Marx: der rot-grüne Revolutionär

(Literaturhinweise)

Von Fritz Gött

Marxisten beschäftigen sich nicht erst seit heute mit Fragen der Ökologie und des Kapitalismus.  Darauf verweist auch Elmar Altvater in seiner Schrift zum historischen Erbe von Friedrich Engels (1), leider in einem weitschweifigen akademischen Diskurs.

Bereits in den 80ern veröffentlichte der Linkssozialist Hansgeorg Conert seine Studie „Ökologie und Gesellschaft“. Darin systematisierte und erläuterte er Textstellen von Marx und Engels zum Themenkomplex (soweit sie damals in den Marx/Engels Werken (MEGA-1) veröffentlichten waren). Diese engagierte Arbeit ist nach wie vor lesenswert. Conert mutmaßte damals noch: Im Marxschen Werk fänden sich weniger Hinweise und Formen der Naturschädigung im Kapitalismus als Gesichtspunkte der Destruktion der menschlichen Natur. „Das kann allenfalls partiell damit erklärt werden, daß zu Marx‘ Zeiten, etwa in den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, das Ausmaß der Umweltschäden durch die kapitalistische Produktionsweise noch geringer als in unserer Gegenwart war.“ Seit man daran gegangen ist die sogenannten „Exzerpthefte“ von Marx zu veröffentlichen (in der MEGA-2), sieht man weiter. Sie zeigen, dass sich die Klassiker zeitlebens mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften und der Ökologie auseinandergesetzt haben. Es ging dabei nicht nur um das wissenschaftliche Weltbild und deren Erklärung: Engels sammelte und durchleuchtete Material und Positionen für sein Buchprojekt „Dialektik der Natur“. Marx studierte Arbeiten zum gesellschaftlichen Umgang mit den Naturbedingungen. Die Studienergebnisse fixierte Marx in seinen Arbeitsheften. Ziel war es u.a., die Wirkung der kapitalistischen Produktionsweise (und Gesellschaft) auf die Naturverfassung aufzuzeigen und in seine Kritik des Kapitalismus einzufügen. Erfasst wurde somit nicht nur die ungeheure Entfaltung der Produktivkräfte im Kapitalismus, sondern auch die destruktiven Tendenzen dieser Produktionsweise in der Zeit. Marx´ Tod vereitelte jedoch die endgültige Abfassung und Systematisierung seiner Ansichten.

Marx war kein Katastrophentheoretiker. Als Revolutionär, Ökonom und Historiker interessierten ihn verschiedene Fragen, z.B.:

  • Gibt es neben der Tendenz zur Naturvernutzung bzw. Naturzerstörung im Kapitalismus auch (zeitweilige) Gegentendenzen: Maßnahmen, um die Folgen der Naturausbeutung und -zerrüttung durch die kapitalistische Produktionsweise abzuschwächen, sie zu verzögern? Welche Wechselbeziehungen und Kräfte bestehen da?

  • Wie sind andere Gesellschaftsformationen oder Gemeinschaften mit den Naturbedingungen umgegangen? Denn der „Stoffwechsel von Mensch und Natur“ unterliegt natürlich auch historisch-gesellschaftlichen Bezügen. Was lässt sich daraus lernen?

  • Wie hat der Sozialismus mit der Agrikultur bzw. mit der Natur als einer Quelle des gesellschaftlichen Reichtums umzugehen? Doch wohl anders als der Kapitalismus, nämlich verantwortungsvoll, schonend und nachhaltig.

Marx hat seine Positionen zur ‚Ökologie‘ in den Schriften und Exzerpten nicht als fortlaufenden Text dargelegt. Seine Ansichten ‚verstecken‘ sich in den positiv oder negativ bewerteten Textauszügen fremder Autoren, in der Abfolge der Studienlektüre, in Randbemerkungen, Unterstreichungen usw., sie finden sich aber auch in Briefen oder in Bemerkungen zum und im „Kapital“. Diese Positionsbestimmungen müssen heraus präpariert und interpretiert werden, um die Marx‘schen Gedankengänge nachzuvollziehen und darzustellen.

Das Verdienst, die bisher veröffentlichten Exzerpt-Schriften und Materialien von Marx – unter dem Aspekt der Ökologie – für die wissenschaftliche und politische Analyse umfänglicher erschlossen zu haben, gebührt dem Soziologen japanischer Herkunft Kohei Saito. (3) Leider ist seine Studie – eine Dissertation nicht leicht zu lesen. Sie folgt in Sprache und Methodik akademischen Gepflogenheiten. Schön, wenn sich jemand fände, der die Schriften leichter lesbar und politisch verfügbar machen könnte.

Bliebe eine weitere Aufgabe: Alle drei oben angesprochenen Titel sind wichtig und nicht einfach austauschbar. Sie könnten helfen, eigene marxistische Positionen auf dem Feld der „Ökologie und Kapitalismuskritik“ zu entwickeln. Dies in Konkurrenz und Abgrenzung zu den sogenannten „Öko-Sozialisten“ (J. Ditfurth und Co.) oder zur bürgerlichen Partei „Die Grünen“. Nötig wäre das allemal.

Literatur

  1. Elmar Altvater: Engels neu entdecken. Das hellblaue Bändchen zur Einführung in die „Dialektik der Natur“ und die Kritik von Akkumulation und Wachstum. Hamburg: VSA – Verlag 2015

  2. Hansgeorg Conert: Ökologie und Gesellschaft. Eine Einführung in das Problem >Mensch-Natur-Gesellschaft< aus marxistischer Sicht. Hamburg: VSA – Verlag 1984

  3. Kohei Saito: Natur gegen Kapital. Marx‘ Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus. Frankfurt/New York: Campus Verlag 2016