Fritz Gött
Kunst und Gesellschaft:
Der „Abstrakte Expressionismus“ und der C.I.A.
Kunst und Gesellschaft hängen zusammen. Nach marxistischer Auffassung wurzelt die Kunst im materiellen Leben der Gesellschaft, sie hat eine bestimmte gesellschaftliche Grundlage und ein entsprechendes Feld, ist dabei ein soziales Produkt und hat natürlich wie jedes ‚Ding‘ in der Welt auch Geschichte.
Neben dem indirekten Einfluss der Gesellschaft auf die Kunst kennen wir aber auch direkte Eingriffe der ‚Politik‘ auf das Kunstgeschehen: so die NS-Doktrin zum ‚Kunstgeschmack‘ in ihrem Gegensatz zur sogenannten „Entarteten Kunst“; oder die Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ in der UdSSR / DDR.
Weniger bekannt dürfte hingegen sein, dass auch der amerikanische Geheimdienst in den 40ern/50ern in die Kunstproduktion und Vermarktung eingegriffen hat. Daran erinnerte 2014 das renommierte Kunstmagazin „art“ (1), sich dabei wohl auch auf eine ältere Studie von F.S. Saunders (2) stützend. Das alles klingt nach Verschwörungstheorie und Räuberpistole, ist aber durch harte Fakten und Aussagen der Akteure belegt.
Der „Kalte Krieg“ in der Kultur
Ende der 40er Jahre des 20. Jh. spitzten sich die politischen Widersprüche zwischen den USA und der UdSSR erneut zu. Der „Kalte Krieg“ begann, auch auf dem Gebiet der Kultur. Im Klappentext zu ihrer Studie „Wer die Zeche zahlt …“ von F.S. Saunders heißt es, die Autorin, Historikerin und Literaturwissenschaftlerin dokumentiere darin “ ein geheimes Programm der amerikanischen Regierung, durch das einige der stimmgewaltigsten Vertreter der westlichen intellektuellen Elite – wissentlich oder unwissentlich, willentlich oder unwillentlich – zu Werkzeugen des amerikanischen Geheimdienstes wurden. … Die Liste der vom CIA Umworbenen liest sich wie ein Kulturlexikon der Nachkriegszeit: George Orwell, Artur Koestler, Mary McCarthy, Manès Sperber, Nicolas Nabokov, der Bruder des Schriftstellers, Ignazio Silone, W.H. Auden, Isaiah Berlin, Bertrand Russel und viele andere, die oftmals gerade dem linken Spektrum zuneigten. Denn darin bestand der Coup des CIA: Nicht die Rechte, sondern die nicht-kommunistische Linke sollte sich als beste Waffe im Kampf gegen den Kommunismus erweisen.“
Bereits diese Studie enthielt ein ausführliches Kapitel zum „Abstrakten Expressionismus“, einer Kunstrichtung, die in der UdSSR verworfen, in den USA aber gepuscht wurde. Worum ging es? In den 40er/50er Jahren versuchte der amerikanische Geheimdienst erfolgreich, eine bestimmte Kunstrichtung aus den USA (bzw. Vergleichbares aus Frankreich bzw. England) zu einer Weltsprache der Malerei aufzubauen und über den Globus zu tragen, dies in Gegnerschaft und Abgrenzung zum „Sozialistischen Realismus“ der Sowjetunion. Die Spuren dieses Feldzuges werden bei Saunders dokumentarisch belegt. Das Ziel des C.I. A. dürfte gewesen sein, die ideologische Dominanz für den „American way of life“ auch in den bildenden Künsten zu erobern bzw. die kulturelle Deutungshoheit ‚in der Welt‘ zu erreichen sowie eine realistische kritische Widerspiegelung der Wirklichkeit aus der Kunst zu verbannen. Freiheit (des Kapitals) statt Sozialismus hieß die Stoßrichtung. Europa war dabei ein Schwerpunkt seiner Anstrengungen.
Die sowjetische Herausforderung in der Malerei …
Um das Kampffeld des C.I.A. besser zu verstehen, müssen wir einerseits einen kurzen Blick auf die Kunstgeschichte in Europa werfen wie andererseits auch einige Schöpfungsetappen der Kunsttheorie in der UdSSR skizzenhaft Revue passieren lassen.
Was war die „Kunst der klassischen Moderne“ in Europa? Sicherlich auch ein Reflex auf die Umbrüche, Krisen, Kriege und Klassenkämpfe, die Europa Mitte bis Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts durchlebt hatte. Die Künstler dieser Epochen versuchten auf ihre Weise den gesellschaftlichen Erschütterungen bildnerische Gestalt und Ausdruck zu verleihen, natürlich gebrochen durch ihr subjektives Prisma und keineswegs immer bewusst, entsprechend und klar. – Vor allem nach dem Schock des Ersten Weltkriegs standen viele Maler „der Avantgarde“ der politischen Linken oder dem „Aufgeklärten Bürgertum“ nahe.
Georgi W. Plechanow (1856 – 1918) war einer der Ersten in Russland, der versuchte das Verhältnis von „Kunst und Gesellschaft“ einer systematischen marxistischen Einschätzung und Deutung zu unterziehen. Er wertete auch die neuesten künstlerischen Richtungen seiner Zeit in Europa. (3)
1917 übernahmen die Bolschewiki die Macht in Russland. Welche Rolle konnte oder sollte zukünftig die Kunst in der Sowjetunion spielen? Wladimir Iljitsch Lenin (1870 – 1924) äußerte sich dazu (1920) in einem privaten Gespräch mit der deutschen Kommunistin Clara Zetkin: „Lenin fand uns … im Gespräch über Kunst, Bildungs- und Erziehungsfragen. … Lenin griff sofort sehr lebhaft in das Gespräch ein. „Das Erwachen, die Betätigung von Kräften, die Sowjetrußland eine neue Kunst und Kultur schaffen wollen, sagte er, „ist gut, ganz gut. … Die Revolution entfesselt alle zurückgehaltenen Kräfte und treibt sie aus der Tiefe an die Oberfläche. Um ein Beispiel herauszugreifen: Denken Sie an den Druck, der auf die Entwicklung unserer Malerei, Bildhauerkunst und Architektur durch die Moden und Launen am Zarenhofe ausgeübt wurde und ebenso durch den Geschmack, die Liebhabereien der Herren Aristokraten und Bourgeois. In einer Gesellschaft des Privateigentums produziert der Künstler Waren für den Markt, er braucht Käufer. Unsere Revolution hat den Druck dieses sehr prosaischen Standes der Dinge von den Künstlern genommen. Sie hat den Sowjetstaat zu ihrem Schützer und Auftraggeber gemacht. Jeder Künstler und jeder, der sich dafür hält, nimmt als sein gutes Recht in Anspruch, frei nach seinem Ideal zu schaffen, mag das nun etwas taugen oder nicht. Da haben Sie die Gärung, das Experimentieren, das Chaotische. / Aber natürlich, wir sind Kommunisten. Wir dürfen nicht die Hände in den Schoß legen und das Chaos gären lassen, wie es will. Wir müssen auch diese Entwicklung bewußt, klar zu leiten und ihre Ergebnisse zu formen, zu bestimmen suchen. Daran fehlt es noch, fehlt es sehr. … Ich habe den Mut, mich als ‚Barbar‘ zu zeigen. Ich kann die Werke des Expressionismus, Futurismus, Kubismus und andere Ismen nicht als höchste Offenbarungen des künstlerischen Genies preisen. Ich verstehe sie nicht. Ich habe keine Freude an ihnen.“ / Ich konnte nicht umhin zu gestehen, auch mir fehle das Organ, um zu begreifen, daß die künstlerische Erscheinungsform einer begeisterten Seele ein Dreieck statt einer Nase sei und daß revolutionärer Tatendrang den gegliederten Körper des Menschen in einen formlosen Sack verwandle, auf zwei Stelzen gestellt und mit zwei fünfzinkigen Gabeln. Lenin lachte herzlich. Ja liebe Clara, es ist schon so, daß wir zwei Alte sind. Es muß uns genügen, in der Revolution einstweilen noch Junge zu bleiben und vorranzugehen. Mit der neuen Kunst kommen wir nicht mehr mit, wir humpeln hinter ihr drein. / Aber“, so fuhr Lenin fort, “ wichtig ist nicht unsere Meinung über Kunst. Wichtig ist auch nicht, was die Kunst einigen Hundert, ja einigen Tausend von einer Bevölkerung gibt, die nach so vielen Millionen wie die unsrige zählt. Die Kunst gehört dem Volk. Sie muß ihre tiefsten Wurzeln in den breiten schaffenden Massen haben. Sie muß von diesen verstanden und geliebt werden. Sie muß sie in ihrem Fühlen, Denken und Wollen verbinden und emporheben. Sie muß Künstler in ihnen erwecken und entwickeln. Dürfen wir einer Minderheit süßen, ja raffinierten Biskuit reichen, während es den Massen der Arbeiter und Bauern an Schwarzbrot fehlt? Ich meine das, was ja naheliegt, nicht nur im buchstäblichen Sinne des Wortes, sondern auch figürlich. Haben wir immer die Arbeiter und Bauern vor Augen. Lernen wir ihretwegen wirtschaften und rechnen, auch auf dem Gebiet der Kunst und Kultur. / Damit die Kunst zum Volk und das Volk zur Kunst kommen kann, müssen wir erst das allgemeine Bildungs- und Kulturniveau heben. …“ (4) So also Lenin.
Viele Künstler und lernende Laien stellten sich nach dem „Oktober“ ´17 in den Dienst der (Kultur-) Revolution. Nicht nur tastende Schritte, auch handfeste Widersprüche und Probleme waren, wie oben angedeutet, die Folge dieses Zutritts. Eine strittige Frage z.B. lautete: Reicht es die soziale Revolution zu propagieren und weiterzutreiben, oder bedarf es nicht auch eines ergänzenden Schrittes, nämlich die künstlerischen Ausdrucksmittel und die Propaganda selber einer Revolution zu unterwerfen? Welche künstlerischen Stile und Mittel, welche Praxis braucht die Zeit? Diverse künstlerische Strömungen und Gruppen rangen dabei um das Primat, sowohl innerhalb als auch außerhalb der russischen KP. – Die Diskussion und Praxis setzte viele schöpferische Kräfte frei, gebar aber auch ‚Taube Blüten‘. Sie hier darzustellen verbietet uns der gegebene Raum. Altes und Neues waren nun einem ständigen (künstlerischen und politischen) Wandel unterworfen. Nur soviel: der sowjetische Kubismus, Futurismus, Konstruktivismus, Suprematismus usw. verschwanden schon bald von der gesellschaftlichen Bühne und keineswegs immer freiwillig. Der russische Naturalismus geriet ebenfalls unter Druck. Linke Dogmatiker und Neuerer warfen ihm vor, nur eine beschreibende und nicht eine erzählende, nur eine weitgehend passive, weil detailverliebte altbackene und unrevolutionäre Zeichnung von Wirklichkeit abzugeben; das Proletariat werde hier in der Regel auch nur als leidende, aber nicht als kämpferische Klasse gezeigt; usw. Selbst der „prosaische Realismus“ revolutionärer Künstler, in der Partei mit Sympathie belegt, wurde intern von links attackiert. Der Streit und die Fraktionskämpfe gingen immer weiter. 1932 löste die Partei alle Künstlerverbände und Vereinigungen in der UdSSR auf und zwang sie in einen Einheitsverband. Nicht wenige Künstler unterstützten diesen Schritt, erhofften sie sich doch davon Schutz vor rabiaten Kunstfunktionären. Doch gleichzeitig wurde die Gasse des sozialistischen Realismus im Kunstbetrieb enger:
Schon der 1. „Volkskommissar für das Bildungswesen“ Anatoli Lunatscharskij (1875 – 1933), sah im Impressionismus des 19. Jh. eine künstlerische Dekadenz, da bei dieser Kunstströmung die Auflösung des (ehemals progressiven bürgerlichen) Realismus durch die nunmehr im Bildwerk auftretende Betonung der Form, des Lichts, der Farbe begänne, während die Inhalte des Kunstwerkes vernachlässigt würden. Die Kunst löse sich letztlich vom Leben (bzw. wie es sein sollte), die Form vom Inhalt der Kunst, eine Entwicklung, die sich in den nachfolgenden Modernismen, wie dem Expressionismus, Kubismus, Konstruktivismus usw. beschleunigt darstelle, bis in die inhaltslose Abstraktion. Lunatscharskij führte mit zunehmender Schärfe einen ideologischen, aufklärerischen Feldzug gegen diese modernistischen Stilrichtungen, dabei das Ideal einer volksnahen, sozialistischen Kunst propagierend. (5) Den großen Hammer aber setzte er nicht ein: In „den zwanziger Jahren gab die Partei niemals klare Weisungen über die Form, die Kunst in einer Diktatur des Proletariats haben sollte. Lunatscharskij bemühte sich, Künstler der verschiedensten Stilrichtungen zu fördern. Trotz seiner Anstrengungen, einen gewissen Grad von Pluralität aufrechtzuerhalten, entflammte 1928 die proletarische Kunstdebatte. Als er 1929 zurücktrat, beherrschte diese Debatte das gesamte künstlerische Leben.“ (6) Lunatscharskij blieb bis zu seinem Tode darin präsent.
1932 übernahm Stalin den Begriff des „Sozialistischen Realismus“. Er erfand ihn nicht, er nahm ihn auf und setzte ihn durch, oder, wie es in der wissenschaftlichen Literatur heißt, „daß Stalin selbst, wenn nicht der Urheber, so doch die Hauptantriebskraft bei der Einführung des Begriffes war“. (7) Eine öffentlich geäußerte Definition was er darunter verstand legte er Zeit Lebens nicht vor.
Stalins Äußerungen zur gemalten Kunst lassen sich an ‚5 Fingern‘ abzählen. Bekannt ist aber seine Bewunderung für den Maler Ilja Repin (1844 – 1930), dessen Rückholung in die UdSSR er unterstützte. Repin gehörte zur Zarenzeit – als akademischer Maler – zur Gruppe der „Wandler“ (= jene, die Wanderausstellungen in den russischen Städten organisierten). Ihr selbstbenanntes Ziel war es, “ gnadenlos alle Scheußlichkeiten unserer verdorbenen Gesellschaft zu kritisieren“. – In der SU wurde Repin dann auch offiziell als Beispiel eines radikalen „Proto-revolutionären Denkens“ benannt und hingestellt, als Künstler mit Vorbildcharakter, der leider im Ausland verblieb. – Doch so ganz passte die Kunst der „Wandler“ nicht in das spätere Schema der „Sowjetkunst“. Zwar war ihr Werk dem Volkswohl verpflichtet, aber auch dem Zweifel, ein Prinzip, dass jede Lobhudelei, für wen auch immer, ausschloss. Zudem verwendeten die Künstler der Gruppe stilistisch auch die Malweise des Naturalismus, das den Dogmatikern in der Partei missfiel. / In den 30ern verlieh Stalin dem revolutionären Maler und Kunstfunktionär I. I. Brodskij (1884 – 1939) den Leninorden, obwohl manch linker Eiferer ihm, dem Vertreter des „akademischen Realismus“, einen Hang zum Naturalismus unterstellte und anlastete. Das war damals ein nicht ungefährlicher Vorwurf, der an Stalin aber offensichtlich abprallte. Ihm und anderen in der Partei gefiel die Kunst Brodskijs . – Natürlich werden hinter solchen Vorgängen politische und künstlerische Präferenzen Stalins sichtbar, aber auch ein gewisser politischer Pragmatismus, der anderen ‚Kunstpäpsten‘ in der Partei abging. Stalins damalige Position lässt sich wohl so beschreiben: Die Kunst solle dem Volk verständlich sein, dem Inhalt nach ist sie sozialistisch und realistisch zu gestalten, der Form nach dem progressiven nationalen Erbe zu verpflichten. Ob es bei dieser Haltung später blieb ist unbekannt.
Monolithisch waren der Begriff und die Ausführungen des „Sozialistischen Realismus“ zu keiner Zeit. Das ‚Modell‘ unterlag stets politischen Ereignissen, Anweisungen und Moden. Stalin dabei als alleinigen Baumeister der Sowjetkunst zu bezeichnen, dürfte – meiner Ansicht nach – verfehlt sein. Kunstpolitik fand unter der Partei und im Volk statt, in der es auch politische Widersprüche und Richtungskämpfe gab.
In den 30er Jahren entwickelte sich in der SU im politischen Kontext langsam ein immer enger werdender Begriff des „Sozialistischer Realismus“, der Staats-Doktrin werden sollte: Er forderte vom Künstler „eine wahrheitsgetreue, geschichtlich konkrete Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung. Mit der Zielsetzung einer ideologischen Umformung und Erziehung der Werktätigen im Geiste des Sozialismus „. (8)
Gemessen daran waren die Werke und Theorien der modernen Europäischen und US-Kunst dekadente Erscheinungen, Verfallskunst, kurz Erscheinungen unter der „Verfallsperiode des Kapitalismus (Imperialismus)“.
Doch auch im ‚eigenen‘ Lager galt es wachsam zu sein.
Politische Größen wie der hohe Partei- und Staatsfunktionär A.A. Shdanow (1896 – 1948) sowie viele kleinen Lichter wie der Kunsthistoriker Michail Lifschitz (9) haben dieser Lesart des eng gefassten „Sozialistischen Realismus“ staatliche Geltung und Verbindlichkeit in der UdSSR verschafft (notfalls mit eisernen Bandagen). – Nur zeitweilig, etwa im „Zeitalter der Volksfront“ oder im „Großen Vaterländischen Krieg“ gegen Hitler-Deutschland, hat sich dieses Korsett etwas gelockert.
Die Festlegungen auf den „Sozialistischen Realismus“ bestanden (trotz gewisser inhaltlicher Schwenks) auch später unter Nikita S. Chruschtschow (1894 – 1971) unter seinen Funktionen als Erster Sekretär des ZK der KPdSU (1953/64) und Vorsitzenden des Ministerrates (1958/64) weiter. (10)
Die Übertragung dieser engen Kunst-Lesart für die bildende Kunst auf die SBZ / DDR erfolgte relativ spät Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre (11) mit sowjetischer Nach- und Schützenhilfe. (12) Das blieb nicht ohne politischen und gesellschaftlichen Widerspruch in der DDR. Einmal übertragen, wurde die SED-Kampagne für den „Sozialistischen Realismus“ dann unter der Losung „Gegen den Formalismus“, „Gegen den Kosmopolitismus“ geführt und mit Härte ausgetragen. Politischer Hintergrund war, dass man nunmehr in der DDR von der Zielvorstellung eines unmittelbar aufzubauenden Sozialismus beseelt war. Widerspruch war nicht erwünscht und wurde bekämpft. – Unter „Formalismus“ verstand man damals „eine spätbürgerliche Verfallserscheinung in Literatur und Kunst“. Inhaltlich wurde dazu ausgeführt: „Die Verabsolutierung des Formalen und die Leugnung der grundlegenden Bedeutung des Inhalts führen zur Trennung von Kunst und Wirklichkeit ; die Leugnung der gesellschaftlichen Aufgabe der Kunst und die der Literatur, die Ablehnung des kulturellen Erbes, die subjektivistischen und abstrakten Formspielereien führen zur Zerstörung der Kunst und seien somit gegen den gesellschaftlichen Fortschritt gerichtet.“ – Unter das ideologische Fallbeil gerieten somit folgende Kunstrichtungen der Zeit: „Expressionismus, Dadaismus, Futurismus, Kubismus, Konstruktivismus, abstrakte Kunst, Bauhausstil, Surrealismus usw.“. Eins der dabei immer wieder variierten und vorgetragenen Statements der frühen 50er Jahre lautete dann so: „Der Formalismus ist die typische Erscheinungsform der künstlerischen Dekadenz in der Epoche des Imperialismus. Es ist sein Verfaulungsprodukt auf künstlerischem Gebiet. Wenn der Formalismus gewisse Entwicklungsstufen zu verzeichnen hat, so beruhen sie auf dem Zusammenhang mit dem Eintreten der allgemeinen Krise des Kapitalismus im Resultat des ersten Weltkrieges und mit der Verschärfung dieser allgemeinen Krise als Resultat des zweiten Weltkrieges. Der Formalismus steht also in unlösbarem Zusammenhang mit dem Verfaulungsprozeß des Kapitalismus, der mit dem Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und mit dem Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Kriege sowie der Bildung der Weltfriedensfront ein sich sprunghaft beschleunigendes Tempo angenommen hat.“ ( W. Girnus,1951)
Mal weich, mal in der harten Gangart gerieten so selbst altgediente linke Künstler und Genossen ins Kreuzfeuer der Kritik, dabei hatten sie doch nur im Sinn gehabt, auf ihre Art und Weise dem Menschen und dem Klassenkampf zu dienen.
Sowohl im Osten als auch im westlichen Lager gab es kommunistische Künstler, die sich dieser von mir so beschriebenen und gekennzeichneten engen Auslegung des „Sozialistischen Realismus“ mehr oder weniger entzogen haben. Das soll aber hier nicht Gegenstand der Untersuchung sein.
… die politische Antwort aus den USA
Expressivität und Abstraktion bzw. die Auflösung des Gegenständlichen als Stilmittel in der Kunst waren und sind nichts Neues in der Kunstgeschichte. Man findet sie in vielen Geschichts-Epochen. Am Ende des 19., Anfang des 20. Jh. u. Z. jedoch – wir haben oben darauf hingewiesen – formte und etablierte sich in Europa der „Klassische Expressionismus“ als eigenständige Kunstströmung. Dem bis dato tonangebenden Impressionismus, aber auch dem Naturalismus in der Kunst erwuchs damit ein ebenbürtiger Rivale.
Auch in den USA konnte der „Klassische Expressionismus“ Anfang des 20. Jh. Fuß fassen – keineswegs unangefochten und neben anderen Stilrichtungen in der nationalen Malerei. (13)
In den 40ern machte dann der „Abstrakte Expressionismus“ in den Vereinigten Staaten von sich reden. Die neuen „Wilden“ kamen dabei zumeist aus der politisch linken Ecke; einige waren auch Trotzkisten, also Kritiker der Sowjetunion unter Stalin. Inspiriert durch internationale Kunstströmungen wie dem Surrealismus, Dada, der Zen- und der indianischen Sand- Malerei, und angesichts der „Großen Depression“ in den USA wandelten diese Aktivisten (auch unter dem Einfluss europäischer Emigranten) nunmehr den „Klassischen Expressionismus“ ab. Sie transformierten und veränderten ihn bis zur ‚Unkenntlichkeit‘, bis zur vollständigen Bild-Abstraktion, ohne gegenständlichen und ideellen Inhalt.
Beispiel J. Pollock und sein „Action-painting“: Er malte auf dem Boden. Im Bild gab es keine Horizonte, keine Perspektive, keine Schwerkraft, keine Komposition. Die Farben wurden auf die Leinwand geschüttet, gesprüht, gespritzt, getröpfelt. Das Format war überdimensioniert, die Körpermotorik beim Schaffen fast tänzerisch. Der Pinsel berührte die Malfläche nicht. Aktion und Bildprozess bildeten eine Einheit.
Kurz: Das künstlerische Werk, das Bildmaterial des „Abstrakten Expressionismus“ war – und ist – eine Sphinx: Es sagte nichts, es gab Rätsel auf, es verweigerte die gegenständliche Lesbarkeit, es ließ den Betrachter mehr oder weniger ratlos oder spekulierend zurück.
Die Stars der internationalen Szene, das waren lange ehemalige Lokalgrößen wie Jackson Pollock, Clyfford Still, Franz Kline sowie die Maler der Fläche Mark Rothko, Barnett Newman, Ad Reinhardt usw. – Einen künstlerischen Einheitsbrei kochten diese Provokateure allerdings nicht.
In den USA trafen die Modernismen in der Kunst, einschließlich des „Abstrakten Expressionismus“, anfänglich keineswegs auf allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz. So wetterte z.B. der erzkonservative Republikaner im Kongress George Dondero (Kongressangehöriger 1932 – 57): „die zeitgenössische Kunst sei ganz einfach Teil einer weltweiten Verschwörung mit dem Ziel, die amerikanische Entschlußkraft zu schwächen. „Die gesamte moderne Kunst ist kommunistisch“, erklärte er, um dann eine verquere, wenn auch schillernde Exegese ihrer vielfältigen Erscheinungsformen vorzulegen: „Der Kubismus zerstört durch eine gezielt eingesetzte Unordnung. Der Futurismus zerstört durch den Maschinen-Mythos … Der Dadaismus zerstört, indem er verspottet. Der Expressionismus zerstört, indem er das Primitive und das Wahnsinnige nachahmt. Der Abstraktionismus zerstört, indem er geistige Verwirrung erzeugt… Der Surrealismus zerstört, indem er die Vernunft negiert.“ Donderos neurotische Einschätzung wurde sogleich von einem Kreis bekannter Persönlichkeiten nachgebetet und zog weite Kreise im Kongress und in der konservativen Presse.“ (14)
Auch der bekannte amerikanische Maler Edward Hopper zeigte sein Unverständnis und Missfallen gegenüber der nunmehr neuen Provokation des „Abstrakten Expressionismus“. Er war und blieb ein großer Bewunderer des französischen Impressionismus, was sich auch in seiner eigenen, gleichwohl eigenständigen Malerei ausdrückte.
Ganz anders reagierten Teile des politischen Establishments in den USA auf den „Abstrakten Expressionismus“. Eine Seilschaft aus Politikern, Geheimdienstlern, Bankern, Sammlern und Galeristen, geeint durch einen aggressiven Antikommunismus, zudem ausgestattet mit einem Gespür für die politische Propaganda (und einem ausgeprägten Geschäftssinn) sahen in den Schöpfern des „Abstrakten Expressionismus“ und in der neuen Kunstströmung ein manipulierbares Produkt , ja Instrument, um dem sowjetischen „Sozialistischen Realismus“ Paroli zu bieten. In ihren Augen stand das Neue für die Ideologie der Freiheit und das freie (Kunst-)Unternehmertum. Diese Kunst sei ein Symbol der (bürgerlichen) Demokratie – und eine Waffe im „Kalten Krieg“, da es den Kontrast zum „Sozialistischen Realismus“ hervorhebe. Sie erwarben den „Abstrakten Expressionismus“ systematisch, bauten ihn auf, förderten und verbreiteten ihn. Kurz: Diese geschworene Gemeinschaft erfand den neuen Kunststil nicht, denn er lag ja vor. Sie setzten ihn in Szene. Ohne diesen Zugriff, ohne diese Inszenierung wäre der „Abstrakte Expressionismus“ wohl nur eine Kunstrichtung unter “ ferner liefen“ geblieben.
Allerdings gab es zum „C.I.A.-Coup“ noch ‚historische Altlasten‘ in den USA zu überwinden. Da war einmal der betuliche Geschmack des ‚gemeinen Volkes‘, dem die ‚Kritzeleien und Schmierereien‘ des neuen Kunstgeschmacks sauer aufstoßen konnten. Hier war ‚Erziehungsarbeit‘ zu leisten. Dann, zwischen 1934 und 1936, tourte die Wanderausstellung „The Art of Soviet Russia “ durch die USA, und zwar mit Erfolg. Vielleicht war es der gesellschaftliche Hintergrund, der die damalige Schau begünstigte: Die USA hatten gerade die „Große Depression“ in Wirtschaft und Gesellschaft hinter sich gelassen und Präsident Roosevelt setzte zum Wirtschafts- und Sozialprojekt des „New Deal“ an, um dem amerikanischen Kapitalismus eine neue vitalere Grundlage zu geben, gegen Widerstände aus der herrschenden Klasse. Damit war auch die soziale Frage aufgeworfen und das Publikum für soziale Themen, volkstümliche und optimistische Darstellungen sensibilisiert. Sowjetkunst war da verdaubar und ‚geschmacklich‘ kompatibel.
Der in der sowjetischen Schau selber ausstellende Künstler Aleksander Deineka (1899 – 1969) war ein bekennender Kommunist, der in seinen Werken den gesellschaftlichen (Sowjet-)Optimismus verkörperte: „Man musste Deineka nicht wie andere Künstler in die Fabrik zwingen, um dort den Neuen Arbeiter zu porträtieren, denn er liebte die Fabriken (die Arbeit, moderne Technik und die Lebensfreude d. V.), ja er liebte auch die Arbeiter und vor allem die Arbeiterinnen, deren kraftvolle Arme an der Werkbank und deren herrliche sowjetische Brüste er in seinem Atelier bestaunte. Solche Freude an den dampfenden Schloten, den lachenden Schmelzern und Kohlekumpel, die konnte selbst Stalin nicht erzwingen, denn sie war echt – und ansteckend. / Das einzige Publikum außerhalb Russlands, das diesen grenzenlosen Optimismus sofort begriff und bewunderte, war ausgerechnet das amerikanische. … Deineka erwartete einen desaströsen Empfang, doch zu seiner Überraschung liebten die Besucher seine Bilder ebenso wie er seine Sujets. Auch die Kritik war aus dem Häuschen.“ (15)
Ende der 40er jedoch hatte sich das politische Klima in den USA gewandelt. Die herrschende Klasse des Landes, längst ausgesöhnt mit dem „New Deal“, setzte nunmehr, nach dem Bruch mit dem einstigen Waffengefährten UdSSR, auf Konfrontation. Der „Kalte Krieg“ wurde ausgetragen, auch im Bereich der Weltkultur. In der bürgerlichen Presse wird das auch heute noch gelegentlich positiv und mit Wehmut angesichts der ehemaligen Größe der USA vermerkt: „Die CIA förderte in Westdeutschland während des Kalten Krieges liberale Intellektuelle, atonale Musik und abstrakte Kunst, um den Propagandisten des Kommunismus entgegenzutreten. Von dieser Art selbstbewusster Fantasie und Großzügigkeit ist in der gegenwärtigen amerikanischen Außenpolitik nicht mehr viel zu spüren.“, so z.B. die „Zeit“ (16).
In seinen damaligen kunstpolitischen Aktivitäten ging der amerikanische Geheimdienst allerdings verdeckt vor. Zum einen, weil man die einheimische amerikanische Bevölkerung mit dem neumodischen Kunstkram in der Malerei nicht verschrecken wollte. Widerstand gab es ja selbst im eigenen politischen Lager. Des Weiteren, weil auch bekannt war, dass die eigenen obersten Dienstherren, die Staatspräsidenten Franklin Roosevelt (1933 – 45) und Harry S. Truman (1945 – 53) keine Freunde der „Modernen Kunst“ waren. Roosevelt bediente sich in der politischen Propaganda ja eher volksnaher denn avantgardistischer Stilmittel und einer eigenen politischen Ikonographie. (17) Truman wiederum befand im Angesicht von Holbein und Rembrandt: „Es ist ein reines Vergnügen, vor etwas Vollkommenem zu stehen und dabei an die faulen und verrückten Modernen zu denken. Es ist so, als vergliche man Christus mit Lenin.“ (18) Angesichts solcher Widersprüche nutzte der C.I.A. im Kulturkampf die gegebenen politischen Spielräume im operativen Geschäft, leise und subversiv. (Erst unter dem Nachfolger Trumans , D. Eisenhower (1953 – 61) konnte die „Moderne Kunst“ das volle Wohlwollen der Staatsführung, als Stütze und Säule der Freiheit, erlangen.)
Anfang der 50er lagerten bereits größere Mengen an Bildmaterial bei der Chase Manhatten Bank, im Museum oder bei privaten Sammlern wie Nelson Rockefeller (der alleine 2.500 Werke besaß). N. Rockefeller war Erbe eines großen Öl-Vermögens, er war häufig mit offiziellen politischen Aufgaben betraut und Direktor des „Museum of Modern Art“ (MoMa). Er arbeitete eng mit dem C.I.A. zusammen. ‚Sein‘ Museum war der ideale Umschlagplatz und die Exportinstanz für die ‚Neue US-Kunst‘ Amerikas. Widerstand im Haus war kaum zu erwarten, denn ca. 50% der MoMa -Mitarbeiter hatte der C.I.A. im Laufe der Zeit für sich rekrutiert. Das Museum bot somit eine unverdächtige Kulisse ‚reiner Kultur‘ und unverkrampfter Kreativität. Über dieses Haus ließen sich Kontakte knüpfen und Werke exportieren. Doch konnte sich der amerikanische Geheimdienst in seiner Kampagne auch noch anderer Institutionen, Scheinfirmen und gekaufter Schreiberlinge bedienen (wie bei Saunders detailreich nachzulesen ist).
„Frei von demokratischer Kontrolle, betrieb die CIA Schmuggel im großen Stil – aber nicht von geografischen und militärischen Daten, sondern von kulturellen Werten. Während die CIA ansonsten Militärputsche in Guatemala und dem Iran vorbereitete und mit Gehirnwäsche experimentierte, schickte Tom Bradens Abteilung Kunstausstellungen um die Welt. / 1950 wurden Willem Kooning, Arshile Gorky, Jackson Pollock und andere im US-Pavillon auf der Venedig-Biennale gezeigt. Ab 1951 liefen immer umfangreichere Wanderausstellungen in europäische Museumshallen ein. Offizieller Veranstalter war meist der 1950 gegründete „Kongress für kulturelle Freiheit“, der linksliberale Politiker, Wissenschaftler und Künstler versammelte wie Willy Brand und Heinrich Böll. Die Organisation unterhielt Büros in 35 Staaten. Im Kunstausschuss saßen die Direktoren großer europäischer Museen, die die Leihgaben für Sonderausstellungen dankbar annahmen, welche dann in den Magazinen des Kongresses wie dem britischen Encounter und dem deutschen Monat freundlich bis euphorisch besprochen wurden.“ (19) Auch die „DOCUMENTA“ in Kassel war in diese Operationen eingebunden.
Nicht wenige Kunsthistoriker meinen heute, die frühen Abstrakten Expressionisten vor politischen Verunglimpfungen in Schutz nehmen zu müssen: Diese seien nun mal wie naive Kinder gewesen und hätten nicht registriert, dass sie am (ökonomischen und politischen) Nasenring durch die Arena geführt wurden; die Künstler hätten ihre persönliche Integrität aber bewahrt und sich den ideologischen „Nutzungsversuchen“ entzogen. Wirklich? Konnten sie nicht ahnen, funktionalisiert zu werden? Zumindest einen Kunst-Akteur gab es, der es deutlich spürte und der es auch aussprach, obwohl auch er das ganze Ausmaß der Manipulation nicht erfasste: Ad Reinhardt (1913 – 1967). „Reinhardt war der einzige Vertreter des abstrakten Expressionismus, der der Linken auch weiterhin treu blieb und dafür in Kauf nehmen musste, dass die etablierte Kunstwelt ihn bis in die sechziger Jahre hinein nahezu ignorierte. Reinhardt war also wie kaum ein anderer geeignet, die Widersprüche im Lebensstil und in der Kunst seiner ehemaligen Freunde aufzuzeigen. Die einstigen Saufkumpane aus der Cedar Tavern wohnten nun in Eigenheimen in den Hamptons, in Providence oder Cape Cod; die Gruppenfotos früherer Zeiten wie das der >Reizbaren< 1950 waren Titelgeschichten in der Vogue gewichen, in denen die vormals zornigen jungen Männer eher wie Börsianer wirkten. Seine ehemaligen Künstlerkollegen, urteilte Reinhardt rundheraus, seien den Versuchungen der Gier und des Ehrgeizes zum Opfer gefallen. Rothko war für ihn ein >Hochglanzbohemien<, Pollock ein >aufpolierter Penner<, Barnett Newman >der Marktschreier und Bildungskrämer der Avantgarde< und ein >Teilzeitprophet< (wofür er von Newman prompt verklagt wurde). Doch Reinhardt ließ sich nicht beirren. Ein Museum, insistierte er, müsse eine >Schatzkammer und eine Grabstätte< sein, >kein Kontor oder Vergnügungszentrum<. Die Kunstkritik sei nichts als >blödes Gequatsche< und Greenberg (der Kunstkritiker d.V.) ein diktatorischer Papst. Reinhardt war übrigens der einzige der abstrakten Expressionisten, der sich im August 1963 am Marsch auf Washington für die Gleichberechtigung schwarzer Amerikaner beteiligte.“ (20)
Dass neben bzw. assoziiert mit den politischen Akteuren (des C.I.A.) auch Kunstspekulanten an der Hype um den „Abstrakten Expressionismus“ mitwirkten, ist bekannt. Diese Hyänen interessierte nur der zu machende Gewinn. 1965 z.B. verkaufte der amerikanische Versicherungsmakler Leon Kraushar seine Spekulationssammlung auf dem Kustmarkt. Welche ‚Wertschätzung‘ diese „Spezies des Wandaktienhandels“ für ihre Ware empfanden, macht ein Zitat des oben angesprochenen L. Kraushar deutlich: „Renoir? Ich hasse ihn. Cézanne? Schlafzimmerbilder. Alles das Gleiche. Genauso mit den Kubisten, den Abstrakten Expressionisten, alles nur Dekoration.“ (21)
Nichts währt ewig
Die Hochzeit des „Abstrakten Expressionismus“ währte von 1950 – 1960. Die C.I.A.- Inszenierung dürfte jedoch länger gedauert haben. Doch ließ sich die inzwischen internationale Kunst-Strömung weder konservieren noch einmotten. Sie differenzierte sich weiter aus, wandelte sich. Ja, sie provozierte ganze Gegenbewegungen. die selbst bei den Malern des „Abstrakten Expressionismus“ ihre Spuren hinterlassen haben.
War der „Abstrakte Expressionismus“ nun das letzte Inszenierungs-Projekt des C.I.A. auf dem Feld der bildenden Kunst? Unwahrscheinlich. Man kann auf eine Fortsetzung wetten.
Spiegelbildlich war auch im Osten der sog. „Sozialistische Realismus“ in seiner tradierten Form nicht haltbar. Aufgeweicht, dann kränklich, verschwand er mit dem Untergang der SU und der DDR aus Europa. Nur noch Nostalgiker und alte Klassenkämpfer kennen die historischen Werte, Fußfesseln und Maulkörbe.
Nachtrag:
Kleine Scherzaufgabe zu guter Letzt: Würden Sie, lieber Leser, nur mal angenommen, die damaligen Kriterien für Kunst als Maßstab für sich akzeptieren, um dann die Wände heutiger Linker zu scannen, was würde sie da wohl sehen? Viel Spaß beim Raten und Recherchieren.
Literatur:
1) Kolja Reichert: C.I.A. Art. Der größte Kunst-Coup aller Zeiten: Wie der amerikanische Geheimdienst im Kalten Krieg den Siegeszug des Abstrakten Expressionismus inszenierte – und keiner hat’s gemerkt. in: „art Das Kunstmagazin“, Okt. 2014, S. 46 – 51
2) Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt… Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. (1999) Berlin: Siedler, 2001
3) G.W. Plechanow: Kunst und Gesellschaft. (ein Sammelband d.V.) Berlin: Dietz Verlag, 1954
4) Clara Zetkin: Erinnerungen an Lenin. (1924/25) Berlin: Dietz Verlag, 1975, S. 15 – 18
5) Anatoli Lunatscharski: Die Revolution und die Kunst. Essays. Reden. Notizen. Dresden: VEB Verlag der Kunst Dresden, 1962. / Anatoli Lunatscharski: Vom Proletkult zum sozialistischen Realismus. Aufsätze zur Kunst der Zeit. Berlin: Dietz Verlag, 1980
6) Matthew Cullerne Bown: Kunst unter Stalin. 1924 – 1956. München: Klikhardt & Biermann, 1991, S. 74
7) ebenda, S. 103
8) H.-J. Schmitt u. G. Schramm (Hg.): Sozialistische Realismuskonzeptionen. Dokumente zum 1. Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller. Frankfurt/M.: edition suhrkamp, 1974 . / Matthew Cullerne Bown: Kunst unter Stalin. 1924 – 1956. München: Klinkhardt & Biermann, 1991
9) Michail Lifschitz: Krise des Häßlichen. Vom Kubismus zur Pop Art. Dresden: VEB Verlag der Kunst Dresden, 1971
10) N.S. Chruschtschow: In hohem Ideengehalt und künstlerischer Meisterschaft liegt die Kraft der sowjetischen Literatur und Kunst. (8. März 1963). in: Elimar Schubbe (Hg.): Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED. Stuttgart: Seewald Verlag, 1972, S. 825 – 853
11) Martin Damus: Malerei der DDR. Funktion der bildenden Kunst im Realen Sozialismus. Reinbek bei Hamburg: rowohlts enzyklopädie, Nov. 1991
12) Alexander Dymschitz (seinerzeit Oberstleutnant „Der Roten Armee“ und sowj. Kulturoffizier d.V.): Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei. (Nov. 1948). in: Elimar Schubbe (Hg.), 1972, S. 97 – 103. / N. Orlow (d.i. nach B. McCloskey, Wladimir S. Semjonow, nach 1945 pol. Berater der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, später Hochkommissar und sowj. Botschafter in der DDR d.V.): Wege und Irrwege der modernen Kunst. (Jan. 1951). in: ebenda: S. 159 – 177
13) Uwe M. Schneede: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart. München: Verlag C.H. Beck, 2001
14) F.S. Saunders, 2001, S. 235/36
15) Sven Behrisch: In seiner Kunst leuchtet die Zukunft. Der Euphoriker: Aleksander Deineka malte den Helden des sozialistischen Realismus. in: Die Zeit, Nr. 2, 8. Jan. 2015, S. 41
16) Mariam Lau, in: Die Zeit, 13. Mai 2015, S. 1
17) Deutsches Historisches Museum Berlin: Kunst und Propaganda. Im Streit der Nationen 1930 -1945. Begleitmaterial zur Ausstellung. Berlin: DHM, 2007
18) Harry S. Truman, zitiert nach: F.S. Saunders, 2001, S. 235
19) Kolja Reichert, 2014, S. 49/50
20) F.S. Saunders, 2001, S. 266
21) L. Kraushar, zitiert nach: Julia Voss: Der King of Pop ist ein Deutscher. Der Sammler, der kein Spekulant war: Das Museum Ludwig widmet seinem Gründer eine Schau und fragt nach dem Ethos des Kunstbetriebes. in: FAZ, 24. Okt. 2014, S. 11