Vorbemerkung: Ukraine und Corona

Die Vorbemerkung der Redaktion ist diesmal länger als üblich, weil wir aus aktuellen Gründen darin sowohl zur Ukraine-Krise als auch zur Corona-Politik Stellung beziehen.

Die Krise um die Ukraine hat fast vergessen lassen, dass die Bundeswehr erst im August letzten Jahres im Schlepptau der US-Truppen fluchtartig Afghanistan verlassen hat, wo sie fast 20 Jahre lang Krieg an der Seite der NATO-Vormacht geführt hatte. Aus diesem Anlass drucken die AzD einen Artikel von Rainer Werning über die imperialen Bestrebungen der USA ab, der zuerst im Internet auf den NachDenkSeiten erschienen ist: „…wenn der US-Adler seine Krallen auf ein anderes Land setzt“. Der Autor gibt in dem Beitrag einen kenntnisreichen Überblick über die Geschichte der US-imperialistischen Politik seit Ende des 19.Jahrhunderts.

Im Oktober 2021 veröffentlicht, konnten darin die auf Afghanistan folgenden Aktivitäten der Vereinigten Staaten in der Ukraine-Krise noch nicht beleuchtet werden. Um sich auf die Auseinandersetzung mit China zu konzentrieren, hatte Trump in seiner Präsidentschaft versucht, das Verhältnis zu Russland zu verbessern, bis hin zur Infragestellung der NATO. Im Gleichtakt mit den US-Demokraten veranstalteten daraufhin sämtliche Anhänger der atlantischen Orientierung in Deutschland, sekundiert mit Ignoranz und Ideologie von der Linken, eine vierjährige Kampagne gegen Trump als Populisten und Feind der Demokratie.

Anders als Trump hat die Biden-Administration wieder angefangen, Russland als Feindbild aufzubauen und zu diesem Zweck den Konflikt um die Ukraine angeheizt, anstatt den legitimen Wunsch Moskaus nach Sicherheitsgarantien gegenüber der Einkreisung durch das westliche Militärbündnis zu respektieren.

Biden hat mehrfach versichert, dass die USA wegen der Ukraine keinen Krieg mit Russland führen würden, was glaubhaft ist, weil das eigentliche Ziel darin besteht, Deutschland und die Europäische Union von einer politischen und wirtschaftlichen Annäherung an Russland abzuhalten.

Die Politik, Russland und die Europäer zu entzweien, ist nicht zuletzt der Dollarpolitik und den Interessen der Wall Street geschuldet, mit der Biden und die Demokratische Partei eng verbunden sind. Da die US-Ökonomie seit langem gegenüber der Konkurrenz zurückgeblieben ist, müssen die USA unbedingt den Dollar als Weltreservewährung erhalten, denn nur so lassen sich die rasant wachsenden Staatsschulden und insbesondere die Rüstungsausgaben finanzieren, die zur militärischen Sicherung der Vormachtstellung erforderlich sind. Nachdem Russland die Weltmarktabhängigkeit vom US-Dollar seit Jahren zurückgefahren hat und andere Staaten dasselbe Ziel verfolgen, ist Washington umso mehr darauf angewiesen, Europa an seiner Seite zu halten, um die Dollarhegemonie zu verteidigen. Es fragt sich nur, wie lange der weltgrößte Schuldnerstaat in der Lage ist, die Überdehnung seiner Kräfte durchzuhalten.

Auf der anderen Seite ist Russland mittlerweile in die Ukraine einmarschiert und hat Putin die Eigenstaatlichkeit der Ukraine in Frage gestellt, die er als ein Kunstprodukt Lenins bezeichnet.

In der Tat haben die Bolschewiki im Oktober 1917 nicht nur die soziale Revolution des Proletariats zum Sieg geführt, sondern haben sich auch an die Lösung der nationalen Frage im Interesse der vom Zarismus unterdrückten Völkerschaften gemacht. Die Sowjetverfassung von 1924 erkannte außer Russland selber sieben weiteren Unionsrepubliken von der Ukraine bis zu Armenien eine eigene Staatlichkeit und Souveränitätsrechte einschließlich des Rechts auf Sezession zu.

Das 1991 neu entstandene Russland hat nicht nur sozial den Übergang zu einem ungezügelten Kapitalismus vollzogen – es geht auch in der nationalen Frage hinter die Oktoberrevolution zurück und vertritt den von den Bolschewiki bekämpften großrussischen Nationalismus und Chauvinismus.

Wie muss sich die Linke unter diesen Umständen zu dem Krieg stellen? Die auf den Friedensdemonstrationen vorherrschende Forderung nach „Solidarität mit der Ukraine“ negiert, dass die Ukraine sich aktiv an der US-amerikanischen Einkreisungspolitik beteiligt und so dazu beigetragen hat, Russland in den Krieg zu treiben. „Solidarität mit der Ukraine“ – das ist die „Friedensparole“ der Nato.

Vor allem aber war und ist die gegen Russland wie gegen Europa gerichtete US-Politik nur möglich, weil und so lange das Nato-Mitglied Deutschland mitmacht. Seit der Blockbildung Ende der 40er/ Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist (West-) Deutschland der maßgebliche Stützpfeiler der US-Dominanz über den alten Kontinent. Der erste Staatenkrieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg war der völkerrechtswidrige Kosovo-Krieg der Nato gegen Serbien 1999, den Deutschland unter dem grünen Außenminister Fischer mitgeführt hat.

Deshalb kann der Kampf um den Frieden nur dann glaubwürdig geführt werden, wenn statt der Parole „Solidarität mit der Ukraine“ und noch vor der Forderung „Russland raus aus der Ukraine“ die Forderung „Deutschland raus aus der Nato“ ins Zentrum gestellt wird.

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Die Bundestagswahl vom September letzten Jahres hat den Zerfall der Parteiendemokratie fortgesetzt. Besonders markant war diesmal der Absturz der langjährigen Staatspartei der Republik, der Union, auf nur noch 24% der Stimmen.

In der Vorbemerkung zur AzD 92 wurden die damaligen Corona-Proteste in einen Zusammenhang mit der Erosion der ideologischen Hegemonie der bürgerlichen Parteien über die Mehrheit der Gesellschaft gestellt. Die Corona-Politik der staatstragenden Parteien einschließlich der Links-Partei führte mit dem Infektionsschutzgesetz zu einem Abbau von bürgerlichen Grundrechten. Zu nennen sind dabei vor allem das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Zur Meinungsfreiheit ist zu sagen, dass parteiübergreifend vor allem eine Verengung der gesellschaftlichen Diskussion auf eine staatlich opportune Hoheitsmeinung hergestellt wurde, indem nur die Wissenschaftler(innen) eine breitere Öffentlichkeit erhalten, die mit dem Regierungskurs konform sind. Die Aussagen kritischer Wissenschaftler und Untersuchungen befinden sich demgegenüber in einer Nischenposition, eine Auseinandersetzung mit ihnen findet öffentlich so gut wie nicht statt. Dieser Meinungshoheit folgen auch die Mainstreammedien, die offiziöse Deutung der Coronaereignisse wird nach, auch in anderen Zusammenhängen bekanntem Muster, als alternativlos dargestellt. Demonstrationen werden in den meisten Medien außerdem durch die pauschale Verurteilung der Demonstranten als Anhänger von Verschwörungstheorien und Rechten ideologisch bekämpft, obwohl bekannt ist, dass die Demonstranten aus dem gesamten bürgerlichen Spektrum stammen.

Unter Bezug auf die Pandemie wurde eine Art Notstandsregierung aus Bundesministerien und den Ministerpräsidenten der Länder eingesetzt. Staatliche Behörden wie das RKI und das PEI erhielten quasi Exekutivfunktionen. Leidtragende der verordneten Einschränkungen sind zum Beispiel mittelständische Handelsunternehmen, während der für seine Niedriglöhne bekannte Onlinehandel profitiert. Der Hauptgewinner ist die Pharmaindustrie, für die sich die Bundesregierung auch gegen Forderungen nach weltweiter Freigabe des Patentrechts der Coronaimpfstoffe einsetzte. Zudem wird die Durchsetzung einer Coronaimpfpflicht trotz Untersuchungen über zahlreiche Impfdurchbrüche bei zwei- und dreifach Geimpften weiterverfolgt, obwohl sich inzwischen immer deutlicher die Frage nach der Wirksamkeit der bisher angewandten Impfstoffe und der Impfstoffstrategie stellt. Im europäischen Ausland wird teilweise deutlich anders gehandelt, ebenfalls beraten von Wissenschaftlern.

Eine weitere Begleiterscheinung der Coronamaßnahmen sind die immer wieder aufkommenden Diskussionen über Lockerungen im Datenschutz – insbesondere auch Auskunftspflichten von Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber – und aktuell die Diskussion über eine Einführung eines zentralen Impfregisters. Besonders betroffen von den Corona-Einschränkungen war die werktätige Bevölkerung durch Kurzarbeit, aber auch durch Schließungen von Kitas und Schulen. Die unvorhersehbaren zeitweiligen und teils länger andauernden Schließungen von Kitas und Schulen führten in den Familien zu einem erhöhten Betreuungsaufwand für Kinder. Wie eine neue WSI-Studie zeigt, ging das zulasten der Mütter, die ihre Erwerbstätigkeit reduzierten oder ganz aufgaben. Auch haben die Kontaktbeschränkungen bei Kindern, Jugendlichen, Altersheimbewohnern, Krankenhauspatienten und vielen anderen psychische Belastungen hervorgerufen. Aufgrund steigender Inflation fand im Jahr 2021 ein Reallohnabbau statt, die Inflation wurde unter anderem durch die stark steigende, mit der Pandemie begründeten Staatsverschuldung angeheizt.

Abschließend kommen wir zu einem besonderen politischen Thema. Die Linke, von der sogenannten „Antifa“ über DKP, MLPD, Rotfuchs bis hin zur Mehrheit in der Linkspartei, hat die Regierungspolitik nicht nur mitgetragen, sondern sogar wiederholt weitergehende Einschränkungen der Bürgerrechte gefordert. Die Linke positioniert sich in weiten Teilen gegen die Protestbewegung zur Aufhebung der Coronamaßnahmen. Diese ist gegenwärtig noch überwiegend bürgerlich-demokratisch, ihre Forderungen gegen freiheitseinschränkende Maßnahmen sind fortschrittlich. Da die AfD als einzige parlamentarische Partei die Corona- Protestbewegung unterstützt, ebnet eine Linke, die nicht zu einer Mitwirkung an den Protesten bereit ist, der AfD den Weg zu größerem politischem Einfluss.

In seinem Kommentar zur Corona-Politik attackiert Alfred Schröder insbesondere die Linke, die sich als Antreiberin der demokratie- und massenfeindlichen Politik von Regierung und Medien und offensive Gegnerin der Protestbewegung betätigt hat.

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In Fortsetzung der Debatte zum gescheiterten Sozialismus hat H.Karuscheit eine Antwort auf Djahovs Beitrag in den AzD 93 zur Warenproduktion im Sozialismus verfasst. Als Ergänzung drucken wir das Referat ab, das er Anfang Februar d.J. auf einer Veranstaltung des Marx-Engels-Zentrums in Berlin zu diesem Thema gehalten hat.

Abschließend stellt F.Gött einige wissenschaftliche Neuerscheinungen vor.

Noch eine Anmerkung: da die AzD in großen Abständen erscheinen und die Behandlung politischer Themen nicht im Zentrum der Zeitschrift steht, verschickt die Redaktion per Mail unregelmäßig Infobriefe mit Beiträgen zu politischen Fragen aus der deutschen und internationalen Presse. Wer daran Interesse hat, kann uns die Mail-Adresse geben und wird in den Verteiler aufgenommen.