5. Kampf um die Weltmacht mit den USA?

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion erklärte Deutschland auch den Vereinigten Staaten im Dezember 1941 den Krieg. Zu diesem Zeitpunkt stand Deutschland nicht mehr dem einsamen Großbritannien, sondern dem Militärbündnis der Anti-Hitler-Koalition gegenüber. Wollten die Nazis nun den globalen Kampf um die Weltherrschaft beginnen oder war die Auseinandersetzung mit den USA unabwendbar?

Untersuchen wir zunächst die Deutschlandpolitik der USA. Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 zog sich das amerikanische Kapital schlagartig aus Europa zurück. Die isolationistische Fraktion der amerikanischen Gesellschaft hatte die Oberhand. Die Isolationisten lehnten jedes militärische Eingreifen oder größeres politisches Engagement in Europa ab, da es die USA überfordere. Schon im 1. Weltkrieg hatten viele Amerikaner das Gefühl, nur für das britische Empire die Kohlen aus dem Feuern zu holen, was sich mit der Versailler Nachkriegsordnung noch verstärkte. Die „Internationalisten“, hinter denen das Kapital der Ostküste stand, traten hingegen für eine offensive Außenpolitik ein, die die ganze Welt für das amerikanische Kapital öffnen sollte. Ihnen waren die protektionistischen Kolonialreiche sowie die Autarkiebestrebungen der Achsenmächte ein Dorn im Auge. Die Präsidenten Wilson und Roosevelt waren die Hauptvertreter dieser „open door“-Politik.

Mitte der 30er hatten die Isolationisten die Mehrheit in Volk und Kongreß und lehnten jede Verstrickung in die europäische Politik ab. Die Internationalisten um Roosevelt befanden sich in der klaren Minderheit und konnten ein Eingreifen in Europa noch nicht offen fordern. 1937 verabschiedete der Kongreß das 3. Neutralitätsgesetz und untersagte sogar Waffenlieferungen und Anleihen an europäische Mächte.

In Deutschland spielte die Politik gegenüber den Vereinigten Staaten eine völlig untergeordnete Rolle, da sie keine Schutzmacht der Versailler Nachkriegsordnung darstellten. Hitler selbst machte zwar in beiden Teilen von „Mein Kampf“ einige wirtschafts- und rassenpolitische Ausführungen über die USA, entwickelte aber keine besondere außenpolitische Strategie. Detlef Junker kommt nach der Auswertung der Dokumente zur deutschen Amerikapolitik zu folgendem Ergebnis: „Wenn diese Interpretation zutrifft, d. h. wenn die Herrschaft über Europa schon in Hitlers Programm nur eine Vorstufe für den Endkampf mit den USA war, dann hätte allerdings der Faktor Amerika seit 1933 ein integraler Teil seines außenpolitischen Kalküls, teilweise seiner außenpolitischen Praxis sein müssen.“ Das sei „aber nachweislich nicht der Fall (…)- selbst in zentralen Quellen wie dem Vierjahresplan oder dem „Hoßbachprotokoll“ tauchte Amerika nicht auf“. [312]

In der Praxis mußte die Haltung der USA, wie bei der Annexion Österreichs und der Tschechoslowakei, Hitlers Haltung bestärkt haben, daß die USA in den Krieg nicht eingreifen würden. Die Nazis richteten ihre Politik darauf aus, die USA möglichst aus dem Krieg heraus zu halten, um ungestört ihre Ziele in Europa zu erreichen. So hielt Hitler die deutsche Marine im U-Boot Krieg gegen das Empire an der „kurzen Leine“, um den USA keinen Vorwand zum Kriegseintritt zu liefern. [313]

Das Vordringen des nationalsozialistischen Deutschlands in Europa und des kaiserlichen Japans in Asien führten zur Wende in der US-Außenpolitik. Durch geschicktes Manövrieren gelang es Präsident Roosevelt, sich gegen die Isolationisten durchzusetzen. Zwei autarke Großreiche hätten den Zugang zum Weltmarkt für das US-Kapital extrem eingeschränkt und bedroht. Mit der Hoffnung, diesmal nicht die Kolonialmächte zu retten, sondern eine „pax americana“ mit einem freien Weltmarkt zu erkämpfen, führte Roosevelt die Staaten in den Weltkrieg.

Im November 1939 konnten die Internationalisten ihren ersten Erfolg verbuchen. Das Waffenembargo wurde gelockert. Im Juni 1940 folgte das Gesetz über die „Zweite Ozeanflotte“, mit dem die Seestreitkräfte verdoppelt wurden. Die Einführung der selektiven Wehrpflicht im Herbst stellte einen weiteren Schritt der Kriegsvorbereitung dar. Am 18. Februar 1941 nahm der Kongreß das „Leih- und Pachtgesetz“ an. „Jeder Nation, deren Verteidigung er für die Vereinigten Staaten lebenswichtig halte, kann der Präsident“ jegliche Art von Waffen verkaufen, schenken oder vermieten, legte das Gesetz fest. [314] Nach Annahme des Gesetzes hißten alle Städte des britischen Empire die amerikanische Flagge. [315] Die Regierung lieferte nicht nur große Mengen Waffen an die Verbündeten, sondern plante auch schon den Kriegseintritt. Im Frühjahr 1941 arbeiteten die außenpolitischen Abteilungen Pläne für die „globale Vorwärtsverteidigung“ aus. So entstand der strategische Plan „ABC-1“ zur Niederwerfung Deutschlands, und im Februar fanden geheime britisch-amerikanische Stabsbesprechungen statt. Auch im Krieg kooperierten die beiden Mächte schon. Ab April 1941 erhielten amerikanische Flugzeuge und Schiffe den Befehl, gesichtete deutsche Schiffe und U-Boote dem britischen Kommando zu melden. Einige Monate vor der deutschen Kriegserklärung wurde die berühmte Atlantikcharta, die amerikanisch-britische Kriegszielerklärung, veröffentlicht.

Für alle aufmerksamen Beobachter war damals ersichtlich, daß die Vereinigten Staaten kurz vor dem Kriegseintritt in Europa standen. Roosevelt und das amerikanische Kapital wollten den Krieg, um die Achsenmächte niederzuwerfen.

Die USA aus dem Krieg heraus halten

Vor dem Hintergrund der amerikanischen Kriegsvorbereitungen änderte Deutschland die Taktik in der USA-Politik. Hitler glaubte, die USA könnten nur noch durch eine Abschreckungspolitik am Kriegseintritt in Europa gehindert werden. Wie Großbritannien wollte Hitler die USA zur Anerkennung der deutschen Herrschaft über Kontinentaleuropa bewegen. Zur Abschreckung verstärkte Deutschland das Bündnis mit Japan, um den Vereinigten Staaten klarzumachen, daß sie einen Krieg in zwei Ozeanen und an zwei Fronten führen müßten.

Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor erklärten die USA und England Japan den Krieg. Daraufhin folgte die deutsch-italienische Kriegserklärung am 11. Dezember 1941. „Der Krieg mit den USA, scheint Hitlers Kalkül gewesen zu sein, würde ohnehin kommen. Die einzige Chance des Dritten Reiches, in einem solchen Krieg zu bestehen und die USA aus Europa heraus zu halten, lag darin, die USA zugleich in Europa und Asien, im Atlantik und im Pazifik in einen Zweifrontenkrieg zu verwickeln (…)“, [316] analysierte Junker. „Invasionspläne zur Eroberung der USA“ seien „nie entwickelt worden“. [317] Bei Hitlers außenpolitischer Zielsetzung sowie den realen Kräfteverhältnissen sprach nichts für einen Versuch, die USA zu erobern. Auch das Nürnberger Urteil kam zu einem ähnlichen Schluß: „Es ist zwar richtig, daß Hitler und seine Mitarbeiter einen Krieg mit den Vereinigten Staaten ursprünglich nicht als ihren Interessen förderlich erachteten, aber offensichtlich wurde diese Ansicht im Laufe des Jahres 1941 revidiert, und Japan wurde in jeder Weise ermutigt, eine Politik zu betreiben, welche fast mit Sicherheit die Vereinigten Staaten in den Krieg herein ziehen mußte.“ [318] Der Grund für diese Revision lag am Sieg der „Internationalisten“ in den USA und an der Tatsache, daß alles auf einen amerikanischen Kriegseintritt hindeutete.

Die Nazis meinten, das beste Mittel gegen die USA sei ein schneller Sieg über die Sowjetunion. Noch vor der Kriegserklärung legte Hitler am 31.7.1941 dar: „Wenn (in England) (die) Hoffnung auf Rußland wegfällt, fällt auch Amerika weg, weil (dem) Wegfall Rußlands eine Aufwertung Japans in Ostasien in ungeheurem Maße folgt.“ [319]