Charakterisierung früherer Revolutionen der Produktivkräfte

    1. Begriffsklärungen

Die Automatisierung ist eine besondere Form der Rationalisierung des Produktionsprozesses. Eine Rationalisierung kann zum Beispiel durch effizientere Arbeitsabläufe erreicht werden, die die Produktivität erhöhen, ohne dass sich etwas am Produktionsverfahren ändert. Von einer Automatisierung kann nur gesprochen werden, wenn Arbeitsschritte vom Menschen auf eine Maschine übertragen werden. So schrieb Karl Marx ([15], Seite 402): „Sobald die Arbeitsmaschine alle zur Bearbeitung eines Rohstoffs nötigen Bewegungen ohne menschliche Beihilfe verrichtet und nur noch menschlicher Nachhilfe bedarf, haben wir ein automatisches System der Maschinerie, das indes beständiger Ausarbeitung im Detail fähig ist.“

Zunächst sollen einige Begriffe der Marx’schen politischen Ökonomie dargestellt werden. Beginnen wir mit dem Arbeitsmittel. Marx definiert es folgendermaßen: „Das Arbeitsmittel ist ein Ding, oder ein Komplex von Dingen, die der Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt [..]. Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln [..] charakterisieren den spezifisch menschlichen Arbeitsprozess, und Franklin definiert daher den Menschen als ‚a toolmaking animal‘, ein Werkzeuge fabrizierendes Tier“ ([15], Seite 194). Arbeit, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand bilden den Arbeits­prozess. „Der Arbeitsprozess [..] ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens“ ([15], Seite 198). Marx betont: „Nicht was gemacht wird, sondern wie mit welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen. Die Arbeitsmittel sind nicht nur Gradmesser der Entwicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch Anzeiger der gesellschaftlichen Verhältnisse, worin gearbeitet wird“ ([15], Seite 195).

Ein wesentliches Kennzeichen von ökonomischen Epochen ist der Stand der Arbeitsproduktivität. Unter der Produktivkraft der Arbeit versteht Marx Folgendes: „Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter anderem durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhältnisse.“ ([15], Seite 54).

Marx stellt heraus, dass jede Entwicklung der Produktivkraft zu einer neuen Arbeitsorganisation in den Produktionsstätten und damit zu neuen Produktionsverhältnissen führt ([16], Seite 22 folgende). Marx unterscheidet zwischen den Produktionsverhältnissen und der Produktionsweise: „In der gesell­schaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit der Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.“ ([17], Seite 8/9). Und weiter: „In allen Gesellschaftsformen ist es eine bestimmte Produktion, die allen übrigen, und deren Verhältnisse daher auch allen übrigen Rang und Einfluß anweist.“ ([17], Seite 638). Die jeweils vorherrschende Produktionsweise ist somit die Gesellschaftsordnung, die dem jeweiligen Stand der Produktivkräfte entspricht. Sie bietet den politischen und institutionellen Rahmen für die Herrschaft der Eigentümer der führenden Produktionsform. Im Feudalismus war die Landwirtschaft dominierend und damit der Grundbesitz. Im Kapitalismus ist die Industrieproduktion dominierend und damit der Kapitalbesitz.

 

    1. Die erste industrielle Revolution

Vorbemerkung: Wenn im Folgenden einige Erfinder genannt werden, so bedeutet das nicht, dass es keine Vorgeschichte zu jeder einzelnen Erfindung gibt. Wie schon Marx bemerkte, würde „eine kritische Geschichte der Technologie [..] nachweisen, wie wenig irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum gehört.“ ([15], Seite 392, Fußnote 89). Da es mir nicht um eine Technikgeschichte, sondern um die der Entwicklung der Produktivkräfte geht, wird auf die Beschreibung der Entwicklungsetappen der Technikentwicklung verzichtet. Die genannten Jahreszahlen sind meist ein Datum für einen funktionsfähigen ersten Einsatz, danach wurden Verfahren und Maschinen im Praxisbetrieb kontinuierlich verbessert und neue Anwendungen entwickelt.

Am Beispiel der industriellen Revolution, die das Industriezeitalter einleitete, soll veranschaulicht werden, wie sich technische Revolutionen im Industriezeitalter abspielen und wie die technische Entwicklung in einem Bereich eine technische Entwicklung in anderen Industriezweigen und der Gesellschaft insgesamt bewirkt. Die industrielle Revolution fand zuerst in Großbritannien und dort vor allem in der damaligen Leitindustrie, der expandierenden Baumwollverarbeitung statt. Im Jahr 1733 erfand John Kay den „flying shuttle“, das automatische Weberschiffchen, das die Arbeit der Hand des Webers beim Weben ersetzte. Dies ermöglichte, etwa doppelt so viel Tuch in der gleichen Zeit zu erzeugen. Der Webprozess änderte sich, das Weben blieb aber noch Hausindustrie.

Als Folge der gesteigerten Produktivität beim Weben trat eine Garnknappheit auf, da die Spinner nicht genügend Garn für die Weber liefern konnten. Je nach Spinnverfahren war die Arbeit von vier bis zehn Spinnern für die Versorgung eines Webers erforderlich. Dies führte zu Anstrengungen, das Spinnen produktiver zu machen. Um das Jahr 1764 herum baute John Hargreaves die „Spinning Jenny“, bei der die Tätigkeit der Finger beim Spinnen durch einen Automatismus von Zugwalzen ersetzt wurde. Die „Spinning Jenny“ war eine Spinnmaschine für die Hausindustrie, veränderte daher ebenso wenig wie das Weberschiffchen die Produktionsverhältnisse. Im Jahr 1769 erfand Richard Arkwright den „water frame“, eine Flügelspinnmaschine, die für den Wasserantrieb konzipiert war, im Jahr 1771 baute er die erste Spinnfabrik mit Wasserantrieb, die erste Fabrik entstand. Die „Spinning Jenny“ und der „water frame“, konnten nicht alle Garnqualitäten herstellen, im Jahr 1779 erfand Samuel Crompton die halbautomatische „Mule“, die dies konnte. Das Aufwinden des Garns blieb noch bis ins 19. Jahrhundert Handarbeit. Durch die Mechanisierung des Spinnvorgangs konnte die Anzahl der von einem Antrieb bewegten Spindeln erhöht werden, bereits Ende des 18. Jahrhunderts waren es mehrere Hunderte.

Durch die „Spinning Jenny“ und den „water frame“ wurde nunmehr das Spinnen der Baumwolle produktiver als das Weben, was sich erst nach der technisch komplizierteren Mechanisierung des Webens änderte. Edmond Cartwright stellte im Jahr 1785 einen funktionsfähigen mechanischen Baumwoll­webstuhl her, der zunächst nicht profitabler als das Handweben war und nur grobe Gewebe herstellen konnte und sich daher erst nach seiner Weiterentwicklung ab 1820 durchsetzte, weshalb die Zahl der Handweber zunächst noch deutlich anstieg. In seiner ersten Tuchfabrik kam als Antrieb bereits eine Dampfmaschine zum Einsatz. Die Mechanisierung des Spinnens und Webens führten zur Einführung der mechanisierten Produktion von der Baumwollentkörnung bis zum fertigen Tuch. Mitte des 19. Jahrhunderts waren Hausindustrie und Handwerk in der Textilherstellung praktisch verschwunden. Die ackerbauenden Weber und Spinner wurden Fabrikarbeiter. Die Mechanisierung des Webens und Spinnens brachte also folgende Änderungen mit sich:

  • Trennung des Arbeiters von seinen Produktionsmitteln
  • Trennung der Arbeitsstätte von der Wohnstätte
  • Einen Bruch mit den traditionellen Arbeitsgewohnheiten und Arbeitsinhalten, die Disziplinierung durch Maschinentakt und Fabrikordnungen.

Die Trennung des Produzenten von seinen Produktionsmitteln und die Trennung der Selbstversorger von ihrem Land schuf die kapitalistische Gesellschaft, in der sich Lohnarbeit und Kapital gegenüberstehen.

Im Jahr 1788 gab es in Großbritannien bereits 142 Textilfabriken ([18], Seite 65). Von 1764 bis 1794 erhöhte sich die Produktivität der Garnherstellung um das Dreissigfache, die Produktion des Webverfahrens war im Jahr 1850 dreizehnmal höher als im Jahr 1760. Im Jahr 1793 erfand Elie Whitney die „cotton gin“, eine Baumwollentkörnungsmaschine, die die Baumwollfasern von den Samenkapseln trennen konnte, was zuvor in den Südstaaten der USA eine typische Handarbeit von Sklaven war ([19]). Um 1840 waren alle Arbeitsprozesse der Textilherstellung mechanisiert und wurden in einer Textilfabrik durchgeführt. Eine wesentliche Triebkraft aller dieser Erfindungen war wie auch bei späteren die Überwindung von Produktionsengpässen.

Die Revolutionierung der Textilerzeugung förderte technische Entwicklungen in anderen Bereichen wie der Antriebstechnik, dem Maschinenbau, dem Hüttenwesen, der Metallurgie, dem Transportwesen, der Chemie und der Agrarwirtschaft, die eine wachsende Arbeiterschaft und Gesamtbevölkerung versorgen musste. Dies beschrieb Marx so ([15], Seite 404): „Die Umwälzung der Produktionsweise in einer Sphäre der Industrie bedingt ihre Umwälzung in der anderen.“ Einige Industriezweige wie der Maschinenbau („machine makers“) entstanden erst in der industriellen Revolution, seine Vorgänger waren die Uhrmacher, Geräte-, Instrumente- und Mühlenbauer. Zunehmend wurde beim Maschinenbau die Verwendung von Metallen statt Holz erforderlich, wodurch sich neue Herausforderungen an die Eisenverhüttung und Eisenbearbeitung ergaben.

Insbesondere war auch eine neue Antriebsenergie erforderlich, die jahreszeitunabhängig war. Dies leistete die von Watt weiterentwickelte Dampfmaschine. Die Dampfmaschine wurde im 18. Jahrhundert vor allem für die Wasserhaltung im Bergbau eingesetzt. Dies war notwendig, weil die bisherige Antriebstechnik nicht mehr ausreichte, die in immer größere Tiefen getriebenen Bergwerkschächte zu entwässern. Oft waren zuvor in den Bergwerken mehr Menschen mit der Wasserhaltung beschäftigt als mit dem Erzabbau ([20], Seite 121). Zum Heben des Grubenwassers genügte die Auf- und Abwärtsbewegung der Einzweck-Dampfmaschine von Thomas Newcomen (1712). Von 1712 bis 1800 wurden etwa 1500 Newcomen- Dampfmaschinen in den Bergwerken aufgebaut ([20], Seite 126). Der Wirkungsgrad dieser Dampfmaschine war mit einem Prozent sehr gering. Bis ins 19. Jahrhundert blieben die Dampfmaschinen Einzelanfertigungen.

Die Erfindungen von James Watt (Patent 1769) verbesserten zum einen den Wirkungsgrad der Dampfmaschinen, seine zusätzliche Entwicklung des Planetengetriebes und der doppeltwirkenden Dampfmaschine setzte die Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens in eine kontinuierliche Drehbewegung um. Damit konnte die Watt‘sche Dampfmaschine Wasserrad und Windkraft als Antriebskraft ersetzen. Dazu schrieb Marx ([15], Seite 398): „Erst mit Watts zweiter, sog. doppelt wirkender Dampfmaschine war ein erster Motor gefunden, der seine Bewegungskraft selbst erzeugt aus der Verspeisung von Kohlen und Wasser, dessen Kraftpotenz ganz unter menschlicher Kontrolle steht, der mobil und ein Mittel der Lokomotion, städtisch und nicht gleich dem Wasserrad ländlich, die Konzentration der Produktion in Städten erlaubt, statt sie wie das Wasserrad ländlich zu zerstreuen, universell in der Anwendung [..]“ Die Möglichkeit der Drehbewegung erschloss neue Anwendungsgebiete, die ihre Verbreitung förderte. Mit der Entwicklung der Watt‘schen Dampfmaschine begann darüber hinaus der Einzug wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Maschinenbau, eine Entwicklung, die zur Entstehung neuer Berufe und zu neuen Ausbildungsgängen führte. Ende des 18. Jahrhunderts wurden in 84 Baumwollspinnereien, 28 Gießereien und Schmiedebetrieben Dampfmaschinen betrieben, im Jahr 1810 waren in Großbritannien 5000, im Jahr 1822 bereits 10 000 Dampfmaschinen im Einsatz ([18], Seite 65, 76). Im Jahr 1838 wurden 75 % der Antriebsenergie in der Textilindustrie durch Dampfmaschinen gedeckt ([21], Seite 367).

Die Dampfmaschine war die Antriebsmaschine der Großindustrie, mittlere und kleine Betriebe blieben aus Kostengründen beim Wasserrad. Mit der Dampfmaschine wurde zum ersten Mal eine stetig arbeitende Kraftmaschine mit beliebig vermehrbarer, überall und ganzjährig verfügbarer Bewegungsenergie geschaffen. Zuvor waren die Mühlenbetriebe von den jahreszeitlich unterschiedlichen Wassermengen abhängig, was zu sommerlichen und winterlichen Stillstandzeiten in der Produktion führte. Die Dampfmaschine beendete die Energienot der regengelenkten Wasserwirtschaft und den Konflikt zwischen dem Wasser als Transportmedium und als Antriebsenergie, bei dem sich Handel und Industrie gegenseitig das Wasser abgruben. Wichtig wurde die Dampfmaschine auch für die Trinkwasserversorgung der schnell wachsendenden Städte und später als Hochdruckdampfmaschine bei dem Lokomotivbau.

Die Verbindung von Dampfmaschine und Werkzeugmaschine förderte die Entstehung von Fabriken und führte zur Konzentration der Produktion in den Städten. Zuvor war man zum Antrieb der mechanisierten Produktion auf Wasserläufe mit genügendem Gefälle angewiesen, die in Großbritannien meist im Inland in ländlicher Umgebung lagen. Marx zitiert die prägnante Aussage: „Die Dampfmaschine ist die Mutter der Industriestädte.“ ([15], Seite 398). So wuchs etwa die Bevölkerung in Manchester vom Jahr 1750 bis 1850 von 20 000 Einwohnern auf 335 000 Einwohner ([20], Seite. 215). Die Ballung der Industrie in den Städten hatte große gesellschaftliche und technische Auswirkungen. Gesellschaftlich, weil die Arbeiter räumlich konzentriert wurden, was ihren Zusammenschluss zu einer Klasse förderte. Technisch, weil im Wohnungs- und Städtebau, der Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung, der Kanalisation und Müllabfuhr enorme Infrastrukturmaßnahmen erforderlich wurden, die oft aber erst dann stattfanden, als sich Seuchen und Epidemien, wie Cholera und Typhus, häuften. Vor allem in den schnell wachsenden Industriestädten war die Wohnungssituation der Arbeiterfamilien katastrophal. Billighäuser ohne jegliche sanitäre Einrichtung waren die Regel, oft waren die Häuser auch von mehr als einer Familie belegt. Klar ist, dass die Versorgung der wachsenden Zahl der Industriearbeiterfamilien und der Gesamtbevölkerung eine ständig steigende Produktivität in der Landwirtschaft erforderte.

Vor allem der zunehmende Einsatz von Dampfmaschinen erforderte zunehmende Eisenproduktion, größere Mengen und bessere Qualitäten des Eisens aus der Eisenverhüttung. Um aus Eisenerz schmiedbares Eisen zu gewinnen, sind zwei Prozesse notwendig, zum einen das Schmelzen des Erzes im Hochofen, um die unerwünschten Bestandteile abzuspalten. Das so entstandene Roh- oder Gusseisen ist noch nicht schmiedbar. Durch das sogenannte Frischen mit Sauerstoff wird der Kohlenstoff-, Schwefel- und Phosphorgehalt des Roheisens reduziert, es entsteht schmiedbares Eisen, das durch Hämmern, Walzen oder Pressen in Form von Stabeisen oder Blechen zur Weiterverarbeitung ausgeliefert wird. Die Weiterentwicklung der Eisenverhüttung in Großbritannien im 18.und 19. Jahrhundert basiert wesentlich auf der Ersetzung der Holzkohle durch Steinkohlenkoks und Steinkohle im Hochofen und beim Frischen. Zur Herstellung von Roheisen verwendete Abraham Darby nach 1710 zum ersten Mal im Hochofen Kokskohle. „Die Substitution der Holzkohle durch Koks war die richtungsändernde Basis- und Initialinnovation in der Eisenverhüttung. Nun waren die Hochöfen zu klein, das Ofenmaterial zu schlecht, der lederne Blasebalg zu wenig dauerhaft, der Luftdruck zu schwach, die Luftmenge zu gering und die Energiewasserversorgung zu unregelmäßig und ungenügend, die Rohstoffmengen Erz und Kalk zu gering, die Transportkapazität der Packpferde und Karren unzureichend.“ ([20], Seite 132).

Das Gusseisen erlebte seinen Durchbruch, als es gelang, es zum Bau von Teilen von Maschinen und Dampfmaschinen, bei landwirtschaftlichen Geräten und als Baustoff für Brücken und Gebäude einzusetzen. Für die beweglichen Teile im Maschinenbau war das Gusseisen zu spröde. Mehrere Innovationen beim Frischen mit Steinkohle wie Benjamin Huntmans Tiegelgussofen um 1740, Henry Corts Puddelofen um 1766, Henry Bessemers Gebläseofen um 1856 und das Siemens-Martin-Verfahren von 1864 führten dazu, dass Schmiedeeisen preiswert hergestellt werden konnte ([22], Seite 87). Insgesamt wurde in der Eisenverhüttung aus dem Produktionssystem Holzkohle-Wasserrad-Hammer immer mehr ein System Kohle-Dampfmaschine-Walze. Zur Verbreitung von Eisen und Stahl trug die Verbilligung der Herstellung und der wachsende Bedarf im Maschinenbau bei. Wurden im Jahr 1740 noch 15 Tonnen Kohle für die Herstellung einer Tonne Roheisen gebraucht, so waren es im Jahr 1850 2,5 Tonnen, wozu wesentlich die Verwendung von Heißluftgebläsen beitrug ([21], Seite 391). Aus der Eisenverhüttung kamen ebenso wie aus der Textilindustrie Impulse für die Entwicklung der Chemieindustrie. Bei der Verkokung von Steinkohle fiel Teer an, beim Schmelzen des Eisens Gase, die zunehmend für die Schmelzprozesse selbst verwendet wurden oder als Grundstoffe für eine weitere chemische Verarbeitung oder zur Beleuchtung dienten. Außerdem mussten im Hochofen unerwünschte Bestandteile des Eisenerzes wie etwa Kohlenstoff, Phosphor oder Schwefel entfernt werden.

Der Bau von Werkzeug-, Dampf- und Textilmaschinen und später von Lokomotiven und Schienen aus Gusseisen und Stahl erforderte eine immer größere Fertigungsgenauigkeit beim Drehen, Bohren, Fräsen und Hobeln ([18], Seite 75 folgende). Vor allem durch Henry Maudslays Metalldrehbank mit Kreuzsupport und Leitspindel um etwa 1800 wurde eine Werkzeugmaschine zur Bearbeitung von Holz und Metallen erfunden, über die Karl Marx ([15], Seite 406) schreibt. „Diese mechanische Vorrichtung ersetzt nicht irgendein besonderes Werkzeug, sondern die menschliche Hand selbst, die eine bestimmte Form hervorbringt, durch Vorhalten, Anpassen und Richtung der Schärfe von Schneidinstrumenten usw. gegen oder über das Material z. B. Eisen. So gelang es, die geometrischen Formen der einzelnen Maschinenteile mit einem Grad von Leichtigkeit, Genauigkeit und Raschheit zu produzieren den keine gehäufte Erfahrung der Hand des geschicktesten Arbeiters verleihen könnte.“ Maudslay entwickelte oder verbesserte unter anderem noch Maschinen zum Gewindeschneiden und zum Spanen. Mit der Drehbank begann die Maschinisierung der Metall- und Holzbearbeitung, aus der dominierenden Rolle des Hand-Werkzeugs wurde allmählich die führende Rolle des Maschinen-Werkzeugs. Vor der Montage der an der Drehbank hergestellten Maschinenteile war ihre manuelle Endbearbeitung erforderlich. So lange in einem Fertigungsprozess manuelle Nacharbeit erforderlich ist, bleibt dort ein Handwerksanteil bestehen. Im Unterschied zur Textilindustrie erforderte der Maschinenbau qualifizierte Arbeiter. Die Gründung der ersten Maschinenbaubetriebe erforderte kein großes Startkapital, aber eine große handwerkliche Begabung.

Maudslay und seine Schüler begannen auch, die Grundlagen für eine Gewindenormung und andere Standardisierungen zu erarbeiten, die Voraussetzungen für die Massenfertigung von Ersatzteilen der Textilmaschinen waren. Bestrebungen zur allgemeinen Zugänglichkeit von Erfindungen und der Standardisierung von Produkten sind ein ständiges Thema im Verlauf der technischen Entwicklung im Kapitalismus. Das liegt daran, dass technische Neuerungen zunächst in einem Betrieb stattfinden, die sich diese patentieren oder anderweitig schützen lassen, um allein davon zu profitieren. Die Konkurrenz sorgt dafür, dass Neuerungen nicht für immer monopolisiert werden können. Dies geschah in der industriellen Revolution vor allem durch Industriespionage, Abwerbung von Fachpersonal und nicht lizensiertem Nachbau. Immer versucht das Kapital seine Produkte so auszugestalten, dass der Käufer bei Ersatz auf seine Firma angewiesen ist.

Am Beispiel der Durchsetzung der Watt’schen Dampfmaschine soll auf eine Triebkraft technischer Entwicklung hingewiesen werden. Die Watt’sche Dampfmaschine benötigte nur ein Viertel der Energie der Dampfmaschine von Newcomen ([20], Seite 180), von dieser Energieersparnis erhielten Boulton und Watt ein Drittel als Lizenzgebühr. Technischer Fortschritt hat im Kapitalismus wegen der Profitmaximierung immer auch das Ziel, die materiellen Ressourcen so effektiv wie möglich zu nutzen, das heißt Maschinenkosten, Energieverbrauch und Werkstoffeinsatz zu minimieren. Veranschaulichen wir das am Beispiel des Energieverbrauchs. Im 20. Jahrhundert verdrängten dezentrale Verbrennungs- und Elektromotoren die Dampfmaschinen, weil sie einen höheren Wirkungsgrad hatten und damit auch in kleineren Betrieben einsetzbar waren. In der industriellen Produktion hatten die elektrischen Antriebe an jeder einzelnen Maschine eine weitere Folge. Die Transmissionsmechanismen wurden überflüssig, die notwendig waren, um die Drehzahl einer zentralen Dampfmaschine auf die für eine einzelne Maschine erforderliche Drehzahl herunter zu regeln. Der Mechanismus verbrauchte viel Energie durch Reibung und war sehr störanfällig. Am Beispiel des Elektromotors lässt sich das Thema der Materialeinsparung veranschaulichen. Wog ein Drehstrommotor mit einer Leistung von einem Kilowatt im Jahr 1891 noch 88 Kilogramm, so wog er bei gleicher Leistung im Jahr 1964 nur noch 7,5 Kilogramm, das entspricht einer Gewichtseinsparung von 20 % alle 10 Jahre ([23], Seite 383).

Zwei Aspekte der Industrialisierung sind noch zu erwähnen. Zum einen: Das Transportaufkommen erhöhte sich stark, was in Großbritannien zunächst zu einem Kanalnetz von 4000 Kilometer Länge ([21], Seite 435) und dem Bau von befestigten Straßen führte, und ab 1830 durch den Eisenbahnbau bewältigt wurde. Zum andern: Sie erzeugte in bisher unbekanntem Ausmaß eine Verschmutzung von Wasser, Luft und Böden und war der Beginn der vom Menschen erzeugten Klimawandels. Die dadurch entstehenden Kosten werden nicht vom Kapital getragen, sondern auf die Gesellschaft abgewälzt.

Die Liste sich gegenseitig antreibender und bedingender Erfindungen ließe sich fortsetzen (vergleiche [18], [19], [20], [21]). Dies beschreibt Marx so: „So machte die Maschinenspinnerei Maschinenweberei nötig und beide zusammen die mechanisch-chemische Revolution in der Bleicherei, Druckerei und Färberei. So rief andererseits die Revolution in der Baumwollspinnerei die Erfindung des gin zur Trennung der Baumwollfaser vom Samen hervor, womit erst die Baumwollproduktion auf dem nun erheischten großen Maßstab möglich ward. Die Revolution in der Produktionsweise der Industrie und Agrikultur ernötigte aber auch eine Revolution in den allgemeinen Bedingungen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, d.h. den Kommunikations- und Transportmitteln.“ ([15], Seite 404/405).

Fasst man die wesentlichen Merkmale der industriellen Revolution im Produktionsprozess zusammen, so bestehen sie in der:

  • Ersetzung der menschlichen Hand zuerst in der Textilindustrie und danach in der Holz- und Metallbearbeitung bei der Formgebung des Arbeitsgegenstands
  • Ersetzung von Wasser-, Windkraft und Holz durch Kohle und Dampfmaschine in der Textilindustrie, dem Maschinenbau und der Eisenverhüttung, was eine schnelle Ausdehnung der Produktion ermöglichte
  • Ersetzung von Holz durch Eisen im Maschinenbau, Bau- und Transportwesen.

Mit dem Beginn der maschinellen Produktion änderte sich die Stellung des Arbeiters in der Produktion: „Aus der lebenslangen Spezialität, ein Teilwerkzeug zu führen, wird die lebenslange Spezialität, einer Teilmaschine zu dienen.“ ([15], Seite 445). Und weiter schreibt Marx zum Inhalt der Arbeit: „Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit vom Inhalt. Aller kapitalistischen Produktion, sofern sie nicht nur Arbeitsprozeß, sondern zugleich Verwertungsprozeß des Kapitals, ist es gemeinsam, daß nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technisch handgreifliche Wirklichkeit.“ ([15], Seite 446). Diese Anpassung bedeutet Disziplinierung und Gewöhnung an Gehorsam und Unterordnung, wozu zahlreiche Fabrikordnungen erlassen wurden.

Die Einführung von Maschinen erlaubte es in der industriellen Revolution in großem Maßstab, Kinder Frauen und Ungelernte vor allem in der Textilindustrie und im Bergbau einzusetzen, eine Entwicklung, die sich bis auf die Kinderarbeit in der fordistischen Produktion des 20. Jahrhunderts wiederholte. Um dazu ein paar Zahlen zu nennen: Zu Beginn der Kinderschutzgesetzgebung im Jahr 1835 waren in Großbritannien nur etwa 26 % der Beschäftigten Männer über 18 Jahre, 48 % waren Frauen über 13 Jahre und 13 % Jungen und Mädchen unter 13 Jahre. In der Textilindustrie und im Bergbau wurde die Arbeitszeit für Kinder unter 13 Jahren erst 1833 auf 9 Stunden begrenzt ([21], Seite 486). Die wöchentliche Arbeitszeit betrug zuvor oft 70 bis 80 Stunden. Die physische, gesundheitliche und psychische Belastung der Industriearbeiter war höher als bei der Heimarbeit, so dass sie mit spätesten 45 Jahren „verschlissen“ waren. Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit, arbeitsbedingten Krankheiten wie der Silikose, Seuchen wie Cholera und Typhus lag die Lebenserwartung in typischen Industriestädten Großbritanniens um das Jahr 1830 bei unter 20 Jahren ([24], Seite 232]). Diese „Begleiterscheinungen“ der industriellen Revolution sind keine Folgen des technischen Fortschritts, sondern seiner Anwendung im Kapitalismus, dessen Ziel die möglichst profitable Verwertung des eingesetzten Kapitals ist. Von der technischen Seite her bedeutete die Mechanisierung der Produktion eine Ersparnis von menschlicher Arbeit im Produktionsprozess und somit eine Befreiung des Menschen bei der Herstellung der lebensnotwendigen Güter.

Wie Marx analysierte, verdrängt der Einsatz von Maschinen notwendigerweise Arbeiter in den Bereichen, in denen sie eingeführt werden. Als Beispiel kann das „Webersterben“ genannt werden: Waren im Jahr 1788 noch 100 000 Weber beschäftigt und im Jahr 1830 240 000, so waren es im Jahr 1860, bedingt durch die breite Einführung der Maschinenweberei, nur noch 10 000 ([21], Seite 307), Marx schreibt ([15], Seite 414): „Ausschließlich als Mittel zur Verwohlfeilerung des Produkts betrachtet, ist die Grenze für den Gebrauch der Maschinerie darin gegeben, daß ihre eigne Produktion weniger Arbeit kostet als ihre Anwendung Arbeit ersetzt. Für das Kapital jedoch drückt sich diese Grenze enger aus. Da es nicht die angewandte Arbeit zahlt, sondern den Wert der angewandten Arbeitskraft, wird ihm der Maschinengebrauch begrenzt durch die Differenz zwischen dem Maschinenwert und dem Wert der von ihr ersetzten Arbeitskraft.“ Arbeit wird nur dort geschaffen, wo die neuen Produktionsmittel hergestellt werden, dies kann aber prinzipiell die eingesparte Arbeit nicht kompensieren, auch darum, weil die Qualifikation der ersetzten Arbeiter eine andere ist, als diejenige, die zum Bau der Maschinen benötigt wird. Wenn trotz Automatisierung die Anzahl der Arbeiter in dem betroffenen Bereich steigt, liegt das an der aus anderen Gründen ausgeweiteten Produktion. Die zitierte Aussage von Marx betont außerdem, dass das Profitstreben des Kapitals ein Hindernis für die Einführung technischer Neuerungen ist.

Aus diesem knappen Überblick geht hervor, dass die technologischen Entwicklungen in der industriellen Revolution, beginnend in der Textilindustrie im Endergebnis zu einer revolutionären Änderung der Produktionsprozesse in verschiedenen Industriezweigen führte. Die industrielle Revolution vernichtete die Hausindustrie, an ihre Stelle trat die Produktion in mechanisierten Fabriken. Sie führte zur Bildung von Kapital besitzenden Unternehmern und zu einer lohnabhängigen Arbeiterschaft. Auch die Erwerbstätigenstruktur veränderte sich stark. Waren im Jahr 1760 noch 50% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, so waren es im Jahr 1851 nur noch 15%. Dementsprechend stieg im gleichen Zeitraum der Anteil der in Industrie, Bergbau, Handel und Transportwesen Beschäftigten von 25% auf 63%, wobei etwa 20% der Beschäftigten in der Textilindustrie arbeiteten ([24], Seite 194 folgende). Innerhalb eines Jahrhunderts hatte sich Großbritannien von einem Agrarstaat zum ersten Industriestaat entwickelt.

In der industriellen Revolution fand sowohl eine technische Revolution als auch eine Revolution der Produktionsverhältnisse und der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse, statt. Es ist schwierig, den Zeitraum der industriellen Revolution festzulegen. Um eine grobe Zeitschätzung zu geben, könnte man die Zeitspanne von der Erfindung des Weberschiffchens im Jahr 1733 bis zum „Webersterben“ um 1850 nennen, das ein Kennzeichen des Siegs der Maschinenarbeit ist, also gut 100 Jahre. Manche Autoren nehmen die früher beginnende Agrarrevolution oder sogar die Phase der ursprünglichen Akkumulation von Kapital hinzu und kommen auf längere Zeitspannen. Von Seiten der Entwicklung der Produktivkräfte her sind die genannten gut 100 Jahre ein passender Annäherungswert, weil er die Zeitspanne der ersten Ersetzung von Handarbeit in der Textilindustrie bis zur endgültigen Durchsetzung der mechanisierten Produktion umfasst.

In Großbritannien entstanden die ersten Fabriken weitgehend außerhalb feudaler Strukturen. Die zukünftigen Unternehmer waren davor häufig technisch begabte und interessierte Handwerker aber auch Branchenfremde. In der Textilindustrie war zunächst der Einsatz von Kapital gering. Waren größere Kapitalvorschüsse erforderlich, so wurden sie oft durch Partnerschaften mit bereits etablierten Unternehmen mobilisiert. Ein Beispiel für eine solche Partnerschaft ist die zwischen dem Metallwarenfabrikanten Mathew Bolton und James Watt. Nur im Straßen-, im Kanal- und später im Eisenbahnbau stammte ein nennenswerter Anteil des vorgestreckten Kapitals vom Adel, der dafür Mautgebühren, Zinsen oder Dividenden bekam ([21], Seite 481 folgende). Es gab offensichtlich einen Burgfrieden zwischen der aufkommenden Bourgeoisie und einem Großteil der Grundbesitzer, die die Gewinnung einer wachsenden Hegemonie der Kapitalbesitzer über den Feudaladel ermöglichte. In Frankreich wurde der Feudalismus durch die Französische Revolution besiegt, erst danach begann die Industrialisierung. Mit der Französischen Revolution begann der Eintritt der Massen in die Geschichte. In Deutschland scheiterte der Versuch der bürgerlichen Revolution im Jahr 1848 unter anderem wegen der Furcht des Bürgertums vor den Folgen einer Mobilisierung der Massen. Daraufhin wurde in Deutschland ein Klassenkompromiss zwischen Feudaladel und Industriekapital geschlossen, der erst nach dem zweiten Weltkrieg endgültig überwunden werden konnte. Die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise setzt, abhängig von der historischen Situation, offensichtlich keinen gewaltsamen Sturz des Feudalismus voraus. Die Frage nach den Bedingungen zur Ablösung einer überholten Produktionsweise durch eine fortschrittlichere sprengt den Rahmen dieses Artikels.

Die nachholende Entwicklung anderer Länder zum Industriezeitalter verlief oft anders als die Industrialisierung in Großbritannien. In Großbritannien begann die industrielle Revolution in der Konsumindustrie. In der nachholenden industriellen Entwicklung Deutschlands waren vor allem der Eisenbahnbau und die Schwerindustrie dominierend. Die Frage des notwendigen Schwerpunkts bei einer nachholenden Industrialisierung war und ist ein kontrovers diskutiertes Thema beim Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und in China.

 

    1. Schlussfolgerungen aus der ersten industriellen Revolution

In den technologischen Neuerungen der industriellen Revolution können wir ein gemeinsames Prinzip des Industriezeitalters entdecken, das Karl Marx folgendermaßen beschreibt: „Ihr Prinzip, jeden Produktionsprozeß, an und für sich und zunächst ohne Rücksicht auf die menschliche Hand, in seine konstituierenden Elemente aufzulösen, schuf die ganz moderne Wissenschaft der Technologie.“ ([15], Seite 510). Die Grundlagen dafür wurden in der manufakturmäßigen Teilung des Arbeitsprozesses in seine Teilfunktionen geschaffen. Eine solche Zerlegung bietet die Möglichkeit, einzelne Funktionen zu automatisieren. Die Aufteilung des Produktionsprozesses in eine Vielzahl einfacher Bearbeitungsschritte kann auch ohne eine Automatisierung zu einer Effizienzsteigerung der Produktion führen. Die Investitionen in Automatisierungsmöglichkeiten erfolgen im Kapitalismus nur, wenn sie billiger als die ersetzte Arbeitskraft sind. Investitionen werden nur vorgenommen, wenn das Kapital erwartet, dass sich dadurch die Profitmasse erhöht.

Wir haben weiter festgestellt, dass nicht die Art des Antriebs, die Kraft- oder Bewegungsmaschine, den Kern der industriellen Revolution ausmacht, sondern die Werkzeugmaschine, die die Hand des Arbeiters ersetzte: „Alle entwickelte Maschinerie besteht aus drei wesentlich verschiedenen Teilen, der Bewegungsmaschine, dem Transmissionsmechanismus, endlich der Werkzeugmaschine oder Arbeitsmaschine. Die Bewegungsmaschine wirkt als Triebkraft des ganzen Mechanismus. Sie erzeugt ihre eigene Bewegungskraft, wie die Dampfmaschine, kalorische Maschine, elektro-magnetische Maschine usw., oder sie empfängt den Anstoß von einer schon fertigen Naturkraft außer ihr, wie das Wasserrad vom Wassergefäll, der Windflügel vom Wind usw. Der Transmissionsmechanismus, zusammengesetzt aus Schwungrädern, Treibwellen, Zahnrädern, Kreiselrädern, Schäften, Schnüren, Riemen, Zwischengeschirr und Vorgelege der verschiedensten Art, regelt die Bewegung, verwandelt, wo es nötig ihre Form, z.B. aus einer perpendukulären in eine kreisförmige, verteilt und überträgt sie auf die Werkzeugmaschinerie. Beide Teile des Mechanismus sind nur vorhanden, um der Werkzeugmaschine mitzuteilen, wodurch sie den Arbeitsgegenstand anpackt und zweckgemäß verändert. Dieser Teil der Maschinerie, die Werkzeugmaschine, ist es, wovon die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert ausgeht.“ ([15], Seite 393).

Zusätzlich zeigt sich, dass die kontinuierliche Steigerung der Produktivität Kennzeichen und Folge des Industriezeitalters ist: „Die moderne Industrie betrachtet und behandelt die vorhandene Form eines Produktionsprozesses nie als definitiv. Ihre technische Basis ist daher revolutionär, während die aller früheren Produktionsweisen wesentlich konservativ war. Durch Maschinerie, chemische Prozesse und andere Methoden wälzt sie beständig mit der technischen Grundlage der Produktion die Funktionen der Arbeiter und die gesellschaftlichen Kombinationen des Arbeitprozesses um. Sie revolutioniert damit ebenso beständig die Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und schleudert unaufhörlich Kapitalmassen und Arbeitermassen aus einem Produktionszweig in den anderen.“ ([15], Seite 510, 511). Nach Marx besteht das Revolutionäre des Industriezeitalters im Vergleich zu früheren Wirtschaftsformationen in der unaufhörlichen Weiterentwicklung der Produktionsprozesse. Sie ist die Folge des immanenten Triebs des Kapitalismus, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern ([15], Seite 338). Daher war der Sieg des Kapitalismus ein großer Fortschritt gegenüber der zunehmenden Stagnation des Produktionssystems des Feudalismus, der eine weitere Steigerung der Produktivität zunehmend behinderte.

Das Ziel des technischen Fortschritts ist die möglichst weitgehende Ersetzung von menschlicher Arbeitskraft im Produktionsprozess. „Ein eigentliches Maschinensystem tritt aber erst an die Stelle der einzelnen selbständigen Maschine, wo der Arbeitsgegenstand eine zusammenhängende Reihe verschiedener Stufenprozesse durchläuft, die von einer Kette verschiedenartiger, aber einander ergänzender Werkzeugmaschinen ausgeführt werden.“ ([15], Seite 400). Marx charakterisiert diese Entwicklung als die Verwandlung des Produktionsprozesses in einen wissenschaftlichen Prozess, der sich der Naturkräfte bedient, um die Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen. Der breite Einzug der Wissenschaft in Technik und Produktion begann mit dem Aufkommen der Chemie und der Elektrotechnik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die allmähliche Annäherung begann bereits in der industriellen Revolution, zur notwendigen Voraussetzung technischer Entwicklungen wurde die Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Aus den Zitaten wird deutlich, dass Marx den technischen Fortschritt in der Produktion ohne Wenn und Aber begrüßt, weil er den Menschen immer weiter von der Notwendigkeit eintöniger Arbeit für seine Existenzbedürfnisse befreit und ihm damit Zeit für eine allseitige Weiterentwicklung ermöglicht. Wie dargestellt, analysierte Marx, dass die kapitalistische Wirtschaftsform ihrerseits innere Widersprüche besitzt, die die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte behindern. Deren Zuspitzung kann zur Erkenntnis führen, dass ein Übergang zu einer neuen Produktionsweise objektiv geboten ist, dieser Übergang kann jedoch nur durch die Erringung der politischen Hegemonie durch die fortschrittlichere Klasse gelingen. Die Formen eines solchen Übergangs hängen von der jeweiligen historischen Situation ab.

Die Einführung von Maschinen in die Produktion führt in vielen Bereichen zu geringeren Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskraft. Zu Beginn des Industriezeitalters führte das zu massenhafter Beschäftigung von Kindern und Frauen.

 

    1. Fließbandproduktion als zweite industrielle Revolution?

Einleitend ist vorauszuschicken, dass das Hochzählen industrieller Revolutionen begrifflich schwammig ist. Durch die im letzten Kapitel beschriebene industrielle Revolution, die die Manufakturperiode ablöste, wurde die moderne Industrie geschaffen. Alle nachfolgenden technischen Revolutionen sind Revolutionen innerhalb des Industriezeitalters. Dennoch bezeichne ich hier auch die industrielle Revolution als erste industrielle Revolution, die weiteren technischen Revolutionen des Produktions­prozesses werden als industrielle Revolutionen hochgezählt – einfach, weil es sich eingebürgert hat.

Übereinstimmung herrscht bei den Historikern weitgehend über Inhalt und Datierung der ersten industriellen Revolution, auch wenn es vereinzelt Meinungen gibt, die der Weiterentwicklung der Dampfmaschine eine höhere Bedeutung zuschreiben als der Ersetzung der Hand des Arbeiters durch Werkzeugmaschinen. Bei der zweiten industriellen Revolution unterscheiden sich die Meinungen über ihren Inhalt und damit auch über ihre Datierung. Manche Historiker setzen sie mit dem verstärkten Aufkommen der chemischen Industrie und der Elektrotechnik Mitte des 19. Jahrhunderts an, andere mit der Einführung des Fließbands in der Automobilindustrie ab 1913 durch Henry Ford in den USA ([25]).

Offensichtlich gab es keine der Mechanisierung des Webens und Spinnens vergleichbare revolutionäre technische Entwicklung, die weitere menschliche Arbeitskraft ersetzte. Mit der chemischen Industrie kam ein neuer Industriezweig auf, der Farben, Dünger, Pharmazeutika, Leuchtgas, Kunststoffe und Kunstfasern, Photographie und viele andere neue Stoffe und Verfahren entwickelte. Die Elektrotechnik führte mit dem Elektromotor zu einer dezentralen, der jeweiligen Maschine angepassten Antriebstechnik, die die zentrale Dampfmaschine ersetzte. Seine Verbreitung förderte den Ausbau der Elektrizitätsversorgung und damit die Einführung von elektrischer Beleuchtung, Telekommunikation und vielen anderen elektrischen Geräten. Der Elektromotor verändert ebenso wenig wie die etwa zeitgleich entwickelten Gas- und Verbrennungsmotoren den nachgelagerten Herstellungsprozess. Wie bereits dargestellt, ist es nicht die Kraftmaschine, sondern die Werkzeugmaschine, von der eine industrielle Revolution ausgeht. Die Entwicklung der elektrotechnischen und chemischen Industrie zeigt gleichwohl ein neues Element der weiteren technischen Entwicklung. Beide Industrien waren nicht ohne wissenschaftliche Forschung möglich. So war zum Beispiel die Entwicklung des Rundfunks nur durch physikalische Entdeckungen entstanden. Die Entwicklung der Chemie und der Elektrotechnik förderte die Verzahnung von Wissenschaft und Technik, es entstanden neue Wissenschaftszweige und eine wissenschaftsbasierte Industrie mit eigenen Forschungslaboratorien. Auch in vielen anderen Bereichen wie dem Verkehrswesen, dem Städtebau, dem Bau von schnelleren und präziseren Maschinen oder der Metallurgie gab es viele technische Fortschritte.

Mit der Einführung der Fließbandarbeit in der Automobilindustrie im Jahr 1913 wurde der bisherige industrielle Herstellungsprozess in Einzelschritte zerlegt, die dann von verschiedenen Arbeitern nacheinander ausgeführt wurden. Im Unterschied zur Fließarbeit, bei der das Werkstück zum Beispiel auf Karren zum nächsten Bearbeitungsschritt gefahren wurde, fand der Transport jetzt auf mechanisch angetriebenen Bändern statt, was eine Zeiterfassung und -planung für die einzelnen Arbeitsschritte erforderte. Am eigentlichen Bearbeitungsprozess änderte sich durch die Fließbandarbeit zunächst nichts. Diese Zerlegung war aber Voraussetzung für die Automatisierung, die nach dem zweiten Weltkrieg stattfand. Sie ist vergleichbar mit der Zergliederung der handwerklichen Produktion in der Manufakturperiode, die die industrielle Revolution vorbereitete. Für Marx beginnt „die industrielle Revolution, sobald der Mechanismus dort angewandt (wird), wo von alters her das finale Resultat menschliche Arbeit erheischt“ ([26], Seite 322). Da dies bei der Fließbandproduktion nicht stattfand, kann sie gemäß der Marx’schen Begrifflichkeit nicht als Revolution der Produktivkräfte bezeichnet werden.

Gleichwohl veränderte die Einführung der Fließbandarbeit die industriellen Produktionsprozesse und damit die Produktionsverhältnisse in erheblichen Umfang. Diese geänderten Produktionsverhältnisse werden oft als Fordismus bezeichnet, ein Begriff, der bereits 1924 entstand und von Antonio Gramsci in die marxistische Bewegung eingeführt wurde ([27]). Meist werden diesem Begriff auch Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse zugeordnet, die nicht auf die Änderungen der Produktionsprozesse zurückzuführen sind. Dies resultiert daraus, dass Ford in seiner Autobiografie auch seine Vorstellungen zur gesellschaftlichen Entwicklung propagierte. So schrieb er unter anderem über das „Einvernehmen von Kapital und Arbeit“ und über eine „Art von Wohlstand­beteiligungsplan“. Der Begriff des Fordismus ist ein Versuch, ein Etikett für gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu finden, die zeitgleich mit der Fließbandarbeit stattfanden.

Ein Etikett ist auch die Bezeichnung der Einführung der Fließbandarbeit als „zweite industrielle Revolution“. Es wurde dargelegt, dass die Fließbandarbeit die menschliche Arbeit zergliederte aber nicht ersetzte. Offensichtlich gibt es außerhalb der Marx’schen Begrifflichkeit keine Klarheit darüber, was den Kern einer Revolution der Produktivkräfte ausmacht. Das liegt daran, dass meist nur technologische Aspekte betrachtet werden und nicht ihre Bedeutung für den gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozess.

 

      1. Fordismus und Taylorismus

Henry Ford führte im Jahr 1913 die Fließbandfertigung (assembly line) in seinen Automobilfabriken ein. Zuvor kamen Transportbänder schon in den amerikanischen Schlachthöfen zum Einsatz. Mit der Fließbandfertigung erfolgte eine Zerlegung der Fertigung in einfache Einzelschritte. Was früher die Arbeit von einem Arbeiter war, wurde in Teiloperationen für 29 Arbeiter aufgeteilt, die Gesamtarbeitszeit verringerte sich dabei um 34 % ([28], Seite 9). Dadurch konnte Ford die Preise um 60 % senken und aufgrund seiner Extraprofite die Löhne seiner Arbeiter erhöhen ([2], Seite 210). Die Lohnerhöhungen waren auch darum erforderlich, weil in den USA Arbeitskräftemangel herrschte und jeder, der konnte die Fließbandarbeit mied. Innerhalb weniger Jahre stieg die Produktion des T-Modells auf das Hundertfache. In den USA wurde das Automobil schon vor dem zweiten Weltkrieg unter anderem bei Farmern ein Massenkonsumgut, während es in Westeuropa noch Luxusgut blieb. Das gleiche gilt auch für das Telefon, das in den USA schon vor dem zweiten Weltkrieg ein Massenkonsumartikel wurde, wiederum auch bei den verstreut lebenden Farmern. Anders als in Europa gab es in den USA schon früh einen Markt für verschiedene neue Massenprodukte, wodurch sich ein spezieller amerikanischer Typ von Werkzeugmaschinen entwickelte.

Ford war klar, dass eine Massenproduktion von Gebrauchsgütern jeglicher Art erfordert, dass auch ein Massenkonsum möglich ist, das heißt, dass das Lohnniveau in gewissem Umfang an den Produktivitätsfortschritt gekoppelt werden muss. Wie verbreitet diese Kopplung in den USA außerhalb der Automobilindustrie vor dem zweiten Weltkrieg war, habe ich nicht untersucht. Zu einem Kennzeichen wurde sie in den USA und den westeuropäischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg. Damit konnte sich der Konsum von Massengütern in den USA und Westeuropa durchsetzen. Die Kopplung der Lohnentwicklung an die Produktivitätsentwicklung war eine einmalige, zeitlich begrenzte Phase, die in allen Industriestaaten in der Mitte der 1970er Jahre endete. Ermöglicht wurde sie durch eine steigende Profitmasse, erzwungen wurde sie durch den nach dem zweiten Weltkrieg erforderlichen neuen Klassenkompromiss, die sich entwickelnde Vollbeschäftigung und die wachsende Stärke der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen ([29]).

Bevor die Kennzeichen der fordistischen Produktion beschrieben werden, soll noch auf den Taylorismus als prominenter Schule der in den USA entstandenen Rationalisierungsbewegung eingegangen werden. Als Taylorismus bezeichnet man das von Frederick Winslow Taylor begründete System der Steuerung von Arbeitsabläufen, Arbeitern und Werkzeug auf der Basis von Arbeitsstudien, auch scientific management (wissenschaftliche Betriebsführung) genannt. Damit wurde versucht das die Maschinenentwicklung leitende Prinzip von Effizienz und Wirkungsgrad auf die Fabrikorganisation zu übertragen. Das deutsche Gegenstück zum Taylorismus ist der im Jahr 1924 gegründete REFA-Verband, der Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung. Ziel von Taylorismus, REFA und vergleichbaren Institutionen ist die Rationalisierung von Arbeitsgestaltung und Betriebsorganisation sowie die Normensetzung im technischen Bereich. Die ersten Handwerksmittel waren die Stoppuhr zur Messung der Dauer von Arbeitsschritten und die Zeiterfassungsbögen zu deren Protokollierung ([30]).

Fließbandproduktion und Taylorismus führen zu verwandten Ergebnissen. Beide zergliedern die Arbeitsabläufe in einzelne Arbeitsschritte, um eine Rationalisierung der Produktion zu erreichen. Was bei Ford die Taktung des Fließbands erzwang, waren bei Taylor die auf der Zeiterfassung beruhenden Vorschläge zur Veränderung der Arbeitsmethoden. Beim Taylorismus steht der Gesichtspunkt im Vordergrund, die Produkte durch Änderung der Organisation der Produktion ohne große Investitionen zu verbilligen. Das System der Fließbandarbeit und die daraus resultierenden Veränderungen der Arbeitsorganisation und der Produktionsverhältnisse wird als fordistische Produktion bezeichnet.

 

      1. Merkmale der fordistischen Produktion

Die wesentlichen Merkmale der fordistischen Produktion sind nach ([31]):

  • Massenproduktion und Massenkonsum
  • Eine Kopplung der Löhne an den Produktivitätsfortschritt
  • Steigerung der Produktivität durch Fließbandarbeit, Serienfertigung, Produktstandardisierung, Rationalisierung und Normierung
  • Eingliederung von Ungelernten und Frauen in die Produktion, Einführung der Teilzeitarbeit und Hierarchisierung der Männer- über die Frauenarbeit
  • Gliederung der Arbeit in geistige und körperliche, qualifizierte und unqualifizierte monotone Arbeit
  • Weiter zunehmende Unterordnung der Arbeitenden unter die Maschinenprozesse
  • Verwissenschaftlichung von Technologie, Produktionsprozessen und Betriebsorganisation

Während sich in den USA wesentliche Merkmale der fordistischen Produktion bereits vor dem zweiten Weltkrieg durchsetzten, gab es in den Industriestaaten Westeuropas drei Wellen ([27]). Eine erste von 1924 bis 1929, in der die Konzepte und die Selbstbiografie von Henry Ford breit diskutiert wurden, und Methoden und Regeln zur Normierung, Standardisierung und wissenschaftlichen Betriebsführung entwickelt wurden. Fließbandarbeit war in Westeuropa selten, da es keinen Markt für Massengüter gab. Eine zweite Welle setzte in Deutschland aufgrund der Massenproduktion von Waffen für die Kriegsvorbereitung in der Mitte der 1930iger Jahre ein. Die dritte und nachhaltigste Welle begann in den europäischen Industriestaaten nach dem zweiten Weltkrieg, die mit der zeitweiligen Kopplung der Löhne an die Produktionsentwicklung, der auch in Westeuropa einen Massenkonsum ermöglichte.

Die fordistische Produktion war auch ein neues Herrschaftsinstrument. Zum einen erzwang die Fließbandarbeit eine strenge Arbeitsdisziplin und die Unterordnung der am Fließband Arbeitenden unter den Maschinentakt und die von Spezialisten geplante Arbeitsorganisation. Zum anderen wurde die Arbeiterklasse gespalten in Gelernte und Ungelernte, Männer und Frauen, Deutsche und Ausländer. Der von Ford unterstützte und nach dem 2. Weltkrieg erzwungene Sozialkompromiss stabilisierte den Kapitalismus ebenso wie sein nicht eingehaltenes Versprechen eines ständig zunehmenden krisenfreien Wirtschaftswachstums und Wohlstands. Dies wirkte als eine Art kapitalistische Antwort auf die Systemkonkurrenz mit den sozialistischen Ländern. Große Teile der Arbeiterschaft, der Gewerkschaften und der Marxisten teilten die vom Fordismus hervorgerufene Begeisterung für Technik und auch für Rationalisierung.

Gemäß der Marx‘schen Begrifflichkeit der politischen Ökonomie veränderte die fordistische Produktion die Produktionsverhältnisse, ihr fehlt aber der Charakter einer Revolution der Produktivkräfte und der Revolution der Produktionsweise, sie ist eine organisatorische Revolution. So änderte sich zum Beispiel in der Fabrik die Organisation der Arbeit, der Arbeitstakt, die Hierarchie und die betriebswirtschaftliche Organisation, die auch Manager, Einkauf, Vertrieb und Buchführung umfasste. Gesellschaftlich wuchs die Gruppe der Beschäftigten in Handel, Banken und Staat, insbesondere auch der Berufsstand der Ingenieure, der zuvor nicht existierte. Die fordistische Produktion führte zu einer Modifikation der Produktionsverhältnisse, ohne die Herrschaftsverhältnisse anzutasten. Auch qualitative Änderungen der Produktionsverhältnisse sind bei gleichbleibenden Herrschaftsverhältnissen möglich.

Oft wird der Aufbau des Sozialstaats mit der fordistischen Produktion in Zusammenhang gebracht. Mir scheint diese Auffassung falsch. Der Aufbau des Sozialstaats begann nach dem zweiten Weltkrieg in den kriegführenden Ländern bereits vor der breiten Durchsetzung der fordistischen Produktion und entstand aus der Notwendigkeit eines neuen Klassenkompromisses zwischen Kapital und Arbeit. Der Staat spielte in Westeuropa zunächst weitgehend unangefochten eine führende Rolle bei dem Wiederaufbau und der Gestaltung der Wirtschaftsordnung in den Nachkriegsländern. In Westdeutschland war dabei die Schule des Ordoliberalismus prägend, in den meisten anderen westlichen Ländern die von John Maynard Keynes ([29]).

Phasen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft, die sich deutlich durch unterschiedliche Produktionsverhältnisse von früheren unterscheiden, werden oft als gesellschaftliche Betriebsweisen oder Akkumulationsregimes bezeichnet. Beide Begriffe benennen einen für eine gewisse Zeitspanne vorherrschenden Typ von Produktion, Akkumulation und Struktur der gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb des Kapitalismus. Der Begriff des Akkumulationsregimes ist ein Bestandteil der Regulationstheorie ([32]). Ihr Ziel ist es herauszuarbeiten, warum es dem Kapitalismus trotz seiner Krisenhaftigkeit und sozialen Gegensätze gelingt, stabile Phasen wie den Fordismus hervorzubringen. Die Regulationstheorie untersucht vor allem die Instrumente, mit denen das Kapital seine Hegemonie politisch festigt. Der Begriff des Akkumulationsregimes ist also enger als der Begriff der gesellschaftlichen Betriebsweise. Daher ist der Begriff der gesellschaftlichen Betriebsweise, der die Veränderungen der Produktionsverhältnisse bei gleichbleibender Produktionsweise umfasst, besser geeignet.

Für die Erklärung von Stabilitätsphasen der kapitalistischen Herrschaft scheint es mir sinnvoller, auf der einen Seite ökonomisch zwischen Phasen der beschleunigten Akkumulation und Phasen der strukturellen Überakkumulation zu unterscheiden und auf der anderen Seite politisch zwischen Phasen der Stärke und Schwäche der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen. Sie hängen miteinander zusammen, sind aber nicht in eins zu setzen. Die Zeitspanne der fordistischen Produktion nach dem zweiten Weltkrieg war sowohl eine Phase der beschleunigten Akkumulation als auch die einer relativ starken Arbeiterklasse. Umgekehrt fiel der Siegeszug des Neoliberalismus seit Mitte der 1970er Jahre ökonomisch mit dem Übergang zur strukturellen Überakkumulation zusammen und politisch mit einer zunehmenden Schwächung der Kampfkraft der Arbeiterklasse.

Angemerkt sei noch, dass inzwischen die standardisierte Massenproduktion in den entwickelten Industriestaaten durch eine flexible Produktion abgelöst wird, sie wurde aber im Rahmen der Globalisierung in die aufstrebenden Industriestaaten verlagert. Vor allem in Fernost findet inzwischen ein Großteil der standardisierten Massenproduktion statt.

Fortsetzung:

-> Basistechnologien am Beispiel des automatisierten Fahrens