung Mitte April kontrovers diskutiert wurde.

Etwa drei Millionen Menschen sind im Januar und Februar d.J. „gegen rechts“ (sprich gegen die AfD) und „für Demokratie“ auf die Straße gegangen – in der Presse gefeiert als „beeindruckendes Zeichen bürgerschaftlichen Engagements“. Wie ist dieses Engagement zu bewerten?

Seit geraumer Zeit erleben wir einen Zerfall der bürgerlichen Hegemonie in Deutschland. Während die Volksparteien mehr und mehr ihren Rückhalt in der Gesellschaft verlieren, sind neue Parteien entstanden, die entweder schon seit Jahren im Parlament vertreten sind wie die AfD, oder gute Chancen haben, die 5%-Hürde zu überwinden, wie das Bündnis Sahra Wagenknecht, evtl. auch die „Werte-Union“ Maaßens. Der bisherige Parlamentarismus, der über Jahrzehnte eine stabile bürgerliche Herrschaft garantiert hat, ist dazu immer weniger in der Lage.

Die Veränderungen der Parteienlandschaft sind Ausdruck eines seit Jahren festzustellenden Niedergangs von Gesellschaft und Staat. Während die bisherige Herrschaftsform der Bourgeoisie instabil wird, entspricht dem auf der Gegenseite eine wachsende Unzufriedenheit im Volk. Die Kritik am sogenannten „Populismus“ enthüllt, was dahinter steht. So definiert die „Encyclopedia of Democracy“ Populismus als eine „politische Bewegung, die die Interessen, kulturellen Wesenszüge und spontanen Empfindungen der einfachen Bevölkerung hervorhebt, im Gegensatz zu denen einer privilegierten Elite.“ (Wikipedia). Oder nehmen wir die Definition aus dem Handwörterbuch des politischen Systems, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): „Als Populismus bezeichnet man eine politische Grundhaltung, die in radikaler Opposition zu den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Eliten steht“.

Wie geht die bürgerliche Klasse mit dieser auf Dauer für sie bedrohlichen Entwicklung um? Grundsätzlich erleben wir seit einiger Zeit eine sukzessive Einschränkung der demokratischen Verfasstheit des Staats, die legitimiert wird im Namen der Verteidigung der Demokratie, als Lehre aus der Vergangenheit durch den Kampf gegen rechts. Diese Politik wird umgesetzt einerseits durch neue Gesetze oder die Änderung vorhandener Gesetze, anderseits durch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung.
– Das richtete und richtet sich zunächst gegen die AfD, eine bürgerliche Partei mit einem völkischen Flügel, mit dem Ziel, diese zu isolieren, um das bisherige parlamentarische Parteienkartell zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
– Einen vorläufigen Höhepunkt auf dem Weg zur Einschränkung der Demokratie bildeten die Maßnahmen der Corona-Zeit, die die Versammlungs-, Demonstrations- und Meinungsfreiheit auf breiter Front einschränkten oder gänzlich aufhoben. Zugleich wird bis heute die Aufarbeitung der Corona-Politik durch eine Enquete-Kommission des Bundestags verweigert, stattdessen wird aktuell die Einsetzung eines „Bürgerrats“ vorgeschlagen, der ebenso recht- wie belanglos wäre.
– Das Bundesverfassungsgericht soll durch Gesetzesänderungen vor dem Einfluss von „Verfassungsfeinden“ geschützt werden.
– Der Verfassungsschutz unter seinem neuen (seit 2018) Präsidenten Haldenwang agiert offen als Instrument zur Niederhaltung der AfD durch immer neue, öffentlich mitgeteilte Maßnahmen zu ihrer Beobachtung oder Verfolgung.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) hat diesen Prozess der langsamen Aushöhlung demokratischer Rechte aus konservativ-liberaler Sicht so kommentiert: „Die Meinungsfreiheit hat es in Deutschland immer schwerer. In der Abwehr politisch unerwünschter Meinungen greift der deutsche Staat immer tiefer in den autoritären Instrumentenkasten. Spätestens seit dem mitunter rabiaten Umgang mit Kritikern unverhältnismäßiger staatlicher Corona-Massnahmen kann das liberale Gemüter nicht mehr überraschen.“ (NZZ, 19.4.24)

Steuerung der Meinungsbildung

Eine besondere Rolle spielen in dieser Entwicklung die öffentlich-rechtlichen Medien, in denen Berichterstattung und Kommentierung seit Jahren systematisch eingeschränkt bzw. gelenkt werden – von Kritikern als unterschwellige „rot-grüne“ Meinungsbeeinflussung bezeichnet.

In einem „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ (https://meinungsvielfalt.jetzt/manifest.html) haben über 130 Medienschaffende von ARD, ZDF und Deutschlandradio diese Zustände angeprangert: in den Sendern würden nur vorgegebene Meinungen diskutiert und verbreitet, dürften nur ‚Mainstream‘-Themen und -Berichterstattung stattfinden und würden abweichende Meinungen diffamiert und mundtot gemacht; statt der Information würden die Medien sich der politischen Erziehung verschreiben. Von verdi wurde das Manifest prompt als „plumpe Pauschalkritik für die Schublade“ kritisiert und von der TAZ, dem Sprachrohr der Grünen, als „Jammern am rechten Rand“ abgetan.

Im Prozess der Gesetzgebung befindet sich z.Zt. ein „Demokratie-Schutzgesetz“, das als „Demokratiefördergesetz“ die „Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politische Bildung“ unterstützen soll, zwecks Förderung von Initiativen gegen Judenhass, Rechtsextremismus und Rassismus – so die offizielle Begründung des Gesetzentwurfs. Damit würde die Steuerung der öffentlichen Berichterstattung und Meinungsbildung durch den Staat auf ein neues Niveau gehoben.

Charakteristisch für die Einschränkung der Pressefreiheit ist auch der Fall Boris Reitschuster – ein konservativer Journalist und jahrelanger Focus-Korrespondent, zugleich ein entscheidener Kritiker der Corona-Maßnahmen (sowie ein vehementer Russland-Kritiker), der mit einer fadenscheinigen Begründung (Hauptwohnsitz nicht in Deutschland) von der weiteren Teilnahme an der Bundespressekonferenz ausgeschlossen wurde.

In der Stellung zu Israel bündeln sich aktuell die Bemühungen von Regierung und Medien, das Denken und Handeln der Menschen zu dirigieren, indem die Kritik an dem zionistischen Siedlerstaat als „Antisemitismus“ unterdrückt und verfolgt wird.

Um sich unabhängig zu informieren und eine eigene Meinung zu bilden, sind wir auf die ausländische Presse und das Internet angewiesen – wobei es auch hier Bestrebungen gibt, die Informationsfreiheit im Internet einzuschränken.

Die Demonstrationen „gegen rechts und für Demokratie“

Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung waren die Demonstrationen „gegen rechts und für Demokratie“ im Januar und Februar d.J. mit bis zu 3 Millionen Teilnehmern, deren Zustandekommen es sich lohnt, näher anzusehen.

Anlass der Demonstrationen war der Bericht über ein nichtöffentliches Treffen von etwa zwei Dutzend rechtsstehenden, überwiegend AfD-nahen Migrationskritikern am 10. November 2023 in einer Villa in Potsdam. Sie diskutierten – soweit bekannt – größtenteils Forderungen zur „Remigration“, die so oder ähnlich auch schon von anderen Parteien erhoben wurden.

Am 10.Januar 2024 gab es dazu einen Bericht des sogenannt „unabhängigen“ Recherchenetzwerk „correctiv“, das im Rahmen der „Demokratieförderung“ großenteils vom Staat finanziert wird. Dessen Ausrichtung ist auf der eigenen Webseite zu finden: „Wir recherchieren und berichten nicht nur, sondern stoßen Veränderungen für eine bessere Gesellschaft an“ (https://correctiv.org/ueber-uns/faq/). D.h. es geht nicht um eine unabhängige, objektive Berichterstattung (was die Aufgabe eines seriösen Journalismus wäre), sondern um einen politischen Erziehungsauftrag. Die Beobachtung des Treffens der Migrationskritiker wurde von „correctiv“ vorab mit Regierungsvertretern abgesprochen – offenbar dem Verfassungsschutz –; ebenso wurde der Bericht selber mit der Regierung abgestimmt. Die Autoren wurden später vom Bundespräsidenten mit Kaffee und Kuchen persönlich empfangen.

Präsentiert wurde der correctiv-Bericht als „Geheimplan gegen Deutschland“ (https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/), bei dem es um „nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ ging, wie es in der Ankündigung hieß. „Menschen sollten demnach aufgrund rassistischer Kriterien vertrieben werden können – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht.“ Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen ist wohl sehr zweifelhaft, zugleich sind sie nicht justiziabel, weil sie keiner Person zugeordnet wurden und ein Diskussionstreffen kein eigenes Klagerecht vor Gericht hat. Wegen des Tagungsorts in Potsdam wurde zugleich unter der Hand eine Parallele zu der Wannsee-Konferenz von 1941 nahegelegt, auf der die Vernichtung des europäischen Judentums organisiert wurde.

Der Text wurde vor der Veröffentlichung von verschiedenen Presserechtlern überprüft und korrigiert, bis er juristisch abgesichert war. Die Darstellung der angeblichen „Fakten“ durch die „Faktenchecker“ ist ein Meisterstück der Manipulation und subtilen Hetze (siehe hierzu den Artikel in der NZZ: https://www.nzz.ch/international/correctiv-ld.1777572). Nebenher gesagt ist das Eintreten „für Demokratie“ gegen die AfD noch besonders bemerkenswert, insoweit die AfD die einzige der im Bundestag vertretenen Parteien war, die in der Corona-Politik gegen die Aufhebung der demokratischen Rechte eintrat.

Staatstragende Kräfte

Kaum war der Bericht erschienen, wurde eine Kampagne „gegen rechts und für Demokratie“ ins Leben gerufen. Zur Teilnahme an den Demonstrationen, die in einer Vielzahl von Städten stattfanden, riefen alle etablierten Parteien, die Kirchen, der DGB und die Sozialverbände auf. Die Linkspartei und die DKP riefen nicht offiziell auf, bekundeten aber ihre Sympathie durch die Art der Berichterstattung.

Damit kommen wir auf die eingangs gestellte Frage zurück, wie diese Kampagne zu bewerten ist.
Als erstes ist festzuhalten, dass hier vom bürgerlichen Staat und seinen maßgeblichen institutionellen Pfeilern in der Gesellschaft (Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Sozialverbände) alle staatstragenden Kräfte mobilisiert wurden, um die bisherige Parteiendemokratie und mit ihr die sich langsam zersetzende Herrschaft der Bourgeoisie zu bewahren.
Zweitens ist zu bemerken, dass im Zeichen des Kampfes „gegen rechts“ Parolen wie „Nie wieder Faschismus“ bzw. der „antifaschistische Kampf“ zu Parolen der bürgerlichen Reaktion geworden sind, um unter Berufung auf die „wehrhafte Demokratie“ die demokratische Verfasstheit des Staates zurückzuschneiden.
Drittens ist festzustellen: insoweit der überwiegende Teil der Linken die Kampagne unterstützt hat, gehört er zu den staatstragenden Kräften und trägt dazu bei, jegliche politische Opposition zu diffamieren und die bürgerliche Hegemonie zu stabilisieren.