Heiner Karuscheit / Alfred Schröder
Vorbemerkung
Bereits in der AzD-Nr. 96/2023 wurde die Frage aufgeworfen, woher die ungebrochene Begeisterung für die Leninsche Imperialismustheorie in einem Teil der Linken unter Einschluss ihres kommunistischen Flügels kommt. Eine Begeisterung, die bis heute anhält und umso deutlicher auffällt, da man sich von den sonstigen theoretischen und insbesondere revolutionären Positionen Lenins längst verabschiedet hat. Dies wurde mit dem offenen Ausbruch des Ukraine-Krieges überdeutlich. Statt die Lenin-/Liebknechtsche Position des revolutionären Defätismus gegen beide Kriegsparteien zu beziehen und als deutscher Kommunist den Austritt aus der NATO sowie die Einstellung jeglicher Kriegsunterstützung zu fordern, vertrat man entweder die offene Unterstützung der russischen Seite, forderte Waffenstillstände oder verfiel gleich dem Pazifismus, wie die letzten Ostermärsche verdeutlichten.
Unübersehbar wurde diese Entwicklung im Zuge der Corona-Politik. Bei dem durch die Regierung betriebenen massiven Abbau demokratischer Grundrechte waren die Linke als Partei ebenso wie kommunistische Organisationen (DKP, MLPD etc.) in der vordersten Front mit dabei; sie kämpften Hand in Hand mit der Bourgeoisie für Zwangsimpfungen, Kontakt- und Demonstrationsverbote und duldeten die Einschränkung der Pressefreiheit bis hin zur fast völligen Gleichschaltung der Medien ebenso wie die Diffamierung aller Kritiker dieser Politik als Schwurbler und Nazis (siehe dazu: https://kommunistische-debatte.de/?page_id=2317).
Eine solche Politik musste die oppositionellen Kräfte geradezu notwendig in die Arme der AfD treiben, einer rechtsbürgerlichen Partei mit einem völkischen Flügel, die im Gegensatz zum Gros der Linken die demokratischen Rechte verteidigte. Deren von der Linken mitverschuldete Stärkung dient nun als Grund für einen erneuten Schulterschluss mit den Herrschenden, indem man unter der Losung „Nie wieder ist jetzt“ gegen einen drohenden Faschismus in Gestalt der AfD demonstriert. Real betätigt man sich damit als Wasserträger für die „Systemparteien“, wie sie von der AfD genannt werden, die ihren privilegierten Zugang zu den Fleischtöpfen des Staats gegen eine Konkurrenzpartei verteidigen.
Trotz all dieser tatsächlichen Rechtsentwicklung der Linken und der immer weiteren Entfernung von den revolutionären Positionen Lenins verbleibt die ungebrochene Nibelungentreue zu seiner Imperialismustheorie.[1] Dies bedarf der Erklärung. Und die Erklärung ist so ernüchternd wie banal: Die Berufung auf die Leninsche Imperialismustheorie ist das letzte Feigenblatt geworden, die letzte „eigenständige“ theoretische Position, um nicht vollständig in dem „linksgrünen“ Konsens der Mittelschichten aufzugehen, wozu man in der politischen Praxis der letzten Jahre immer mehr gehörte.
I. Einleitung: Lenins Schwierigkeiten zu Kriegsbeginn
Lenin wurde davon genauso überrascht wie alle anderen. Querelen und Fraktionsstreitigkeiten sowie die angeschlagene Gesundheit seiner Frau hatten ihn zum Bergurlaub im Sommer 1914 veranlasst. So wurde er vom unerwarteten Kriegsausbruch beim Wandern überrascht. Am 6. August erklärte Österreich-Ungarn Russland den Krieg. „Die Nachricht überraschte Lenin in der Tatra, weit entfernt von seinem Heim in Krakau. Dieser Krieg, ein allgemeiner, universeller Krieg, totaler, allumfassender Krieg, war etwas völlig Neues, nichts Ähnliches gab es seit Napoleons Zeiten! Verwirrung und Erregung überall.“[2] Am folgenden Tag wurde er als „feindlicher Ausländer“ verhaftet. Dank Intervention des österreichischen Sozialdemokraten Viktor Adler kam er – als bekannter Feind des russischen Zarismus – frei und konnte in die Schweiz ausreisen.
Noch überraschender als der Kriegsausbruch war für Lenin das Verhalten der Parteien der II. Internationale, allen voran der deutschen. „Als Lenin die Nachricht las, dass die Sozialdemokraten im Reichstag für die Kriegskredite gestimmt hatten, wollte er es einfach nicht glauben. … Diese neuesten Meldungen, erklärte er, seien von der deutschen Regierung erfunden worden, um ihre Feinde zu täuschen und Verwirrung in den Reihen der Sozialisten zu säen. Selbst als er den Bericht im Vorwärts sah, schloss er daraus, dass die ganze Nummer eine Fälschung des deutschen Generalsstab sei. … Dann aber erfuhr er, dass Plechanow in Paris zum Soldatenwerber geworden sei. »Kann auch Plechanow ein Verräter sein?«, fragte er sich.“[3]
Wie diese kurze Schilderung deutlich macht, brach für Lenin im August 1914 eine Welt zusammen. Seine feste Überzeugung vom marxistischen und damit letztendlich auch revolutionären Charakter der internationalen Sozialdemokratie – speziell der von Kautsky geschulten SPD – war falsch gewesen. Theoretische und politische Gewissheiten seiner eigenen bisherigen Überzeugung waren unhaltbar geworden. Jede weitere politische Arbeit bedurfte einer neuen theoretischen Grundlage. Das Scheitern der II. Internationale durch ihren fast durchgängigen Übergang auf die Positionen ihrer jeweiligen Kriegsregierungen musste ebenso erklärt werden, wie die patriotische Begeisterung von bedeutenden Teilen der Arbeiterbewegung.
Probleme der Einschätzung
Anfangs schwankte Lenin noch, wie die Stellung zu dem Krieg bestimmt werden sollte. Schließlich war nicht nur der Kriegsausbruch als solcher, sondern auch die Zusammensetzung der gegnerischen Blöcke ungewöhnlich: mit der „Entente“ standen auf der einen Seite zwei parlamentarisch regierte Staaten (Frankreich und Großbritannien) sowie der russische Zarismus, während auf der anderen Seite die monarchisch regierten „Mittelmächte“ standen: Österreich-Ungarn sowie das industriell hochentwickelte Deutsche Reich.
Anfang September, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, verabschiedete eine Gruppe russischer Sozialdemokraten im Exil die von Lenin entworfene Resolution „Die Aufgaben der revolutionären Sozialdemokratie im europäischen Krieg“. Darin hieß es: „Der Europa und die ganze Welt erfassende Krieg trägt den klar ausgeprägten Charakter eines bürgerlichen, imperialistischen, dynastischen Krieges.[4]
Die Kennzeichnung des Kriegs mit drei unterschiedlichen Begriffen als „bürgerlich, imperialistisch, dynastisch“ trug der gesellschaftlichen Bandbreite der Kriegsstaaten Rechnung. Ähnlich hieß es in dem am 1. November veröffentlichten Manifest des Zentralkomitees der SDAPR: „Das Anwachsen der Rüstungen, die äußerste Zuspitzung des Kampfes um die Märkte in der Epoche des jüngsten, imperialistischen Entwicklungsstadium des Kapitalismus in den fortgeschrittenen Ländern, die dynastischen Interessen der rückständigsten, der osteuropäischen Monarchien mussten unvermeidlich zu diesem Krieg führen und haben zu ihm geführt.“[5] Damit wurden einerseits „fortgeschrittene“ Länder wie die parlamentarisch regierten Frankreich und Großbritannien mit imperialistischen Interessen genannt, andererseits dynastische Interessen der „rückständigsten osteuropäischen Monarchien“, zu denen auf jeden Fall das russische Zarenreich gehörte; gemeint war wahrscheinlich auch die Habsburgermonarchie.
Gleichzeitig spiegelt sich in dem Manifest die oben erwähnte Unsicherheit wider, wenn es dort hieß: „Bei der jetzigen Lage kann vom Standpunkt des internationalen Proletariats nicht bestimmt werden, die Niederlage welcher der beiden Gruppen von kriegsführenden Nationen das kleinere Übel für den Sozialismus wäre.“[6]
„Fortgeschrittene“ und „rückständige“ Länder
Unabhängig davon schätzte das Manifest den Krieg auf allen Seiten als reaktionär ein, gleich ob die teilnehmenden Länder einen Kampf um Kolonien, um Annexionen von Land des Gegners oder um die Sicherung der monarchischen Herrschaft führten. Nicht ein Staat verfolgte fortschrittliche Ziele, weshalb Lenin die Schlussfolgerung zog: „Die Umwandlung des gegenwärtigen imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg ist die einzig richtige proletarische Losung.“[7]
Allerdings unterschieden sich die Ziele des propagierten Regierungssturzes je nachdem, ob es sich um „fortgeschrittene“ oder „rückständige monarchistische“ Länder handelte: „Der Bürgerkrieg, zu dem die revolutionäre Sozialdemokratie in der gegenwärtigen Epoche aufruft, ist der bewaffnete Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie, für die Expropriation der Kapitalistenklasse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, für die demokratische Revolution in Russland (demokratische Republik, Achtstundentag, Konfiskation der Gutsbesitzerländereien), überhaupt für die Republik in den rückständigen monarchistischen Ländern usw.“[8] In den „fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern“ ging es also um eine sozialistische Revolution (Enteignung der Kapitalisten), in den „rückständigen monarchistischen Ländern“ dagegen um eine bürgerlich-demokratische Revolution und die Errichtung einer Republik.
Wo aber gehörte das Deutsche Kaiserreich hin, d.h. das Land, das im Zentrum des Kriegsgeschehens – und später der revolutionären Nachkriegskrise – stand? Gehörte es zu den „fortgeschrittenen“ oder zu den „rückständigen“ Ländern“? Stand es also vor einer proletarisch-sozialistischen oder einer bürgerlich-demokratischen Revolution? Und wie war dies zu entscheiden: ökonomisch oder politisch – nach dem Stand der Wirtschaft oder nach dem Stand der gesellschaftspolitischen Entwicklung?
Klassenkonstellationen
In einer Auseinandersetzung mit Plechanow berief Lenin sich auf Clausewitz, um den entscheidenden Maßstab zur Beurteilung des Kriegs zu nennen: „In Anwendung auf die Kriege besteht der grundlegende Leitsatz der von Plechanow zugunsten der Bourgeoisie so schamlos entstellten Dialektik darin, dass ‚der Krieg eine bloße Fortsetzung der Politik mit andern‘ (nämlich gewaltsamen) ‚Mitteln‘ ist. So lautet die Formulierung von Clausewitz … Und gerade das war stets der Standpunkt von Marx und Engels, die jeden Krieg als eine Fortsetzung der Politik der betreffenden interessierten Mächte – und der verschiedenen Klassen in ihnen – in dem betreffenden Zeitabschnitt auffassten.“[9]
Die Kritik hätte ein Ansatz sein können, sich von dem ökonomisch geprägten Marxismus der Internationale zu lösen. Doch Lenin vermochte es nicht, die Konstellation des Kriegs klassenpolitisch zu erklären, weshalb er daran ging, die Erklärung in der Ökonomie zu suchen. Das Ergebnis war die Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, in deren Vorwort er erklärte, dass die entscheidende Aufgabenstellung sei, „sich in der ökonomischen Grundfrage zurechtzufinden, ohne deren Studium man nicht im geringsten verstehen kann, wie der jetzige Krieg und die jetzige Politik einzuschätzen sind, nämlich in der Frage nach dem ökonomischen Wesen des Imperialismus.“[10]
Noch deutlicher konnte man die Orientierung an der Ökonomie nicht formulieren, was bedeutete, dass er dem ökonomischen Marxismusverständnis der II. Internationale verhaftet blieb – mit weitreichenden politischen Folgen für die Einschätzung des Kriegs sowie der revolutionären Krise nach dem Krieg.
II. Der Marxismus der II. Internationale
Die in der II. Internationale dominierende Lesart begriff den Marxismus dem Wesen nach nicht als eine Theorie des Klassenkampfs, die sich auf die von Marx entwickelte Kritik der politischen Ökonomie stützt. Vielmehr galt ihr der Marxismus als Lehre von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die das baldige Ende des Kapitalismus und die Herrschaft der Arbeiterklasse herbeiführen würden, und zwar ohne Revolution, sondern vermittels parlamentarischer Mehrheiten.
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- Ökonomie statt Klassenkampf
Vorreiter dieses Verständnisses war die deutsche Sozialdemokratie. Sie repräsentierte das Heimatland der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus und war die stärkste, unbestritten führende Partei der II. Internationale. Als maßgeblicher Theoretiker und unangefochtene Autorität gehörte ihr auch Karl Kautsky an, Herausgeber der Theoriezeitschrift „Neue Zeit“, in der die wichtigsten Debatten des wissenschaftlichen Sozialismus geführt wurden. Seine zahlreichen Publikationen wurden als gültige Interpretation des Marxismus betrachtet.
Ihm zur Seite trat Anfang des 20. Jahrhunderts der deutsch-österreichische Marxist Rudolf Hilferding. Sein 1910 erschienenes Werk „Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus“ galt bald nach Erscheinen als bedeutsame Fortführung der ökonomischen Lehre von Karl Marx.
1871 – Sieg der Ökonomie über den „Feudalismus“?
Eine zentrale Rolle bei der ökonomistischen Ausprägung des Marxismus spielte die Gründung des Deutschen Reichs 1871.
Anders als zuvor in England und Frankreich war die bürgerlich-demokratische Revolution in Deutschland 1848/49 am preußischen Militärstaat gescheitert. Doch dann hatte die Ökonomie im Gefolge der Reichseinigung das Werk der Revolution vollbracht – so das Credo der internationalen Sozialdemokratie.
Grundlage dieser Überzeugung war der Aufschwung, den Deutschland nach der Nationalstaatsgründung erlebte, denn zusammen mit Wissenschaft und Technik setzte ein enormer Industrialisierungsschub ein, der das Deutsche Reich bald Frankreich und Großbritannien überholen ließ und an die Spitze in Europa setzte. Die Schlussfolgerung der deutschen und internationalen Sozialdemokratie daraus war, dass das Kapital die Macht übernommen haben musste. Für Kautsky hatte sich die bürgerlich-demokratische Revolution durch die Reichseinigung erledigt, wie er in „Der Weg zur Macht“ erklärte, und Rosa Luxemburg, der Kopf des linken SPD-Flügels, brachte den gängigen Ökonomismus auf den Punkt, indem sie 1899 schrieb, dass die „wirtschaftliche Entwicklung … die Umgestaltung der ganzen politisch-administrativen Staatsmaschine aus einem halb- oder ganzfeudalen in einen kapitalistischen Mechanismus“ herbeigeführt hätte.[11]
Lenin teilte diese Einschätzung. Wie er Ende 1915 schrieb, datierte von 1871 bis 1914 „eine Epoche des verhältnismäßig ‚friedlichen‘ Kapitalismus, als er in den fortgeschrittenen Ländern Europas den Feudalismus vollständig besiegt hatte“.[12] Auch für ihn markierte die Schaffung des deutschen Nationalstaats im Jahr 1871 also den – sogar „vollständigen“ – Sieg des Kapitalismus über den „Feudalismus“.
Eine schwerwiegende Fehlinterpretation
Tatsächlich kann von einem „Sieg des Kapitalismus über den Feudalismus“ keine Rede sein, jedenfalls nicht im politischen bzw. machtpolitischen Sinn. Vielmehr war es Bismarck gelungen, durch die Gründung des Deutschen Reichs die nationalen Ziele der Revolutionsbewegung von 1848 zu verwirklichen (in kleindeutscher Form) – um so die demokratischen Ziele umso wirksamer abzuwehren.
Gestützt auf ein Bündnis mit dem rechten Flügel der Bourgeoisie konnte der von der 48er Revolution ins Wanken gebrachte preußische Militärstaat durch die Reichseinigungskriege von 1864 bis 1870/71 seine Macht über ganz Deutschland ausdehnen. Während das weitergeltende Dreiklassenwahlrecht in Preußen die fortdauernde Vorherrschaft des Junkertums in dem deutschen Hegemonialstaat sicherte, stand die Armee außerhalb der Verfassung und hatte die junkerliche Militärführung die selbständige Entscheidungsgewalt über einen Einsatz des Militärs im Innern. Der aufgrund des allgemeinen (Männer-) Wahlrechts gewählte Deutsche Reichstag fungierte in dem 1871 gegründeten Nationalstaat als machtloses Pseudoparlament, als „Feigenblatt des Absolutismus“, wie Engels 1891 in seiner Beurteilung des Erfurter Programms eine Kritik Wilhelm Liebknechts wiederholte.
Das bedeutet: das Jahr „1871“ ebnete die Bahn für den Siegeszug des Kapitalismus in dem neuen Deutschen Reich, festigte aber zugleich die Herrschaft einer vorbürgerlichen, junkerlich-agrarischen Klasse in dem Zentralstaat Europas. Es war ein fundamentaler Irrtum zu glauben, dass die Ökonomie anstelle des Klassenkampfs das Werk einer gescheiterten demokratischen Revolution vollbringen würde. Die damit verbundene ökonomistische Lesart des Marxismus führte an entscheidenden Wendepunkten der Geschichte zu schwerwiegenden Fehlern der Arbeiterbewegung.
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- Kolonialer Imperialismus und ein drohender Krieg
Von der so gegebenen ideologischen Basis aus interpretierte die Internationale den kolonialen Imperialismus, als Deutschland Mitte der 90er Jahre zur Weltpolitik überging und mit der Forderung nach einem „Platz an der Sonne“ den Anspruch auf ein großes Kolonialreich erhob, wie Großbritannien und Frankreich es besaßen.
Die Mehrzahl der führenden Theoretiker der Internationale erblickte darin den Beginn einer neuen Phase des Kapitalismus, hervorgerufen durch die ökonomische Entwicklung. Sie waren im Gegensatz zu Marx der Auffassung, dass die kapitalistische Produktionsweise auf ihrer eigenen Basis nicht zur erweiterten Reproduktion fähig sei. Um den zur Akkumulation erforderlichen Teil des Mehrwerts zu realisieren, sei das Kapital auf auswärtige, nichtkapitalistische Absatzmärkte angewiesen. Die koloniale Eroberungspolitik der bürgerlichen Mächte resultierte also aus ökonomischen Zwängen, wie Kautsky bereits 1884 in der „Neuen Zeit“ erklärte: die Kolonien seien „zu einer Lebensbedingung des Kapitalismus geworden“.[13]
Ausführlich begründete Rosa Luxemburg die ökonomische Triebkraft des Imperialismus in ihrem 1913 erschienenen Buch „Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus“. Darin definierte sie den Imperialismus als den „politische(n) Ausdruck des Prozesses der Kapitalakkumulation in ihrem Konkurrenzkampf um die Reste des noch nicht mit Beschlag belegten nichtkapitalistischen Weltmilieus.“[14] Daraus leitete sie die Ausweglosigkeit des Kapitalismus ebenso wie die Unvermeidbarkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern ab.
Gleichlautend schrieb der französische Sozialist Paul Louis 1904: „Der Imperialismus, der die letzte Karte der kapitalistischen Welt darstellt, der ihr als letzte Zuflucht vor Bankrott und elementarem Verfall erscheint, der sich ihr mit unüberwindlicher Schicksalhaftigkeit aufdrängt, ist gleichzeitig ein vortrefflicher, ein unvergleichlicher Schöpfer der Revolution.“[15]
Die koloniale Kriegsfurcht
Dieser kolonial definierte Imperialismus bestimmte auch die Einschätzung der Gefahr eines Kriegs durch die Internationale.
1898 stießen Großbritannien und Frankreich im „Scramble for Africa“ in Faschoda aufeinander, und sieben Jahre später beschwor das Vorgehen des Deutschen Kaiserreichs in der Marokkokrise 1905 die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den europäischen Kolonialmächten herauf. Als Reaktion darauf verabschiedete die Internationale auf ihrem Stuttgarter Kongress 1907 eine Antikriegsresolution, die alle Parteien dazu verpflichtete, im Fall eines drohenden Kriegs „durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Kriegs zu verhindern“, andernfalls „für dessen rasche Beendigung einzutreten“.[16]
1911 kam es erneut zu einer Marokko-Krise, als der deutsche Außenminister Kiderlen-Waechter Frankreich zur Abtretung seiner mittelafrikanischen Besitzungen an Deutschland zwingen wollte. Doch als Großbritannien inmitten zunehmender Spannungen seine Schlachtflotte auslaufen ließ, weil es keine Schwächung Frankreichs zulassen wollte, machte der Kanzler Bethmann Hollweg zur Empörung der Bourgeoisie und der bürgerlichen Presse, die lautstark zum Krieg aufriefen, einen Rückzieher.
Im November 1912 debattierte daraufhin der Baseler Kongress der Internationale erneut die Gefahr von Imperialismus und Krieg und erklärte in einem Friedensmanifest: „Als die größte Gefahr für den Frieden Europas betrachtet der Kongress die künstlich genährte Gegnerschaft zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich“. Daneben wurden zwar auch Konflikte auf dem Balkan erwähnt, aber zum Schluss noch einmal bekräftigt, dass die „Überwindung des Gegensatzes zwischen Deutschland auf der einen, Frankreich und England auf der anderen Seite … die größte Gefahr für den Weltfrieden beseitigen“ würde.[17]
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- Umschwung zum realen Krieg
Zur selben Zeit wurden in Deutschland die Weichen für einen Krieg gestellt, der völlig anders geartet war, als von der Internationale angenommen.
Der Übergang zur Weltpolitik war von der großen Bourgeoisie vorangetrieben worden, die nach Bismarcks Abdankung 1891 die Möglichkeit gesehen hatte, mit Hilfe des Imperialismus, gestützt auf das städtische Kleinbürgertum und möglichst auch die Arbeiterschaft, die Machtgewichte innerhalb des Klassenkompromisses von Junkertum und Bourgeoisie zu ihren Gunsten zu verschieben. „Im Zeichen eines effizienten Imperialismus forderten die Nationalliberalen eine durchgreifende Modernisierung des politischen Systems, und insbesondere die Ablösung der überkommenen Führungseliten durch die Spitzen des deutschen Wirtschaftsbürgertums.“[18]
Real berührte die Weltpolitik die inneren Machtverhältnisse nicht. Die Junker hatten als agrarische Klasse kein Interesse am Imperialismus und überließen die Außenpolitik und sogar das Kanzleramt (mit Bülow als Kanzler) der Bourgeoisie, solange ihre Vormachtstellung nicht infrage gestellt wurde, d.h. solange sie die Macht über die Armee behielten, das preußische Dreiklassenwahlrecht nicht angetastet wurde und der Reichstag kein „verantwortliches“ Parlament wurde.
Doch 1909 ließ ein Steuerstreit um die Weiterfinanzierung des Schlachtflottenbaus den Reichsgründungskompromiss zerbrechen, mit der Folge, dass Bülow zurücktreten musste und die Angriffe auf das preußische Dreiklassenwahlrecht sowie die außerverfassungsmäßige Stellung der Armee zunahmen. Bei der Reichstagswahl im Januar 1912 erlangte die SPD dann durch Wahlkreisabsprachen mit den linken Liberalen fast ein Drittel der Reichstagssitze und erlitt die konservative Junkerpartei eine schwere Niederlage. Nachdem ein anschließender Versuch zur Abschaffung des allgemeinen Reichstagswahlrechts fehlgeschlagen war, sah der junkerliche Militäradel keine andere Möglichkeit mehr als die Flucht in einen Krieg, um seine Vormachtstellung zu behaupten. Das heißt, der 1871 angeblich besiegte „Feudalismus“ ging daran, seine Herrschaft durch einen großen Sieg des preußisch-deutschen Heers erneut zu befestigen.
Sozialdemokratische Vaterlandspolitik
Zur Vorbereitung darauf musste nicht nur das Heer vergrößert werden, außerdem war ein solcher Krieg nur mit Unterstützung der Arbeiterschaft zu führen, und das hieß, mit Zustimmung der SPD.
Die Marinerüstung auf dem Boden der Weltpolitik hatten Bebel und die Mehrheit der Sozialdemokraten als „imperialistisch“ bekämpft und die entsprechenden Beschlüsse der Internationale mit herbeigeführt. Doch bei einem Konflikt mit Russland hatten sie regelmäßig die Bereitschaft bekundet, die deutsche Kultur und die Errungenschaften der Sozialdemokratie gegen den „barbarischen Zarismus“ zu verteidigen. Insbesondere Bebel hatte nicht nur ein Mal im Reichstag verkündet, dass er selber in einem solchen Krieg die „Flinte auf den Buckel“ nehmen würde.[19]
Nachdem die preußische Militärführung den Vertrauensleuten aller Parteien am 24.April 1913 in einer nichtöffentlichen Sitzung des Reichstags-Haushaltsausschusses mitgeteilt hatte, dass das Heer angesichts der Aufrüstung Russlands und Frankreichs verstärkt werden müsse, erarbeitete Bebel im Anschluss eine Stellungnahme, die der SPD-Parteivorstand im Mai unter dem Titel „Ein ernstes Wort in ernster Zeit. Militärvorlage und internationale Rüstungsindustrie“ als Flugschrift verbreiten ließ. Darin hieß es, dass „die geographische und politische Lage des Reiches“ wegen eines möglichen Angriffskriegs „namentlich von Osten her … die Vorbereitung einer starken Schutzwehr notwendig macht“.[20] Das war in verklausulierter Form die Vorwegnahme der sozialdemokratischen Zustimmung zu den Kriegskrediten am 14. August 1914.
Der linke Parteiflügel reagierte nicht auf die Erklärung des Parteivorstands. Die Linken maßen ihr keine größere Bedeutung bei, weil sie auf koloniale Konflikte fixiert waren und der Aufrüstungsbeschluss nicht die Schlachtflotte betraf. Ein anderer Krieg als um Kolonien erschien ihnen jedoch fernliegend, zumal keine ernsthaften wirtschaftlichen Konflikte zwischen den Großmächten existierten.. Vor allem war es für sie undenkbar, dass der preußische Militäradel in der Lage sein könnte, die Regierung in einen Krieg zu treiben, um die eigene Klassenexistenz und Herrschaftsstellung zu bewahren. Schließlich war flügelübergreifend sozialdemokratischer Konsens, dass in Deutschland der Kapitalismus herrschte, das ostelbische Junkertum aufgehört hatte, als eigene Klasse zu existieren, und Kriege nur aus ökonomischen Interessen der Bourgeoisie entstehen könnten.
Schwierigkeiten Lenins und der Linken
Als dieser Krieg dann ausbrach, waren die Revolutionäre in der Internationale wie paralysiert, denn nicht nur kam der Krieg völlig unerwartet, auch war keine ökonomische Ursache dafür zu erkennen – der vertraute Marxismus lieferte keine Erklärung. Erst recht war der Übergang der meisten sozialdemokratischen Parteien auf die Seite ihrer kriegsführenden Regierungen nicht zu begreifen, weil man sie für revolutionär gehalten und ihre Entwicklung zum Reformismus nicht verstanden hatte.
Lenin war mit der erste führende Marxist, der eine revolutionäre Antwort auf die Situation gab. Wie eingangs zitiert, formulierte er Ende August 1914 in der Resolution einer Gruppe russischer Sozialdemokraten, dass der gerade begonnene Krieg den “Charakter eines bürgerlichen, imperialistischen, dynastischen Krieges“ trug. Das reichte vorerst aus, um den Krieg auf allen Seiten für reaktionär zu erklären und die Arbeiterbewegung zum revolutionären Sturz der jeweiligen Kriegsregierung aufzurufen.
Allerdings wies die Beschreibung den Mangel auf, dass sie keinen Kriegsgrund benennen konnte, weshalb Lenin daran ging, dafür eine politische Erklärung zu finden. So notierte er u.a. Ende August/Anfang September 1914 in einem seinerzeit nicht veröffentlichten Artikelentwurf zum Deutschen Kaiserreich: „so ist der deutsche Imperialismus ebenfalls monarchistisch, hat feudal-dynastische Ziele, eine brutale Bourgeoisie, die weniger frei ist als in Frankreich.“[21] Nachdem die ersten Kriegswochen gezeigt hatten, dass in Deutschland die junkerlich-preußische Militärführung politisch wie militärisch der Herr des Kriegs war (während in Großbritannien und Frankreich das Parlament das Zentrum der Macht war), schrieb er auf derselben Linie wenig später erneut in ähnlichem Sinn, dass die deutsche Bourgeoisie „vor den preußischen Junkern mit Wilhelm II. an der Spitze katzbuckelt“.[22] Auch an anderer Stelle unternahm er zu dieser Zeit den Versuch, das Zustandekommen des Kriegs aus der Bewegung der Klassen heraus zu begreifen und berief sich bei diesem Bemühen gegenüber Plechanow auf Clausewitz, wie oben zitiert.
Da er auf diesem Weg jedoch nicht weiterkam, ging er bald daran, die Ursache in den Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie zu suchen, wie das dem vorherrschenden Marxismusverständnis entsprach.
III. Lenins Theorie des Imperialismus
Zu diesem Zweck stützte er sich insbesondere auf das 1910 erschienene Werk „Das Finanzkapital“ von Rudolf Hilferding. Darin hatte der deutsch-österreichische Marxist die Theorie eines neuen Stadiums des Kapitalismus entwickelt, das nicht aus der Kolonialpolitik resultierte, sondern aus immanenten Veränderungen der kapitalistischen Produktionsweise, sprich aus der Durchsetzung von Monopolen.
Die wesentlichen Inhalte dieser Schrift machte Lenin sich als Fundament für seine eigene Monopoltheorie zu eigen, um daraus die ökonomische Ursache für Krieg und Imperialismus abzuleiten. Darüber hinaus zog er eine Fülle weiterer Publikationen und statistischer Daten heran.[23]
Ende des Jahres 1915 begann er mit der Niederschrift einer „Broschüre über den Imperialismus“, wie er in einem Brief an Gorki schrieb.[24] Das Ergebnis war die Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, die im Juni/Juli 1916 fertiggestellt war, aber erst nach der Februarrevolution 1917 gedruckt werden konnte. Sie sollte „den Zusammenhang und das Wechselverhältnis der grundlegenden ökonomischen Besonderheiten des Imperialismus in aller Kürze und in möglichst gemeinverständlicher Form“ darstellen.[25]
Im Vorwort benannte er Hilferdings Werk als ökonomische Richtschnur für seine Broschüre, als „höchst wertvolle theoretische ‚Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus‘, wie der Untertitel des Hilferdingschen Buches lautet.“ Nicht zuletzt lieferte dieser Untertitel ihm das Vorbild für die Titelgebung seines eigenen Textes über den Imperialismus als „jüngstes Stadium“ des Kapitalismus.
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- Die ökonomische Fundierung: Hilferdings „Finanzkapital“
Mit seinem Werk hatte Hilferding es unternommen, die Veränderungen des Wirtschaftslebens zu erklären, die in den vierzig Jahren seit Erscheinen von Band I des „Kapitals“ von Karl Marx im Jahr 1867 eingetreten waren (Band II erschien 1885, Band III 1894, und die „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ 1941). Das waren im wesentlichen Strukturveränderungen des gesellschaftlichen Produktionskörpers, die mit der Entstehung von Kartellen und Trusts einhergingen.
Nachdem die industrielle Anfangsphase des Kapitalismus vor allem von der Textilindustrie getragen worden war und Großbritannien umgewälzt hatte, wurde die folgende Phase mit Kohle, Eisen und Stahl von der Schwerindustrie geprägt. Sie ging auf dem europäischen Kontinent mit einem Industrialisierungsschub einher, der in dem 1871 gegründeten Deutschen Reich zu einer großmaßstäblichen Industrialisierung führte und von zwei parallelen Entwicklungen begleitet war: der Zunahme von Großbetrieben und der Entstehung von Kartellen. [26] Beides zusammengenommen gab Hilferding den Anstoß, eine eigene Monopoltheorie zu entwickeln, deren Grundzüge wenige Jahre später von Lenin übernommen wurden.
Der Betrieb von Zechen und Stahlwerken bedingte eine bis dahin ungekannte Größe der industriellen Anlagen. „Besonders ausgeprägt war die Tendenz zum Großbetrieb im Bergbau und in der Eisen- und Stahlindustrie, wo 1907 knapp 60% (Bergbau) bzw. knapp 75% (Eisen- und Stahlindustrie) der Beschäftigten in Großbetrieben arbeiteten.“[27] Außerdem konnten derartige Betriebe in der Schwerindustrie umso größere Konglomerate bilden, weil die Produktionsstufen von der Kohleförderung über die Stahlherstellung bis zur Weiterverarbeitung und dem Verkauf als Endprodukt häufig in einer Hand lagen, so dass das Erzeugnis zwischenzeitlich im Produktionsverlauf keinen Warencharakter annahm.
Gefördert wurde die Entstehung von Großunternehmen schließlich dadurch, dass 1870 die staatliche Genehmigungspflicht für Aktiengesellschaften in Deutschland aufgehoben wurde, was die Ansammlung von Kapital erleichterte.
Die Kartellbewegung
Hand in Hand damit entstanden in den kapitalistischen Ländern vermehrt Kartelle.[28] Sie waren im eigentlichen Sinn keine „Monopole“, sondern hatten die Gestalt von Vereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen zur Beschränkung des Wettbewerbs. „Eine Ausschaltung der scheinbar ruinösen Konkurrenz zwischen Anbietern gleicher oder ähnlicher Produkte wurde eher durch die Bildung von Kartellen erreicht.“[29]
In erster Linie wurden derartige Kartelle durch Wirtschaftskrisen hervorgebracht und dienten zur Preisabsprache. „Als ‚Kinder der Not‘ war ihre Existenz größtenteils jedoch an eine konjunkturelle Abschwungphase gebunden. Die meisten Kartelle lösten sich deshalb bei Besserung der Konjunktur wieder auf“, weshalb „von einer Ausschaltung der Konkurrenz durch die Bildung von Monopolen … in keiner der genannten Branchen die Rede sein“ kann.[30]
Vorreiter dieser Kartellbewegung war neben den USA das Deutsche Reich, wobei die Kartelle allerdings „keineswegs typisch für die deutsche Volkswirtschaft insgesamt“ waren.[31] Lediglich das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat konnte über lange Jahre eine erfolgreiche Monopolpolitik betreiben, war aber eine Ausnahme und konnte den deutschen Markt nicht vollständig beherrschen.[32]
Monopol und Konkurrenz
Für Marx war es keine Frage gewesen, dass es einzelnen Kapitalen immer einmal wieder gelingen kann, eine Monopolstellung zu erringen und Extraprofite über den Durchschnittsprofit hinaus zu erzielen, so dass es zeitweise zu Störungen im Ausgleich der Profitrate kommt. Doch die Konkurrenz der Kapitale bewirkt ihm zufolge immer wieder eine „beständige Ausgleichung der beständigen Ungleichheiten“, wobei es für die erzielte Wirkung unerheblich ist, ob 10 oder 100 Kapitale miteinander konkurrieren.
Das betrifft auch den Umstand, wenn das fungierende Kapital „in ausnahmsweis großen Massen in einer Hand konzentriert ist“. Aber während Hilferding (und in der Folge Lenin) aus dem Anwachsen der fungierenden Großkapitale auf eine Monopolisierung und ein Ende der Konkurrenz schloss, unterlag es für Marx keinem Zweifel, dass auch in diesem Fall die Konkurrenz zwischen den Kapitalen danach strebt, „diese Unterschiede mehr und mehr auszugleichen“, also die Profitraten wieder zu egalisieren.[33]
In einer 1912 erschienenen Studie „Der Organisationszwang. Eine Untersuchung über die Kämpfe zwischen Kartellen und Außenseitern“ untersuchte der Ökonom Fritz Kestner die Kartellbewegung der Vorkriegszeit. Er gelangte zu dem Schluss: „In der weit überwiegenden Mehrzahl der Industriezweige und des Handels ist zwar eine vorübergehende, aber … keine dauerhafte Monopolisierung möglich.“[34] Seine Untersuchung stellte nicht mehr und nicht weniger als eine Bestätigung der Marxschen Ausführungen dar.[35]
Interpretation durch Hilferding
Dagegen gelangte Rudolf Hilferding zu der Überzeugung, dass zentrale Aussagen der Marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“ keine Gültigkeit mehr beanspruchen könnten. Er sah das „Charakteristische des ‚modernen‘ Kapitalismus“ im Unterschied zum alten, von Marx beschriebenen Konkurrenzkapitalismus in Konzentrationsvorgängen, die „in der ‚Aufhebung der freien Konkurrenz‘ durch die Bildung von Kartellen und Trusts“ erscheinen würden.[36]
Die Annahme, dass die Kartellbewegung seiner Zeit das Ende der Konkurrenz zur Egalisierung der Profitraten bedeuten würde, beruhte auf einem grundlegenden Fehlverständnis der von Marx entwickelten Bewegungsgesetze des Kapitals. Wie Hilferding hatte auch der englische Ökonom David Ricardo die Konkurrenz als „äußerlich und willkürlich“ bzw. als eine „gedachte Voraussetzung“ des Kapitals betrachtet, wie Marx in der Auseinandersetzung mit ihm schrieb. Dem hielt Marx entgegen, dass die Konkurrenz aus dem Kapital selbst hervorgeht bzw. von ihm hervorgebracht wird – sie gehört zu den „Verwirklichungsbedingungen des Kapitals, die es mehr und mehr produzieren muss“.[37] Das heißt, sie ist „nicht die Voraussetzung für die Wahrheit der ökonomischen Gesetze, sondern die Folge – die Erscheinungsform, worin sich ihre Notwendigkeit realisiert.“[38] Oder anders formuliert: „die Konkurrenz herrscht jedem individuellen Kapitalisten die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf.“[39]
In Umkehrung dieses Zusammenhangs betrachtete Hilferding die Zwänge der Konkurrenz als überkommene äußere Regeln, die durch bewusste Steuerung überwunden werden könnten. Auf dieser Basis konnte er seine Auffassung vom Ende der Konkurrenz begründen, mit der Schlussfolgerung: „So erlischt im Finanzkapital der besondere Charakter des Kapitals.“[40]
Herrschaft des Finanzkapitals
Das Unverständnis der Konkurrenz verknüpfte sich bei ihm mit der Theorie, dass die unterschiedlichen Formen, die das Kapital in seinem Reproduktionskreislauf annimmt (als produktives -, Handels- und zinstragendes Kapital), unter der Regie der Banken miteinander verschmelzen würden, bis schließlich ein einziges „Finanzkapital“ entstand: „Im Finanzkapital erscheinen alle partiellen Kapitalformen zur Totalität vereinigt.“[41] In Gestalt dieses allmächtigen Finanzkapitals würden die Banken die Herrschaft über den Gesamtreproduktionsprozess des Kapitals übernehmen, so die Behauptung Hilferdings.
Wie bei der Kartellbewegung fand sich der empirische Ansatzpunkt für die Theoriekonstruktion von der beherrschenden Rolle des zinstragenden Kapitals in Deutschland. Dessen wirtschaftliche Rückständigkeit im Vergleich zu England hatte hier dazu geführt, dass sich im Zuge der Industrialisierung der im internationalen Vergleich ungewöhnliche Typus der Universalbank herausbildete, der die Aufgaben einer Depositen-, einer Beteiligungs- und einer Hypothekenbank miteinander vereinte.[42] Gleichfalls entstand in diesem Zusammenhang eine „sehr enge Verflechtung von Banken und Industrie“, was Deutschland ebenso von anderen Ländern unterschied.[43]
Nur bedeutete das keineswegs eine Verschmelzung von Industrie und Banken bzw. die Unterwerfung des industriellen Kapitals unter die Herrschaft des zinstragenden Kapitals. Otto Jeidels, von dem Lenin in seiner Imperialismusschrift bemerkte, dass er „die Dinge am eingehendsten studiert hat“, führte seinerzeit eine Untersuchung des Verhältnisses der deutschen Großbanken zur Industrie durch.[44] In der Debatte über die Monopoltheorie in den 70er/80er Jahren des letzten Jahrhunderts hat Klaus Winter u.a. diese Untersuchung herangezogen, mit dem Ergebnis:
„In vielfältiger Form weist er (Jeidels; d.V.) auf die Grenzen hin, innerhalb derer sich die Banken bewegen. Ihre Abhängigkeit von der Industrie tritt gerade da hervor, wo die große Industrie am weitesten entwickelt ist. Die Macht, die sie durch die Verfügung über das disponible Kapital der Gesellschaft erhalten, bleibt gebunden an die wechselnden Verwertungsbedingungen eines Reproduktionsprozesses, den sie nicht bestimmen, dem sie sich aber anpassen müssen. Von der Auffassung, die Banken könnten durch ‚bewusste Regelung‘ objektive Gesetze beschneiden, ist Jeidels weit entfernt. Auch einer ‚Verschmelzung‘ von Bankkapital und Industriekapital in dem Sinne, dass die Banken selbst Industrielle werden oder über das industrielle Kapital ‚verfügen‘, hat er nicht das Wort geredet; ‚die Gestalt dieser Kreditvermittlung und damit auch die Organisation der Banken haben sich mit der großkapitalistischen Industrieentwicklung verändert, ihrem Wesen nach ist die Bank aber geblieben, was sie war: Kreditinstitut.‘ Ihrem Wesen nach bleibt die Bank außerhalb des unmittelbaren Reproduktionsprozesses, auf den sie im Wesentlichen reagiert; selbst ihr zielbewusstes Eingreifen in Richtung auf industrielle Konzentration besteht nur darin, dass ‚die Großbanken die Politik der Industrie zu der ihrigen‘ machen.“[45]
Eine neue Begründung für die Zusammenbruchstheorie
Von Kautsky als „vierter Band des Kapitals“ gefeiert, galt Hilferdings Werk bald nach Erscheinen als zeitgemäße Modernisierung des Marxismus. Hatte Marx den „alten“ Kapitalismus behandelt, so war Hilferding nach dieser Lesart sein Nachfolger, dem die Entschleierung des „neuen“ Kapitalismus gelungen war. Das betraf insbesondere auch den bevorstehenden Zusammenbruch der bürgerlichen Ökonomie.
Schon bisher waren die Parteien der II. Internationale vom gesetzmäßig vorgegebenen Ende des Kapitalismus ausgegangen. Der SPD-Vorsitzende Bebel kündigte dies regelmäßig als „Kladderadatsch“ an, der die Sozialdemokratie an die Macht bringen würde, ohne dass es dazu einer Revolution bedurfte.[46] Nunmehr lieferte Hilferdings Monopolanalyse des „neuen“ Kapitalismus die aktuelle wissenschaftliche Begründung für diese Zusammenbruchstheorie.
Am Schluss seines Buchs schrieb Hilferding, dass „die Herrschaft des Kapitals … immer unvereinbarer (wird) mit den Interessen der durch das Finanzkapital ausgebeuteten, aber auch zum Kampf aufgerufenen Volksmassen. In dem gewaltigen Zusammenprall der feindlichen Interessen schlägt schließlich die Diktatur der Kapitalmagnaten um in die Diktatur des Proletariats.“ Wie der „Zusammenprall der Interessen“ das Proletariat ohne revolutionären Sturz der bisherigen Staatsmacht an die Macht bringen sollte, ließ der Autor unbeantwortet; der ebenso unvermittelte wie revolutionär klingende Schluss-Satz von der kommenden Diktatur des Proletariats war nicht mehr als eine verbalrevolutionäre Leerformel.
Als führender sozialdemokratischer Wirtschaftsfachmann amtierte Hilferding in der Weimarer Republik zeitweise als Reichsfinanzminister.
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- Weiterführung durch Lenins Monopoltheorie
Bis 1914 hatte Lenin dem Werk Hilferdings keine besondere Beachtung geschenkt. Das änderte sich erst, als er mit dem Versuch einer klassenpolitischen Erklärung des Kriegs nicht weiterkam und daran ging, die Erklärung in der Ökonomie zu suchen.
Zwar warf er dem Autor Tendenzen zur Versöhnung des Marxismus mit dem Opportunismus vor und schloss sich in der Geldtheorie einer Kritik Kautskys an. Doch ansonsten lieferte ihm „Das Finanzkapital“ das Fundament für seine eigene Monopol- und Imperialismustheorie, weshalb er es als „höchst wertvolle ‚Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus‘“ lobte und sich in seiner Imperialismusschrift immer wieder darauf bezog.
An erster Stelle stand für Lenin dabei das Verhältnis von Konkurrenz und Monopol, das er wie Hilferding mit den Sätzen definierte: „Ökonomisch ist das Grundlegende in diesem Prozess die Ablösung der kapitalistischen freien Konkurrenz durch die kapitalistischen Monopole. Die freie Konkurrenz ist die Grundeigenschaft des Kapitalismus und der Warenproduktion überhaupt; das Monopol ist der direkte Gegensatz zur freien Konkurrenz.“[47] Weil das Monopol tendenziell den „Antrieb zum technischen und folglich auch zu jedem anderen Fortschritt“ verschwinden lassen würde, hatte Hilferding im Finanzkapital den besonderen Charakter des Kapitals erlöschen lassen, was Lenin so ausdrückte, dass der Imperialismus „sterbender Kapitalismus“ sei.
Wie Hilferding ließ auch Lenin seine eigene Monopoltheorie in der beherrschenden Rolle der Banken gipfeln, indem er eine „immer größere Verschmelzung“ bzw. „ein Verwachsen des Bankkapitals mit dem Industriekapital“ konstatierte, so dass mit der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert die „Herrschaft des Finanzkapitals“ angebrochen sei.[48]
Widersinnige Aussagen
An einer Stelle wich er allerdings von Hilferding ab, ohne das zu thematisieren. Nachdem er bis dahin die Monopolisierung und den Niedergang des Kapitalismus beschrieben hatte, behauptete er plötzlich: „Im großen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher“.[49] Wahrscheinlich reflektierte diese Bemerkung die Tatsache, dass die aus Hilferdings Theoriekonstruktion folgende Stagnation des Kapitalismus in der wirtschaftlichen Realität nicht festzustellen war, weshalb Lenin hier unvermutet das Gegenteil dessen behauptete, was ansonsten aus der Monopoltheorie folgte und er selber geschrieben hatte.
Nur – wie lassen sich die widersprüchlichen Aussagen miteinander vereinbaren? Wie kann die kapitalistische Produktionsweise auf dem Sterbebett liegen und gleichzeitig schneller wachsen als in ihrer Blütezeit? Explizit äußerte Lenin sich zu diesem Widerspruch nicht. Stattdessen findet sich an anderer Stelle die Aussage: “Zugleich aber beseitigen die Monopole nicht die freie Konkurrenz, aus der sie erwachsen, sondern bestehen über und neben ihr und erzeugen dadurch eine Reihe besonders krasser und schroffer Widersprüche, Reibungen und Konflikte.“[50] Aber was bedeutet es, wenn die freie Konkurrenz unter und neben den Monopolen fortbesteht? Ist also der weiterexistierende Konkurrenzkapitalismus für das beschleunigte Wachstum verantwortlich? Wie kann dann aber der Kapitalismus gleichzeitig von den Monopolen beherrscht sein und im Sterben liegen?
Der in diesem Zusammenhang von Lenin gemachte Verweis auf „besonders krasse und schroffe Widersprüche“ gibt darauf keine Antwort, sondern formuliert das Problem nur mit anderen Worten. Die Monopoltheorie, die das Fundament der Imperialismusschrift bildet, widerspricht nicht nur den ökonomischen Tatsachen und der Marxschen Theorie des Kapitals, sie ist auch in sich widersinnig.
Unwiderlegte Kritik
1976 bemerkte ein bürgerlicher Kritiker der Imperialismustheorie: „Die empirische Fundierung der Leninschen Monopolisierungsthese ist geradezu skandalös: An Stelle systematischer und differenzierender Analysen werden durchwegs nur Einzeldaten präsentiert und für unzulässige Folgerungen missbraucht.“ [51] Von Seiten der Verteidiger der Monopoltheorie hat sich daran bis heute nichts geändert. Eine konkrete Untersuchung, die die ökonomischen Aussagen der Imperialismusschrift einordnet in den Kenntnisstand der Wirtschaftsgeschichte zu Kartellen und Trusts, existiert nicht.
Zu den bürgerlichen Hauptautoren, auf die Lenin sich bei der Ausarbeitung der Monopoltheorie bezog, gehörten sowohl Fritz Kestner (zur Frage von Kartellen und Konkurrenz) als auch Otto Jeidels (zur Frage von Banken und Finanzkapital), die wir beide oben zitiert haben. Über deren Untersuchungen bemerkt K. Winter in seiner Schlussbewertung der Monopoltheorie: „Kestner und Jeidels kommt in diesem Zusammenhang insofern eine wichtige Rolle zu, als Lenin zentrale theoretische Aussagen auf deren Arbeiten stützen will. Nimmt man deren Werke in ihrem ganzen Umfang und in ihrem eigenen Zusammenhang zur Kenntnis, so muss man feststellen, dass sie der Theorie eines neuen monopolistischen Stadiums grundsätzlich widersprechen, vielmehr eine empirische Stütze für die Richtigkeit des Marxschen ‚Kapitals‘ darstellen, von dessen Boden aus sie durchaus nachvollziehbar und begreifbar sind.“[52] Indessen stützte sich Lenin auf diese Werke, ohne wenigstens in einer Fußnote darauf hinzuweisen, dass die Autoren zu anderen Schlussfolgerungen über die Rolle von Kartellen und Banken gelangten als er.
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- Imperialismus und Krieg
Neben Hilferdings „Finanzkapital“ berief Lenin sich auf das 1902 erschienene Werk „Imperialism – a study“ des englischen Liberalen John A. Hobson, die erste ausführliche Darstellung und Kritik des zeitgenössischen Imperialismus.
Basierend auf der Monopoltheorie konnte Lenin den Begriff des Imperialismus damit von der Kolonialpolitik lösen, die für die sozialdemokratische Internationale im Zentrum gestanden hatte, und ihm einen umfassenden neuen Inhalt geben, indem er ihn als das monopolistische Stadium des Kapitalismus definierte: „Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen.“[53] Der so gefasste Imperialismus verkörperte grundsätzlich den Drang nach „Gewalt und Reaktion“, nach Herrschaft und nicht nach Freiheit. Er beschränkte sich also nicht auf die Eroberung kolonialer Territorien, sondern strebte danach, „nicht nur agrarische Gebiete, sondern sogar höchst entwickelte Industriegebiete zu annektieren“.[54] „Die Besonderheit des Imperialismus ist die Herrschaft eben nicht des Industrie-, sondern des Finanzkapitals, das Streben, eben nicht nur Agrarländer, sondern beliebige Länder zu annektieren.“[55]
Daraus ergab sich die Erklärung für den Krieg, nach der Lenin gesucht hatte. Da „Imperialismus überhaupt Drang nach Gewalt und Reaktion“ ist, war für den Gang in den Krieg kein besonderer Grund erforderlich, sondern war die Ursache auf grundsätzlicher Ebene zu finden – im Imperialismus als solchem. Deshalb konnte er schreiben, dass seine Abhandlung über den Imperialismus den Beweis erbringen würde, „dass der Krieg von 1914-1918 auf beiden Seiten ein imperialistischer Krieg (d.h. ein Eroberungskrieg, ein Raub- und Plünderungskrieg) war, ein Krieg um die Neuaufteilung der Welt, um die Verteilung und Neuverteilung der Kolonien, der ‚Einflusssphären‘ des Finanzkapitals usw.“[56]
Monopolistische Egalisierung aller Kriegsstaaten
Der erweiterte Imperialismusbegriff hatte zur Folge, dass Lenin die in den ersten Kriegswochen getroffene Unterscheidung der kriegführenden Staaten in „fortgeschrittene kapitalistische“ und „rückständige monarchistische Länder“ fallen ließ.
Auf Basis der Monopoltheorie stellte er nunmehr fest, dass „ein Vergleich, sagen wir, der republikanischen amerikanischen Bourgeoisie mit der monarchistischen japanischen oder deutschen (zeigt), dass auch der stärkste politische Unterschied in der Epoche des Imperialismus in hohem Grade abgeschwächt wird …, weil es sich in allen diesen Fällen um eine Bourgeoisie mit ausgesprochen parasitären Zügen handelt.“[57] Oder an anderer Stelle: „Der Unterschied zwischen der republikanisch-demokratischen und der monarchistisch-reaktionären imperialistischen Bourgeoisie verwischt sich gerade deshalb, weil die eine wie die andere bei lebendigem Leibe verfault“.[58]
Das traf auch auf das zaristische Russland zu, das Lenin in der Imperialismusschrift nicht behandelt hatte, weil die Schrift legal im Land erscheinen sollte. Nach der Februarrevolution 1917 schrieb er nunmehr im Vorwort zur russischen Ausgabe: „Der aufmerksame Leser wird mit Leichtigkeit an Stelle Japans – Russland setzen“.[59] Das heißt, alle am Krieg beteiligten Mächte trugen denselben monopolistisch-imperialistischen Charakter, ob es sich um Deutschland oder Russland, Großbritannien oder Japan, Frankreich oder die USA handelte.
Sämtliche Erscheinungen des Kriegs konnten jetzt als „imperialistisch“ erklärt werden, gleich ob es sich um den Frieden von Brest-Litowsk handelte (den die preußisch-deutsche OHL Russland als „dynastischen“ Frieden zur Stärkung Preußens diktierte), den Gang der USA in den Krieg oder die Aufteilung der deutschen Kolonien zwischen Frankreich und Großbritannien nach dem Krieg.
Die so getroffene Festlegung ließ keinen Raum mehr für die Fragestellung, ob und welche Klassenwidersprüche innerhalb der kriegsbeteiligten Länder ursächlich für den Gang in den Krieg gewesen waren. Angefangen mit dem Weltkrieg diente der Begriff des „Imperialismus“ fortan als Universalschlüssel zur Erklärung jedweder Politik der kapitalistischen Mächte. Er tut dies bis heute.
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- Bestechung und der „Verrat“ der II. Internationale
Die Monopoltheorie lieferte auch die Erklärung für den Zusammenbruch der II. Internationale, für Opportunismus und Verrat. Die „ökonomischen Wurzeln dieser Erscheinung“ sah Lenin in den Monopolprofiten, denn es „ist klar, dass man aus solchem gigantischen Extraprofit … die Arbeiterführer und die Oberschicht der Arbeiteraristokratie bestechen kann.“[60]
Diese Bestechungsthese wiederholte er durchgängig als entscheidende Ursache, denn mit den Monopolprofiten „bekommen die Kapitalisten eines Industriezweigs ökonomisch die Möglichkeit, einzelne Schichten der Arbeiter, vorübergehend sogar eine ziemlich bedeutende Minderheit der Arbeiter zu bestechen“.[61] Die Folge war „das Bündnis einer kleinen bevorrechteten Arbeiterschicht mit ‚ihrer‘ nationalen Bourgeoisie gegen die Masse der Arbeiterklasse“.[62]
Unterschiedliche Gründe
Doch welchen Erklärungswert hat diese Bestechungsthese?
Zum einen waren es nicht nur kleine, ökonomisch „bestochene“ Minderheiten, die sich im Krieg auf die Seite der Herrschenden stellten, sondern weit größere Teile des Proletariats. Zum andern waren dafür je nach dem gegebenen Land unterschiedliche Gründe verantwortlich.
So wurden in Großbritannien vor dem Weltkrieg wachsende Teile des Volkes, darunter auch viele Arbeiter, durch die sukzessive Ausdehnung des Wahlrechts an die parlamentarische Herrschaft der Bourgeoisie herangeführt. Darüber hinaus war in der Arbeiterschaft auf dem Boden des britischen Weltreichs der „Jingoismus“ verbreitet, die begeisterte Unterstützung des Empire-Gedankens, worauf bereits Engels hingewiesen hatte.[63]
In Frankreich war ein Flügel der Sozialisten unter Alexandre Millerand seit der Jahrhundertwende an der bürgerlichen Regierung beteiligt, war also an die Seite der Bourgeoisie getreten. Angesichts der industriellen Zurückgebliebenheit des Landes konnten bzw. können dafür schwerlich „Monopolprofite“ verantwortlich gemacht werden. Außerdem war die Forderung nach Revanche für den Verlust von Elsass-Lothringen nicht nur in der Bourgeoisie und dem Kleinbürgertum, sondern auch in Teilen der Arbeiterschaft verbreitet.
Die deutsche Arbeiterbewegung
In Deutschland wiederum führte die Integration der Arbeiterbewegung in den preußisch-deutschen Obrigkeitsstaat nicht zur Verbürgerlichung der Sozialdemokratie, sondern entsprechend den Gesellschaftsverhältnissen zu ihrer Verpreußung. Im Krieg setzte sich diese Entwicklung fort, denn während in Großbritannien und Frankreich die Parteien der II. Internationale qua Parlament und Regierungsbeteiligung mit der Bourgeoisie zusammenarbeiteten, etablierte die SPD-Parteiführung Beziehungen zur junkerlichen Obersten Heeresleitung, dem Machtzentrum Deutschlands im Krieg.[64] Das enger werdende Verhältnis gipfelte in dem „Ebert-Groener-Pakt“ zwischen dem SPD-Vorsitzenden und dem Chef der OHL, in dem beide Seiten die Niederschlagung der Novemberrevolution vereinbarten, da die SPD-Führung den Bismarck-Staat nicht stürzen, sondern unter ihrer Regierung fortführen wollte und zu diesem Zweck die militärische Hilfe des Junkertums in Anspruch nahm.
Jenseits der Vaterlandsverteidigung, an die in Frankreich wie in Deutschland Viele glaubten, bestimmten also unterschiedliche Klassenkonstellationen und Faktoren das Verhalten erheblicher Teile der Arbeiterschaft in den verschiedenen Ländern. Die Bestechungsthese der Monopoltheorie war – und ist – außerstande, hierfür eine länderübergreifende Erklärung zu liefern.
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- Der Irrtum der Imperialismustheorie und die Komintern
Da aus der Monopolisierung folgte, dass der Kapitalismus seinem Ende entgegen ging, betonte Lenin auf den letzten Seiten seiner Schrift noch einmal, dass der Imperialismus „charakterisiert werden muss als Übergangskapitalismus oder, richtiger, als sterbender Kapitalismus.“[65] Tatsächlich schien sich die Schlussfolgerung vom nahenden Untergang des Kapitalismus am Ende des Weltkriegs auch zu bewahrheiten, als reihenweise Staaten, die am Krieg teilgenommen hatten, zusammenbrachen und eine revolutionäre Krise Europa erschütterte.
Nur begann damit nicht der weltweite Tod des Kapitalismus, wie Lenin meinte, denn die Staaten des „Westens“, die eine bürgerliche Revolution hinter sich hatten, blieben in den Wirren der Zwischenkriegszeit nach dem Ersten Weltkrieg weitgehend stabil. Dagegen brach die alte Ordnung in den Ländern zusammen, die sich einer bürgerlichen Revolution bis dahin erfolgreich widersetzt hatten: das waren das zaristische Russland, der preußisch-deutsche Militärstaat und die österreichisch-ungarische Habsburgermonarchie. Historisch gesehen, waren dies die Staaten, die sich nach den napoleonischen Kriegen 1815 als „Heilige Allianz“ zusammengeschlossen hatten, um demokratische und nationale Bestrebungen ihrer Völker niederzuhalten.
Das war den adelig-monarchischen Herrschaftskräften in den genannten Ländern auch lange Zeit gelungen, indem sie einen Flügel der Bourgeoisie an der Macht beteiligt hatten, ohne die eigene Vorherrschaft, d.h. die Verfügung über den Staatsapparat und insbesondere die bewaffnete Macht, aufzugeben. Doch den Belastungen eines mehrjährigen Kriegs waren die vorbürgerlichen Herrschaftsstrukturen nicht gewachsen. Der Zusammenbruch resultierte also nicht aus einer fortgeschrittenen monopolkapitalistischen Ökonomie – vielmehr konnte eine überholte Gesellschaftsordnung dem angestauten Druck der bis dato aufgehaltenen bürgerlichen Revolution nicht länger standhalten, die als erstes im Februar 1917 den russischen Zarismus aus dem Weg räumte.
Zusammenbruch der alten Ordnung
Im November 1918 wurde dann zu Beginn einer anlaufenden bürgerlich-demokratischen Revolution wenige Tage nach der Habsburgermonarchie die preußisch-deutsche Monarchie gestürzt, als Arbeiter und Soldaten gemeinsam daran gingen, den alten Staatsapparat und die junkerliche Armee zu entmachten und eine neue demokratische Ordnung zu errichten.
Indessen hatten die Linken in Deutschland kein Konzept für diese Revolution. Rosa Luxemburg, die mit Karl Liebknecht an der Spitze des Spartakus-Bunds stand, hing zwar nicht wie Lenin der Monopoltheorie an, war aber in der Tradition der II. Internationale und auf dem Boden ihrer eigenen Imperialismustheorie ebenso wie Lenin vom Ende des Kapitalismus-Imperialismus und dem sofortigen Übergang zum Sozialismus überzeugt.
Anstatt also die Novemberrevolution als demokratische Revolution zu Ende zu führen, propagierten Spartakus/KPD den Kampf für die Diktatur des Proletariats und den Sozialismus, darin eingeschlossen die Enteignung aller Agrarproduzenten (bis auf arme Bauern) – wodurch nicht nur die Masse der Bauernschaft, sondern das Kleinbürgertum insgesamt auf die Seite der Konterrevolution getrieben werden musste.
Ohne Führung mit einem tauglichen politischen Konzept hatte die spontane Revolutionsbewegung gegen die im Bündnis mit der OHL stehende SPD-Spitze keine Chance. Weder konnte der obrigkeitliche Staatsapparat beseitigt werden noch wurden Junkertum und Schwerindustrie enteignet. Die neue parlamentarische Republik war nicht mehr als ein Überwurf über den fortbestehenden Strukturen der alten Ordnung. Die historisch überfällige bürgerliche Revolution scheiterte in Deutschland also ein weiteres Mal, und ihre Niederlage bildete den Nährboden für den Aufstieg des Nationalsozialismus.
Die Komintern und der weltweite Sieg des Sozialismus
Ungeachtet ihrer sonstigen Differenzen stimmte Lenin mit Luxemburg in der Frage der Aktualität der sozialistischen Revolution in Deutschland überein, da für ihn feststand, dass „das aus dem Kapitalismus hervorwachsende Monopol … bereits das Sterben des Kapitalismus, der Beginn des Übergangs in den Sozialismus“ ist.[66]
Von dieser Annahme ausgehend war er davon überzeugt, dass die europäische Nachkriegskrise das weltweite Ende des Kapitalismus und den Sieg des Sozialismus im internationalen Maßstab bedeuten würde. Daher forderte er, den „Kampf für eine weltumspannende Sowjetrepublik“ zu führen und „die Arbeiterbewegung und die gesellschaftliche Entwicklung überhaupt auf dem geradesten und raschesten Wege zum Sieg der Sowjetmacht und zur Diktatur des Proletariats in der ganzen Welt zu führen“.[67]
Um dieser Aufgabe nachzukommen, wurde Anfang März 1919 in Moskau als Nachfolgerin der II. Internationale die „Kommunistische Internationale“ gegründet. Sie sollte als „wirklich leitende Zentralstelle … die internationale Taktik des revolutionären Proletariats in seinem Kampf für eine weltumspannende Sowjetrepublik“ anleiten, wie Lenin postulierte.[68]
Der „linke Radikalismus“
Als Leitfaden für diesen Kampf schrieb er im Frühjahr 1920 „Der ‚linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus“, worin er die praktisch-politischen Schlussfolgerungen aus der Imperialismustheorie und dem vorausgesagten Ende des Kapitalismus zog. Zu diesem Zweck fasste er die langjährigen Erfahrungen der Bolschewiki im Prozess der russischen Revolution zusammen mit dem Ziel, den soeben gegründeten kommunistischen Parteien zu helfen, den Kampf um den Sozialismus mit der notwendigen taktischen Flexibilität zu führen.
Die Schrift negierte, dass das grundlegende Problem der linksradikalen Politik nicht fehlendes taktisches Geschick war, sondern auf der Ebene der Strategie lag, nämlich im Verhältnis von proletarischer zu bürgerlicher Revolution und der Rolle des Proletariats als Hegemon einer bürgerlich-demokratischen Revolution im Bündnis mit dem Kleinbürgertum. Dagegen musste jeder direkte Anlauf zum Sozialismus durch eine nur-proletarische Revolution scheitern, mochte er taktisch noch so flexibel gehandhabt werden.
Die Konsequenzen dieser Fehlorientierung machten sich vor allem in Deutschland bemerkbar, wo die KPD als stärkste kommunistische Partei außerhalb Russlands kurz vor dem Sieg zu stehen schien. Komintern und KPD-Führung vermochten es indessen nicht, sich aus den Fesseln der Imperialismustheorie zu lösen. Während die NS-Führung mit dem Konzept der Volksgemeinschaft ein Hegemonialprogramm entwickelte, das ihr zur Macht verhalf,[69] hielten sie mit der Sozialismusstrategie an einer Niederlagenstrategie fest, die den revolutionären Flügel der Arbeiterbewegung in die Isolierung führte.
Schlussbemerkung
Politisch brach Lenin mit der II. Internationale und war so in der Lage, eine revolutionäre Antwort auf den Weltkrieg zu geben sowie das russische Proletariat zum Sieg in der Oktoberrevolution zu führen.
Um den Krieg zu erklären, hielt er jedoch an dem ökonomischen Marxismusverständnis der Internationale fest, übernahm Hilferdings Auffassungen zur Monopolisierung, die im Gegensatz zu Marx standen, und baute darauf seine Imperialismustheorie auf.
Anstelle der vielfältigen – klassenbedingten, ökonomischen, außenpolitischen oder militärischen – Ursachen für die imperialistische Politik von Staaten definierte er „Imperialismus“ so als ökonomisch gesetzmäßige Folge bzw. Charakteristik eines neuen Stadiums des Kapitalismus. Dieser monopolistische Imperialismus war für ihn ein sterbender Kapitalismus, der den Übergang in den Sozialismus bilden sollte und dessen Ableben er fälschlicherweise mit dem Zusammenbruch der alten, vorbürgerlichen Ordnung in der Mitte und im Osten Europas als Folge des Weltkriegs in eins setzte.
Mittlerweile hat der von Lenin weltweit für sterbend erklärte Kapitalismus sein angekündigtes Ableben bereits mehr als 100 Jahre überdauert. Mindestens diese Tatsache sollte Grund genug sein, um die Leninsche Monopol- und Imperialismustheorie zu überdenken. Sie ist ungeeignet, um den gegenwärtigen Kapitalismus zu begreifen und den revolutionären Marxismus auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Literatur
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Baumgart, Winfried (1976): Deutschland im Zeitalter des Imperialismus (1890-1914); Ullstein: Frankfurt
Bley, Helmut (Hrsg) (2014): Bebel und die Strategie der Kriegsverhütung 1904-1913, Offizin-Verlag: Hannover
Geyer, Dietrich(1962): Lenin in der russischen Sozialdemokratie; Böhlau-Verlag: Köln
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Hampe, Peter (1976): Die „ökonomische Imperialismustheorie“. Kritische Untersuchungen; Beck: München
Hedeler, Wladislaw und Külow, Volker (Hrsg und Kommentatoren) (2018): Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Kritische Neuausgabe mit Essays von Dietmar Dath und Christoph Türcke; Verlag 8.Mai; Berlin
Hilferding, Rudolf (1910/1955): Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus; Nachdruck der Neuausgabe von 1947 mit einem Vorwort von Fred Oelßner; Dietz Verlag: Berlin. Im Internet unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/hilferding/1910/finkap/index.html
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Karuscheit, Heiner (2014): Deutschland 1914. Vom Klassenkompromiss zum Krieg; VSA: Hamburg
Karuscheit, Heiner (2017): Die verlorene Demokratie. Der Krieg und die Republik von Weimar; VSA: Hamburg
Karuscheit, Heiner (2025): Der deutsche Rassenstaat. Volksgemeinschaft und Siedlungskrieg – NS-Deutschland 1933-1945; VSA: Hamburg
Kestner, Fritz (1912): Der Organisationszwang. Eine Untersuchung über die Kämpfe zwischen Kartellen und Außenseitern; Verlag C. Heymann: Berlin
Marx, Karl (1953): Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf); Dietz Verlag: Berlin
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Pohl, Hans (1989): Aufbruch der Weltwirtschaft. Geschichte der Weltwirtschaft von der Mitte des 19.Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg; Steiner: Stuttgart
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Schröder, Hans-Christoph (1968): Sozialismus und Imperialismus. Die Auseinandersetzung der deutschen Sozialdemokratie mit dem Imperialismusproblem und der „Weltpolitik“ vor 1914, Teil 1 (Teil 2 nicht erschienen); Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert Stiftung; Hannover
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Wehler, Hans-Ulrich (1969/1972): Bismarck und der Imperialismus; Köln-Berlin
Wehler, Hans-Ulrich (1973): Das deutsche Kaiserreich 1871-1918; Göttingen
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Winter, Klaus: Monopolkapitalismus und Finanzkapital. Zur Problematik beider Begriffe in Lenins Imperialismusschrift; in: AzD 39/ 1987 = https://kommunistische-debatte.de/?page_id=363
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Ziegler, Dieter (2005): Das Zeitalter der Industrialisierung (1815-1914); in: Michael North (Hg): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick; Beck: München
[1] In diesem Zusammenhang ist vor einigen Jahren sogar eine „Kritische Neuausgabe“ der Leninschen Imperialismusschrift erschienen, herausgegeben und kommentiert von Hedeler und Külow.
[2] Wolfe 1965, S. 767
[3] Ebda, S. 788
[4] LW Bd. 21, S. 1-2
[5] Der Krieg und die russische Sozialdemokratie“, LW 21, S.13
[6] Ebda, S. 19
[7] Ebda, S.20
[8] Resolutionen der Konferenz der Auslandssektionen der SDAPR vom 27.Februar bis 4.März 1915 in Bern; LW 21, S.149
[9] Der Zusammenbruch der II. Internationale, Mai/Juni 1915, LW 21, S.212-213; Hervorhebungen durch Lenin
[10] Vorwort vom April 1917 zur russischen Ausgabe; LW 22, S.192
[11] Sozialreform oder Revolution, 1898, zit. in: „Rosa Luxemburg – Das Scheitern eines Revolutionsprogramms“, AzD 91, S.6
[12] Vorwort zu Bucharins Broschüre „Weltwirtschaft und Imperialismus“, LW 22, S.102
[13] Zit. in: Schröder 1975, S.107. Im Vorfeld des Weltkriegs schwenkte Kautsky zu einer anderen Erklärung um und vertrat jetzt, dass der Imperialismus nicht aus ökonomischen Zwängen entstand, sondern lediglich eine besondere Art von Politik wäre. Mit dieser Erklärung des Imperialismus setzte sich Lenin in seiner Imperialismusschrift ausführlich auseinander.
[14] Zit. in: Karuscheit 2014, S.170 f
[15] Zit. in: Lenin: Hefte zum Imperialismus, LW 39, S.242
[16] Braunthal 1, S.344
[17] Ebda, S.352 f; https://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=15078
[18] Mommsen 1979, S.184
[19] Bley 2014 sowie H.Karuscheit: August Bebel als Vaterlandsverteidiger; in: AzD 88/2018 = https://kommunistische-debatte.de/?page_id=1511
[20] Dokument 82 b in: Bley, S. 272
[21] Der europäische Krieg und der internationale Sozialismus, LW 21, S.8. Nach der Wendung zur Ökonomie im Zuge der Erarbeitung der Imperialismusbroschüre spielten „feudal-dynastische Ziele“ des Deutschen Kaiserreichs für ihn keine Rolle mehr; nunmehr schrieb er Ende 1915 zur deutschen Reichseinigung, dass der Kapitalismus mit dem Jahr 1871 in Europa den vollständigen Sieg über den Feudalismus davongetragen hätte (LW 22, S.102).
[22] Der Krieg und die russische Sozialdemokratie, September/Oktober 1914; LW 21, S.14
[23] Die angefertigten Notizen und Exzerpte sind in LW 39 veröffentlicht
[24] LW 35, S.187
[25] LW 22, S.199
[26] Steiner 1989, S.153ff sowie Ziegler 2005
[27] Ziegler, S.247
[28] Siehe hierzu den Überblick in Hampe, S.68ff
[29] Ziegler, S.249
[30] Ziegler S.249
[31] Ziegler S.250
[32] Ziegler S.250
[33] MEW 25, S.206, 657
[34] zit. in: Klaus Winter, AzD 39, S.98
[35] Abgesehen von der Konkurrenz der Kapitale existieren mittlerweile in den meisten kapitalistischen Ländern Kartellgesetze, mit denen der Staat in seiner Eigenschaft als ideeller Gesamtkapitalist verhindert, dass einzelne Kapitale eine „marktbeherrschende Stellung“ einnehmen.
[36] Hilferding, S.1
[37] Marx: Grundrisse, S.454
[38] Ebda, S.450
[39] MEW 23, S.618
[40] Hilferding, S.350
[41] Ebda
[42] Pohl, S.266
[43] Ebda, S.262
[44] Jeidels 1913 / 2017
[45] Winter in AzD 39, S.118 = https://kommunistische-debatte.de/?page_id=363
[46] Bebel auf dem Erfurter Parteitag der SPD 1891: „Die bürgerliche Gesellschaft arbeitet so kräftig auf ihren eigenen Untergang los, dass wir nur den Moment abzuwarten brauchen, in dem wir die ihren Händen entfallende Gewalt aufzunehmen haben … Ja, ich bin überzeugt, die Verwirklichung unserer Ziele ist so nahe, dass nur Wenige in diesem Saale sind, die diese Tage nicht erleben werden.“ (Parteitagsprotokoll Erfurt 1891, S. 167, 172; zitiert in Geyer, S. 140)
[47] LW 22, S.270
[48] LW 22, S.226, 229
[49] LW 22, LW 22, S.306; Hervorhebung durch d.V.
[50] LW 22, S.270
[51] Hampe, S.73, Anm.119
[52] Klaus Winter in: AzD 39, S.131
[53] LW 22 S. 270, 302
[54] LW 22, S.273
[55] LW 23, S.104
[56] Vorwort von 1920 zur französischen und deutschen Ausgabe, LW 22, S.194
[57] LW 22, S.306
[58] Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Oktober 1916, LW 23, S.103
[59] LW 22, S.192
[60] LW 22, S.198
[61] LW 22, S.306
[62] Der Opportunismus und der Zusammenbruch der II. Internationale: LW 22, S.111
[63] Siehe Lenin: Der Imperialismus …; LW 22, S.288f
[64] Auf Basis dieser Annäherung öffnete das Vaterländische Hilfsdienstgesetz von 1916 den Gewerkschaften gegen die Schwerindustrie die Großbetriebe und wirkte die SPD-Führung im Juli 1917 mit der OHL beim Sturz des inzwischen friedensbereiten Kanzlers Bethmann-Hollweg zusammen. (Karuscheit 1917, S.61ff)
[65] LW 22, S.307
[66] Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Oktober 1916; LW 23, S.104
[67] Der ‚linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus, Frühjahr 1920; LW 31, S.79, 91
[68] Ebda, S.79
[69] Karuscheit 2025