Vorbemerkung

Seit dem Gaza-Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Hamas ist „der Faschismus“ in der Linken wieder allgegenwärtig – sei es, dass die Hamas als „faschistisch“ eingestuft wird, sei es, dass Hand in Hand mit der gesamten politischen Klasse ein besonderer deutscher „Antisemitismus“ beschworen wird.

  1. Geprägt ist das Faschismusdenken der Linken immer noch durch die 1935 von der Komintern festgelegte Definition, dass der Faschismus „die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ ist – oder kürzer: „Der Faschismus ist die Macht des Finanzkapitals selbst.“

Diese Festlegung leitete ein gesellschaftliches Phänomen wie den Nationalsozialismus direkt aus der Ökonomie ab, ohne sich mit der Struktur von Gesellschaft und Staat abzugeben. Statt ihn zur Analyse von Klassen und ihren Kämpfen einzusetzen, wurde und wird der Marxismus damit zu einer nur-ökonomischen Theorie degradiert. (Der von der Komintern verwendete Begriff des „Finanzkapitals“, den Lenin im Rahmen seiner Imperialismustheorie von Hilferding übernommen hatte, ist auch ökonomisch fehlerhaft. Er widerspricht der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie und resultiert aus einer irrigen Interpretation damaliger wirtschaftlicher Erscheinungen speziell in Deutschland – siehe hierzu die AzD 39/1987: „Kapital und Monopol“)

Anders als in der Komintern-Definition werden in dem Artikel über die „Vorgeschichte des NS“, der sich auf umgearbeitete Auszüge aus einem 2024 erscheinenden Buch von H. Karuscheit über den Nationalsozialismus stützt, die historisch spezifischen Bedingungen entwickelt, unter denen der Nationalsozialismus in der Republik von Weimar an die Macht gelangte. Das war im Kern das zweifache Scheitern der bürgerlichen Revolution in Deutschland, denn nicht nur 1848/49 schlug die anstehende bürgerliche Revolution fehl, sondern auch 1918/19 – diesmal durch eine von der SPD-Spitze im Bündnis mit der preußisch-deutschen Militärführung organisierte Konterrevolution.

Erst auf Basis dieses erneuten Scheiterns der bürgerlichen Revolution lassen sich Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus erklären, der sich als Gegenentwurf zu den „Ideen von 1789“ verstand und die Errungenschaften der Moderne in Gesellschaft und Politik, Kultur und Humanität bis aufs Messer bekämpfte.

 

  1. Die damit aufgeworfenen Fragestellungen haben aufgrund des Kriegs zwischen Israel und der palästinensischen Hamas ungeahnte Aktualität gewonnen. Damit beschäftigt sich der zweite Teil dieser Nummer.

Eingeleitet von Alfred Schröder, werden darin Texte dokumentiert, die sich mit der Frage des Zionismus, des Antisemitismus und des Existenzrechts Israels beschäftigen, so auch die Charta der Hamas von 2017 („Grundsätze und Ziele“).

Mit einer Stellungnahme der MLPD, die sowohl die Hamas als auch den Iran für „faschistisch“ erklärt, setzt sich Karl-Heinz Goll auseinander, und Manfred Englisch tut dasselbe mit dem „Arbeiterbund“, der für die Existenz Israels eintritt, „bis dem deutschen Imperialismus die Zähne ausgeschlagen sind“.

 

  1. Im abschließenden Teil dieser Ausgabe drucken wir auszugsweise eine kontroverse Diskussion über die heutige Aufgabe von Kommunisten ab, die im AzD-Leserkreis aus Anlass der Stellung zum Ukraine-Krieg geführt worden ist.