„Die nationalsozialistische Umwälzung stellte keinen anderen Berufsstand vor eine so vielfach neue, mitunter glückhaft bestürzende neue Lage, wie den Unternehmer.“ (Alfred Krupp)[51]
Der Aufbau der Wirtschaft
In der Wirtschaftspolitik hatten die Nationalsozialisten feste programmatische Vorstellungen. Hitler legte Ende der 20er Jahre dar, daß die Verstaatlichungsforderungen des 25-Punkte-Programms für ihn keine Bedeutung mehr hätten. Die Verabschiedung von diesem Konzept bedeutete aber nicht die Übernahme des Wirtschaftsliberalismus des Bürgertums. Hitler sprach schon 1931 die Einschränkungen offen aus, mit denen die Unternehmer zu rechnen hatten. „Ich will Autorität, ich will Persönlichkeit, ich will, daß jeder den Besitz, den er sich erobert hat, behalten soll“. Neben dem Bekenntnis zum Recht auf Privateigentum sollte aber der Staat ein „Kontrollrecht über die Besitzenden“ [52] erhalten. Der Staat griff demnach in die Wirtschaft ein, wenn die Unternehmer nicht im „Interesse des Staates (…) und seiner Volksgenossen“ handelten. In der Vorstellung der Nazis war der Staat das Instrument, Arbeit und Kapital in „Arbeitsbeauftragte des ganzen Volkes“ zu verwandeln und durch eine Politik des Ausgleichs den sozialen Frieden zu sichern.
Nicht die Klassen selber, wie in Form der Sozial- und Tarifpartnerschaft in der BRD, schlossen einen Klassenkompromiß, sondern der Staat setzte ihn autoritär durch. „Die nationalsozialistische Staatsführung ist eine souveräne und eine so über allen wirtschaftlichen Bedingungen stehende, daß in ihren Augen die Kennzeichnung „Arbeitnehmer und Arbeitgeber“ belanglose Begriffe sind. Es gibt keinen Arbeitgeber und es gibt keinen Arbeitnehmer vor den höchsten Interessen der Nation, sondern nur Arbeitsbeauftragte des ganzen Volkes. Der soziale Frieden schafft allein die Voraussetzungen, um die großen Aufgaben unserer nationalsozialistischen Lage zu erfüllen“, sagte Hitler auf dem Reichsparteitag 1936. Kapitalisten, die gegen dieses Interesse handelten, sollten enteignet werden. So führte Hitler gegenüber Goebbels aus, „daß die Unternehmer, die sich den von uns gegebenen Richtlinien nicht fügen wollen, ihre Betriebe zu verlieren haben, ohne Rücksicht darauf, ob sie dabei wirtschaftlich zugrunde gehen.“[53]
Mit dem 4-Jahresplan erweiterte sich die Rolle des Staates. Die nationalsozialistische Führung hielt das Primat der Politik angesichts der Kriegsvorbereitungen für unabdingbar. Goebbels vertrat am 17. Juni 1935 dazu die Ansicht: „Es wird nie ein Minister versuchen, der Wirtschaft vorzuschreiben, wie sie den Betrieb einzurichten habe. Aber was sie produziert und wie sie es produziert und welche Methoden sie dabei anwendet und welche Löhne sie zahlt und wieviel Freizeit sie gibt und welchen Geist sie im Betriebe hochzüchtet, – darüber zu bestimmen, das ist das Vorrecht der politischen Führung eines Landes.“[54] Den Unternehmern blieb damit nur noch das Eigentum, der Profit und die Betriebsführung. Über alles andere sollte der Staat entscheiden.
Nach der Machtübernahme mußten die Nazis die Verwirklichung ihrer wirtschaftlichen Ziele um einige Jahre aufschieben. Die bürgerlichen Bündnispartner hatten den Aufstieg der Partei finanziert und verlangten deshalb große Einflußmöglichkeiten in Regierung und Wirtschaft. So wurde das Programm noch nicht einmal im Ansatz umgesetzt. Die erste Phase der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik umfaßte die drei Jahre von der Machtübertragung bis zum Sturz des Wirtschaftsministers Schacht. Diese Zeit ist vom Bündnis der NSDAP mit den Banken und der Großindustrie geprägt. Erst in der zweiten Phase, die mit der Entmachtung des Bankenvertreters Schacht und der Schwerindustrie begann, ordnete sich der Staat die Industrie unter.
Die ersten Monate des Regimes prägte der Kampf zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen und den Mittelstandsvertretern der NSDAP. Grundlegende Entscheidungen über den Aufbau der Wirtschaft konnten während dieser Grabengefechte kaum getroffen werden. Ausdruck für diesen Zustand war der häufige Wechsel der Wirtschaftsminister. Der erste Wirtschafts- und gleichzeitig Landwirtschaftsminister wurde der ehemalige Generalrat von Krupp, Alfred Hugenberg. Auf Grund der ständigen Angriffe der NS-Presse mußte er bald gehen. Hinzu kam der Skandal auf der internationalen Konferenz in London, wo Hugenberg seine Expansionsabsichten etwas zu offen dargelegt hatte. Hugenberg forderte dort die Rückgabe der deutschen Kolonien und Siedlungsland für Bauern in der Ukraine.
Auch der nächste Wirtschaftsminister blieb nicht lange im Amt. Schmitt von den Allianz-Versicherungen übernahm Ende Juni 1933 das Wirtschaftsministerium. Er baute die Macht des RWM aus. Gottfried Feder wurde zur Beschwichtigung des radikalen Flügels Staatssekretär von Schmitt. [55] Am 15. Juni 1933 berief Hitler den „Generalrat der deutschen Wirtschaft“ ein. Er war eine von vielen Institutionen, die eigentlich keine Aufgaben hatten. Zu ihm gehörten u.a. Krupp, Thyssen, Vögler, Bosch, Siemens; also vor allem Vertreter der Schwerindustrie.[56] Der Generalrat trat allerdings nur ein einziges Mal zusammen. Hitler und Ley hielten zwei kurze Reden über Arbeitsbeschaffung.[57] Geradezu lächerlich machte sich die SED in diesem Zusammenhang, die später behauptete, der Generalrat wäre ein Machtinstrument des Monopolkapitals zur Beherrschung des Staates gewesen.[58]
Unter dem ständischen Aufbau der Wirtschaft verstand jede Interessengruppe etwas anderes. Anhänger der Ständetheorie war auch Fritz Thyssen. Er trat für das Ständewesen ein, um durch eine autonome Selbstverwaltung der Wirtschaft Übergriffe der Partei zu verhindern. Thyssen traute dem neuen Staat nicht, da auch hochrangige Parteivertreter wie Feder immer wieder von Sozialisierung sprachen. Schon im Frühjahr 1933 hatte Thyssen das „Institut für Ständewesen“ gegründet. Hitler legte aus den genannten Gründen Einspruch gegen das Bestehen von Thyssens Institut ein.[59] Noch ein Gestapo-Bericht von 1936 warnte davor, daß „die Ständelehre Spanns heute in erster Linie von denen vorgetragen (wird), die ihr Einflußgebiet durch die nationalsozialistische Partei und die nationalsozialistische Weltanschauung bedroht sehen. Das gilt vor allem für die Großindustrie“.[60]
Mit dem „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ im Februar 1934 legte man eine neue Ordnung fest, die mit einem ständischen Aufbau allerdings nichts mehr zu tun hatte. Man bildete Reichsstände (später Reichsgruppen genannt) für Industrie, Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen und Energiewirtschaft. Der RDI (Reichsverband der Deutschen Industrie) blieb zunächst mit dem Präsidenten Krupp trotzdem weiter bestehen. Alle Unternehmer waren obligatorische Mitglieder der Gruppen (§ 3). Die Macht dieser Gruppen blieb sehr beschränkt. Die Leiter der Gruppen konnten Mitglieder beraten und unterstützen. Außerdem fielen Marktanalysen, Vereinheitlichung und Standardisierung von Produkten in ihren Aufgabenbereich. Markt- und Preisbeeinflussung waren hingegen untersagt. Der Leiter hatte das Recht, Strafen bis zu 1000 RM zu verhängen,[61] was im Vergleich zu den Bestrafungsmöglichkeiten des Reichsnährstandes natürlich wenig war.
An der Spitze der Gruppe standen Vertreter des Großkapitals. Erst „führte“ Krupp die Reichsgruppe Industrie, dann Tengelmann von Thyssen, Dierig von der Deutschen Bank und schließlich Zangen, der Generaldirektor von Mannesmann. Die Reichsgruppen unterstanden dem RWM und der Minister ernannte die Leiter.[62] Auch wenn Walter Humbert, ein langjähriger Industriemanager, im nachhinein zu dem Resümee kam , daß „den Verbänden durch die staatliche Beauftragung und Ermächtigung, durch die Sicherung und Stärkung ihrer Stellung und durch die auch wirtschaftlich entscheidenden Kompetenzen eine Bedeutung“ zukam, „welche sie früher nicht besaßen“,[63] sollte man die Macht der Wirtschaftsgruppen nicht überschätzen. Die Reichsgruppen waren keine ständischen Vereinigungen, da die Arbeiter und Angestellten in ihnen nicht organisiert waren. Ihr Zuständigkeitsbereich war begrenzt, sie hatten weder Einfluß auf Lohnfragen, noch entscheidende gesetzliche Durchsetzungsmöglichkeiten. Letztlich waren die Reichsgruppen Instrumente des Staates.
Die größten Veränderungen in der Industrie brachte das Gesetz zur „Ordnung der nationalen Arbeit“ vom 20.Januar 1934. Mit der Einführung des Führerprinzips in den Unternehmen wurden die Unternehmer zu „Führern“ und die Arbeiter zur „Gefolgschaft“. Die letzten Mitbestimmungsrechte des Weimarer Betriebsverfassungsgesetzes beseitigte das Gesetz vollständig. Man beabsichtigte aber nicht nur eine Schwächung der Arbeiterbewegung, sondern auch eine Stärkung der Rolle des Staates. Die Reichstreuhänder der Arbeit, die dem RWM unterstanden, hatten uneingeschränkte Vollmachten in Lohnfragen. Gegenüber der Belegschaft sollten sie auch „für die Erhaltung des Arbeitsfriedens“ sorgen.[64] Ein Vertrauensrat, gewählt von der „Gefolgschaft“, blieb ohne größere Befugnisse. Er konnte nur vom „Führer des Betriebes“ einberufen werden. Als Kontrollinstanz gegen Klassenkampftendenzen bei den Arbeitern und allzu große Willkür bei den Unternehmern führte das Gesetz Ehrengerichte ein.
Der erste Streit um das Gesetz entbrannte zwischen Regierung und einzelnen Unternehmern bei der Frage um die Treuhänder der Arbeit. Die DAF und einige Gauleiter protestierten gegen die ernannten Treuhänder, da nur sieben „alte Parteigenossen“ auf der Liste standen und ihnen die anderen zu eng mit der Industrie liiert waren. Am 24. März 1934 legte Reichsarbeitsminister Seldte Hitler eine neue Liste mit „alten Parteigenossen“ vor, die die DAF und NSBO unterstützte. Auf der neuen Liste fehlten unter anderem der Vertraute Thyssens, der Vorsitzender des „Instituts für Ständewesen“ Dr. Josef Klein. Alle Proteste bei Hitler halfen nicht, die Absetzung von Thyssens Vertreter wieder rückgängig zu machen.[65]
Auch die Ehrengerichte waren keine Vollstreckungsorgane des Kapitals. Sie konnten Geldbußen in der Höhe von 10.000 RM und Verlust der Betriebsführung anordnen. „Die Ehrengerichte sahen z. B. eine „Ausnutzung der Arbeitskraft“, wenn Beschäftigte länger als gesetzlich zulässig arbeiten mußten oder wenn Arbeitsleistungen unter Mißachtung der vorgeschriebenen Sicherheitsbestimmungen verlangt wurden. Stellte der Unternehmer schmutzige oder gesundheitsschädliche Arbeitsräume zur Verfügung, so konnte darin ebenso ein Verstoß gegen die ihm obliegenden sozialen Pflichten liegen wie in der Bereitstellung unzureichender Wohn- und Aufenthaltsräume oder schlechter Kost. Eine „Ausnutzung der Arbeitskraft“ war auch die Verweigerung des Überstundenzuschlags oder des in der Tarifordnung vorgeschriebenen Lohns sowie die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen.“[66] Der Blick auf die Zahlen zeigt, daß sich die Ehrengerichte hauptsächlich gegen die Unternehmer richteten. Allerdings war die Zahl der Verfahren nicht hoch und betraf eher Klein- als Großbetriebe.[67]
Als Fazit ist zu sagen, daß die Maßnahmen der NSDAP die Rolle des Staates in den Betrieben stärkten. Die Lohnfrage nahm der Staat den beiden ehemaligen Tarifpartnern aus der Hand. Die Macht des Kapitals erhöhte sich vor Ort durch die völlige Ausschaltung der betrieblichen Mitbestimmung der Weimarer Republik, wurde aber durch die Treuhänder und die Ehrengerichte nur leicht beschnitten. Von einer Verschmelzung von Staat und „Monopolkapital“ zu sprechen, besteht dennoch kein Anlaß. Staatliche Funktionen konnten die Wirtschaftsgruppen und der Generalrat der Wirtschaft nicht übernehmen.
Schacht und Hitler – Die Achse des Bündnisses
Im Sommer 1934 übernahm Hjalmar Schacht das RWM. Dieser hatte schon an der Machtübernahme der Faschisten einen wesentlichen Anteil gehabt, indem er Hitler in verschiedenen Finanzkreisen bekannt machte. Schachts Unterschrift stand außerdem im November 1932 unter dem Brief, der Reichspräsident Hindenburg aufforderte, Hitler endlich zum Reichskanzler zu machen. Mit dem ehemaligen Reichsbankpräsidenten ernannte Hitler einen der renommiertesten Wirtschaftsvertreter im In- und Ausland zum Minister, obwohl viele Parteimitglieder ihn als „Exponenten der internationalen jüdischen Geldwirtschaft“ sahen. [68]
In der Beziehung zwischen Schacht und Hitler kam das zeitweilige Bündnis zwischen der NSDAP und den Banken deutlich zum Ausdruck. Schacht versuchte als Minister, das Privateigentum und den freien Markt zu verteidigen. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und das Devisen- und Arbeitslosenproblem zu lösen; in diesem Rahmen ließen die Nazis Schacht freie Hand. Schacht begann mit der Sanierung des deutschen Bankwesens und stellte über den sogenannten Mefo-Wechsel Devisenstabilität her. Durch die vom Wirtschaftsministerium eingeleiteten Maßnahmen stabilisierte sich die Währung im Laufe der Zeit. So wurden mehr Gelder für die Rüstung frei. Schacht berichtete über seine Arbeit nach dem 2. Weltkrieg: „Solange ich im Amt war (…) hat sich Hitler niemals in meine Tätigkeit eingemischt. Auch hat er niemals versucht, mir eine Direktive zu geben, sondern hat mich meine Ideen ohne sie zu kritisieren, selbständig und unabhängig ausführen lassen. Er verstand von Wirtschaftspolitik nichts, und gar das Geldwesen ist ihm immer ein versiegeltes Buch geblieben. (…) Als jedoch meine maßvolle Wirtschaftspolitik seinen maßlosen Plänen zuwiderlief, hat er mit Hilfe Görings heimlich und hinterrücks versucht, meine Tätigkeit zu konterkarieren.“ [69] Die Aussage über die Wirtschaftskenntnisse unterschätzt wohl Hitlers Fähigkeiten, und Schachts „maßvolle“ Wirtschaftspolitik diente genauso der Aufrüstung wie später Görings Politik; die Aussagen über seinen Freiraum waren aber richtig. „Die ganze, alle bisherigen Außenhandelstheorien über Bord werfende Handelspolitik des „neuen Plans“ wurde von mir durchgeführt, ohne daß Hitler auch nur ein einziges Mal dazu Stellung genommen hätte. Er ließ mir völlig freie Hand (…). Er ging seinen außenpolitischen Ideen nach und betrieb die Ausgestaltung der Wehrmacht.“ [70] 1935 wurde Schacht auf dem Höhepunkt seiner Macht schließlich zum „Generalbevollmächtigten für Kriegswirtschaft“ ernannt.
In der „Ära Schacht“ stand auch die Frage der Verstaatlichung des Bankwesens an. Auch hier mußte Hitler von seiner Zielvorstellung, die Macht des Finanzkapitals zu brechen, aus bündnispolitischen Gründen abrücken, obwohl sich eine Chance für die Verstaatlichung des gesamten Bankwesens bot. In der Krise der Weimarer Republik hatte der Staat nämlich schon große Anteile an den Banken übernommen, um diese vor dem Zusammenbruch zu retten. Der radikale Nationalsozialist Gottfried Feder erklärte auf dem Reichsparteitag am 2. September 1933: „Wir fordern die Verstaatlichung aller bereits vergesellschafteten Betriebe“[71] und bezog sich damit auf das Grundsatzprogramm. Um die Frage der Stellung der Banken zu klären, wurde vom RWM eine Kommission aus Fachleuten, Bankiers und Parteivertretern eingesetzt. Feder und Keppler hielten sich in der Kommission allerdings mit ihren Vorstellungen zurück. Die Kommission sprach sich schließlich nach monatelangen Beratungen für die Beibehaltung des bisherigen Bankwesens[72] und Reprivatisierungen aus. Das Bankengesetz trat am 1.Januar 1935 in Kraft und lehnte staatliche Eingriffe, auch der Reichsbank, in das Bankwesen ab.[73] Bis 1937 wurden Mischbanken reprivatisiert. Zusätzlich privatisierte die Regierung auch Binnen- und Seeschiffahrtsgesellschaften und Kohlengruben.[74] Das öffentliche Eigentum machte 1938 nur 5 % des „Nationalvermögens“ aus.[75]
Neben der Sicherung des Privateigentums vor sozialistischen Angriffen bot der deutsche Faschismus der Mehrheit der Großindustrie auch hohe Gewinne. Von 1933 bis 1935/1936 verfünffachte sich der Gewinn der Aktiengesellschaften und verdoppelte sich die Dividendenausschüttung.[76] Insgesamt hatten die Gewinne von 1933 bis 1939 eine jährliche Wachstumsrate von durchschnittlich 36,5 %.[77] Für die deutsche Industrie brachen nach der Weltwirtschaftskrise wieder rosige Zeiten an. Die großen Konzerne profitierten auch von der zunehmenden Konzentration der Wirtschaft. Die Zahl der Betriebe mit über 200 Beschäftigten verdoppelte sich von 1933 bis 1939.[78] Die staatliche Zwangskartellierung nahm ebenfalls zu. Zwischen 1933 und 1936 wurden 16.000 Kartellvereinbarungen getroffen.[79] Die Zwangskartellierung half aber vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, da sich die Großkonzerne auch ohne staatliche Hilfe monopolisieren konnten.
Andere Teile der Wirtschaft profitierten weniger vom Aufschwung. Die Warenhäuser litten unter den mittelstandsfreundlichen Maßnahmen nach der Machtübernahme. Als Haßobjekte des Mittelstandes gingen die Nazis sie als einzige nicht jüdische Kapitalisten hart an. Der Umsatz der Warenhäuser betrug 1936 nur noch 86 % des Umsatzes von 1932.[80] Auch die Körperschaftssteuer stieg von 20 % im Jahr 1934 auf 40 % in den Jahren 1939/1940.[81] Die Banken wurden durch die Machtübernahme des Nationalsozialismus zwar gerettet, aber riesige Gewinne, wie im Kaiserreich oder in den ersten Jahren der Weimarer Republik, konnten sie zumindest vor dem Krieg nicht erwirtschaften. Sie hatten einen deutlichen Geschäftsrückgang zu verbuchen. Die Bilanzsumme der Groß- und Regionalbanken belief sich 1929 noch auf 16,7 Milliarden. Danach sank sie kontinuierlich ab.[82]
Hitler hatte bis 1936 alle Versprechen gegenüber der Großindustrie erfüllt. Die Nationalsozialisten brauchten die Großindustrie, um den Krieg zu führen. Sie konnten, ohne die politische Stabilität ihrer Herrschaft zu gefährden, in den ersten Jahren keinen Angriff auf die Dominanz der Großindustrie und den politischen Einfluß ihrer Vertreter starten. Im Rahmen der Regierung war die Einbindung der Nazis total gescheitert. Die NSDAP hatte ihren konservativen Koalitionspartner entmachtet und die Führerdiktatur errichtet. Als Klassenbündnis war die Einbindung aber gelungen. Hitler hatte den „Vertrag“ erfüllt. Die Arbeiterbewegung war zerschlagen, der Versailler Vertrag wurde Schritt für Schritt gesprengt und den Konzernen war das Eigentum garantiert. Die Landwirtschaft hatte die NSDAP von der kapitalistischen Industrie abgekoppelt, aber den freien Markt in der Industrie, wenn auch eingeschränkt, erhalten. Mit Schacht hatten die Banken einen ihrer wichtigsten Vertreter in der Regierung, der im Rahmen von Hitlers Kriegsprogramm große Freiräume hatte. Für die Schwerindustrie, die Hitlers Machtantritt fast geschlossen unterstützt hatte, lohnte es sich auch.
Was Hitlers industrielle Gönner aber deutlich unterschätzten, war die ungeheure staatliche Macht, die schon in den ersten Jahren entstand. Dieser mächtige Staatsapparat war stark genug, in vielen tagespolitischen Konflikten auch gegen die großkapitalistischen Interessen zu agieren. Der Nationalsozialismus hatte vor, den sozialen Bedürfnissen aller Klassen entgegenzukommen. Das konnte langfristig nur zu Lasten der Mächtigen und Reichen der Weimarer Republik geschehen. Hitler führte die Bündnispolitik mit dem Kapital weiter fort, bereitete aber im Stillen schon die entscheidenden Schritte zur politischen Entmachtung der Industrie vor, die sich nach den Vorstellungen des „Führers“ nach dem Krieg dem bäuerlichen Massenstaat genauso unterzuordnen hatte wie die anderen Klassen auch.