Antwort auf die Kritik von Martin Schlegel

Von der Initiative zum Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei

Kritisiert wird, es würde „nicht genau definiert, was die Autor(in)en unter Digitalisierung verstehen“. Digitalisierung ist kein marxistischer, sondern ein schwammig bürgerlicher Begriff, dazu da, um nichts zu klären, aber alles zu verwischen und zu verschleiern. Wir haben das ausdrücklich in der Fußnote 1 unseres Textes dargelegt. Eine „genaue Definition“ eines solchen an und für sich zwielichtigen Begriffs erübrigt sich. Wir haben allerdings – wie im Text erläutert – diesen schwammigen egriff wie auch andere derartige bürgerliche Begriffe (z.B. „physisch“ vs. „virtuell“ – siehe Fußnote 2 unseres Textes) aus praktischen Gründen und dem üblichen Sprachgebrauch folgend dennoch verwendet. Die „technischen Bestandteile“ der Digitalisierung im Einzelnen zu erörtern, war nicht unser Ziel. Die inkriminierte Definition auf S.8 stammt übrigens nicht von uns, sondern ist ein Zitat von René Arnsburg („Maschinen ohne Menschen? Industrie 4.0“). Dass der Begriff als solcher nicht nur „unglücklich“ ist, sondern direkt ein Fetischbegriff und dass er „die Softwareseite überbetont“ versteht sich – unser ganzer Artikel trommelt ja gerade gegen den „Digitalisierungs“-Fetisch.

Der Artikel, schreibst Du, hätte sich zum Ziel gesetzt, „zu klären, ob die Digitalisierung eine Revolution der Produktivkräfte im Marx’schen Sinn ist“. Kritisiert wird infolgedessen, dass keine klare Begriffsbestimmung erfolge, was wir unter „Revolution der Produktivkräfte“ verstünden. Aber das war gar nicht unser Ziel, weil wir – im Unterschied zu Dir, der Du die von Dir vorgeschlagene „zweite industrielle Revolution“ begründen musst – ohnehin der Meinung sind, dass es sich nicht um eine „Revolution der Produktivkräfte“ handelt. Ziel des Artikels war es, Licht in den Radau um den Mythos und Fetisch Digitalisierung zu bringen. Dabei ging es auch (aber nicht nur) darum, ob es sich dabei um eine neue industrielle Revolution handelt oder nicht – und (damit eng verbunden) ob es sich um die Herausbildung einer neuen Produktionsweise handelt. Es wird dargelegt, dass es sich um keine neue Produktionsweise im Marx’schen Sinn handelt (d.h. um bestimmte Produktionsverhältnisse auf Basis eines bestimmten Entwicklungsgrades der Produktivkräfte) und um eine zwar sprunghafte Entwicklung der Produktivkräfte, aber doch nur um eine spezifische Phase, in der die „ständige Revolutionierung der Produktivkräfte“ (Marx) einen sprunghaften Verlauf annimmt, nicht jedoch um eine so fundamentale Umwälzung wie es die (erste) Industrielle Revolution war, die nicht nur einen qualitativen Sprung in der Entwicklung der Produktivkräfte bedeutete, sondern auch eine Revolution war, „die zugleich die ganze bürgerliche Gesellschaft umwandelte“ (Engels, „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“, MEW 2, S.237), indem sie alle ökonomischen und sozialen Verhältnisse revolutionierte (man denke – neben der Entwicklung des industriellen Kapitals und des Maschinensystems – an die Umwälzung der Stadt-Land-Beziehungen, der massenhaften Umwandlung von Bauern in Proletarier und vor allem um die Beseitigung des Feudalismus und die Herausbildung neuer Klassenverhältnisse und -widersprüche). Wir sprechen deshalb mit Marx von einer „ständigen Revolutionierung der Produktivkräfte“, aber nicht von „Revolution der Produktivkräfte“, um die mit dem Begriff „Revolution“ im Sinne einer Umwälzung aller gesellschaftlichen Verhältnisse verbundene Konnotation zu vermeiden.

Aus denselben Gründen, aus denen wir meinen, dass es bei der Digitalisierung nicht um eine „vierte industrielle Revolution“ geht, meinen wir auch, dass es nicht um eine „zweite“ geht. Du nennst für Deinen Vorschlag als „Hauptgrund“, dass so wie seinerzeit die Hand durch die Werkzeugmaschine ersetzt wurde, heute einerseits dieser Ersatz des Menschen durch Maschinen (darunter auch Automaten, Roboter etc.) „neue Arbeitsbereiche“ erfasst sowie andererseits nicht mehr nur die „Hand“, sondern auch das Auge (siehe Dein Tempomat-Beispiel) usw., also andere Körperteile bzw. weitere Fähigkeiten einbezieht (insbesondere bei der Steuerung und Regelung von Produktionsprozessen). Aber worum geht es hier der Sache nach? Es geht, wie Du richtig schreibst, einfach darum, dass „zusätzliche Arbeitsschritte vom Menschen an die Maschine abgegeben werden“. Schon die allerersten Maschinen haben Tätigkeiten nicht nur der Hand, sondern auch des Auges übernommen. Du selbst schreibst, dass die „Kopplung von Sensoren, eingebetteten Systemen und der Funkverbindung zwischen den Werkzeugmaschinen“ dem „einen Schritt näherkommt“, was Marx seinerzeit schon als das „eigentliche Maschinensystem“ bezeichnete. Eben! Das unterstreicht doch, dass es bei der Digitalisierung „nur“ um die mit der Kapitalverwertung untrennbar verbundene „ständige Revolutionierung der Produktivkräfte“ geht – und das alles auf einer kapitalistischen Basis, wie sie seit zwei Jahrhunderten besteht. Es geht zwar nicht um das Disputieren über Begriffe, aber es erschließt sich uns nicht, weder die Berechtigung des Begriffs der „zweiten industriellen Revolution“ (also einer „Revolution“, die sich historisch auch nur annähernd mit der (ersten) Industriellen Revolution messen könnte; sonst wäre ja der Begriff genauso unangebracht wie der der „vierten“), noch der Nutzen dieses Begriffs für eine marxistische Analyse. Wir sehen umgekehrt die Gefahr, damit, ob man will oder nicht, unfreiwillig dem bourgeoisen Fetisch der „vierten“ zuzuarbeiten („neue Produktionsweise“).

Inwiefern wir „die in den Industrie 4.0 -Papieren behauptete (vierte) industrielle Revolution (Anm.: Du schreibst in Deiner Kritik „zweite“, aber das ist offenbar ein Schreibfehler) kritiklos übernehmen“ (angeblich auf S.20), um indes anschließend das genaue Gegenteil zu schreiben (S. 21), hier also irgendwie „schwanken“, erschließt sich uns nicht. Der ganze Artikel ist doch eine einzige Kritik an dem „Industrie 4.0“-Gelaber. Was die Sache selbst betrifft, stimmst Du aber offenbar den von Dir angeführten Zitaten aus unserem Artikel zu, nämlich dass es sich bei der angeblichen „vierten industriellen Revolution“ nur um die „Fortsetzung, eine neue Phase der dritten, die nächste Stufe der Automatisierung“ handelt.

Was die Studien zur Propagierung massenhafter Arbeitsplatzvernichtung (Frey Osborne und Nachfolger) betrifft, wirfst Du uns darüber hinaus einen „sachlichen Fehler“ vor. Du sagst, diese Studien würden sehr wohl auf „zum Zeitpunkt der Untersuchungen (bereits) marktreifen Technologien“ beruhen und zitierst sie auch positiv in Deiner Arbeit „Industrie 4.0“. Du irrst. Die Autoren der Studien behaupten das zwar, aber es muss ja deshalb nicht wahr sein. Ein schlagendes Beispiel ist der/die „Näher/in (Hand)“, der/die bei Frey Osborne mit einer Wahrscheinlichkeit von 99%, erwischt zu werden, in der Rangfolge der „probability of computerisation“ auf dem dritt-most-probable Rang 700 rangiert (von 702 „Berufsbildern“ auf einer aufsteigenden Skala je nach Wahrscheinlichkeit, wegcomputerisiert oder wegrobotisiert zu werden). Glaubte man dieser Studie, wären „in zehn bis zwanzig Jahren“ alle Näherinnen weltweit wegrobotisiert. Diesbezügliche marktschreierische Artikel in den Bourgeoismedien titeln dementsprechend z.B. „Der Todesstich des Nähroboters“ („Welt online“). Aber von wegen „marktreife Technologien“! Es gibt derzeit noch gar keine Nähroboter in nennenswertem Umfang im Einsatz, es gibt lediglich zwei erste bescheidene Versuchsprojekte von Adidas und die auch mit gemischten technischen Erfahrungen (siehe den Kasten auf S.19 unseres Artikels). Anderes Beispiel: Die Firma MX3D, die die berühmte Brücke in Amsterdam „sich selbst bauen lässt“, hält ihr Verfahren für das „Drucken“ von Stahlbrücken für „in Bälde marktreif“, aber in Wirklichkeit sind sie meilenweit davon entfernt und selbst für die lächerliche 8-Meter-Fußgängerbrücke ist noch nicht ausgemacht, ob das technische Verfahren hält, was es verspricht – von der dreijährigen Bauzeit und den enormen Kosten gar nicht zu reden. Also: nicht nur kommerzielle (das sowieso), sondern auch technische Probleme sind noch ungelöst. Die Prognose von Frey Osborne ist daher pures Geschwätz – selbst wenn noch so gute Robotikexperten glauben, dies aufgrund einer abstrakten „Analyse“ abstrakter taktiler, intellektueller und sonstiger Fertigkeiten behaupten zu können, obwohl sie wahrscheinlich keine Ahnung von den respektiven Produktionsprozessen und noch nie eine Nähfabrik von innen gesehen haben. Wie kann man solchen Studien auch nur einen Funken an Plausibilität zusprechen? (Siehe dazu auch den Exkurs zur Frey Osborne Studie am Ende des Textes.) Du wirfst uns Laxheit vor? Laxheit gegenüber diesen Studienfabrikanten? Das sind interessierte Schreibknechte der Bourgeoisie, bestenfalls in ihrer eigenen bourgeoisen Borniertheit verfangen, meist direkte Auftragsschreiber. Wie stehst eigentlich Du dazu? Einerseits konzedierst Du in Deiner „Industrie 4.0“, dass auf Basis dieser Studien „keine seriösen Angaben gemacht werden können“ (AzD 87, S.57), andererseits schreibst Du z.B.: „Auch wenn die Boston Consulting Group in ihrer Studie ihre Prognosemethoden nicht beschreibt, so ist davon auszugehen, dass sie das nötige Fachwissen dafür besitzt.“ (ebenda, S.56) Wie bitte? „Fachwissen“ – dass wir nicht lachen! als ob es darauf ankäme! Das heißt übrigens nicht, dass man ggf. aus solchen Studien auch Nutzen ziehen kann, v.a. aus tatsächlichem Datenmaterial, nicht aber aus Prognosen, die Prognosen sind immer interessengesteuert, und zwar durch direkt bezahlte und/oder ideologieinduzierte Bourgeoisieinteressen. „It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends upon his not understanding it!“ (Upton Sinclair)

Relative Arbeitsplatzvernichtung ist eine beständige und gesetzmäßige Erscheinung im Zuge der kapitalistischen Akkumulation, einmal stärker, einmal schwächer. Relativ natürlich nur, nicht zwingend absolut. Selbstverständlich wird die weitere und forcierte Digitalisierung, eigentlich Automatisierung massenhaft weitere Arbeitsplätze vernichten. Dies findet beständig und systematisch statt. Z.B. wurden zwischen 1980 und 2015 70% der deutschen Stahlarbeiter wegrationalisiert, und zwar ganz ohne nennenswerte Auswirkungen der Digitalisierung (siehe unser Beispiel auf S. 37/38 in unserem Artikel). Es gibt viele Beispiele dieser Art. Und jetzt gibt es große Studien und Debatte, ob es in Zukunft Arbeitsplatzvernichtung durch kapitalistische Rationalisierung geben wird? Klar wird es das geben – allerdings wird es nicht nur an der Digitalisierung liegen. Dafür bräuchte man keine dieser Studien und alle deren Aussagen über Ausmaß und konkrete Ausprägung dieser Entwicklung sind sowieso nur Hellseherei oder blanke auftragsorientierte Scharlatanerie.

Schließlich noch zu Deiner Kritik an der Formulierung „ob das eine das andere kompensiert“ (im Zusammenhang mit der Frage Arbeitsplatzvernichtung vs. -Neuschaffung) und dessen „Widerlegung“ mit dem anschließenden Marx-Zitat. Das ist reine Wortklauberei. Der inkriminierte Passus unseres Artikels hat mit der seinerzeitigen apologetischen „Kompensationstheorie“ (die behauptete, durch den Ersatz des Menschen durch die Maschine ginge keine Arbeit, also keine Arbeitsplätze verloren) überhaupt nichts zu tun – außer dem Wort „kompensiert“. Er meint ganz im Gegenteil eben das, was Marx im ersten Satz des von Dir angeführten Zitats schreibt: „Obwohl die Maschinerie notwendig Arbeiter verdrängt in Arbeitszweigen, wo sie eingeführt wird, so kann sie dennoch eine Zunahme von Beschäftigung in anderen Arbeitszweigen hervorrufen.“ Bei uns heißt es: „… werden für den Digitalisierungsprozess, wie überhaupt für Rationalisierungen jeder Art, Arbeiter nicht nur an einer Stelle überflüssig, sondern auch an andere Stelle benötigt, sei es in anderen Produktionsprozessen, in anderen Funktionen, mit anderer Qualifikation usw. „. Und dann folgt der Anlass Deiner Entrüstung: „Nun kann man lange darüber diskutieren, ob das eine das andere kompensiert oder nicht und welche Umschichtung der Gesamtarbeitskraft erfolgen werden – solange es gar kein klares Bild gibt, was genau an Digitalisierung in den verschiedenen Branchen konkret auf uns zukommt, ist das eine müßige Debatte.“ Außer der Wortklauberei um das Wörtchen „kompensiert“ führt das nur wieder auf die obige Frage zurück, inwieweit im Zusammenhang mit der Digitalisierung bereits „marktreife Technologien“ vorliegen oder eben (noch) nicht. Vielleicht hätten wir halt besser „ob bzw. inwieweit“ schreiben sollen oder „mehr oder weniger“ einfügen, um solcher Wortklauberei den Boden zu entziehen. Aber der Sache nach ist es nur Wortklauberei.

Exkurs zur Frey Osborne Studie, der Mutter aller diesbezüglichen Studien

Wir haben nicht alles, was es zu dieser und daran angelehnten Studien zu sagen gäbe, in unseren Artikel hineingepackt, daher hier einige zusätzliche Anmerkungen. Frey Osborne (bzw. die Robotikexperten, die ihnen zuarbeiteten) haben sich offenbar überhaupt nicht mit konkreten Produktionsprozessen bzw. Branchen beschäftigt, sondern nur ein statistisches Konstrukt fabriziert, indem sie einfach über eine Statistik von „Berufsbildern“ (nach der Klassifikation des US Department of Labor) eine von ihnen angenommene und durch keinen Gegencheck mit der wirklichen Industrie gewonnene hypothetische Wahrscheinlichkeitsstruktur („probabilities of computerisation“) der Ersetzungsmöglichkeit des Arbeiters durch die Maschine gelegt haben. Die Studie schaut sehr wissenschaftlich aus, in jeder Hinsicht breit ausgewälzt, mit für den Laien kompliziert aussehenden Formeln (obwohl banale Mathematische Statistik), auch sehr detailliert – alles um, wie in diesem Metier üblich, ihr einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen und ihre Haltlosigkeit zu übertünchen. Sogar Selbstrelativierungen fehlen nicht: „Making predictions about technological progress is notoriously difficult.“ (S.43) Wie wahr! Aber das spielt keine weitere Rolle, es dient vielmehr eher der Selbstbeweihräucherung (Meisterung einer notoriously difficult challenge), unbeirrt wird das abstrakte statistische Konstrukt fortgesponnen. Frey Osborne prognostizieren detailliert die Zukunft von 702 Berufsbildern (!). Das ist viel und macht Eindruck. Ob man freilich für eine derartige Prognose z.B. die Zukunft der Handvoll „Schiedsrichter und Sportfunktionäre“ prognostizieren muss (für sie schaut es übrigens gar nicht gut aus – Nr. 684 mit 98% Risiko), ist natürlich fraglich – aber irgendwie muss man ja auf die beeindruckende Zahl von 702 kommen. Dafür sind „Juweliere, Edelsteinbearbeiter und Metallarbeiter“ wiederum in einer Kategorie zusammengefasst (das spricht für eine „brutale Interessiertheit für den Stoff“, wie Marx sagen würde – übrigens liegen sie mit 95% Risiko auf Platz 626). Es fehlt nicht an Kuriositäten in der Liste auf den Seiten 57 bis 72. Köche z.B. werden mit 96% „probability of computerisation“ erwischt (d.h. es würde außer den paar für die Luxusetablissements der Bourgeoisie keine Köche mehr geben, wahrscheinlich weil die Studie annimmt, dass bis dahin ohnehin alle nur mehr von Automaten erzeugte instant fast food fressen), Kellner mit 96% (weil man sich diesen Dreck ebenfalls aus einem Automaten holt), Uhrmacher (Uhrenreparateure) mit 99% und Fahrradreparateure mit 94% (wahrscheinlich weil alle nur mehr Wegwerfuhren und Wegwerffahrräder benutzen, letzteres vielleicht auch, weil „in zehn bis zwanzig Jahren“ die meisten aus dem obigen Grund ohnehin zu fett sein werden). An Chuzpe dieser Art gibt es vieles. Folgende Punkte sind ganz generell gegen die gegenständliche Studie (und in ähnlicher Weise angelegte und auf ihr aufbauenden Studien) einzuwenden.

Erstens sind „Berufsbilder“ ohne Rücksicht auf die konkreten Tätigkeiten und quer durch alle Branchen ein nutz- und sinnloser Ausgangspunkt. Ein Schlosser z.B. (Nr. 420 mit 77% probability to get redundant) kann alle möglichen Tätigkeiten in allen möglichen Produktionszusammenhängen verrichten, vom Aufsperrdienst für den Privathaushalt bis zum hochspezialisierten Maschinenschlosser in der großen Fabrik. Man muss sich die konkreten Produktionsprozesse anschauen. „Berufsbilder“ sind nicht Tätigkeiten und Tätigkeiten werden immer in konkreten arbeitsteiligen Zusammenhängen geleistet. Die 77% sind von Robotikexperten, die wahrscheinlich nicht viel über die konkreten Arbeitsprozesse wissen, aus den abstrakten Elementen von „Schlosserarbeit“, dem „Berufsbild“ eben, abgeleitet. Eine Projektion auf Basis von „Berufsbildern“, ohne Berücksichtigung der konkreten Realität in den konkreten Branchen, ist nur eine abstrakte Fiktion. Zweitens sind die „Wahrscheinlichkeiten“, mit denen gearbeitet wird, haltlos und unnachvollziehbar. Kompliziert erscheinender Formelkram und wissenschaftliches Larifari sollen die Hohlheit verbergen. Hauptsächlich bedienen sie sich mehr oder weniger willkürlicher statistischer Krücken. Dazu kommen einige elementare Annahmen. Zu den Annahmen, die dahinter stecken, gehören z.B. das „Streben des Arbeiters nach Maximallohn“ (als ob das „Streben“ reichen würde – aber Lohnraub und -drückerei werden auf diese Art wegeskamotiert!) und die Existenz „perfekt-elastischer Märkte“ mit freier Marktpreisbildung („perfectly elastically at market price“ – im Zeitalter des Monopolkapitals und des Imperialismus!). Drittens erfolgt keinerlei Quercheck mit Projektionen für konkrete Produktionsprozesse und Branchen. So zeigt z.B. die „strategische Planung“ der realen Stahlkapitalisten ein ganz anderes Bild als diese Studien. Die Frage „marktreifer Technologien“ stellt sich halt deren Entwickler bzw. Vermarktungsaspirant, der das Ding auf Teufel komm raus verkaufen will, oder der Robotikprofessor, der glänzen will, meist ganz anders vor als der Kapitalist, der das Risiko seiner Investition konkret einschätzen wollen wird. Ein gutes Beispiel ist die Bauwirtschaft, in der sich die Digitalisierung (Stichwort: irgendetwas „baut sich selbst“) bisher praktisch nur in (meist staatsfinanzierten) F&E-Projekten abspielt und sogar die Optimisten der ETH Zürich davon ausgehen, dass noch „zwei bis drei Jahrzehnte bis zur kommerziellen Verwertbarkeit“ vergehen werden (siehe dazu aufschlussreich den Kasten auf S.18 unseres Artikels). Auch eine Untersuchung der Stahlindustrie, der Papierindustrie, des Kraftwerksbaus und einiger weiterer Produktionszweige, die wir uns konkret angeschaut haben, sowie der Digital Factory von Siemens zeigt ein wesentlich „bescheideneres“ Bild der Marktreife so mancher Technologie und damit die Haltlosigkeit der angesprochenen Studien. Dazu kommt viertens das Thema, dass nicht nur technische Faktoren maßgeblich sind, sondern – wir leben im Kapitalismus! – in allererster Linie die Profitabilität sowie auch die gesellschaftliche Durchsetzbarkeit. Fünftens wird in der Studie ausgeblendet, dass ja auch die neuen Technologien praktisch angewendet werden müssen und daher für Entwicklung, Konstruktion, Produktion, Instandhaltung, Betrieb, technische Weiterentwicklung usw. ebenfalls Arbeiter notwendig sind, wenn auch mit anderen „Berufsbildern“. Vielleicht glauben manche, man brauche irgendwann keine Schweißer mehr, weil es ja Schweißroboter gäbe. Aber es ändert sich „nur“ die Art der Tätigkeit, an der Notwendigkeit der technologischen und technischen Kenntnis, Fähigkeit, Erfahrung etc. ändert sich nichts. Ohne Beherrschung von Schlosserei, Werkzeugmacherei, Schweißerei usw. usf. wird man keine Roboter bauen können, die die diesbezügliche menschliche Arbeit ersetzen. Sechstens setzt der lange Zeithorizont ein gewaltiges Fragezeichen, im gegenständlichen Fall „nur“ von „zehn bis zwanzig Jahren“, nicht selten aber noch viel länger. Man braucht sich nur vergleichbare Prognosen von vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren (z.B. über den zu erwartenden Verlust von Arbeitsplätzen durch dies oder das) anschauen und sie mit der heutigen Realität vergleichen, um sich ein Bild der Reliabilität dieser Studien zu machen. Genauso wird es den heutigen Prognosen ergehen. Kein Wunder in einer anarchischen kapitalistischen Wirtschaft und einer Imperialismuslandschaft im Umbruch. Abgesehen von der ebenfalls ungewissen weiteren technologischen und technischen Entwicklung (die wiederum von der Entwicklung der kapitalistischen Akkumulation und speziell der Profitrate getrieben wird) wird es in den nächsten „zehn bis zwanzig Jahren“ vermutlich zu beträchtlichen Verwerfungen und Erschütterungen der Kapitalverwertung kommen, schwere Kriseneinbrüche, Kriege … Wahrscheinlicher als dass diese Studien sich bewahrheiten ist es, dass die Kapitalisten „in zwanzig Jahren“ mit dem Wiederaufbau der zerstörten Industrie nach dem nächsten großen Krieg beschäftigt sein werden. Studien dieser Art, wie man sie zu Hauf auf allen Gebieten findet, um aus „brutaler Interessiertheit“ (schöne Formulierung von Marx!) irgendetwas für die Zukunft zu behaupten und die Behauptung „wissenschaftlich“ zu begründen, mögen als Doktorarbeit in Mathematischer Statistik mit Ach und Krach durchgehen, rufen interessiertes bis lärmendes „Medieninteresse“ hervor und erscheinen vielleicht dem unbedarften und staunenden Gutgläubigen unglaublich „wissenschaftlich“, sind aber nur professorale Rosstäuscherei und Medienhype. Dass in der Realität bei weitem nicht so heiß gegessen wird wie gekocht weiß übrigens auch die Bourgeoiswissenschaft selbst – siehe z.B. Bonin & Co, wenn aus 42% Bedrohungspotential letztlich nur 12% werden (siehe S. 35 unseres Artikels, aber ebenso bei Dir in AzD 87, S.54).