Scheidepunkt des Ersten Weltkrieges

Heiner Karuscheit

Auf morschen Pfeilern

Die Grundlegung der Weimarer Republik in der Julikrise 1917

Vorbemerkung

Nach den Auseinandersetzungen um den Ausbruch des 1.Weltkriegs vor jetzt mehr als 100 Jahren lässt das Herannahen des nächsten historischen Jahrestags langsam die ersten Debatten über die Republik von Weimar beginnen. Die Beschäftigung damit kreiste immer schon um das Problem, ob die am 9.November 1918 ausgerufene Republik als Demokratie eine Zukunftschance hatte oder ob das Scheitern von 1933 vorprogrammiert war. Mit Blick auf die Gegenwart gewinnt diese Debatte nunmehr unvermutete Aktualität dadurch, dass der Rückgang der Wahlbeteiligung seit geraumer Zeit eine zunehmende Distanz der Massen zur heutigen Demokratie offenbart. Wenngleich nicht so spektakulär wie zur Zeit der ersten Republik, ist die Abwendung nichtsdestotrotz unübersehbar.

Der historische Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit „Weimar“ ist zweifelsohne der 6.Juli 1917, als die demokratischen Parteien des Reichstags inmitten des laufenden Kriegs einen „Interfraktionellen Ausschuss“ (IFA) ins Leben riefen, um eine Friedensresolution zu verabschieden, die den gegnerischen Mächten den Willen zur Beendigung des Völkerringens bekunden sollte. „Die Geburtsstunde der Weimarer Republik, der ersten parlamentarisch verfassten Demokratie der deutschen Geschichte, schlug also am 6.Juli 1917, und dies nicht allein deshalb, weil hier parlamentarische Kräfte den Mut zur eigenen Verantwortung und die Kraft zum organisierten Handeln fanden, sondern auch, weil sich hier diejenige Parteienkonstellation formierte, die später die Republik tragen sollte: das Bündnis zwischen Sozialdemokraten, Zentrumskatholiken und Linksliberalen, zeitweise auch der Nationalliberalen.“1 Was hier mit Hagen Schulze ein eher konservativer Vertreter der Geschichtswissenschaft feststellt, hatte kürzer bereits Ende der 20er Jahre der linke Historiker der Weimarer Republik Arthur Rosenberg geschrieben; er bezeichnete die IFA-Gründung als „revolutionäre Tat“, denn „an jenem 6.Juli 1917 ist der Grundstein zur deutschen bürgerlichen Republik gelegt worden.“2

Der Grund für diese Einschätzung ist, dass der IFA nicht nur eine Friedensresolution erarbeitete. Das inoffizielle Gremium koordinierte die Arbeit der Reichstagsfraktionen des Zentrums, der SPD und der Fortschrittlichen Volkspartei (FVP), die seit der Reichstagswahl von 1912 über eine Mehrheit im Reichstag verfügten, 3 teils auch der nationalliberalen Partei, die im bürgerlichen Lager eine Führungsstellung einnahm. Weil die Regierung sich ab da mit den „Mehrheitsparteien“ abstimmen musste, wenn sie nicht die Reichstagsmehrheit gegen sich haben wollte, begann das Parlament, die ihm bei der Reichsgründung 1871 verweigerte „Verantwortlichkeit“ zu übernehmen, d.h. die Parlamentarisierung einzuleiten.

Die Friedensresolution führte zwar nicht wie deklariert zum Frieden, hatte aber ein anderes Ergebnis: sie brachte den Reichskanzler Bethmann Hollweg zu Fall. Und obwohl die Julikrise 1917 den Höhepunkt des Kriegs markiert und in Keimform die gesamte Konstellation der Weimarer Republik vorwegnimmt, hat sie in der Geschichtswissenschaft bis heute keine größeren Debatten hervor gerufen; es gibt nicht einmal eine Monographie dazu.4

Das könnte darauf hindeuten, dass alle entscheidenden Punkte geklärt sind. Sobald man sich jedoch näher mit dem Thema befasst, offenbart sich eine ganze Reihe offener Fragen, beginnend bei den Fakten und Abläufen bis hin zu den Triebkräften und Folgen des Geschehens. Sie sind hier nicht in allem Umfang zu klären, erst recht ist damit nicht die Frage nach der Entwicklung der Weimarer Demokratie beantwortet. Doch ohne ein tieferes Verständnis dessen, was in den Sommerwochen des Jahres 1917 geschah, sind die notwendigen Antworten nicht zu geben.5

 

  1. Ein Kampf gegen Preußen

Mitte 1917 war der Große Krieg zwischen den Mittelmächten und der Entente an einem toten Punkt angelangt. Alle kriegführenden Staaten Europas waren erschöpft und wussten weder, wie der Krieg weitergehen sollte, noch, wie er zu beenden war.

Eine Pattsituation

In Russland hatte die Februarrevolution soeben die Zarenherrschaft gestürzt. Zwar führte die bürgerliche Kerenski-Regierung den Krieg fort, aber aus eben diesem Grund ging auch die revolutionäre Gärung im Innern weiter. Die Bauern forderten Land und Frieden, die Städte Brot und Frieden, der Petrograder Sowjet propagierte einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen und die weitere Teilnahme Russlands am Krieg wurde immer unsicherer.

Die französische Armee war im April/Mai 1917 von Meutereien erschüttert worden, weil die Soldaten sich nach den gewaltigen Blutopfern von Verdun weigerten, die ihnen gegebenen Angriffsbefehle zu befolgen. Zwar gelang es, ein Ausgreifen der Unruhen zu verhindern, aber zu größeren Angriffsoperationen war das Heer seither nicht mehr in der Lage; zugleich fanden in Paris Massendemonstrationen gegen den Krieg statt.

In Großbritannien führten die deutschen U-Boot-Angriffe auf die atlantischen Nachschublinien nicht zum Zusammenbruch, aber hatten empfindliche Verluste zur Folge. In der Arbeiterschaft mehrten sich die Proteste und die Labour Party, die bis dahin die Kriegspolitik uneingeschränkt unterstützt hatte, ging auf Friedenskurs. Darüber hinaus stand die Regierung vor einem schwerwiegenden machtpolitischen Problem: Anfang April waren die USA auf Seiten der Entente in den Krieg eingetreten, daher konnte England hoffen, den Krieg trotz des befürchteten Ausfalls Russlands fortzusetzen, bis die Mittelmächte am Boden lagen. Aber Wilsons Hilfe war nicht umsonst. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr musste London sich bei den USA verschulden und geriet in Abhängigkeit. Was das Empire an Stärke verlor, erlangte die Macht jenseits des Atlantiks, und so bestand die Gefahr, dass man am Ende zwar den Krieg gewann, aber die USA Großbritannien als seebeherrschende Weltmacht ablösten.

Die Lage der Mittelmächte war ähnlich widersprüchlich. Im Habsburgerreich wurde die Gefahr, dass der Vielvölkerstaat auseinander fiel, mit jedem Kriegsjahr größer. Zwar hatte die österreichische Armee Ende 1916 mit Hilfe deutscher Truppen Rumänien geschlagen, das im August d.J. auf Seiten der Entente in den Krieg eingetreten war, aber das von Frankreich und Großbritannien unterstützte Italien blieb ein hartnäckiger Gegner, ohne dass klar war, wie es besiegt werden konnte. Ein Friedensschluss wäre leicht gewesen, wenn Wien das Trentino abgetreten hätte, aber mit welcher Begründung wollte man dann noch den slawischen Völkerschaften ihre Eigenstaatlichkeit verwehren?

Deutschland schließlich, die Macht im Zentrum des Geschehens, konnte hoffen, dass Russland bald zusammenbrechen und damit der Zweifrontenkrieg enden würde. Aber gesamtentscheidend war der Kampf im Westen, und hier war nach dem Schlieffen-Plan sowie der Ausblutungsschlacht vor Verdun soeben der dritte Siegesplan im Begriff zu scheitern, weil die anfangs hohen Versenkungsraten des im Februar d.J. aufgenommenen unbeschränkten U-Bootkriegs zurück gingen und sich herausstellte, dass Großbritannien so nicht in die Knie gezwungen werden konnte. Außerdem waren die USA Anfang April in den Krieg eingetreten, wenngleich es noch etwa ein Jahr dauern würde, bis sie mit größeren Truppenverbänden in das Geschehen eingreifen könnten. Wenn alles gut ging, konnte man bis dahin durch eine Konzentration der Kräfte im Westen den Sieg davon tragen.

Der Burgfrieden in Gefahr

Währenddessen verschärften sich die Widersprüche an der Heimatfront. Auf der einen Seite beförderte das erwartete Ausscheiden Russlands die von den Alldeutschen befeuerte Annexionsdebatte, die sich nicht zuletzt auf die Kampfkraft der deutschen Truppen stützte. Zwar begann es in der Überseeflotte zu rumoren, aber entscheidend für den Kriegsausgang war das Landheer, und das zeigte im Unterschied zu den Armeen Russlands, Frankreichs und Österreich-Ungarns keine Auflösungserscheinungen.

Auf der anderen Seite wirkte sich die kontinuierlich schlechter gewordene Ernährungslage auf die Stimmungslage zu Hause aus. Solange sie glaubten, dass Deutschland einen gerechten Verteidigungskrieg führte, waren die Massen des Volkes bereit, Opfer zu bringen. Doch angesichts der Entwicklung im Osten und der lauten Annexionsdebatte der Rechten verbreitete sich die Überzeugung, dass der Krieg nur noch geführt wurde, um Eroberungen zu machen. Deshalb verstärkte sich der Widerstand gegen die fortlaufende Bewilligung von Kriegskrediten durch die SPD und fand die Friedensformel des Petersburger Sowjets „Frieden ohne Annexionen und Kontributionen“ immer mehr Resonanz in der Arbeiterbewegung.

Auf diesem Boden spaltete sich Anfang April ein Großteil des linken Flügels von der SPD ab und gründete die „Unabhängige“ Sozialdemokratie USPD, deren Hauptanliegen ein Verzichtfrieden und die Demokratisierung des Kaiserreichs war. Ihr schloss sich auch die von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geführte Spartakusgruppe an. Als in großen Industriestädten wie Berlin oder Leipzig sozialdemokratische Parteigliederungen fast geschlossen zur USPD übertraten, musste sich wenige Tage nach der USPD-Gründung auch die SPD-Führung zu der russischen Friedensformel bekennen. Und weil das nicht reichte, um die verbliebene Anhängerschaft zu beruhigen, war sie bald darauf zu einem weiteren Schritt gezwungen. Als die nächsten Kriegskredite zur Beratung anstanden, kündigte sie am 28. Juni gemeinsam mit der Fortschrittspartei an, ohne eine öffentliche Erklärung der Regierung zu den Kriegszielen und die Zusage einer inneren Neuordnung weitere Kredite zu verweigern.

Die Ankündigung versetzt alle politischen Kräfte in höchste Alarmbereitschaft, denn wenn die SPD weitere Kriegskredite ablehnte, bedeutete dies, dass der Burgfrieden endete. Ohne Billigung der Arbeiterschaft war der Krieg jedoch nicht zu führen, wenn nicht gar der Umschlag in eine revolutionäre Entwicklung drohte. Zusätzlich wurde die Lage noch dadurch verkompliziert, dass der Vatikan angesichts der Pattsituation zwischen den gegnerischen Mächten zur selben Zeit den Versuch unternahm, einen Frieden zu stiften.

Eine Friedensinitiative des Vatikans

Dass katholische Länder wie die Habsburgermonarchie, Italien und Frankreich gegeneinander Krieg führten, hatte die römische Kirche von Anfang an schweren Belastungen ausgesetzt. Nachdem beide Seiten jetzt nach drei Jahren Krieg abgekämpft waren, schien sich die Möglichkeit eines Friedens ohne Sieger und Besiegte zu eröffnen, der für Rom ideal wäre, weil man so als neutraler Friedensstifter wirken konnte, ohne Partei für eine Seite ergreifen zu müssen. 6

Auf deutscher Seite kam eine solche Initiative den Plänen von Reichskanzler Bethmann Hollweg entgegen. Im Sommer 1914 hatte er den Großen Krieg durch seine Risikopolitik herbei geführt und im September im Vertrauen auf einen baldigen Triumph der preußisch-deutschen Armee ein Kriegszielprogramm gebilligt, das im Westen wie im Osten Annexionen vorsah und dem Reich die unbestrittene Herrschaft über Kontinentaleuropa verschaffen sollte. Doch als der sicher geglaubte Sieg in die Ferne rückte, nahm er von diesem Kriegszielprogramm allmählich Abstand und begann, eine Beendigung des Kriegs ohne Sieg ins Auge zu fassen.7

Ende 1916/Anfang 1917 wandte er sich erfolglos gegen den Übergang zum unbeschränkten U-Bootkrieg, zum einen, weil er an den Erfolgsaussichten zweifelte, zum andern, weil damit die erhoffte Friedensvermittlung durch den US-Präsidenten Wilson gegenstandslos wurde. Endgültig, als sich der Fehlschlag des U-Bootkriegs abzeichnete, suchte er nach einer Möglichkeit, um zum Frieden zu gelangen. Er bewertete die päpstliche Aktion als Moment, „wo sich nach meiner Überzeugung die Möglichkeit zu einem, allerdings bescheidenen, Verhandlungsfrieden eröffnete. Nur die Anfänge sind in meine Amtszeit gefallen.“8

Die belgische Frage

Wollte Deutschland Frieden schließen, musste auf der Gegenseite Großbritannien mitmachen, denn Frankreich konnte angesichts eines wankenden Russlands nur weiterkämpfen, wenn es von England gestützt wurde. London konnte also Paris zum Frieden zwingen, Paris aber nicht London. Der Schlüssel für ein Einlenken Großbritanniens wiederum lag in Belgien. „In dem Maße, wie der Krieg voranschritt, wurde immer deutlicher, dass es nur zwei Alternativen gab: ein deutscher Sieg, der es erlaubte, mit Belgien zu machen, was man wollte, oder ein Verhandlungsfrieden, der zuerst und vor allem erforderte, dass Deutschland Belgien aufgab.“9

Der Grund für die Bedeutung Belgiens waren die Häfen Flanderns. Seit London sich gegen die „Weltpolitik“ gestellt und den erhofften einvernehmlichen Aufstieg Deutschlands zur gleichberechtigten Weltmacht mitsamt einem großen Kolonialreich verweigert hatte, war das bürgerliche Lager zur Konfrontation gegen das „perfide Albion“ übergegangen. Angeführt von den Nationalliberalen verlangten die Liberalen und das Zentrum ebenso wie die maßgeblichen Wirtschaftsverbände nun die Inbesitznahme der Nordseehäfen Belgiens und Nordfrankreichs gegenüber von Dover, die den seestrategisch ungemein wichtigen Zugriff auf den Ärmelkanal und den Ausgang in den Atlantik erlaubten. Von hier aus war es nur noch ein kleiner Schritt, um Großbritannien niederzuwerfen. Als Wortführer des Annexionismus betätigte sich der nationalliberale Vorsitzende Gustav Stresemann, der spätere Außenminister Weimars. Er wollte die Nordsee zu einem deutschen Meer und das französische Calais zu einem „deutschen Gibraltar“ machen; noch kurz vor der Novemberrevolution erklärte er den Krieg für verloren, wenn Belgien nicht in deutscher Hand bliebe.10

Dieselbe Situation zwang umgekehrt Großbritannien dazu, so lange weiter zu kämpfen, bis Deutschland Belgien komplett aufgeben würde. In anderen Fragen konnten die Briten kompromissbereit sein, aber auch bei einer Niederlage Russlands würden sie im Krieg bleiben, bis die existentielle Gefahr für ihre Sicherheit durch deutsche Flottenstützpunkte an der unmittelbaren kontinentalen Gegenküste beseitigt war.

Bethmann hatte bereits nach dem Scheitern des Schlieffen-Plans begonnen, von den belgischen Blütenträumen abzurücken, wenngleich nur intern und in behutsamen Andeutungen. Von der annexionistischen Rechten ohnehin als Schwarzmaler und Flaumacher angegriffen, musste er vorsichtig agieren, um nicht gestürzt zu werden. Als das Vorhaben des Vatikans jetzt eine Chance zum Frieden bot, entschloss er sich, aus der Deckung zu treten.

Um die Erfolgsaussichten der geplanten Friedensaktion zu klären, führte der päpstliche Nuntius Pacelli, der spätere Papst Pius XII, am 26.Juni 1917 eine vertrauliche Unterredung mit ihm über die deutschen Kriegsziele. In dem Gespräch sagte der Kanzler die vollständige Unabhängigkeit Belgiens zu und räumte so den entscheidenden Stolperstein für einen Friedensschluss mit Großbritannien beiseite. Darüber hinaus erklärte er, dass die deutsche Regierung im Zuge von Grenzberichtigungen auch zur Abtretung von Teilen Elsass-Lothringens bereit sei, um zu einem Frieden zu gelangen.11 „Die grundsätzliche Konzessionsbereitschaft des Reichskanzlers ließ Pacelli zufrieden nach München zurückkehren. Er erwartete, dass ein Waffenstillstand, verbunden mit einem deutschen Verzicht auf Belgien, unmittelbar bevorstand. Benedikt XV. und Gasparri hielten die Gelegenheit für eine päpstliche Vermittlertätigkeit für äußerst günstig.“12

Doch anstatt den Weg zu einem bescheidenen Frieden zu öffnen, setzte die Initiative in Verbindung mit dem drohenden Ende des Burgfriedens eine Kettenreaktion in Gang, die in ihrem Verlauf nicht nur den Interfraktionellen Ausschuss als Keimzelle der kommenden Republik hervorbrachte, sondern vor allem zur Demission des Kanzlers und bedingungslosen Fortsetzung des Kriegs führte.

 

 

Die Gründung des Interfraktionellen Ausschusses

Als der Hauptausschuss des Reichstags nach längerer Sitzungspause wieder zur Beratung der nächsten Kriegskredite zusammen trat, hielt der Zentrumsführer Matthias Erzberger dort am 6.Juli 1917 eine aufsehenerregende Rede. Als politischer Führer der katholischen Partei in Deutschland war er über die Schritte des Vatikans zur Friedenssuche genauestens informiert. Zu Kriegsbeginn ein ausufernder und mittlerweile ein gemäßigter Annexionist, konstatierte er in seiner Rede, dass der U-Bootkrieg entgegen aller zuvor gemachten Versprechungen versagt habe und forderte, Deutschland müsse auf Basis der Formel vom „Verteidigungskrieg“ des August 1914 sofort einen Schritt zum Frieden unternehmen. Zu diesem Zweck solle der Reichstag die Initiative ergreifen und eine Friedensresolution mit dem Verzicht auf gewaltsame Eroberungen beschließen, um so auf die Kriegsgegner zuzugehen. Im gleichen Atemzug rief er zu inneren Reformen auf.

Die Konservativen widersprachen sofort, doch die übrigen Parteien stimmten dem Zentrumsführer zu und setzten zur Vorbereitung einer solchen Resolution einen „Interfraktionellen Ausschuss“ ein. Zeitweise beteiligten sich auch die Nationalliberalen an dessen Beratungen und verlangten vor allem die Parlamentarisierung des Kaiserreichs, nahmen von der Erarbeitung der Friedensresolution jedoch bald Abstand, weil diese nach ihrer Ansicht zu weit ging. Aber auch ohne die Nationalliberalen verfügten Zentrum, SPD und die Fortschrittspartei als sogenannte „Mehrheitsparteien“ über genügend Reichstagssitze, so dass die Friedensresolution am 17.Juli problemlos verabschiedet werden konnte. Allerdings hieß der Reichskanzler zu diesem Zeitpunkt bereits Michaelis.

Bethmann Hollweg war von dem überraschenden Vorstoß des Zentrumsführers irritiert – zu recht, wie die folgenden Tage zeigten, denn entgegen der umlaufenden Gerüchte war dessen Auftritt nicht mit der Regierung abgesprochen worden. Ihm waren „die Motive der Aktion nicht durchsichtig. Verabredet hatte Erzberger sie mit mir nicht.“ Warum erfolgte sie ausgerechnet jetzt, wo gerade hinter den Kulissen diplomatische Vorbereitungen für Friedensgespräche getroffen wurden? Ansonsten betrachtete er den Schwenk des Zentrums als positiv, denn bis dahin hatte die katholische Partei „in der Kriegszielfrage mehr nach rechts als nach links“ geneigt, aber trat sie „jetzt prinzipiell auf die linke Seite, dann war eine feste Parlamentsmehrheit geschaffen. Im Sinne meiner Politik konnte ich damit nur zufrieden sein.“13 Der Kanzler bat lediglich darum, die geplante Resolution so zu fassen, dass sie nicht als „Proklamierung des Zusammenbruchs“ wirkte, um die Gegner nicht zur Fortsetzung des Kriegs anzuspornen.

Frieden nur bei Untergang Ostelbiens

Durch die erklärte Friedensbereitschaft der Reichstagsmehrheit schienen die Bedingungen für einen Erfolg der päpstlichen Initiative auf deutscher Seite günstig zu sein. Doch um einen solchen Weg zu gehen, musste die Macht des junkerlichen Militäradels gebrochen werden.

Das Junkertum kämpfte im Krieg nicht nur um seine gesellschaftliche Stellung, sondern auch um seine materielle Existenz. Die halbfeudalen Großgrundbesitzer Ostelbiens brauchten den Zugriff auf die Staatsmacht, um ihre unproduktiven Gutswirtschaften vor dem Ruin zu bewahren. Sie mussten den Krieg also bis zu einem großen Sieg durch das von ihnen kommandierte Heer weiter führen, denn nur dann konnten sie hoffen, ihre Machtstellung gegen den Vormarsch der Demokratie zu behaupten. „Die Parteinahme für weite Kriegsziele hat sich so ziemlich mit der Gegnerschaft gegen die sogenannte Neuorientierung gedeckt“, konstatierte Bethmann hierzu nüchtern.14

Neben der außerparlamentarischen Stellung der Armee wurde die alte Ordnung durch das Dreiklassenwahlrecht gesichert, das im deutschen Hegemonialstaat Preußen die Mehrheit der Bevölkerung von der politischen Teilhabe ausschloss. In der preußischen Wahlrechtsfrage kulminierten die inneren Widersprüche des Kaiserreichs. Während die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts für die Konservativen gleichbedeutend war mit dem Untergang Preußens, konnte den Frontsoldaten nicht vermittelt werden, dass sie ihr Leben für einen Staat einsetzten, der sie in Preußen als Bürger zweiter oder dritter Klasse behandelte.

Selber ein überzeugter Monarchist, hatte Bethmann seit Übernahme der Regierung versucht, die Arbeiterbewegung durch eine Politik vorsichtiger Reformen inklusive einer Auflockerung des preußischen Wahlrechts an den Staat heran zu ziehen, um so dessen gesellschaftliche Basis zu erweitern und die seit 1909 andauernde Staatskrise zu überwinden. Bislang waren jedoch alle Bemühungen, das junkerlich-konservative Lager von der Notwendigkeit freiwilliger Konzessionen zu überzeugen, auf Granit gestoßen. Weil ihm klar war, dass ein Vorstoß gegen das Dreiklassenwahlrecht zu „schweren inneren Kämpfen mit den bisherigen Trägern der parlamentarischen Macht in Preußen und ihrem Anhang bei Hofe und in der Armee“ führen würde, hätte er die Auseinandersetzung lieber auf die Nachkriegszeit verschoben.15 Schon zuvor hatte er einem Vertrauten gegenüber die „Unmöglichkeit, Ostelbien zu ändern“, beklagt und die Konsequenz gezogen: es „muss gebrochen werden, untergehen“.16 Jetzt war dieser Zeitpunkt gekommen, denn Friedensgespräche hatten nur eine Chance, wenn der Einfluss des Militäradels beseitigt wurde.

 

Für Parlamentarisierung und Demokratie

Aufgrund ihrer tief verwurzelten Machtstellung waren die Verteidiger der alten Ordnung – jenseits einer Revolution – nur zu schlagen, wenn der Kanzler sich auf ein Bündnis mit den Massen des Volkes, der Reichstagsmehrheit und dem Kaiser stützen konnte. Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer dreiteiligen Strategie: die Volksmassen waren durch die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen zu gewinnen, die Unterstützung der Reichstagsmehrheit erforderte Schritte zur Parlamentarisierung, und das Ganze musste im Einvernehmen mit dem Monarchen umgesetzt werden.

Im Anschluss an sein Gespräch mit Pacelli machte sich der Kanzler daran, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Als erstes holte er das Einverständnis Wilhelms II mit einem Schritt zur Parlamentarisierung ein: zum ersten Mal sollten Reichstagsabgeordnete in die Regierung aufgenommen werden; außerdem besprach er mit den Parteiführungen die Bildung eines „Beirats“ der Regierung aus Vertretern der Parteien. „Vom Kaiser hatte ich Ende Juni die Genehmigung zur Berufung von Parlamentariern in die Regierung erlangt. Damit waren der Parlamentarisierung, soweit sie praktisch überhaupt möglich war, die Wege geebnet.“17

Wichtiger als die Parlamentarisierung war indessen die Zustimmung des Kaisers zur Beseitigung des Dreiklassenwahlrechts. Trotz aller persönlichen Schwächen des gegenwärtigen Trägers der Krone genoss die Monarchie nach wie vor große Autorität im Volk. Trat der Kaiser auf die Seite der Rechten, war ihnen nur gestützt auf eine Reichstagsmehrheit nicht beizukommen. Abgesehen davon, dass der Monarch ihn jederzeit entlassen konnte, benötigte der Kanzler die Autorität der Krone, um den Kampf gegen den Gutsadel zu bestehen.

Eine monarchisch verbrämte Umwälzung

Bereits zu Ostern d.J. hatte er Wilhelm II dazu gebracht, in seiner Osterbotschaft die Abschaffung des bisherigen Wahlrechts in Preußen anzukündigen, ohne dass dieser sich auf die Ersetzung durch ein gleiches Wahlrecht festgelegt hatte, wie von Bethmann gewünscht. Jetzt wurde der Kanzler durch die Initiative des Reichstags zu einer Friedensresolution und innerer Neuordnung sowohl vorwärts getrieben als scheinbar auch gestärkt. Er berief für den 9.Juli den Kronrat ein – das war die Sitzung der preußischen Regierung unter Vorsitz des Königs – und erzwang dort ein Votum zugunsten der Einführung des Reichstagswahlrechts in Preußen. Zwar stimmten nur drei der acht preußischen Ressortminister dafür und fünf dagegen, aber mit den Stimmen Bethmanns selber (in seiner Funktion als preußischer Ministerpräsident) und der beiden Reichs-Staatssekretäre (Helfferich und Graf Roedern), die gleichzeitig Minister in Preußen waren, brachte er eine knappe Mehrheit von sechs gegen fünf Ministerstimmen zustande. Der Kaiser selber behielt sich eine Entscheidung vor.

Am nächsten Tag erschien der Regierungschef zum Vortrag beim Monarchen und führte dort aus, dass das gleiche Wahlrecht, nach den überwältigenden Leistungen des Volkes im Krieg freiwillig von der Krone gewährt, „eine außerordentliche Stärkung und Festigung des monarchischen Gedankens“ bewirken würde. Damit im Zusammenhang entwickelte er das Programm eines Volkskaisertums, das „Deutschland zur parlamentarischen, auf einen Remisfrieden bedachten Monarchie umformen sollte.“18 Der Monarch wurde damit in seiner Doppelrolle als deutscher Kaiser und preußischer König vor eine Entscheidung gestellt, die er selber so formulierte, dass sie „nach Ansicht der Einen den Untergang Preußens“, ihre „Unterlassung nach Ansicht der Anderen den Untergang nicht nur Preußens, sondern auch Deutschlands“ bedeutete.19

Um sich des Rückhalts der Krone sicher zu sein, bot Bethmann dem wetterwendischen Kaiser unter Hinweis auf die Brisanz der Wahlrechtsänderung seine Demission an. Dieser versicherte ihn jedoch seines Vertrauens und gab ihm zur Friedensresolution, die gerade in der parlamentarischen Beratung war, grünes Licht, damit er im Reichstag seine Zustimmung erklären konnte.20 Zur Wahlrechtsfrage bat er sich Bedenkzeit aus, weil er zuerst mit dem Thronfolger sprechen wolle. Einen Tag später, am 11.Juli, übermittelte er Bethmann dann sein Einverständnis mit dem gleichen Wahlrecht. Der Erlass dazu wurde am Abend desselben Tages ausgefertigt, erschien am nächsten Morgen in der Presse und hatte u.a. zur Folge, dass die preußischen Minister, die sich im Kronrat gegen das Wahlrecht ausgesprochen hatten, darunter der Kriegsminister von Stein, um ihre Entlassung bitten mussten. Die Entmachtung der junkerlichen Reaktion schien auf gutem Wege zu sein, und damit konnte zu gegebener Zeit auch die OHL ausgetauscht werden, damit sie die Friedensvorbereitungen nicht sabotierte.

Die mutige Tat eines Monarchisten

1866-1871 hatte Bismarck die Herrschaftsstellung der untergehenden ostelbischen Gutsbesitzerklasse noch einmal für Jahrzehnte gerettet, indem er die bürgerlichen Kräfte durch Verwirklichung der deutschen Einheit unter preußischer Führung zähmte. Daraus war das Janusgesicht des neuen Nationalstaats erwachsen: wirtschaftlich von gewaltiger Dynamik, stieg er zur halbhegemonialen Zentralmacht Europas auf, während seine innere Ordnung den Ungeist des preußischen Militarismus konservierte. Jetzt machte sich Bismarcks Nachfolger daran, diese reaktionäre Hypothek des Reichsgründers abzuschütteln. Mit der Feststellung, dass Bethmann von ihm verlangen würde, Preußen zu opfern, um Deutschland zu retten, brachte Wilhelm II diese Perspektive völlig richtig auf den Punkt.

In der Geschichtsschreibung wird der Kanzler regelmäßig als „königlicher Beamter“ (Thomas Nipperdey) bzw. als „Bürokrat an der Spitze einer kaiserlichen Beamtenregierung“ (H-U. Wehler) abgetan. Seitdem 1909 das konservativ-liberale „Kartell der staatstragenden Parteien“ auseinander gebrochen und er Regierungschef geworden war, hatten die verfeindeten Blöcke im Reichstag ein normales Regieren nicht zugelassen. Ohne feste Parlamentsmehrheit hatte Bethmann sich zwischen ihnen durchwursteln müssen und versucht, der bislang ausgegrenzten Arbeiterbewegung durch soziale und demokratische Reformen entgegen zu kommen, um die Krise von Staat und Gesellschaft zu überwinden, die ganze Zeit über in der vergeblichen Hoffnung, die Konservativen vom Unvermeidlichen zu überzeugen.

Immer wieder hatte er zurück gesteckt, zwischen den Fronten laviert, war Festlegungen ausgewichen und hatte hingenommen, als ebenso rätselhaft betrachtet wie als entscheidungsschwach abgetan zu werden. Doch nun war diese Politik des Lavierens an ihr Ende gekommen, denn nur wenn der Militäradel in die Schranken gewiesen wurde, bestand die Chance, mit einem blauen Auge aus dem Krieg heraus zu kommen. Gelang dies nicht, würde die Fortführung des Kriegs sowohl Preußen als auch Deutschland in den Untergang reißen. Deshalb wurde aus dem königlichen Beamten ein Mann der demokratischen Tat, der sich daran machte, die Vorherrschaft des Junkertums zu brechen.

 

II. Der Kanzlersturz

Der scheinbar bereits gelungene Durchbruch wurde indessen umgehend zum Stehen gebracht, und dafür sorgten ausgerechnet die demokratischen Parteien. Während der Kanzler noch im Kronrat und beim Kaiser darum kämpfte, den Militäradel zu entmachten, organisierten ihre Führungen zusammen mit der Obersten Heeresleitung seine Entlassung.

Bethmann als Friedenshindernis

Den Tenor des gemeinsamen Vorgehens gegen den Kanzler formulierte öffentlich als erster Gustav Stresemann. In seiner Rede nach Erzbergers Auftritt im Hauptausschuss am 6.Juli begrüßte er prinzipiell die Ausführungen des Zentrumsführers, ja forderte noch entschiedener als dieser die Parlamentarisierung der Regierung. Vor allem aber attackierte er den Kanzler, machte ihn für alle Fehlschläge der Vergangenheit verantwortlich, prangerte seine Entschlusslosigkeit und Unfähigkeit an, erklärte ihn für ungeeignet zur Herstellung eines Verständigungsfriedens und forderte seinen umgehenden Rücktritt. Aufhorchen lassen musste daran insbesondere, dass ausgerechnet der entschiedenste Verfechter des Annexionismus die Forderung nach einem Kanzlersturz mit der Sorge um einen Verständigungsfrieden begründete.

In den folgenden Tagen schieden die Nationalliberalen aus der gemeinsamen IFA-Beratung einer Friedenresolution aus und intensivierten ihre Attacken gegen Bethmann. Im Prinzip stellte ihr Fortgang kein Problem dar, denn Zentrum, Fortschritt und SPD verfügten auch ohne sie über genügend Abgeordnete, so dass sowohl die Friedensresolution verabschiedet werden konnte als auch der Regierungschef genügend Rückhalt im Parlament besaß. Doch nun rückte Erzberger, der bis dahin als Unterstützer, wenn nicht gar Intimus Bethmanns gegolten hatte, öffentlich von dem Kanzler ab. Erst im Nachhinein wurde klar, dass er mit der Friedensresolution „auch noch den Sturz Bethmann Hollwegs zu Gunsten seines Kandidaten, des Fürsten Bülow, betrieb“.21

Gab er anfangs noch zweideutige Vertrauenserklärungen von sich, ging er im Lauf weniger Tage dazu über, Bethmann nach drei Jahren Krieg als ungeeignet für einen Friedensschluss zu erklären. Indem er Stresemanns Argumentation für den Sturz des Kanzlers übernahm, führte er schließlich in seiner Fraktion den offiziellen Beschluss herbei, dass die „Zentrumsfraktion … in dem weiteren Verbleiben des Herrn von Bethmann Hollweg im Reichskanzleramt eine Erschwerung für die Herbeiführung des Friedens“ sieht.22 Damit war der Kampf entschieden, denn nachdem das Zentrum umgeschwenkt war, blieben nur noch die Fortschrittspartei und die Sozialdemokratie als Unterstützer Bethmanns übrig, und sie hatten keine Mehrheit im Reichstag. Abgesehen davon trat lediglich die Fortschrittspartei rückhaltlos für den Kanzler ein, während die Unterstützung der Sozialdemokraten doppelbödig war.

Als dies feststand, ging die Fronde der Kanzlerstürzer zum Angriff über. Am selben Tag, an dem Bethmann die Zustimmung des Monarchen für die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen erhielt, rief der Kronprinz für den Vormittag des kommenden Tags Vertreter der Reichstagsparteien zu sich mit der Aufforderung, zur Frage eines Kanzlerwechsels Stellung zu nehmen. Er war wie die gesamte Militärführung ein leidenschaftlicher Gegner des Reichskanzlers, den er als verkappten Demokraten und Schlappmacher nach innen und außen verabscheute. Obwohl er im Verfassungsgefüge des Reichs keine Funktion hatte und seine Einmischung in die Kanzlerfrage eine Anmaßung war (und eine Frechheit gegenüber seinem Vater), folgten die Parteiführer seinem Ruf und erschienen am 12.Juli 1917 nacheinander im Kronprinzenpalais, um Rede und Antwort zu stehen.

Eine abgekartete Aktion

Bei den getrennt stattfindenden Unterredungen führte Oberst Max Bauer, ein Abgesandter der OHL, hinter einer Tapetentür heimlich Protokoll. Die konservativen Abgeordneten Westarp und Mertin sprachen sich ohne Umschweife für die Ablösung Bethmanns aus. Noch vehementer als die Konservativen forderte der Nationalliberale Stresemann seine Beseitigung, da er „immer flau gemacht“ habe; er erklärte den „Kanzlerwechsel für das Nötigste, was es gibt.“ Genau so entschieden äußerte Erzberger: eine „Zusammenarbeit ist ausgeschlossen (….) Der Reichskanzler muss weg, er ist ein Hindernis des Friedens“.

Für die Fortschrittspartei erklärte deren Vorsitzender Friedrich von Payer, dass Bethmanns Politik mit der Linie seiner Partei übereinstimmen würde; er sah keinen Grund zum Kanzlerwechsel. Als letzter folgte der SPD-Vertreter Eduard David, der mit Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann zusammen das Führungstrio der Sozialdemokratie bildete, seit die USPD sich abgespalten hatte. Er teilte mit, dass seine Partei nicht auf den Kanzlerwechsel ausginge, fügte jedoch hinzu, dass in der Person des Kanzlers „Schwierigkeiten zur Anbahnung zum Frieden“ liegen würden; in diesem Fall müsse der Kanzler gehen, „man müsste aber noch etwas warten.“23 Bis auf die einflusslosen Linksliberalen wandten sich also alle Vertreter der demokratischen Parteien mit der gleichen Begründung gegen den Kanzler, indem sie ihn in Abstufungen als Hindernis für einen Friedensschluss deklarierten.

Nachdem die Konsultationen bestätigt hatten, dass Bethmann nicht mehr über genügend Rückhalt im Parlament verfügte, suchte der Thronnachfolger seinen Vater auf und verlangte die Entlassung des Kanzlers. Gleichzeitig reichten Hindenburg und Ludendorff ihren Abschied ein, weil sie mit dem Kanzler nicht zusammenarbeiten könnten; bei dieser Gelegenheit hielt Ludendorff dem Monarchen vor, dass er sich „in der schwersten Krise, die über Deutschland und Preußen hereingebrochen ist, für den Verbleib des Leiters dieser Politik, des Herrn Reichskanzlers, in seinem Amt entschieden“ habe.24 Für einen preußischen General war dies eine bis dahin unvorstellbare Insubordination; sie spiegelte das mittlerweile vorhandene Verhältnis zwischen den Militärführern und ihrem königlich-kaiserlichen „Oberkommandierenden“ wider.

Nur von einem wankelmütigen Monarchen gestützt, hatte der Kanzler gegen die gemeinsame Front von Oberster Heeresleitung und Parlament keine Chance. Er bat den Kaiser um seine Entlassung, die dieser noch am 12.Juli annahm, im Gegensatz zu den Abschiedsgesuchen der Heeresführer. Damit war der Versuch, das reaktionäre Preußentum zu entmachten, um zu einem Friedensschluss zu gelangen, der für einen kurzen geschichtlichen Augenblick geglückt schien, gescheitert.

An Bethmanns Stelle sollte zunächst sein Vorgänger Bülow treten. Dieses Vorhaben scheiterte indes daran, dass Wilhelm II um keinen Preis bereit war, nach der Daily-Telegraph-Affäre von 1908 noch einmal mit ihm zusammen zu arbeiten.25 Daraufhin wurde der Kanzlerposten dem über siebzigjährigen Graf Hertling angeboten, einem Zentrumsmann des rechten Flügels, der seit 1912 bayrischer Ministerpräsident war. Der weigerte sich jedoch, weil er zu alt sei, um sich mit der OHL auseinanderzusetzen, die sich dauernd in die Regierungsgeschäfte einmischen würde. Schließlich ernannte der Kaiser am 14.Juli den bis dahin weitgehend unbekannten Unterstaatssekretär für Ernährungsfragen Georg Michaelis zum Kanzler, der ein überzeugter Anhänger der OHL sowie eines Siegfriedens war und ankündigte, sein Amt in steter Übereinstimmung mit der Heeresleitung zu führen.

Die OHL reagierte auf das Vorhaben einer Friedensresolution sybillinisch. Sie wünschte eine Verschärfung des Resolutionsentwurfs, machte aber keine grundsätzlichen Bedenken dagegen geltend; Hindenburg und er äußerten sich „lediglich zurückhaltend“, wie Ludendorff schrieb.26 Wichtiger war ihnen der Sturz Bethmanns. Den Monarchen stellten die Militärs bald darauf endgültig kalt. Ende des Jahres musste er auf Verlangen Ludendorffs seinen nächsten Berater, den Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts Rudolf von Valentini, der eng mit Bethmann zusammen gearbeitet hatte, entlassen. Dessen Posten übernahm eine Kreatur der OHL.

Mehrdeutigkeit der Friedensresolution

Am 17.Juli verabschiedete der Reichstag die für Bethmanns Sturz ursächliche Friedensresolution mit 216 gegen 126 Stimmen. Dafür stimmten die Abgeordneten von Zentrum, SPD und Fortschritt, dagegen die beiden konservativen Parteien sowie die Nationalliberalen, außerdem die Abgeordneten der USPD, die sie als heuchlerisch erklärten, weil sie zu unbestimmt sei.

Die aus Russland kommende Forderung „keine Annexionen und Entschädigungen“ fand in der Resolution keine Erwähnung. Ihre zentrale Friedensformel plädierte für einen „Verständigungs- und Versöhnungsfrieden“, der durch wechselseitigen Verzicht auf „erzwungene Gebietserwerbungen“ sowie auf „politische, wirtschaftliche oder finanzielle Vergewaltigungen“ zustande kommen sollte. Diese Formel ließ die Möglichkeit vereinbarter Gebietserwerbungen und Kriegsentschädigungen zwischen Sieger und Besiegten bewusst offen, so dass Michaelis dem Kronprinzen versichern konnte, mit der Friedensresolution könne er jeden Frieden machen, den er wolle. Deshalb konnten die Reichstagsabgeordneten bald darauf auch problemlos für den Diktatfrieden von Brest-Litowsk stimmen, denn schließlich hatte die bolschewistische Regierung Russlands den Abmachungen ja zugestimmt.

Zwei Tage nach der Verabschiedung der Friedensresolution hielt der neue Kanzler seine Antrittsrede im Reichstag. Wie vorher den Mehrheitsparteien zugesichert, bekannte er sich zu der Friedensresolution, fügte aber unabgesprochen hinzu: „so wie ich es auffasse“, was die ohnehin zweideutige Erklärung zusätzlich relativierte. Diese wenigen Worte brachten den Gegensatz zu seinem Vorgänger auf den Punkt. Bethmann war im April 1917 von der OHL mit Hilfe des Kaisers gezwungen worden, in deren Bad Kreuznacher Hauptquartier einem von ihm als Phantasterei betrachteten Kriegszielprogramm zuzustimmen, das ihm die Militärs in der Absicht vorgelegt hatten, eine Ablehnung zu seinem Sturz zu nutzen. Wieder zurück in Berlin, legte er einen Vermerk nieder, dass er das Protokoll nur unterzeichnet habe, „weil mein Abgang über Phantastereien lächerlich wäre. Im übrigen lasse ich mich durch das Protokoll natürlich in keiner Weise binden. Wenn sich irgendwie und irgendwo Friedensmöglichkeiten eröffnen, verfolge ich sie. Was ich hiermit aktenmäßig festgestellt haben will.“27

Am 20.Juli 1917, dem Tag nach Michaelis‘ Auftritt im Parlament, stimmten alle Parteien bis auf die USPD-Abgeordneten den neuen Kriegskrediten zu.

Ende der Friedensversuche

Nach dem Kanzlersturz war der nächste Schritt die Aushebelung der päpstlichen Friedensinitiative.28 Mitte August 1917 ließ Benedikt XV. seine am 1.August unterzeichnete Friedensnote den kriegführenden Staaten übermitteln. Darin waren die Voraussetzungen für den Eintritt in Friedensverhandlungen genannt, die die päpstliche Diplomatie im Vorfeld abgeklärt hatte. Sie umfassten die Räumung Belgiens und Nordfrankreichs durch Deutschland sowie im Gegenzug die Rückgabe der okkupierten deutschen Kolonien, den gegenseitigen „Verzicht auf Erstattung der Kriegskosten“, schließlich die Prüfung sonstiger territorialer Streitigkeiten (Elsaß-Lothringen, Trentino, Polen) in „versöhnlicher Absicht“.

Das bedeutete im Grundsatz die Rückkehr zum status quo ante und entsprach dem, was Bethmann auf deutscher Seite zugesagt hatte. Nur weigerte sich sein Nachfolger trotz mehrfacher Aufforderung, die Freigabe Belgiens zu bestätigen. „Inzwischen hatte jedoch nach der Julikrise Georg Michaelis das Amt des Reichskanzlers angetreten. Die Römische Kurie glaubte blauäugig, die Zusagen, die Michaelis‘ gestürzter Vorgänger von Bethmann Hollweg … gemacht hatte, würden faktisch auch weiterhin die Maximen der deutschen Politik bestimmen.“29 Damit war der päpstliche Versuch der Friedensstiftung gescheitert, denn so lange Deutschland nicht den bedingungslosen Rückzug aus Belgien garantierte, ließ London sich nicht auf Friedensgespräche ein.

Es muss offen bleiben, ob die Initiative des Vatikans ohne den Kanzlerwechsel in Berlin Erfolg gehabt hätte. Mit einem Kanzler Michaelis war sie jedenfalls gestorben, und damit ging die letzte Gelegenheit vorüber, zu einem vorzeitigen Pattfrieden zu gelangen. Ab jetzt gab es kein Zurück mehr.

Nach dem durch Kanzler Michaelis herbeigeführten Fehlschlag der päpstlichen Aktion hatten die Ententemächte keinen Grund mehr, noch auf die Friedensresolution des Reichstags einzugehen, und das verfehlte seine Wirkung auf die deutsche Öffentlichkeit nicht. Ihr wurde das Bild vermittelt, dass Deutschland seine Hand zur Versöhnung der Völker ausgestreckt hatte, aber die Gegner in ihrem Hochmut gar nicht darauf reagierten. Damit schien offenkundig, dass sie weiterhin nur ein Ziel hatten, nämlich Deutschland zu vernichten. Also musste man die Reihen wieder schließen und weiter kämpfen, um das Vaterland bis zum letzten Atemzug zu verteidigen. Abgesehen von der USPD reihten sich die Teile der Arbeiterbewegung, die gerade im Begriff gewesen waren, das Kriegsbündnis zu verlassen, wieder in die innere Kampffront ein und damit konnte der Krieg fortgesetzt werden.

Gleichzeitig trat im September 1917 als Reaktion auf die Friedensresolution die „Deutsche Vaterlandspartei“ (DVLP) ins Leben. Von Alldeutschen und Teilen der Konservativen mit stillschweigender Unterstützung der OHL gegründet, versuchte sie, eine Massenbewegung gegen einen Frieden der Verständigung und für einen umfassenden deutschen „Siegfrieden“ zu organisieren. Indem sie das Zentrum und die Linksliberalen wegen Verrats an der Heimatfront attackierte, die Ausschaltung der Arbeiterparteien verlangte und einen autoritären Staatsumbau mit Hilfe eines „starken Mannes“ propagierte, kündigte sie den Burgfrieden von rechts auf.

Die beiden konservativen Parteien blieben offiziell auf Distanz zu der Bewegung. Sie waren Honoratiorenorganisationen, die Massen nur als Wähler akzeptierten, aber nicht in der Partei. Demgegenüber war das Neuartige an der Vaterlandspartei, dass sie Ansätze zu einer rechten Massenpartei verkörperte und aus dem bisherigen Parteiensystem ausbrach, ideologisch untermauert durch eine Mischung aus konservativen und völkischen, nationalistischen und antisemitischen Parolen.

 

 

Parlamentarisierung der Regierung

Der neue Kanzler musste nicht nur seine Regierungserklärung vorher mit den Mehrheitsparteien absprechen und ihnen seine Unterstützung der Friedensresolution versprechen. Außerdem richtete der Reichstag einen sogenannten „Siebenerausschuss“ aus Vertretern der Reichstagsparteien ein, der dem von Bethmann geplanten Beirat entsprach und die Politik der Regierung ab jetzt kontrollierte. Dagegen wurden keine Parlamentarier in die Regierung aufgenommen, wie Bethmann es vorgehabt hatte.

Im Oktober musste Michaelis auf Druck des IFA, in dem jetzt auch die Nationalliberalen mitmachten, zurücktreten, weil seine Politik den gerade gefestigten Burgfrieden gefährdete.30 Er hatte die kaiserliche Ordre zur Wahlrechtsänderung in Preußen einfach negiert, außerdem deckte er die alldeutsche Agitation und Werbung für die Vaterlandspartei in der offiziell politikfreien Armee. Um das Maß voll zu machen, erhob seine Regierung darüber hinaus im Zusammenhang mit einem Kriegsgerichtsverfahren gegen revolutionäre Marineangehörige (aufgrund dessen die Matrosen Köbes und Reichpietsch hingerichtet wurden) unbewiesene Hochverratsvorwürfe gegen die USPD-Führung.

Dadurch beschwor er die Gefahr herauf, dass die mühsam gelungene Einbindung der Arbeiterschaft wieder zerfallen würde, weshalb die SPD auf seinen Rücktritt drängte und die anderen Parteien ihr folgten. An seine Stelle trat der Zentrumspolitiker Hertling, der bereits in der Julikrise die Kanzlerschaft übernehmen sollte. Seinerzeit hatte er unter Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter abgelehnt – vermutlich, weil sein Parteifreund Erzberger Bülow zum Kanzler machen wollte. Jetzt fühlte er sich mit nunmehr 74 Jahren jung genug für die Bürde des Amtes, da die Zentrumsfraktion mit ihm einverstanden war.

Auf Verlangen des IFA musste er den Vorsitzenden der Fortschrittspartei als Vizekanzler und einen Nationalliberalen als Vizepräsidenten der preußischen Regierung akzeptieren. Hätte sie es verlangt, hätte die SPD ebenfalls einen Vertreter in das Kabinett entsenden können, doch verzichtete wie schon bei der gescheiterten Kanzlerschaft Bülows darauf, weil sie Sorge um die Auswirkungen auf ihre Anhänger hatte.

Mit seinem Eingreifen in die Regierungsbildung hatte der IFA auf diese Weise den Weg zur Parlamentarisierung unterhalb der Schwelle einer Verfassungsänderung beschritten, weshalb er von der Geschichtsschreibung als Wegbereiter der Weimarer Demokratie gefeiert wird. Ansonsten setzte Hertling im Einverständnis sowohl mit der Reichstagsmehrheit als auch mit der OHL die Kriegspolitik seines Vorgängers fort, innenpolitisch nur geschickter, da er mehr Erfahrung im Umgang mit den Parteien besaß.

 

 

… und Beibehaltung des Dreiklassenwahlrechts

Im Gegensatz zur Parlamentarisierung geschah in der Frage der Massendemokratie nichts. Nachdem Michaelis untätig geblieben war, legte die Regierung Hertling aufgrund der gestiegenen Empörung im November 1917 einen Gesetzentwurf zur Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen vor. Das preußische Abgeordnetenhaus machte daraus in vielen Beratungen ein Pluralwahlrecht, das sie am 4.Juli 1918 schließlich nach der fünften Lesung verabschiedete und zur Weiterberatung an das Herrenhaus weiterreichte, ohne dass die Regierung eingriff. „Nicht nur in der Außenpolitik, sondern vor allem auf dem viel wichtigeren Feld der Innenpolitik hatten die Kräfte des Annexionismus und der Reaktion ihren letzten großen Erfolg. So kurz vor der endgültigen Katastrophe ist dieses engstirnige Beharren auf überholten Privilegien schwer nachvollziehbar. Aber wir müssen uns daran erinnern, dass der Verlust dieser Privilegien für die meisten Begünstigten des Hohenzollernregimes mindestens ebenso so fundamental war wie die militärische Niederlage ihres Vaterlandes.“31

Wegen der Verschleppung durch das Abgeordnetenhaus hatten SPD und Fortschritt die Regierung zunächst aufgefordert, den Landtag vor die Alternative zu stellen, entweder das gleiche Wahlrecht zu akzeptieren oder aufgelöst und neu gewählt zu werden. Doch einigten sie sich anschließend mit der Regierung darauf, die Frage von Neuwahlen der OHL zur Entscheidung vorzulegen. 32 Erwartungsgemäß nahm die Militärführung zum Wahlrecht keine Stellung, sprach sich aber gegen Neuwahlen im Krieg aus, und damit war der Fall erledigt – es gab weder Neuwahlen noch ein gleiches Wahlrecht. Als die OHL ihre Entscheidung traf, war die Wahlrechtsänderung so lange hinausgezögert worden, dass gerade die entscheidenden Schlachten im Westen stattfanden. Auch in der Arbeiterschaft teilte wohl „eine Mehrheit die verzweifelte Hoffnung auf die letzte, die siegreiche Entscheidungsschlacht im Westen …, so wie auch viele Brest-Litowsk als ‚Brotfrieden‘ zur Ausbeutung der ukrainischen Getreidekammer begrüßt hatten.“33 In dieser Situation waren keine Massenbewegungen mehr zu befürchten, so dass der Gesetzentwurf bis Kriegsende im Herrenhaus liegen bleiben konnte.

 

III. Das Rätsel der Julikrise

Verlauf und Ergebnis der Kanzlerkrise geben bis heute Rätsel auf. Mitte 1917 gab es nicht nur eine breite Reichstagsmehrheit für innere Reformen, sondern scheinbar auch für einen Verständigungsfrieden, und „wenn irgend jemand gewillt war, die Ziele dieser Mehrheit zu verwirklichen, dann war es Bethmann.“34 Warum fiel der Kanzler ausgerechnet in dem Augenblick, als er sich anschickte, Friedensgespräche in die Wege zu leiten und dem preußischen Militäradel als dem entscheidenden Gegner eines Friedensschlusses das Genick zu brechen?

Die Konservativen bekämpften ihn wegen seiner „Neuorientierung“ im Inneren schon seit langem als verkappten Demokraten; dasselbe taten aus außenpolitischen Gründen die Nationalliberalen, weil er kein Verfechter der Weltpolitik war. Doch bislang war es weder den einen noch den anderen gelungen, seine Absetzung zu erreichen. Um so merkwürdiger ist es, dass er im entscheidenden Moment von den demokratischen Mehrheitsparteien des Reichstags fallen gelassen wurde, als er gerade im Begriff war, die erklärten inneren und äußeren Ziele dieser Parteien zu realisieren. Mindestens ebenso rätselhaft wie der Sturz selber ist die folgende Entwicklung. Warum fand sich der Reichstag mit einem Mann als Nachfolger ab, der offen als Vertreter der OHL agierte und weder zum Friedensschluss noch zur Einführung eines gleichen Wahlrechts in Preußen bereit war? Warum gestattete er die Fortsetzung des Kriegs bis zum bitteren Ende, als ob nichts gewesen wäre?

In den Geschichtsbüchern wird das merkwürdige Verhalten des Parlaments durchweg auf die Unreife der Parteien bzw. den Mangel an politischem Realitäts- und Verantwortungssinn der handelnden Politiker zurück geführt, kurz gesagt auf fehlende Machterfahrung. Aber ist es überzeugend, dass angeblich ungeübte und machtferne Politiker am einen Tag eine historische Friedensresolution verabschieden und einen Kanzler stürzen können, nur um am nächsten Tag in Hilflosigkeit zu versinken?

Wenn man die gängige Begründung für unbefriedigend hält, muss man sich näher mit den Umständen der Friedensresolution beschäftigen, beginnend mit dem Zentrumsvorsitzenden Erzberger, der sie initiierte und eine maßgebliche Rolle beim Kanzlersturz spielte.

Erzberger als Kriegspolitiker

Der Erzberger-Biograph Epstein bewertet den Sturz Bethmanns als „größten politischen Fehler“ in der Laufbahn Erzbergers.35 Doch inwieweit war dies ein durch Fehlkalkulation verursachter Fehler?

Die Zentrumspartei, in der Erzberger politisch groß geworden war, umfasste als katholischer Vorläufer der späteren Volksparteien alle Klassen und Schichten vom Adel über Bürger, Bauern und Handwerker bis zu Arbeitern. In diesem Konglomerat gegensätzlicher Interessen Karriere zu machen, erforderte Durchsetzungsfähigkeit und Flexibilität. 1875 geboren, gelang es ihm nicht nur, 1903 als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt zu werden, sondern stieg er in kurzer Zeit auch in die Führung der Zentrumspartei auf. Heftig umstritten, galt er zugleich als äußerst wendiger Politiker.

Zu Beginn des Kriegs, dessen Ausbruch er begeistert begrüßte, hatte er in einer Denkschrift für die Zentrumspartei ein eigenes Annexionsprogramm aufgestellt. „Belgien und der nordfranzösische Küstengürtel bis Boulogne sollten zur Sicherung ungehinderten Zutritts zum Weltmeer unter die militärische Oberhoheit des Reiches gestellt werden; das Erzbecken von Longwy-Briey sollte aus wirtschaftlichen, die Stadt Belfort aus strategischen Gründen annektiert werden“; außerdem sollten im Osten die nichtrussischen Völkerschaften des Zarenreichs selbständige Satellitenstaaten unter deutscher oder österreichischer Oberhoheit gründen.36

Die Forderung nach Inbesitznahme der belgisch-nordfranzösischen Küstenregion entsprach der weltpolitischen Orientierung des gesamten bürgerlichen Lagers, das den Entscheidungskampf gegen England suchte. Die darüber hinaus gehende Forderung nach Aneignung der Erzregion von Longwy formulierte speziell die Interessen der Schwerindustrie, die hauptsächlich in der nationalliberalen Partei vertreten war, daneben aber auch im Zentrum, wo Erzberger im Montankonzern des katholischen Großindustriellen August Thyssen seit 1915 dem Aufsichtsrat angehörte.

Als der erwartete schnelle Sieg des Reichs in die Ferne rückte, machte der Katholikenführer von den weit gespannten Zielen aus den Anfangsmonaten des Kriegs Abstriche, trat aber zu keinem Zeitpunkt für einen Rückzug auf den Vorkriegszustand ein.37 Nach seiner eigenen Erzählung brachte ihn der Fehlschlag des U-Bootkriegs dazu, am 6.Juli die Initiative für einen Friedensschluss zu ergreifen. Dementsprechend heben bisherige Darstellungen der Julikrise als Beweggrund für sein Vorgehen die Suche nach einem Verständigungsfrieden hervor. Aber eine genauere Analyse, die Wilfried Loth unter Auswertung interner Quellen vorgenommen hat, beweist, dass Erzbergers öffentliche Äußerungen irreführend sind.38

Das Doppelspiel des Zentrumsführers

Er hatte seine Aufmerksamkeit seit über einem Jahr darauf konzentriert, den „Burgfrieden“ im Innern zu erhalten. Durch den Volksparteicharakter des Zentrums verfügte er über genaue Informationen über die Stimmungslage unter den kleinen Leuten und erkannte, dass die zunehmende Radikalisierung der Arbeiterschaft nach der russischen Februarrevolution eine gefährliche Entwicklung heraufbeschwor. Es drohten „nicht nur immer heftigere Streikbewegungen, eine weitere Radikalisierung der Linken und die Abspaltung der (katholischen; d.V.) Arbeiterbewegung vom Zentrum, sondern auch der Zusammenbruch der inneren Front und wohl auch die Revolution.“39 Als die SPD-Führung ihren Alarmruf ausstieß, dass ihr nichts anderes übrig bliebe, als die nächsten Kriegskredite zu verweigern, wenn nichts geschah, wurde es Zeit zum Handeln. „Diese für die innere und äußere Lage Deutschlands gleich gefährliche Situation musste unter allen Umständen verhindert werden“, wie Erzberger dazu bemerkte.40

Daraus folgerte indes nicht die schnellstmögliche Suche nach einem Ende des Kriegs, wie es der Schein der Friedensresolution nahelegte. Warum war es zwingend, jetzt den vom Reichskanzler angestrebten Verzichtfrieden zu schließen? Kam es angesichts der Hinfälligkeit Russlands und der Ermattung des französischen Heeres nicht vielmehr darauf an, die Heimatfront zu stabilisieren und eine letzte Kraftanstrengung zu unternehmen, um den Sieg davon zu tragen? Dafür, dass Erzberger diese Sicht teilte, spricht, dass er nach der Friedensresolution weiter für die Annexion der Briey-Longwy-Region eintrat – was Friedensverhandlungen unmöglich machte.41 Desgleichen versicherte er dem Nachfolger Bethmanns, dass die Friedensresolution nicht den vollständigen Verzicht auf Belgien bedeuten würde.42

Das aber heißt, dass man rasch handeln musste, denn waren erst einmal Friedensverhandlungen in Gang gekommen, wären sie angesichts der Friedenssehnsucht der Massen nicht mehr aufzuhalten gewesen. Dabei reichte es nicht, nur die Anbahnung von Gesprächen zu unterbinden, sondern ging es um weitere Ziele: als erstes musste schnellstmöglich der flaue Kanzler fallen, zweitens galt es, die Arbeitermassen durch ein nationales Friedensbekenntnis zu beruhigen, drittens musste auf dieser Basis der Krieg mit einem neuen Kanzler und größtmöglicher Geschlossenheit weiter geführt werden, und viertens musste all dies auf eine Weise geschehen, die Erzberger gegenüber dem Vatikan nicht offen diskreditierte, um nicht seine weitere politische Karriere im bzw. mit dem Zentrum zu gefährden.

Zusammenwirken mit der OHL

Erzberger hatte schon zuvor in Kontakt mit der OHL gestanden, und zwar mit deren Abgesandten Oberst Bauer, der bald darauf die Unterredungen des Kronprinzen mit den Parteiführern protokollierte. Angesichts der Friedensbemühungen des Kanzlers vertiefte er nunmehr diesen Kontakt, um Bethmann zu Fall zu bringen. „Es spricht einiges dafür, dass Erzberger bei seinem Vorstoß gegen den Reichskanzler im Einvernehmen mit der Obersten Heeresleitung handelte“.43 Epstein, der Biograph des Katholikenführers, hält Erzberger unverblümt ein „Bündnis mit Ludendorff gegen Bethmann“ vor.44

So begründet sich zunächst der Zeitpunkt seines Auftritts im Hauptausschuss des Reichstags. Wenige Tage nach Bethmanns Gespräch mit Pacelli sorgte dies beim Kanzler nicht nur für Irritation, vor allem schadete die Konstituierung des Interfraktionellen Ausschusses seiner Position gegenüber den anderen Mächten, denn wer hatte denn nun in Deutschland das Sagen – der Kanzler oder der Reichstag? Des weiteren ist aufschlussreich, was Erzberger auf keinen Fall in der Friedensresolution sehen wollte. Obwohl er „über Nuntius Pacelli auch wusste, dass Deutschland alsbald den Frieden bekommen konnte, wenn es unmissverständlich auf Belgien verzichtete, vermied er es, in die Friedensresolution des Reichstags eine solche Verzichtserklärung aufzunehmen und erklärte er dem neuen Reichskanzler Michaelis am Tag nach der Verabschiedung der Resolution ausdrücklich, sie gebe Belgien keineswegs völlig preis.“45

Am Morgen des 7.Juli traf Erzberger sich mit Stresemann, um die Kanzlerfrage zu erörtern.46 Beide stimmten darin überein, dass Bernhard von Bülow, der 1909 gescheiterte Vorgänger Bethmanns, erneut Kanzler werden solle. Die Nationalliberalen hatten ihn immer schon als „ihren“ Kanzler betrachtet, während Erzberger ihn früher bekämpft hatte. Doch während Bülows Tätigkeit als Sonderbotschafter in Italien (1914-15) hatte der Zentrumspolitiker enge Verbindungen mit ihm geknüpft und befürwortete jetzt seine Kanzlerschaft. Für die SPD stieß als Dritter im Bunde der Führer des rechten Parteiflügels Eduard David hinzu, der hohes Ansehen in der Obersten Heeresleitung genoss. Er war sich mit Stresemann und Erzberger einig, dass Bülow die Regierung übernehmen solle; geplant war, dass alle drei als Staatssekretäre in ein Kabinett Bülow eintreten sollten.47

Die Auswahl des Kanzlernachfolgers spricht für sich. Wenn die offizielle Begründung für die Wendung gegen Bethmann ernst gemeint war, dass er die gewünschte Friedenspolitik nicht glaubwürdig umsetzen könne, dann musste ein unvorbelasteter Mann an seine Stelle treten, der den Abschluss eines Verzichtfriedens überzeugender vorantreiben konnte. Doch welche Glaubwürdigkeit konnte ein Bülow beanspruchen, der nicht nur der Wunschkandidat der OHL war, sondern als abgedankter Kanzler des Imperialismus für den Kampf um einen „Platz an der Sonne“ und die Herausforderung Großbritanniens stand?

In diesem Zusammenhang reisten Hindenburg und Ludendorff am 7.Juli nach Berlin, um mit Stresemann, Erzberger, Ebert und Scheidemann persönlich zu sprechen – nicht mit dem Fortschrittsvorsitzenden Payer, der hinter Bethmann stand. 48 Außerdem wollten sie beim Kaiser auf einen Regierungswechsel von Bethmann zu Bülow drängen. Der Kaiser, der wie die Linksliberalen am Kanzler festhielt, wollte davon jedoch nichts wissen und forderte die Generäle auf, wieder in ihr Hauptquartier zurück zu kehren. Erzberger machte daraufhin Bethmann für das gescheiterte Zusammentreffen der Militärführer mit der Politikerfronde verantwortlich und erklärte dies für eine unzumutbare Einmischung in die Rechte der Parlamentarier. Mit dieser Wendung legitimierte er seine Abkehr von Bethmann in der Öffentlichkeit und führte in seiner Fraktion den Beschluss herbei, der dem Kanzler die Reichstagsmehrheit entzog, ihn zum Rücktritt aufforderte und Wilhelm II nötigte, ihn fallen zu lassen.

Nach dem geplatzten Zusammentreffen Hindenburgs und Ludendorffs mit Ebert und Scheidemann führte David die erforderlichen Gespräche der SPD-Führung mit der OHL am 9. und 11.Juli mit Oberstleutnant von Haeften, dem Vertreter der OHL im Auswärtigen Amt.49

Ein Ersatzkanzler der OHL und der Mehrheitsparteien

Zwar hatten die Kanzlerstürzer mit ihrem Wunschkandidaten keinen Erfolg, weil der Kaiser nach der ihm aufgezwungenen Entlassung Bethmanns die Ernennung Bülows in einem letzten Anflug von Selbstachtung verweigerte. Doch konnte man auch mit einer Ersatzlösung wie Michaelis leben, denn das Entscheidende war, dass der neue Kanzler die Fortführung des Kriegs garantierte.

In seiner vorher mit den Parteien besprochenen Regierungserklärung bekannte er sich zur Friedensresolution, aber über deren Relativierung mit dem Zusatz „wie ich es auffasse“ hinaus benannte er es als seine maßgebliche Aufgabe, „die Grenzen des Reichs für alle Zeiten sicherzustellen“ – eine Wendung, hinter der die Alldeutschen ihre Annexionspläne zu verbergen pflegten. Während die Sprecher der Mehrheitsparteien die Regierungserklärung begrüßten, so auch Scheidemann, der die Befriedigung der SPD-Fraktion über die Kanzlerworte zur Friedensfrage ausdrückte,50 prangerte Hugo Haase, der Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokraten, die Unbestimmtheit der Friedensresolution an und attackierte den Kanzler wegen der alldeutschen Wendung seiner Regierungserklärung mit großer Schärfe. Die USPD brachte auch eine Fassung der Friedensresolution ein, die Annexionen dezidiert ausschloss und konkret die „Wiederherstellung Belgiens“ sowie die „Wiedergutmachung des ihm zugefügten Unrechts“ verlangte. Der Text wurde von den Mehrheitsparteien geschlossen abgelehnt.51

Unterstützt von der neuen Reichstagsmehrheit, brachte die Regierung Michaelis anschließend die Friedensinitiative des Vatikans zum Scheitern. Wie alle anderen wichtigen Entscheidungen musste der neue Kanzler auch die Antwort auf die päpstliche Friedensnote vorab dem Siebenerausschuss des Parlaments vorlegen und von ihm billigen lassen. Dabei stimmten die Mehrheitsparteien „in vollem Bewusstsein des Rangs, der dem belgischen Problem bei der Vorbereitung von Friedensgesprächen zukam, der von der Reichsleitung empfohlenen Taktik zu …, die belgische Frage nicht in der offiziellen Antwortnote … zu behandeln“52 Damit war die Friedensgefahr erledigt.

Bis heute gilt Michaelis als Geschöpf der OHL, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Als Mann der Militärs bekam er zugleich die Unterstützung der demokratischen Mehrheitsparteien, die darauf setzten, alle Kräfte für die siegreiche Beendigung des Kriegs hinter der Militärführung zusammen zu schließen. Dass er das Vertrauen der Reichstagsmehrheit bald wieder verlor und diese ihn durch einen anderen Kanzler ablösen ließ, steht auf einem anderen Blatt.

Bündnis für den Sieg auf Kosten der Demokratie

Als Michaelis in seiner Regierungserklärung die Zustimmung zur Friedensresolution mit den Worten ergänzte „wie ich es auffasse“, vermerkte das Sitzungsprotokoll des Reichstags Beifall bei den Abgeordneten von Zentrum, Fortschritt und SPD. Wiederum war es der USPD-Sprecher Haase, der in seiner Rede darauf aufmerksam machte, dass Michaelis mit diesen Worten die volle Freiheit zur Auslegung der ohnehin vieldeutigen Resolution für sich in Anspruch genommen hatte. Erst aufgrund seiner Intervention gelangte diese Tatsache überhaupt an eine größere Öffentlichkeit und wurde nach dem Krieg von den Politikern der Weimarer Koalition dazu genutzt, um sich als Opfer eines betrügerischen OHL-Kanzlers darzustellen.

Beim Friedensschluss von Brest-Litowsk erklärte Erzberger, dass der Vertrag vollauf mit der Friedensresolution des Reichstags vom Juli 1917 übereinstimmen würde.53 Schließlich hatte die russische bolschewistische Regierung den Friedensvertrag ja freiwillig unterschrieben. Angesichts des scheinbar in greifbare Nähe gerückten deutschen Gesamtsiegs konnte er nunmehr „mit kaum verhohlener Genugtuung“ feststellen, dass die Einbringung der Friedensresolution wie von ihm beabsichtigt zur „Stärkung der inneren Front“ geführt habe.54

Wenn man diesen Zusammenhang nachvollzieht, hört der innenpolitische Stillstand nach Bethmanns Sturz auf, ein Rätsel zu sein. Was die demokratische Reichstagsmehrheit realisierte, war die Parlamentarisierung der Regierung, und diesem Zweck dienten der IFA und der Siebenerausschuss der Parlamentsparteien. Dagegen hätte die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen schwere Konflikte mit dem Militäradel hervorgerufen und die innere Front, die man soeben auf der linken Seite durch Beruhigung der Arbeitermassen neu geschlossen hatte, auf der rechten Seite wieder aufgerissen. Deshalb schlug man hier eine Taktik ein, wonach die Regierung den kaiserlichen Erlass pro forma umsetzte und real verschleppen ließ, so dass es zu keiner Konfrontation mit Konservativen und Militärführung kam.

Damit kommen wir auf die Frage zurück, inwieweit die Beseitigung Bethmanns „der größte politische Fehler“ Erzbergers war. Wertfrei betrachtet, war der Sturz des friedensbereiten Kanzlers mit Hilfe einer Friedensresolution, um die innere Front zu stabilisieren und den Krieg bis zum Endsieg fortzusetzen, ein politisches Bravourstück, das eines Bismarcks würdig war. Vom Ergebnis her sorgte dieses Bravourstück dafür, dass die Macht des preußischen Militäradels erhalten blieb und der Krieg noch anderthalb Jahre unter gewaltigen Opfern weiter ging, nur um mit der vollständigen Niederlage Deutschlands zu enden. Insofern war es eine verquere Ironie der Geschichte, dass Erzberger im August 1921 ausgerechnet als „Friedenspolitiker“ von zwei fanatischen Weltkriegsoffizieren ermordet wurde.

 

IV. Sozialdemokratische Kriegspolitik

Auf dem Boden der dargelegten Abläufe ist es unvermeidlich, auch die Rolle der SPD neu zu überdenken. Sie firmiert in den Geschichtsbüchern als einflusslose Partei am Rande des Geschehens, die für Bethmann eintrat, aber von den Ereignissen überrumpelt und ebenso wie die anderen Parteien durch die OHL sowie den neuen Kanzler Michaelis getäuscht wurde. Doch wie realitätstauglich ist diese Erzählung?

Für realistische Annexionsziele

Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten im August 1914 war die SPD nach einer längeren Wandlungsphase endgültig zu einer bürgerlichen Arbeiterpartei geworden. Auf diesem Boden teilte ihre Führung im Grundsatz auch die Kriegsziele des bürgerlichen Lagers. Öffentlich trat sie nicht für Annexionen ein, „aber intern hat eine erhebliche Zahl ihrer führenden Köpfe ‚maßvolle Kriegsziele‘ zumindest stillschweigend hingenommen, manche haben sie auch bejaht, um so stärker, je weiter rechts sie standen.“55

Vom 2.-19.Juni fand in Stockholm eine internationale Sozialistenkonferenz zum Frieden statt, zu der eine Reihe führender SPD-Mitglieder reiste. Anders als die französische und britische Regierung, die ihren sozialistischen Abgeordneten die Reisepässe verweigerten, unterstützte der deutsche Kanzler die Teilnahme der SPD-Politiker, weil er nach einer Friedensmöglichkeit suchte. Als David und Scheidemann ihm nach ihrer Rückkehr über die Konferenz berichteten und die Lage in Deutschland besprachen, bat der Kanzler die SPD-Politiker um eine Denkschrift für das militärische Hauptquartier.56

In dem von Eduard David verfassten Text wurde neben der Forderung nach gleichen staatsbürgerlichen Rechten, d.h. nach Beseitigung des Dreiklassenwahlrechts, die Notwendigkeit eines Friedensschlusses betont. Allerdings muss man dabei auf die Wortwahl achten. Zwar wurde die Petersburger Formel „Friede ohne Annexionen und Kontributionen“ erwähnt, doch findet sich kein Satz, dass Deutschland alle besetzten Gebiete zurückgeben müsse. Insbesondere wird nichts zur Unabhängigkeit Belgiens gesagt, obwohl die SPD-Führung wusste, dass ohne dies kein Friedensschluss mit den Westmächten möglich war.

Stattdessen wandte sich die Schrift gegen das „Festhalten an Kriegszielen, die über das eigene Recht und zugleich über das Erreichbare hinausgehen“, und fuhr fort, „dass das deutsche Volk um nichts anderes kämpft als um sein nationales Recht auf Leben und Entwicklung.“57 Aus dem Jargon der Zeit in die politische Realität übersetzt, verbarg sich hinter dem „nationalen Recht auf Leben und Entwicklung “ der Anspruch auf eine Vergrößerung Deutschlands in Europa und durch Kolonien, während der Hinweis auf das Erreichbare realistische Annexionsziele anstelle der Eroberungsphantasien der Alldeutschen anmahnte. Die hier formulierte Position ist der Boden, von dem aus die SPD-Führung in der Julikrise ihre Politik betrieb.

Abwendung von Bethmann

Die nach der russischen Februarrevolution im Frühjahr/Frühsommer 1917 einsetzende Linkswendung der Arbeitermassen, die zur Gründung der USPD und dem massenhaften Übertritt sozialdemokratischer Parteimitglieder führte, stellte eine wachsende Gefahr für die Sozialdemokratie ebenso wie für die Fortsetzung des Kriegs dar, wenn nicht gar eine Revolution drohte. Als die SPD-Führung ankündigte, die nächsten Kriegskredite zu verweigern, wenn die Regierung nicht ihre Kriegsziele benannte und demokratische Reformen zusagte, tat sie das nicht aus freien Stücken, denn einen Bruch des Burgfriedens fasste sie zu keinem Zeitpunkt ernsthaft ins Auge. Die Drohung diente vielmehr der Beruhigung ihrer Anhänger und war gleichzeitig ein Alarmruf an die Adresse der anderen Parteien und der Regierung, gemeinsam einen Weg zur Wiedereinbindung der Arbeitermassen zu finden. Dieser Alarmruf überschnitt sich mit dem zur selben Zeit von Bethmann unternommenen Versuch, mit Hilfe der päpstlichen Friedensinitiative den Krieg zu beenden.

Aus Sicht der SPD war Bethmann eigentlich kaum zu kritisieren. Er hatte vor dem Krieg als erster Kanzler die Ausgrenzung der Arbeiterpartei beendet und nach ihrem Wahlsieg 1912 alle Forderungen nach einem neuen Sozialistengesetz zurück gewiesen, war im Krieg weiter auf sie zugegangen, hatte die Parlamentarisierung eingeleitet und die Regierungsfähigkeit der SPD akzeptiert. Gleichzeitig stand er in offenem Konflikt mit der OHL, den Konservativen und den Annexionisten und setzte soeben die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen durch. Da es unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen war, dass bei einem Rücktritt ein „demokratischerer“ Kanzler seine Stelle einnehmen würde, hätte die SPD im Prinzip mit allen Kräften für ihn eintreten müssen.

Sein Verhängnis war die Entscheidung zum Abschluss eines Verzichtfriedens. Wenn man wie die SPD-Führung weiterhin auf ein größeres und stärkeres Deutschlands setzte und einen Sieg für möglich hielt, musste der friedensbereite Kanzler trotz aller sonstigen Verdienste fallen. Mit Hilfe der ins Spiel gebrachten Friedensresolution des Reichstags musste dann nicht nur die Arbeiterschaft ruhig gestellt werden, um die nächsten Kriegskredite bewilligen zu können, sondern auch der Sturz Bethmanns bewerkstelligt werden. Nur so lässt sich das Verhalten der SPD-Führung erklären. Den Auftakt machte Erzbergers Rede am 6.Juli im Reichstags-Hauptausschuss, die sogleich von Stresemann aufgenommen und in die Forderung nach Rücktritt des Reichskanzlers umgemünzt wurde. Am Tag danach sollte der Regierungswechsel dann zwischen der OHL einerseits sowie Ebert, Scheidemann, Erzberger und Stresemann andererseits persönlich besprochen werden, wie oben dargelegt.

Keine offene Mitwirkung in einer Kriegsregierung

Nachdem das Treffen mit Hindenburg und Ludendorff aufgrund der Intervention des Kaisers ausgefallen war, traf David in den darauf folgenden Tagen in Berlin mit Oberstleutnant Haeften von der OHL zusammen, um die Kanzlerschaft Bülows zu besprechen. Dabei verlangte er u.a., dass der Sturz Bethmanns von der OHL ausgehen müsse.58 Dass die SPD nach Bethmanns Initiative zur Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen nicht seinen Sturz initiieren konnte, lag auf der Hand. Im Gegenteil konnte sie es sich sogar leisten, dem Schein nach an Bethmann festzuhalten, nachdem die notwendige Parlamentsmehrheit gegen den Kanzler durch das Zentrum sichergestellt war.

Bevor es am 12.Juli dann zu dem entscheidenden Treffen beim Kronprinzen kam, beriet die Parteiführung über die vorgesehene Regierungsbeteiligung der SPD. Die Brisanz eines Eintritts Davids in ein Kabinett Bülow lag darin, dass die SPD damit offen die Mitverantwortung für die Fortführung des Kriegs übernommen hätte. Das aber hätte zu einem weiteren Vertrauensverlust in der Arbeiterschaft geführt, den man durch die Friedensresolution gerade umkehren wollte. Um diesem Dilemma zu entgehen, wurde beschlossen, auf eine formelle Regierungsbeteiligung zu verzichten.59 David erhielt also kein grünes Licht für den geplanten Regierungseintritt, und das ist der Grund für den Eiertanz, den er beim Kronprinzen aufführte. Er teilte mit, dass seine Partei von sich aus nicht den Sturz Bethmanns verlangen würde, gleichzeitig machte er deutlich, dass der Rückhalt nicht ernstlich war.

Weil die SPD auch danach nicht offen in einem Kriegskabinett mitwirken konnte, wiederholte sich dasselbe Politikmuster drei Monate später beim Kanzlerwechsel von Michaelis zu Hertling. Die SPD entsandte keinen Vertreter in die neue Regierung, sondern sicherte Hertling nur den parlamentarischen Rückhalt zu und verlangte, dass der Fortschrittsvorsitzende Payer Vizekanzler werde.60 So lange der Krieg andauerte, musste sie auf einen Regierungseintritt verzichten, wenn sie ihren Einfluss in der Arbeiterschaft behalten wollte.

 

 

Ein abgekartetes Spiel

Dass die hier dargelegten Schritte der Parteien von der Drohung mit der Aufkündigung des Burgfriedens bis zum Sturz des Kanzlers und der Fortsetzung des Kriegs zwischen der SPD-Spitze, Erzberger und Stresemann abgesprochen waren, lässt sich dokumentarisch nicht belegen. Allerdings sprechen der Ablauf der Ereignisse, die gemeinsamen Kontakte zur OHL, die übereinstimmende Begründung für den Kanzlersturz, die Vereinbarungen zur Regierungsneubildung unter Bülow sowie die gemeinschaftliche Zurückweisung der päpstlichen Friedensinitiative für eine solche Deutung. Das heißt, das politische „Bravourstück“, durch das der friedensbereite Kanzler mit Hilfe einer Friedensresolution gestürzt wurde, geht nicht nur auf das Konto Erzbergers, sondern auf ein Gemeinschaftskonto, an dem die SPD-Führung maßgeblich beteiligt war – wenn sie die ganze Aktion nicht sogar initiiert hatte.

Zwischen Mehrheitsparteien und OHL war vermutlich auch abgesprochen worden, dass die OHL die Schritte zur Parlamentarisierung tolerierte, während die Mehrheitsparteien umgekehrt für die Dauer des Kriegs die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen hintanstellten. Wenn die SPD-Führung gewollt hätte, hätte sie mit Hilfe der anderen IFA-Parteien das Ende des Dreiklassenwahlrechts in Preußen ebenso erzwingen können, wie sie die Ablösung von Michaelis erzwang, notfalls unterstützt durch die Drohung, den Burgfrieden aufzukündigen. Doch weder parlamentarisch noch außerparlamentarisch unternahm sie etwas, um die Zusage des Kaisers durchzusetzen. Sie nahm die Verschleppungstaktik des preußischen Abgeordnetenhauses unter lediglich verbalem Protest hin, war damit einverstanden, das Problem von Neuwahlen der OHL zur Entscheidung vorzulegen und akzeptierte deren Schiedsspruch anschließend, weil die zu diesem Zeitpunkt gerade stattfindenden Entscheidungskämpfe im Westen keine größeren Massenbewegungen befürchten ließen.

In diese Politik ordnet sich auch der Einsatz zur materiellen Sicherstellung der letzten Kriegsanstrengungen ein. Nachdem zur Jahreswende 1917/18 trotz des Zusammenbruchs Russlands nicht absehbar war, wann der Krieg zu Ende gehen würde, aber Hunger und Entbehrungen zunahmen und das gleiche Wahlrecht in Preußen immer noch nicht verabschiedet war, trat Ende Januar 1918 etwa eine Million Arbeiter unter der Parole „Frieden und Brot“ in den Streik. Da der Streik einen Schwerpunkt in der Rüstungsindustrie hatte, drohte die Munitionsversorgung der Truppen in Gefahr zu geraten. Doch flankiert durch die Anwendung des Kriegsrechts gelang es den drei sozialdemokratischen Führungsmitgliedern, die in die Streikleitung eintraten (Ebert, Scheidemann, Otto Braun), den Streik zu beenden.

Dasselbe Politikmuster wie bei der Regierungsbildung wiederholte sich bei der Abstimmung des Reichstags über den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Während sich die anderen IFA-Parteien offen zu dem Diktatfrieden bekannten und für den Vertrag stimmten, enthielten sich die SPD-Abgeordneten unter Rücksichtnahme auf ihre Anhängerschaft der Stimme. Die USPD-Abgeordneten stimmten dagegen.

Fortschreitender Zerfall der Gesellschaft

Abgesehen von der Verlängerung des Kriegs hatte diese Politik weitreichende innenpolitische Auswirkungen. 1909 war das Herrschaftsbündnis von Junkertum und Bourgeoisie in einem Steuerstreit über die Finanzierung der bürgerlichen Schlachtflotte, das militärische Rückgrat der Weltpolitik, auseinander gebrochen. Anschließend war es der Schwerindustrie nicht mehr gelungen, die maßgebliche Partei der Bourgeoisie zurück in ein neues Bündnis gegen die Arbeiterbewegung zu führen, weil zur selben Zeit das Voranschreiten des Reformismus in der Sozialdemokratie die Revolutionsfurcht des Bürgertums zurück gehen ließ.61 Allerdings war wegen der Unsicherheiten der SPD-Entwicklung auch keine Mehrheit für ein Zusammengehen mit der Arbeiterpartei zustande gekommen (das sog. „Bündnis von Bassermann bis Bebel“), so dass eine gesellschaftspolitische Hängepartie die Folge war.

In der Folgezeit blockierten die im Parlament immer häufiger isolierten Konservativen, gestützt auf ihre Machtpositionen in der Gesellschaft, jedweden Schritt zu demokratischen oder sozialen Reformen, legten die Regierung lahm und trieben den Staat in eine innenpolitische Dauerkrise, bis die nicht ausgetragenen Gegensätze schließlich in den Großen Krieg von 1914 mündeten. Nunmehr brachte der Sommer 1917 die Gelegenheit, durch die Entmachtung der junkerlichen Reaktion nicht nur außenpolitisch zum Frieden zu gelangen, sondern auch im Innern eine neue, bürgerlich-sozialdemokratische Hegemonie zu begründen, ähnlich dem Klassenkompromiss der „Sozialpartnerschaft“, der nach dem 2.Weltkrieg in Westdeutschland zustande kam. Doch indem die IFA-Parteien unter Einschluss der Nationalliberalen den Kanzler stürzten, perpetuierten sie die Fortdauer der inneren Krisenkonstellation.

Auf der einen Seite verharrten die Kräfte der alten Ordnung ungebrochen in ihrer Stellung. Dass sie die begrenzte Parlamentarisierung duldeten, war eine Konzession, um den Krieg fortzuführen. Dasselbe galt umgekehrt für den vorübergehenden Verzicht der linksbürgerlichen Kräfte auf die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen. Jenseits dieser kriegsbedingten taktischen Zugeständnisse waren die Gegensätze zwischen den beiden Blöcken unüberbrückbar. Nach dem erhofften Sieg Deutschlands musste das Junkertum bei Strafe des Untergangs versuchen, das allgemeine Reichstagswahlrecht einzuschränken bzw. anstelle des Reichstags eine andere Form der Volksvertretung zu etablieren, um seine Macht zu erhalten. Umgekehrt würden die IFA-Parteien daran gehen, das alte Wahlrecht in Preußen zu beseitigen und die Parlamentarisierung zu Ende zu führen; darüber hinaus verlangte die SPD den Ausbau sozialer Rechte.

Zwischen diesen konträren Kräften verharrte die bürgerliche Führungspartei im Spagat. Während der rechte, montanindustrielle Flügel der Nationalliberalen entschlossen war, das weitere Vordringen der Arbeiterbewegung mit allen Mitteln zu verhindern und ein neues Bündnis mit der Junkerpartei zu schließen, war ihr linker Flügel gewillt, endgültig mit den Konservativen zu brechen und mit den Mehrheitsparteien inklusive der SPD zusammen zu gehen. Das wechselhafte Verhältnis der Parteispitze um Gustav Stresemann zum Interfraktionellen Ausschuss und später zur Republikgründung brachte diese innere Zerrissenheit zum Ausdruck.

Ungelöst wie die inneren Widersprüche blieben, begannen sich außerdem mit der Fortdauer des Kriegs neue politische Flügelkräfte herauszubilden. Rechts offenbarte der Zulauf zur Vaterlandspartei die beginnende Loslösung von Teilen des Kleinbürgertums aus den traditionellen Bindungen. Gleichzeitig formierte sich auf der entgegengesetzten Seite des politischen Spektrums der Keim der künftigen KPD innerhalb der USPD.

Sobald der Krieg vorbei war, mussten sich die zunehmenden Spannungen mit Notwendigkeit entladen. Je nachdem ob ein Sieg oder eine Niederlage am Ende stand, würden die Bedingungen für die Austragung der Konflikte unterschiedlich ausfallen, doch an der Sache würde sich dadurch nichts ändern.

 

V. Eine historische Scharade

Nach Gründung der Republik hatten die maßgeblichen Akteure Grund genug, ihre Rolle bei der Verlängerung des Kriegs zu vertuschen. Die Kriegserinnerungen Erzbergers und Scheidemanns legen davon Zeugnis ab und dokumentieren gleichzeitig, wie es gelingen konnte, die Geschichte weich zu zeichnen.

Das Dilemma Erzbergers

Erzberger, inzwischen Finanzminister, wurde von der Rechten als Vaterlandsverräter angegriffen, weil er nicht nur den Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet hatte, sondern bereits mit der Friedensresolution gemeinsame Sache mit dem Feind gemacht habe und der kämpfenden Truppe in den Rücken gefallen sei. Angeheizt wurden die Schmähungen durch Ludendorff, der es unbeirrt unternahm, die Kriegsniederlage auf Bethmann Hollweg, die Demokratie und die Mehrheitsparteien zu schieben.

Die Attacken brachten Erzberger in ein unerfreuliches Dilemma, denn er konnte sein Zusammenwirken mit der OHL beim Sturz Bethmanns nicht offenlegen, ohne als betrogener Betrüger da zu stehen. Seine 1920 veröffentlichten „Erlebnisse im Weltkrieg“ enthalten keine Tatsachen, die ihn kompromittieren konnten. So nannte er Bülow als Wunschkandidaten der OHL für den Kanzlerposten, ohne eine Andeutung zu machen, dass er selber es gewesen war, der seine Kandidatur gemeinsam mit Stresemann, David und der Militärführung geplant hatte.62

Nicht anders verhält es sich mit seiner Darstellung der eigenen Rolle beim Scheiternlassen der päpstlichen Friedensinitiative. Mitte 1919 behauptete er, der Reichskanzler Michaelis habe den ahnungslosen Reichstag über den Inhalt seiner Antwort getäuscht und durch das Nicht-Eingehen auf die belgische Frage den Fehlschlag der Friedensbemühungen herbei geführt. Tatsächlich war Erzberger jedoch als einer der wichtigsten Mittelsmänner des Auswärtigen Amts bei der Behandlung der päpstlichen Friedensaktion über alle Vorgänge auf dem laufenden gewesen und hatte der Hinhaltetaktik der Regierung Michaelis zusammen mit dem Siebenerausschuss des Reichstags ausdrücklich zugestimmt.63

1920 kam es zu einem Verleumdungsprozess, in dem u.a. Erzbergers Rolle in der Julikrise 1917 zur Sprache kam. Der ehemalige Staatssekretär im Reichsschatzamt Karl Helfferich hatte ihn öffentlich der politischen Korruption und Charakterlosigkeit beschuldigt, weshalb der Angegriffene eine Beleidigungsklage gegen ihn anstrengte. In dem Verfahren stellte das Gericht fest, dass die Tatsachenbehauptungen Helfferichs großenteils zutreffend waren und bescheinigte dem Zentrumsführer einen notorischen Hang zur Unwahrhaftigkeit. Was den Kanzlersturz betrifft, kam es zu dem Ergebnis, dass Erzberger entgegen seiner Behauptungen die Regierung vorher nicht von der Friedensresolution informiert hatte und sich am Tag nach seiner Friedensrede, also am 7. Juli, mit Oberstleutnant Bauer von der OHL sowie Gustav Stresemann getroffen hatte, um den Kanzlerwechsel und die Nachfolgefrage zu besprechen; seine Aussage, er habe dem Kanzler durch die Friedensresolution eine stabile Mehrheit verschaffen wollen, war nach Überzeugung des Gerichts erwiesenermaßen falsch.64

Scheidemann als „Genie der Verschleimung“

Wie Erzberger hatte auch Scheidemann nach dem verlorenen Krieg allen Grund, seine eigene Rolle und die der sozialdemokratischen Parteiführung zu verharmlosen. Dieses Bemühen kennzeichnet sowohl seine gleich nach dem Krieg veröffentlichte Schrift „Der Zusammenbruch“ als auch die 1928 erschienenen „Memoiren eines Sozialdemokraten“.

Bereits den Zeitgenossen erschien es merkwürdig, wie untätig der Reichstag geblieben war, nachdem er mit der Friedensresolution und dem Kanzlerwechsel seine Stärke demonstriert hatte. Als das Parlament der Republik einen Untersuchungsausschuss zum Weltkrieg einsetzte, konstatierte der Sachverständige Prof. Bredt in seinem Gutachten zur innenpolitischen Entwicklung während des Kriegs, dass nicht nachvollziehbar sei, wieso der Reichstag von der Macht, über die er verfügte, keinen Gebrauch gemacht habe.

In seinen Memoiren setzte Scheidemann sich mit diesem Befund auseinander und rechtfertigte die Passivität u.a. mit der „unglückseligen Parteienzerklüftung“, ohne hierzu nähere Ausführungen zu machen. In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl die Friedensresolution als auch der Kanzlersturz das Resultat des Zusammenwirkens mehrerer Parteien war, ist auch schwer erklärbar, wieso dieselbe Parteienzerklüftung anschließend in eine Dauerlähmung münden konnte.

Ansonsten hielt er dem Urteil des Sachverständigen entgegen, dass Bethmann das parlamentarische Regime eigentlich schon 1912 (nach dem Reichstagswahlsieg der SPD) hätte einführen müssen, nur sei „der psychologische Moment“ dafür „leider verpasst“ worden.65 Doch was für ein Moment soll das gewesen sein? Scheidemann wusste genau, dass jeder Reichskanzler, der 1912 versucht hätte, die Verantwortlichkeit des Reichstags durchzusetzen, am selben Tag im Abgrund verschwunden wäre, wie Bethmann es formulierte. Völlig anders war die Lage 1917, als der Kanzler nach drei Jahren Krieg daran ging, nicht nur einen Schritt zur Parlamentarisierung zu machen, sondern vor allem die Machtstellung des Militäradels zu brechen, um zu einem Friedensschluss zu kommen. Aber ausgerechnet in diesem „psychologischen Moment“ fiel der Reichstag ihm in den Rücken.

Zum Schicksal der preußischen Wahlrechtsreform verlor Scheidemann in seinen Veröffentlichungen nach dem Krieg kein Wort. Umso ausführlicher ließ er sich über den Umgang mit der Friedensnote des Vatikans aus. In seinem 1921 erschienenen Buch „Der Zusammenbruch“ hatte er Michaelis vorgeworfen, den Friedensversuch des Papstes hinterrücks vereitelt zu haben, weil die Regierung auf die belgische Frage nicht eingegangen sei. Dabei hatte er ebenso wie Erzberger vergessen zu erwähnen, dass seine Partei die Antwortnote im Siebenerausschuss gutgeheißen hatte. Weil der Ex-Kanzler sich dagegen wehrte, zum Alleinschuldigen gemacht zu werden, und die Mittäterschaft der Parteien offen legte, sah Scheidemann sich genötigt, in seinen 1928 erschienenen „Memoiren eines Sozialdemokraten“ noch einmal zu dem Vorgang Stellung zu nehmen.

Dabei betonte er zunächst die zu diesem Zeitpunkt allseits bekannte Tatsache, dass „gar kein Zweifel darüber bestehen (konnte), dass eine vollkommen eindeutige Erklärung Deutschlands über die Herausgabe Belgiens Voraussetzung für das Gelingen der päpstlichen Unternehmung war.“66 Sodann führte er auf über 20 Seiten mit zahlreichen Nachweisen aus, dass die SPD eigentlich immer für „eine bestimmte Erklärung“ zu Belgien eingetreten sei, nur um schließlich nebenher und in einer Form, die den Inhalt der Aussage erst nach dreimaliger Lektüre erschließt, mitzuteilen, dass Friedrich Ebert der Antwortnote mit der Forderung zugestimmt hatte, darin statt einer Erklärung zu Belgien – auf die Friedensresolution des Reichstags zu verweisen!67 Nach der Lektüre dieses Sozialdemokraten lässt sich nachvollziehen, warum David seinen Parteifreund als „Genie der Verschleimung“ charakterisierte.68

Irreführung der Geschichtsschreibung

Mit der Gründung des Interfraktionellen Ausschusses am 6.Juli 1917 schien die demokratische Reichstagsmehrheit sich ihrer Stärke bewusst geworden zu sein und daran zu gehen, die Verantwortung für die Reichspolitik in die eigenen Hände zu nehmen. Machtpolitisch ungeübt und überfordert, ließen die Parlamentarier sich jedoch „durch Hindenburg, Ludendorff und Kronprinz Wilhelm überrumpeln und gegen den Reichskanzler ausspielen“.69 Die hier mit den Worten Münklers wieder gegebene Beschreibung entspricht dem gängigen Urteil der Historiographie. Es unterstellt eine demokratische Reichstagsmehrheit, die keine parlamentarische Übung hatte, den Umgang mit der Macht nicht gewohnt war und den Machenschaften ihrer reaktionären Gegner hilflos gegenüber stand.70

Dass die von den Vertretern der Mehrheitsparteien aufgeführte Scharade einer genasführten Versammlung naiver Parlamentarier so geschichtsbildprägend werden konnte, hängt mit den Angriffen der Rechten auf die Träger des Weimarer Staates zusammen. Nicht nur die Vertreter von SPD und Zentrum hatten kein Interesse daran, die Hintergründe der Julikrise aufzudecken, sondern auch die Akteure der OHL. Sie führten den Kampf gegen die demokratische Republik und taten alles, um die „Novemberverbrecher“ als Schuldige an der Niederlage zu verunglimpfen. Hätten sie ihr Zusammenwirken mit den Parteiführern beim Sturz Bethmanns und der Fortsetzung des Kriegs an die große Glocke gehängt, hätten sie ihrer Kampagne selber den Boden unter den Füßen weggezogen. Insbesondere die Jahre der NS-Herrschaft sorgten schließlich dafür, dass sich der Mantel des Vergessens über die tatsächlichen Abläufe in der Julikrise 1917 breitete und die Unschuldsbehauptungen der handelnden Politiker, mit denen sie ihre Verantwortung für die Weichenstellung von 1917 zu verwischen suchten, eine unverdiente Glaubwürdigkeit erhielten.

Wenn wir den damaligen Ereignissen auf den Grund gehen, offenbart sich die Julikrise 1917 als erbitterter Kampf um bzw. gegen einen vorzeitigen Verzichtfrieden ohne Sieger und Besiegte, den der damalige Kanzler schließen wollte, der aber nicht nur bei der Militärführung und den Konservativen auf Widerstand stieß, sondern auch bei den demokratischen Mehrheitsparteien, die davon ausgingen, dass Deutschland in dem bis jetzt unentschieden gebliebenen Ringen den längeren Atem haben würde, und sich dafür entschlossen, den Krieg weiter zu führen.

Soweit in diesem Geschehen jemand „ausgespielt“ wurde, waren das keine überforderten Parlamentarier, sondern war es Bethmann Hollweg, der in einem zwischen den Parteipolitikern und der OHL abgekarteten Spiel sein Amt verlor. Die einzige „Überrumpelung“ in diesem Spiel war die Weigerung des Kaisers, den für die Weiterführung des Kriegs vorgesehenen Fürst Bülow zum Regierungschef zu machen, so dass die Kanzlerstürzer mit Michaelis als dritter Wahl vorlieb nehmen mussten – und die Erkenntnis der Zusammenhänge bis heute hin erschwert wird.

Schluss: eine unselige Grundsteinlegung

Hier angelangt, lässt sich nunmehr die Eingangsfrage beantworten. Es stimmt, dass mit der Bildung des Interfraktionellen Ausschusses am 6.Juli 1917 der Grundstein für die Republik von Weimar gelegt wurde. Doch was war das für eine Grundsteinlegung?

Um den von ihm angestrebten Friedensschluss innenpolitisch abzusichern, ging Bethmann daran, die konservativ-junkerliche Reaktion zu entmachten und leitete die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen ein. Damit unternahm er es, den Fluch des Bismarck-Reichs abzuschütteln und Deutschland eine neue gesellschaftspolitische Grundlage zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund ist die Politik der Mehrheitsparteien zu bewerten.

Was dem IFA als Verdienst zugeschrieben wird, waren die Schritte zur Parlamentarisierung, für die der Kanzler den Weg frei gemacht hatte. Ansonsten bestand das Verdienst der Parteien darin, die von Bethmann in Gang gesetzte Umwälzung der Herrschaftsverhältnisse aufzuhalten, da sie für den von ihnen gewollten Sieg Deutschlands auf die OHL setzten und die größtmögliche innere Geschlossenheit sicherstellen wollten. Entkleidet aller Beschönigungen und Irreführungen enthüllt sich die „revolutionäre Tat“ der IFA-Gründung so als Akt der Konterrevolution, der die bereits angeschlagene Machtstellung der vorbürgerlichen Kräfte noch einmal befestigte und zum Ausgangspunkt der Klassenkonflikte des kommenden Zeitabschnitts wurde.

Die Republik, die anderthalb Jahre später aus der Kriegsniederlage hervor ging, wurde nicht erst durch die Versäumnisse bei ihrer Gründung belastet. Diese Versäumnisse gründen sich vielmehr auf das reaktionäre Bündnis, das die bürgerlichen Kräfte und der rechte Flügel der Arbeiterbewegung im Sommer 1917 mit der preußischen Junkerkaste eingingen. Der Gesellschaftsvertrag, der 1918/19 auf dieser Basis zustande kam, war von Anfang an faul, und im Abstand von bald hundert Jahren erscheint es mit Blick auf das herannahende Jubiläum der Republikgründung um so dringender, sich der tatsächlichen historischen Zusammenhänge bewusst zu werden.

Mai 2015

Literatur

Udo Bermbach: Vorformen parlamentarischer Kabinettsbildung in Deutschland. Der Interfraktionelle Ausschuss 1917/18 und die Parlamentarisierung der Reichsregierung; Köln-Opladen 1967

Theodor von Bethmann Hollweg: Betrachtungen zum Weltkriege (Memoiren). 1.Teil: Vor dem Kriege, Berlin 1919; 2.Teil: Im Kriege, Berlin 1921

John P.Birkelund: Gustav Stresemann. Patriot und Staatsmann; Hamburg 2003

Eduard David: Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918, bearbeitet und hrsg. von Susanne Miller und Erich Matthias; Düsseldorf 1966

Klaus Epstein: Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie; Frankfurt u.a. 1976

Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18; Düsseldorf 1967

Hans Wilhelm Gatzke, Germanys Drive to the West. A Study of Germanys Western War Aims during the First World War, Baltimore 1950; Zitate im Text: eigene Übersetzung

Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789; Band V: Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung 1914 – 1919; Stuttgart u.a. 1978

Konrad Jarausch: The Enigmatic Chancellor: Bethmann Hollweg and the Hubris of Imperial Germany, 1856–1921. New Haven 1973

Heiner Karuscheit: Deutschland 1914. Vom Klassenkompromiss zum Krieg; Hamburg 1914

Peter Graf Kielmannsegg: Deutschland und der Erste Weltkrieg; Frankfurt/M 1968

Annika Klein: Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik, Göttingen 2014; im Internet unter <www.books.google.de>

Wilfried Loth: Katholiken im Kaiserreich. Der politische Katholizismus in der Krise des wilhelminischen Deutschlands (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 75); Düsseldorf 1984

Erich Ludendorff: Meine Kriegserinnerungen 1914-1918; Berlin 1919

Wolfgang J. Mommsen: Bürgerstolz und Weltmachtstreben. Deutschland unter Wilhelm II. 1890 bis 1918; Berlin 1995

Herfried Münkler: Der Große Krieg. Die Welt 1914-1918; Berlin 2013

Friedrich Payer: Von Bethmann Hollweg bis Ebert. Erinnerungen und Bilder; Frankfurt 1923

Kurt Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente; hrsg. von Karl Dietrich Erdmann, Göttingen 1972

Gerhard Ritter: Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des „Militarismus“ in Deutschland, dritter Band: Die Tragödie der Staatskunst. Bethmann Hollweg als Kriegskanzler (1914-1917); München 1964

Arthur Rosenberg: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik (Teil 1 und 2 in einem Band); Frankfurt 1983

Philipp Scheidemann: Der Zusammenbruch; Berlin 1921

Philipp Scheidemann: Memoiren eines Sozialdemokraten, in 2 Bänden; Dresden 1928

René Schlott: Die Friedensnote Papst Benedikts XV vom 1.August 1917. Eine Untersuchung zur Berichterstattung und Kommentierung in der zeitgenössischen Berliner Tagespresse; Hamburg 2007

Hagen Schulze: Weimar. Deutschland 1917-1933; München 1982

Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916-1918, hrsg. von Erich Ludendorff; Berlin 1920

HansUlrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 4. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten, 1914 bis 1949; München 2003

Günter Wollstein: Theobald von Bethmann Hollweg. Letzter Erbe Bismarcks, erstes Opfer der Dolchstoßlegende; Göttingen-Zürich 1995

Hans-Günter Zmarzlik: Bethmann Hollweg als Reichskanzler 1909–1914. Studien zu Möglichkeiten und Grenzen seiner innerpolitischen Machtstellung (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Bd. 11); Düsseldorf 1957

1 Schulze, S. 143

2 Rosenberg 1, S. 147

3 Der Reichstag umfasste 397 Mandate. Seit der Wahl 1912 hatten die beiden konservativen Parteien zusammen 57 Sitze; die Nationalliberalen 45, das Zentrum 91, die Fortschrittspartei 42 und die SPD 110 Sitze; der Rest verteilte sich auf kleinere Gruppierungen wie die Parteien der Polen, Elsässer etc.

4 Lediglich zum IFA existiert eine – nicht sehr ergiebige – Dissertation von Bermbach

5 Der vorliegende Beitrag ist Teil einer in Arbeit befindlichen Veröffentlichung über die Weimarer Republik in Fortsetzung des vor kurzem erschienenen Buchs „Deutschland 1914 – Vom Klassenkompromiss zum Krieg“

6 Zu dem Friedensstiftungsversuch des Vatikans: Schlott sowie Kielmannsegg, S. 517 ff

7 Jarausch, S. 230 ff; Wollstein, S. 112 ff

8 Bethmann 2, S. 57

9 Gatzke S. 292)

10 Birkelund, S. 99 ff

11 Bethmann 2, S. 209, 212 f

12 Päpstliche Friedensinitiative Benedikts XV. vom 1. August 1917, in: ‚Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)‘, URL: <www.pacelli-edition.de/Schlagwort/6035> (Datum 2015-02-06). Gasparri war als Kardinalstaatssekretär der oberste Diplomat des Heiligen Stuhls.

13 Bethmann 2, S. 224

14 Bethmann 2, S. 31; „Neuorientierung“ meinte die von Bethmann betriebene Politik vorsichtiger demokratischer Reformen.

15 Bethmann 2, S. 175

16 Riezler, S. 359; Tagebucheintragung vom 14.6.1916

17 Bethmann 2, S. 219

18 Wollstein, S. 152

19 So die Worte Wilhelms II nach dem Bericht des Kanzlers in: Bethmann 2, S. 221

20 Ritter, S.575

21 Payer, S.30

22 zitiert in: Erzberger, S. 262

23 Das Protokoll ist abgedruckt in: Urkunden der Obersten Heeresleitung, S. 408 – 411. Nur der Tatsache, dass Ludendorff das im geheimen angefertigte Protokoll als Urkunde der OHL (!) veröffentlichte, ist zu verdanken, dass der Inhalt der Unterredung (dem kein Beteiligter widersprochen hat) überhaupt bekannt geworden ist.
Die Geschichtswerke geben die Schlüsselszene beim Kronprinzen unterschiedlich, teils direkt falsch wieder. Am häufigsten findet sich die irreführende Behauptung, dass Fortschrittspartei und SPD gleichermaßen für den Verbleib Bethmanns eingetreten seien. Ausweislich des Protokolls tat dies allein Payer, während der SPD-Vertreter David seine Vorbehalte mehr als deutlich machte. Wie wenig Davids Stellung ein Geheimnis war, zeigt sich daran, dass die liberale Presse ihn nach der Abdankung Bethmanns als Kanzlerstürzer angriff, wie er selber am 17.7.1917 in seinem Kriegstagebuch notierte; David, S. 248

24 Urkunden der OHL, S. 407

25 Am 28. Oktober 1908 hatte die britische Zeitung Daily Telegraph gesprächsweise Äußerungen des Kaisers über das Verhältnis zu England abgedruckt, die voll missverständlicher bis großmäulig-anmaßender Formulierungen waren. Das Gesprächsmanuskript hatte der Monarch dem damaligen Kanzler Bülow vorab zur Durchsicht vorgelegt und dieser hatte es zur Veröffentlichung frei gegeben (seiner späteren Behauptung nach hatte er es gar nicht gelesen). In dem anschließenden Sturm der öffentlichen Kritik tat Bülow zur Erbitterung des Monarchen nichts, um ihm beizustehen, sondern distanzierte sich von ihm. Als der Kanzler einige Monate später im Steuerstreit zwischen Konservativen und Liberalen die Mehrheit im Parlament verlor, entließ Wilhelm ihn daraufhin.

26 Ludendorff, S. 363

27 zit. in: Wolfgang J.Mommsen: Bürgerstolz, S. 750

28 zum Ablauf Kielmannsegg, S.  517 ff

29 Päpstliche Friedensinitiative Benedikts XV. vom 1. August 1917; in: ‚Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)‘, URL: <www.pacelli-edition.de/Schlagwort/6035> (Datum 2015-02-06)

30 Hierzu insgesamt Huber, S. 372 ff

31 Gatzke, S. 273

32 Kielmannsegg, S. 478

33 Wehler, S.141

34 Gatzke, S. 193

35 Epstein, S. 232

36 Loth, S. 281 f

37 Loth, S. 283 ff

38 Loth, S. 327, Anm. 5

39 Loth, S. 326

40 Erzberger: Erlebnisse im Weltkrieg, S. 253

41 Gatzke, S. 191

42 Loth S.329

43 Huber, S.289

44 Epstein, S. 209

45 Loth, S. 329

46 Epstein, S. 217

47 Huber, S.  294, 304

48 Huber, S. 298

49 David, S. 242, 243; die Treffen sind in Davids Kriegstagebuch ohne Wiedergabe des Inhalts notiert.

50 Huber, S. 320

51 Huber, S. 321

52 Huber, S. 360

53 Epstein, S.261

54 Loth, S. 339

55 Fischer, S. 149

56 Scheidemann: Memoiren 2, S. 24

57 Auszugsweiser Abdruck der Denkschrift in Scheidemann: Memoiren 2, S. 24 ff; hier S. 26

58 Huber S. 297 f; s.a. David: Kriegstagebuch vom 10.7.1917 (Gespräch mit C.Hahn), S. 242

59 Huber, S. 303 f

60 Kielmannsegg, S. 473; Huber, S. 396

61 hierzu Karuscheit, S. 179 ff

62 Erzberger, S. 262

63 Huber, S. 359 f ; Epstein, S. 241 ff

64 Klein, S. 85 f; s.a. Bethmann 2, S. 231

65 Scheidemann: Memoiren 2, S. 23

66 Scheidemann: Memoiren 2, S. 63

67 Scheidemann: Memoiren 2, S. 80

68 David, Kriegstagebuch vom 26.6.1917, S. 237

69 Münkler, S.635

70 Bis dato hat auch der Autor die Rolle der OHL beim Kanzlersturz überschätzt; erst die nähere Beschäftigung mit der Juli-Krise und die Unterscheidung zwischen Parlamentarisierung und Demokratisierung (im Sinne von Massendemokratie) hat ihn zu den hier vorgestellten Erkenntnissen gebracht.