Der direktdemokratische Weg zu einer besseren Gesellschaft

Alfred Müller

Notwendigkeit der Kapitalismusüberwindung
Die gegenwärtigen Probleme, die uns heute umgeben, zerstören und bedrohen unsere Lebensgrundlagen. Es ist daher Zeit, die Hauptverursacherin dieser existenziellen Bedrohungen, die kapitalistische Wirtschaftsweise, durch ein neues, besseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu ersetzen.

Der Kapitalismus hat keine Zukunft und schafft keine Zukunft. Er ist trotz seiner Wohltaten ein kannibalisches System und lässt sich nicht reformieren. Dem kapitalistischen Staat sind durch seine Eigentums- und Herrschaftsgarantie die Hände gebunden. Hilflos schaut er den Krisenhäufungen zu. Mit seiner Symptom- und Symbolpolitik kratzt er nur an der Oberfläche und übernimmt lediglich die Funktion des Straßenfegers.

Stückwerk und eine Politik der Symbole reichen nicht mehr. Um unsere Umwelt-, Gerechtigkeits-, Friedens- , Wirtschafts- und Gesundheitsziele zu erreichen und menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen herzustellen, brauchen wir grundlegende systemüberwindende Reformen und einen Wandel im Bewusstsein der Bevölkerung.

Es gilt, wie Jean Ziegler (UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung )1 hervorhebt: Entweder zerstört uns der Kapitalismus, oder wir zerstören den Kapitalismus.

Was sind die heutigen Probleme?
Zu heutigen existenziellen Bedrohungen gehören die unerträglichen Arbeits- und Lebensbedingungen, die enorme Arbeitslosigkeit gerade unter Jugendlichen, die skandalöse Kluft zwischen Reich und Arm, die Spaltung und Prekarisierung der Arbeits- und Lebenswelt, die drastische Wohnungsnot, die Ellbogenmentalität und Vereinsamung, die gewaltige Macht der Konzerne, die ständigen Wirtschafts- und Finanzkrisen und die fortlaufenden Handelskriege, die gefährliche weltweite Schuldenexplosion, der Verfall der öffentlichen Infrastruktur, die wachsende regionale Ungleichheit, das Elend und der Hunger in den ärmeren Ländern, die Unterdrückung der Frauen, die Plünderung der Natur, die Tierquälerei, die riesigen Verschwendungen, die umfangreichen Vergiftungen durch industrielle Lebensmittel, die ständigen völkerrechtswidrigen Angriffskriege der NATO, die neonazistischen Tendenzen und nicht zuletzt die Artenvernichtung, die Vermüllung und Versauerung unserer Meere und die gefährlichen zunehmenden Klimakatastrophen.

Das kapitalistische System tötete im zweiten Weltkrieg fast 60 Millionen Menschen. Heute tötet diese Wirtschaftweise nicht in sechs Jahren, sondern in einem Jahr mehr als 60 Millionen Kinder, Frauen und Männer. Dieses Wirtschaftssystem ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gehört abgeschafft.

Wie ist die Kapitalismusbewertung?
Trotz der vielen existenziellen Bedrohungen und Zerstörungen, die durch den Kapitalismus entstehen, wollen nur wenige den Kapitalismus überwinden.

Die Kapitaleigner, die politisch Privilegierten und ihre Vertreter, die Neoklassiker, wollen mehr und nicht weniger Kapitalismus. Aus ihrer Sicht lebt der Kapitalismus ewig, weil er angeblich das beste Wirtschaftssystem darstellt, der bisherige Sozialismus versagt hat, keine besseren Alternativen in Sicht sind und der Kapitalismus für alle Wohlstand bringt.

Die Mittelschicht, einige Kapitalisten, und ihre Vertreter, die Keynesianer, sehen die vorhandenen Probleme und Krisen, die der Kapitalismus erzeugt. Sie wollen jedoch das kapitalistische System erhalten, es bändigen und zähmen und über den Staat den guten, den sozial- und umweltverträglichen Kapitalismus schaffen. Der Kapitalismus ist für sie biegsam, wandlungs- und entwicklungsfähig. Daher braucht er nicht gesprengt, sondern nur fortentwickelt zu werden.

Viele Lohnabhängige und ihrer Vertreter, die Marxisten, setzen sich für eine Auflösung des Kapitalismus und den Aufbau einer besseren, nachkapitalistischen Gesellschaft ein. Für sie ist der Kapitalismus die Hauptwurzel der gegenwärtigen Bedrohungen und diese können ihres Erachtens nur mit dem Aufbau einer friedlichen, solidarischen, bedürfnisorientierten und umweltfreundlichen alternativen Gesellschaft behoben werden.

Warum ist der Kapitalismus ein Auslaufmodell?
Schön gesagt, aber wie überwinden wir den Kapitalismus? In der Vergangenheit haben es schon viele versucht und er lebt immer noch. Selbst die große Weltwirtschaftskrise 1929 löste zwar den 2. Weltkrieg aus, sie führte aber nicht zur Auflösung des Kapitalismus.

Doch wie jedes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem wird der Kapitalismus geboren und wird irgendwann sterben. Wann er stirbt ist offen. Die Schätzungen gehen von 50 bis 500 Jahre.2

Zukunftsforscher nennen für das Ende des Kapitalismus folgende materielle Gründe:
1. Die Preis- und Marktauflösung durch neue Technologien, die die Kosten immer weiter senken. Wenn die Produkte keinen Preis mehr haben, versagt das Marktsystem und mit ihm der Kapitalismus. Andere nennen3
2. die fortschreitende Umweltzerstörung
3. das Ende der natürlichen Rohstoffe,
4. die fehlende Nachfrage,
5. eine explodierende Arbeitslosigkeit ,
6. den schrumpfenden Profit und die sinkende Profitrate,
7. geballte Wirtschafts- und Finanzkrisen, die auf uns zukommen,
8. die steigende Macht der Konzerne,
9. die Machtergreifung durch die Rentiers4, die den gesamten Profit abschöpfen,
10. das Versagen der Selbstheilungskräfte des Marktes und
11. das Erlahmen der dynamischen Unternehmertätigkeit.

Aus diesen materiellen Gründen entstehen nach ihnen unerträgliche wirtschaftliche, soziale und ökologische Situationen. Dadurch steigt die Verelendung, sinkt die Zustimmung für den Kapitalismus, steigen die sozialen Spannungen und Kämpfe und wächst die Bereitschaft der breiten Bevölkerung für den Aufbau einer besseren Alternativgesellschaft.

Karl Marx und Friedrich Engels nennen vier Faktoren für das Ende des Kapitalismus:
1. Unerträgliche wirtschaftliche, soziale und ökologische Missstände, die eine zunehmende Unzufriedenheit bei der Bevölkerung auslösen,
2. technisch und organisatorische Weiterentwicklungen, die eine Überwindung des Marktes ermöglichen und vorantreiben,
3. die Überlegenheit der alternativen Zukunftsgesellschaft und als entscheidende Kraft
4. den revolutionären Klassenkampf der Lohnabhängigen.

Was folgt dem Kapitalismus?
Die Linken wollen eine gerechte, klimafreundliche, umweltschonende, solidarische, friedliche und demokratische Gesellschaft. Sie nennen diese Gesellschaft, wie auch die SPD, den demokratischen Sozialismus. Doch was heißt Sozialismus?

Schon Marx und Engels beschäftigten sich mit dem Sozialismusbegriff und lehnten ihn ab, weil in der Praxis Varianten des reaktionären (feudaler, kleinbürgerlicher, wahrer), des utopischen und des bürgerlichen Sozialismus dominieren. Sie alle entwerfen, wie der utopische Sozialismus, Sandkastenspielereien ohne Praxisrelevanz, oder Vorschläge, mit denen der gute den schlechten Kapitalismus ersetzen soll.

Für Marx und Engels standen nicht die Zähmung des Kapitalismus, sondern die Befreiung von seinen wirtschaftlichen, sozialen, persönlichen und ökologischen Schäden und damit der Aufbau einer nachkapitalistischen Gesellschaft im Vordergrund. Für diese Gesellschaft bevorzugten sie den Begriff „Kommunismus“, was so viel wie gemeinsame solidarische Gesellschaft und Wirtschaft heißt. In dieser Zukunftsgesellschaft sollen auf der Basis der vorhandenen Möglichkeiten die Arbeiterinnen und Arbeiter die Betriebe übernehmen, über eine radikale Arbeitszeitverkürzung die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten ausgedehnt, der Konsum nach den Bedürfnissen geregelt, der Markt durch eine demokratische Koordination ersetzt und die Wirtschaft klima-, umwelt- und gesundheitsschonend geregelt werden.

Heute dominiert in der linken Szene nicht der Marxismus, sondern der Linkskeynesianismus als aktuelle Form des bürgerlichen Sozialismus und damit der Systemerhaltung.

Linkskeynesianer wollen in den Betrieben nicht die Selbst-, sondern die erweiterte Mitbestimmung, unter Beteiligung der Gewerkschaften, der Umwelt- und der Sozialverbände und des Staates. Sie wollen das heutige politische System, den Parlamentarismus, das Privateigentum an Produktionsmitteln und den Markt erhalten. Staatliches und genossenschaftliches Eigentum soll das unternehmerische Privateigentum ergänzen. Der Staat soll mit Unterstützung der Zivilgesellschaft die Übel der Privatwirtschaft und des Marktes beseitigen und der Staat soll alle möglichen Wunderwerke vollbringen, die der Markt nicht schaffen kann: wie soziale Gerechtigkeit, humane Arbeitsbedingungen, Vollbeschäftigung, Abschaffung der Wirtschafts- und Finanzkrisen und der Kriege, die Solidarität innerhalb der Betriebe und auf den Märkten und den Schutz des Klimas, der Umwelt und der Gesundheit.

Ihr wirtschaftliches Leitbild ist der Marktsozialismus5, in dem, wie sie meinen, die kapitalistischen Übel nicht mehr existieren.

Was ist vom Marktsozialismus zu halten?
Für mich ist der Marktsozialismus keine fortschrittliche zukunftsweisende Einrichtung, sondern eine Wirtschaftsweise, die wieder zurück zum Kapitalismus führt. In den Betrieben bleiben auch im Marktsozialismus die hierarchischen Strukturen erhalten, der Konkurrenzdruck auf den Märkten zwingt die Unternehmen weiterhin zur Profitorientierung und wie bisher herrschen aufgrund des Privateigentums und des Profitdrucks die heutigen unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen und eine hohe Kluft zwischen Arm und Reich.

Auch der Parlamentarismus, den die Linkskeynesianer befürworten, hat wenig mit der Demokratie zu tun. Er entstand als Staatsform des Kapitals zur Überwindung des Feudalismus und wurde entwickelt, um unter der Fassade der Demokratie, die Bevölkerungsmehrheit von der staatlichen Macht fernzuhalten.

Demokratie heißt Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk. Demokratie bedeutet Selbstregierung der Bevölkerung. Im Parlamentarismus herrscht nicht das Volk, sondern eine kleine Minderheit. Die Teilnahme der Bevölkerung beschränkt sich auf Wahlen, ansonsten hat sie, haben wir nichts zu sagen.

Stattdessen bestimmt das Kapital die Richtlinien der Politik und gibt der Regierung vor, was zu tun und was zu lassen ist. Über den Lobbyismus, über ein enges Netzwerk, über eine enge Personalverflechtung, über seine gewaltige Wirtschafts- und Geldmacht und über die Einbringung von Gesetzestexten setzen die Kapitaleigner in der Politik ihre Interessen durch. Allein die Fondsgesellschaft Blackrock verfügt über mehr als 6 Billionen Dollar, fast das Doppelte der deutschen Wirtschaftsleistung, mit denen sie die Politik gefügig machen kann.

Schon für Marx und Engels war der Staat aufgrund des einseitigen Kräfteverhältnisses im Kapitalismus kein Präsentant des Gemeinwohls, sondern ein Agent des Kapitals.

Wir brauchen eine neue Strategie, meinen viele Linke. Aber diese Strategie darf nicht zurück zur angepassten Sozialdemokratie führen, sondern muss den Weg in eine neue, alternative Zukunftsgesellschaft weisen.

Wenn wir eine demokratische Gesellschaft, eine Gesellschaft für und durch die Bevölkerung, haben wollen, geht an der Direktdemokratie kein Weg vorbei. Erst hier herrscht nicht mehr die Minderheit, sondern die Mehrheit der Bevölkerung. Und erst hier beteiligen sich alle Menschen an den Entscheidungen, die im Alltag, in der Politik und in der Wirtschaft anfallen.

Mit der Ausdehnung der direkten Demokratie wird gleichzeitig die Herrschaft des Kapitals abgeschafft. Wenn das Volk in allen Lebensbereichen die Macht erhält, hebt es die Macht der Minderheit auf und überwindet die kapitalistischen Herrschaftsstrukturen.

Ich bezeichne diesen Weg der Kapitalismusüberwindung als einen direktdemokratischen Übergang zum Kommunismus. Erforderlich ist dabei, dass die Direktdemokratie in allen Lebensbereichen durchgeführt wird. Sie beginnt mit der Direktdemokratie in den Kitas und in den Schulen, hat als Schwerpunkt die Selbstbestimmung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben, umfasst die Demokratisierung der Kommunen und des Militärs und endet mit der Direktdemokratie in den Altersheimen.

Auf diesem Weg der umfassenden Direktdemokratie erwirbt die Bevölkerung demokratische Fertigkeiten und Fähigkeiten und verhindert über ihr erworbenes Demokratieverhalten, dass sich in der neuen Gesellschaft, wie im Realsozialismus, wieder eine kleine Elite durchsetzt und die breite Bevölkerung kontrolliert und unterdrückt. Demokratie ist ein Lernprozess. Und wer auf diesen Lernprozess verzichtet, pflegt und erzeugt eine Gesellschaft von Untertanen und gehorsamen Menschen.

Ein zentraler Hebel der kollektiven Selbstbestimmung ist die Zurückdrängung des Marktes durch eine demokratische Wirtschaftsplanung. Erst durch eine gesamtwirtschaftlich demokratische Wirtschaftsabstimmung können das Profitsystem und der Konkurrenzdruck des Marktes abgeschafft und durch eine bedürfnisorientierte Wirtschaftsweise ersetzt werden. Demokratische Wirtschaftsplanung heißt: Die Bevölkerung bestimmt über den Volksentscheid, welcher Wirtschaftsplan angenommen und umgesetzt wird. In diesen Plänen fließen die Vorstellungen der Unternehmen und Kommunen ein und die Pläne können jederzeit neuen Rahmendaten angepasst werden. Bei Über- und Unterversorgungen erfolgt mit Hilfe der Kommunikations- und Informationstechnologie (der Digitalisierung) ein schneller Anpassungsprozess.

Die Digitalisierung ermöglicht, dass volkswirtschaftliche Pläne alle erforderlichen Daten erfassen können und flexibel sind, und dass die Pläne auf die Produktion und auf die Wünsche der Bevölkerung eingehen können. So angewandt, ist die Digitalisierung ein Wegbereiter der neuen Gesellschaft.7

Bis heute dominieren marktmäßige Methoden der Wirtschaftskoordination. Im Zeitalter der Direktdemokratie und der Digitalisierung werden, so meine Prognose, demokratisch planerische Koordinationen effizienter als der Markt sein und sich mehr und mehr durchsetzen.

Wie können wir mit der direkten Demokratie den Kapitalismus überwinden?

Das Kapital wird seine Privilegien nicht einfach aufgeben und es wird erfahrungsgemäß mit allen friedlichen und gewaltsamen Mitteln seine Herrschaft verteidigen. Gleichzeitig bestehen in der Bevölkerung viele Illusionen darüber, es könne mit dem Kapitalismus ewig so weiter gehen und die vielen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme seien mit Hilfe des Staates lösbar.

Andererseits führen die ständigen existenziellen Bedrohungen zu laufenden Protestbewegungen, die mehr politischen Einfluss verlangen und zugleich das politische Bewusstsein der Bevölkerung schärfen.

Ein aktuelles Beispiel ist die gelbe Westenbewegung in Frankreich, die für eine Änderung der Herrschaftsverhältnisse und die Einführung der direkten Demokratie kämpft. Auch in Deutschland gibt es mit dem Verein „Mehr Demokratie“ eine Gruppe für mehr politische Teilhabe.

Was wir brauchen, ist eine starke Partei und eine starke soziale Bewegung für die umfassende direkte Demokratie. Sie müssen in ihren Kämpfen demokratische Schulen, demokratische Kommunen, demokratische Betriebe, demokratische Militäreinrichtungen und demokratische Medien fordern, entsprechende Netzwerke aufbauen und unterstützen, die Gewerkschaften in diesen Kampf einbinden und eine allgemeine Öffentlichkeitsarbeit für die Direktdemokratie betreiben. Erforderlich ist weiterhin eine umfassende Bündnispolitik für solidarische und kooperative Wirtschaftsformen. Es gibt in Europa bereits die Bewegung für eine Solidarische Ökonomie und für eine Gemeinwohlökonomie.8 Mit diesen sind Bündnisse zu schließen und gemeinsam die Überwindung des Kapitalismus voranzutreiben.

Eine direktdemokratische Arbeiterpartei ist für die Kapitalismusüberwindung unerlässlich, weil erst sie den Kampf für den Systemwechsel vereinheitlichen und nachhaltig vorantreiben kann. Wer auf die gemeinsame Partei verzichten möchte, wie viele Gruppierungen in der Alternativszene, unterschätzt die Repressionspolitik des Kapitals und steht von vornherein auf der Verliererliste.

Bisherige Solidaritäts- und Protestbewegungen blieben im Nischen- und Wutbereich stecken, wurden vom Kapitalismus in die Zange genommen und von den kapitalistischen Sachzwängen zur Anpassung gezwungen.9 Ein wesentlicher Grund dieser Anpassungshaltung besteht in der fehlenden Systemalternative, die überzeugt und begeistert.

Wenn ich aufgrund der Realsozialismuserfahrungen ein schlechtes Bild vom Sozialismus habe, diesen mit Unterdrückung, Mangel, Hunger und Not verbinde, wird mich ein neuer Sozialismus oder Kommunismus nur dann überzeugen, wenn ich von ihm ein gutes Leben erwarte. Lohnabhängige sind durchaus in der Lage, ihr Verhalten zu ändern, wenn sie die Ursache der Bedrohungen erkennen und hoffen, dass der Sozialismus bzw. Kommunismus für sie das Leben verbessert. Dabei ist es aber nicht mit leeren Versprechungen getan. Diese haben in der Vergangenheit schon in vielen Fällen ins Unglück geführt. Erforderlich ist ein durchdachtes und überzeugendes Zukunftskonzept.

Die Macht und Unterdrückung des Kapitals wird in dem Moment gebrochen, wo die sozialistischen Parteien als organisatorische Kraft konsequent den direktdemokratischen Weg gehen, die direktdemokratische Bewegung einen Teilerfolg nach dem anderen erzielt, die Polizei und das Militär den direktdemokratischen Kampf unterstützt und die Herrschenden sich untereinander streiten und regierungsunfähig werden.

Wie könnte jenseits des Kapitalismus ein besseres Leben aussehen?

Da wir nach dem Kapitalismus keine Profit- und Marktwirtschaft mehr haben, die Unternehmen und die natürlichen Ressourcen der Gemeinschaft gehören und die Direktdemokratie in allen Lebensbereichen durchgesetzt ist, folgt das Leben nicht mehr dem Profit, sondern unseren Bedürfnissen. Die Erwerbstätigkeit wird auf wenige Wochenstunden reduziert und wir können in unserer Freizeit, das machen, was uns Freude macht.

Mit der Marktwirtschaft verschwindet langfristig ebenfalls die Geldwirtschaft. Die Güter sind frei zu erhalten und jeder kann frei von Geldsorgen sein Leben gestalten. Armut, Obdachlosigkeit, Hunger und Elend sind verschwunden. Mit der Geldaufgabe bestehen keine Finanzspekulationen mehr und alles konzentriert sich auf das Wohlergehen der Gemeinschaft.

Da wir die Wirtschaft nach unseren Wünschen gestalten, das Angebot der Nachfrage anpassen, verschwinden auch die Wirtschaftskrisen. Es besteht keine Arbeitslosigkeit mehr und Arbeitsfreisetzungen werden durch Arbeitszeitsenkungen aufgefangen.

Den konsequenten Klima- und Umweltschutz betreiben wir durch eine Kreislaufwirtschaft, in der Güter möglichst lange genutzt und wiederverwendet, die Güterverschwendung aufgehoben und weitgehendst Abfälle vermieden werden. Weiterhin schonen wir die Umwelt durch eine Umstellung auf dezentrale, erneuerbare Energien, durch eine Politik des Nullwachstums, durch einen klimafreundlichen Verkehr, durch die Verpflichtung zu Ökobilanzen und durch eine ökologisch orientierte Wirtschaftsweise. Die Tierquälerei heben wir durch eine artgerechte Tierhaltung auf.

Die Wirtschaft gestalten wir binnenorientiert mit dem Schwerpunkt der Ernährungssouveränität und der Regionalität. Nutzlose Arbeiten sind aufgehoben. In den Unternehmen herrschen humane Arbeitsbedingungen. Der Außenhandel erfolgt nach fairen, nachhaltigen Gesichtspunkten. Ein wichtiges Ziel der Außenhandelsbeziehungen ist die Abschaffung des Hungers und der Not in den ärmeren Ländern.

Die gerechte Einkommensverteilung erfolgt durch eine enge Einkommensspanne von maximal 1:6, durch die Abschaffung der Vermögenseinkommen und langfristig durch die Abschaffung des Geldes. Solange das Geld noch existiert, regelt eine direktdemokratisch organisierte Zentralbank die Geldmenge. Geschäftsbanken werden abgeschafft, und damit ihre willkürliche kreditbezogene Geldschöpfung.

Um die Verschwendung der Arbeitskraft durch die vielen Steuern und durch die Vielzahl der Steuerberater und Finanzämter aufzuheben und die Transparenz der Steuerbelastung und der Staatseinnahmen zu ermöglichen, erhebt der Staat nur noch eine Steuer, die Wertschöpfungssteuer. Diese wird von der Wertschöpfung der Unternehmen erhoben. Alle anderen Steuern entfallen.

Friedenspolitisch bleibt im Gegensatz zu pazifistischen Vorstellungen zunächst die Rüstungsproduktion erhalten. Sie dient im kapitalistischen Umfeld der Verteidigung. Rüstungsexporte werden aufgehoben. Langfristig, mit der Ausbreitung kommunistischer Gesellschaften, wird die Rüstungsproduktion eingestellt und durch eine zivile Verteidigung ersetzt.
Frauenpolitisch steht die Gleichstellung von Frau und Mann im Vordergrund, wobei auch im Sozialismus der Emanzipationskampf der Frauen erforderlich sein wird, weil die Männer nur ungern auf ihre Vorrechte verzichten.

Zusammenfassung
Der vorgeschlagene direktdemokratische Transformationsweg wird nicht reibungslos verlaufen. Die Hindernisse sind enorm und die Kämpfe werden mit vielen Rückschlägen verbunden sein. Er ist aber der einzige erfolgsversprechende Weg, der in der Lage ist, die gegenwärtigen existenziellen Bedrohungen aufzuheben.

Die Linksparteien müssen, wenn sie nicht in der Bändigung des Kapitalismus versacken wollen, ihren parlamentarischen und systemkonformen Weg verlassen und den direkt-demokratischen, revolutionären Weg einschlagen. Alle Macht den Bürgerinnen und Bürgern, so lautete schon zu Marx-Zeiten die Forderung der Linken. Erst wenn die Lohnabhängigen sich von ihrer Besitzlosigkeit und Knebelung befreit haben, gemeinsam planen, organisieren und entscheiden können, erst dann kann von einem guten, selbstbestimmten Leben die Rede sein. Allein der Kampf für eine Direktdemokratie führt zur Herrschaft des Volkes. Und erst mit diesem Kampf können wir eine bessere Gesellschaft aufbauen. Vor einem Putsch durch Wenige hat schon Engels gewarnt10, weil er nicht zu demokratischen Verhältnissen führt.

Gleichzeitig ist es die Aufgabe der Linken eine fundierte Alternativgesellschaft zu entwickeln, die fasziniert und den Menschen Hoffnung und Zuversicht gibt. Da die Klimakatastrophen nicht warten, bis die Systemwende erreicht ist, besteht eine kommunistische Politik schon heute in einer konsequenten Klimaschutzpolitik.

Ich biete kein Patentrezept an, sondern möchte mit meinen Ausführungen umfassende Diskussionen über eine problemlösende Zukunft und über eine kommunistische Transformationsstrategie anstoßen. Wenn wir nicht im dunklen Zeitalter landen wollen, kommen wir nicht an einer Überwindung des Kapitalismus vorbei.

 

25.07.2019

Literatur
1. Vgl. Ziegler, Jan (2018): Was ist so schlimm am Kapitalismus? Antworten auf die Fragen meiner Enkelin, C.Bertelsmann Verlag, München, S. 116

2. Vgl. Müller, Alfred (2019): Eine Wirtschaft, die tötet. Über den Kapitalismus, seine Überwindung und die Zeit danach, PapyRossa Verlag, Köln, S.112
3. dito, S. 112ff

4. Rentiers sind Personen, die ihr Haupteinkommen aus ihren sachlichen Vermögensanlagen erzielen (wie Zins, Dividende, Aktien-, Fonds-, Pacht-, Mieterträge)
5. Vgl. Krüger, Stephan (2016): Wirtschaftspolitik und Sozialismus. Vom politökonomischen Minimalkonsens zur Überwindung des Kapitalismus, VSA-Verlag, Hamburg, S. 234ff

6. Vgl. Müller, Alfred (2019), S.286ff

7. dito, S.274ff

8. dito, S.340ff
9. dito, S.302ff, 340

10. „Die Zeit der Überrumpelungen, der von kleinen bewußten Minoritäten an der Spitze bewußtloser Massen durchgeführten Revolutionen ist vorbei. Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum es sich handelt, für was sie mit Leib und Leben eintreten. Das hat uns die Geschichte der letzten fünfzig Jahre gelehrt“ (Engels, MEW 22,S.523).

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