Das Jahr 1917 (gekürzte Fassung)

Nikolai Bucharin


Der nachfolgend in Auszügen abgedruckte Text von Nikolai Bucharin erschien in Russland im Revolutionsjahr 1917, also direkt im Kontext der weltgeschichtlichen Umwälzung der Februar- und Oktoberrevolution. Im Original bestand er aus zwei Broschüren mit den Titeln „Der Klassenkampf und die Revolution in Russland“, sowie „Von der Diktatur des Imperialismus zur Diktatur des Proletariats“.

Wer war Nikolaj Iwanowitsch Bucharin, den Lenin als „Liebling der ganzen Partei“ bezeichnete und als „überaus wertvolle(n) und bedeutende(n) Theoretiker“1 würdigte?

Bucharin wurde 09. 10. 1888 in Moskau geboren und am 15. 03. 1938 hingerichtet. Er trat 1906 in die SDAPR ein und wurde 1909 Mitglied der Moskauer Parteileitung. 1911 wurde er verhaftet und anschießend in die Verbannung verurteilt, aus der er bald floh. In den folgenden Jahren lebte er in Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden, Norwegen und den USA. Nach der Februarrevolution kehrte er im März 1917 nach Russland zurück und arbeitete als Redakteur der Prawda, die er bis 1929 leitete. Ab 1919 Mitglied des Politbüros, 1926 Präsident des Exekutivkomitees der Komintern.2

Zur Zeit der Abfassung des nachgedruckten Textes gehörte Bucharin zum linken Flügel der bolschewistischen Partei und sprach sich gegen einen Separatfrieden mit Deutschland aus. Nach Ende des Kriegskommunismus wurde er ein Propagandist der „Neuen ökonomischen Politik“, an der er auch nach Beginn der Kollektivierung 1928 festhalten wollte. So wurde er 1929 als Exponent der „Rechtsopposition“ aus dem Politbüro ausgeschlossen.

Warum haben wir diesen Text von Bucharin ausgewählt? Der Text wurde in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen noch im Revolutionsjahr 1917 verfasst und spiegelt somit die politischen Ideen und Konzepte der damals handelnden Akteure weitgehend unbeeinflusst von einer später redigierten und kanonisierten Parteigeschichte wider. Er ist somit auch ein „Augenzeugenbericht“, wie der in der letzten Nummer der AzD veröffentlichte Text von Suchanow, aber aus einem gänzlichen anderen Blickwinkel: dem der Bolschewiki3, die von Februar bis Oktober in Opposition zur Sowjetmehrheit bzw. später zur Sowjetführung standen. Im Gegensatz zum Suchanow-Text, der in den 20er Jahren entstand und die Ereignisse analytisch reflektiert, versprühen Bucharins Broschüren auch sprachlich noch direkt den Geist der revolutionären Ereignisse, spiegeln die durchaus fehlerhaften Einschätzungen der handelnden Akteure ungeschminkt wieder und lassen es aber auch an kritischer Distanz zur bolschewistischen Politik fehlen. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – wird der Leser feststellen, dass viele der von Bucharin vorgenommenen grundlegenden politischen Wertungen der Ereignisse im Revolutionsjahr bis heute Allgemeingut linker Geschichtsschreibung sind.

Die hier veröffentlichten Textstellen basieren auf einem Nachdruck des VTK-Verlages (Frankfurt am Main 1988). Die Auswahl der Texte Bucharins erfolgt nach Themen und Ereignissen, die den Verlauf der Oktoberrevolution bestimmten. Die Überschriften sind von mir (A.S.), im Anschluss kommentiere ich die Ausführungen Bucharins oder entnehme sie der gemeinsamen Veröffentlichung mit dem Genossen Karuscheit (Das Revolutionsjahr 1917, VSA-Verlag 2017). Die Fußnoten stammen teils aus der ursprünglichen Veröffentlichung des Bucharin-Textes, teils von mir (A.S.)

Der Text beginnt zeitlich, wo wir mit der Suchanow-Veröffentlichung in den AzD 84 endeten: mit der Bildung der ersten Provisorischen Regierung nach der Februarrevolution.

 

  1. Die Regierung der „imperialistischen Bourgeoisie“

Bucharin:

Zwei Umstände müssen hervorgehoben werden, um verständlich zu machen, warum die vom Volke eroberte Macht in die Hände der Provisorischen Regierung – der imperialistischen Bourgeoisie – überging: erstens spielte hier die verhältnismäßig stärkere Organisation dieser Bourgeoisie eine Rolle, zweitens hatte daran der Opportunismus der Führer der Arbeiterklasse, richtiger, ihres damals herrschenden Flügels, Schuld. Dieselben Parteiführer, die später in das halbimperialistische Ministerium4 eintraten, fürchteten sich, obgleich sie eine Pose unversöhnlicher Revolutionäre annahmen, die Macht zu ergreifen. Für sie war die russische Revolution vor allen Dingen eine Revolution der Bourgeoisie, für ihren feigen, spießbürgerlichen Gedankengang war jeder „überflüssige“ Schritt abseits von der Herrschaft dieser Bourgeoisie eine Verletzung der heiligen Rechte der „bürgerlichen“ Revolution; für sie galt das Einschüchtern der Arbeiter mit dem Gespenst des eingeschüchterten Bourgeois als unbedingte Pflicht eines Revolutionärs. Diese Taktik des kleinbürgerlichen „Sozialismus“ war die Erbsünde der russischen Revolution.

So wurde die erste Provisorische Regierung aus dem Schoße des ultra-reaktionären, kadettischen Dumakomitees geboren. Das Exekutivkomitee des Sowjets lehnte den Eintritt ins Ministerium ab, und nur … Kerenski5 handelte, sich den Weg zur Macht bahnend, zum zweiten Mal dem Beschlusse seiner Kollegen zuwider (das erste Mal ging dieser „Sozialrevolutionär“ entgegen der Entscheidung seiner Partei in die Duma). Deshalb war das Kabinett beinahe völlig eine Organisation der zeitgemäßen finanzkapitalistischen Bourgeoisie. Alexander Gutschkow6, Führer der Oktobristen, Vertreter der Moskauer Kaufmannschaft, ein „Soldat in Zivil“, – wie er sich selbst nannte; … Paul Miljukow, Führer der Partei der Volksfreiheit, Ideologe des russischen Imperialismus, Anhänger des internationalen Raubes unter dem seichten Schlagwort der „Befreiung kleiner Völker“, ein ergebener Freund und Sklave des englischen Kapitals, schlau, skrupellos, mit starkem Willen und Professor7 der Erziehung zur Niederträchtigkeit; A.J. Konowalow8, der größte Fabrikherr und Börsenmann, ein abgestempelter Vertreter der Unternehmerorganisation; Herr Tereschtschenko9 – ein Nachkomme der Aktionäre der Zuckersyndikate, – das waren die bedeutendsten Figuren der „revolutionären“ Regierung, an deren Spitze Fürst Lwow10, der Vertreter des aufgeklärten, gutsherrlichen Adels stand; neben ihm fanden Platz Nekrassow11, Godnew12, der andere Lwow13 und der obengenannte Bürger Kerenski. (…)

Die Doppelherrschaft oder die „feige Taktik des kleinbürgerlichen Sozialismus“

Bucharin:

Wie feige die Taktik des kleinbürgerlichen Sozialismus auch war, der sich damals zum Organisator und Leiter der Mehrheit des Petersburger Proletariats aufschwang, das Gefüge der Regierungsmacht konnte doch nur auf dem Kompromiss beruhen, d.h. sie musste die tatsächliche Macht der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums widerspiegeln. Die Provisorische Regierung bestand aus Bourgeois par excellence. Aber daneben stand das Exekutivkomitee der Arbeiter- und Soldatendeputierten.

Petersburg herrschte über Russland; die Arbeiter und Soldaten über Petersburg. Das Machtorgan der Petersburger Arbeiter und Soldaten wurde auf diese Weise neben der Provisorischen Regierung zum allrussischen Zentrum der Macht. Das Doppelzentrum der politischen Macht spiegelte den sozialen Widerspruch zwischen der wohlhabenden Bourgeoisie und den Gutsbesitzern einerseits, dem Kleinbürgertum, der Bauernschaft und dem Proletariat andererseits wider. Der Sowjet bestätigte die berühmte Formel der Unterstützung der Regierung … „insofern sie im Einverständnis mit dem Rat standhaft in Richtung der Festigung der Revolutionseroberungen und der Erweiterung dieser Eroberungen arbeitet.“ Der Kompromisstaktik wurde ein fester Grund gelegt.

Der erste Akt der provisorischen Regierung hätte die Proklamierung der demokratischen Republik sein sollen. Aber die demokratische Republik proklamieren – das hieße auf einmal und unwiderruflich mit der Vergangenheit brechen. Kann man denn ein „ordentlicher Mensch“ sein und „töricht und sinnlos“ mit dem „geschichtlich Überkommenen“ brechen? Und kann man denn nicht in einer konstitutionellen Monarchie den besten Schutz gegen das „tobende Element“, die „Fanatiker“ und die „Anarchie“ finden? … Der Gegensatz zwischen der imperialistischen Bourgeoisie und der revolutionären Demokratie äußerte sich hier mit aller Kraft.14 (…)

Das Mitglied des Exekutivkomitees Steklov15 sagte aus diesem Anlass während der Konferenz der Sowjets: „Ich muss kategorisch erklären, dass die Vertreter der Kadetten16 bis zum Schluss und als letzte diesen Punkt bestritten und nicht nur keinesfalls auf Proklamierung der demokratischen Republik eingehen wollten, was wir nicht gewaltsam aufzudrängen wünschten … Wir wussten, dass sie uns, der siegreichen russischen Demokratie, die Romanowsche Monarchie aufdrängen wollten, nicht einfach eine Monarchie, sondern gerade die Romanowsche, und besonders Miljukow bestand darauf, den Thronfolger Alexej als Kaiser auszurufen und den Großfürsten Michail Alexandrovitsch17 als Regenten. Vergebens erklärten wir, dass keine politische Gruppe das Recht habe, der Meinung des ganzen russischen Volkes vorzugreifen … umsonst erklärten wir ihnen, dass wir in unserer politischen Besonnenheit (!) so weit gehen würden, dass wir ungeachtet der in unseren Händen ruhenden physischen Kraft sie nicht zwingen, diese Republik zu proklamieren und nur bitten (!!), die Monarchie nicht zu proklamieren … Ungeachtet all dessen kam in diesem Punkte keine Einigung zustande.“18

Den „besonnenen“ Führern der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums fehlte es „trotz der physischen Kraft“ an Mut, ein Dekret über die Republik zu fordern! Die heuchlerischen Verteidiger der Volksfreiheit19 waren frech genug, am folgenden Tage nach dem siegreichen Aufstand die Wiedererrichtung der Romanowschen Monarchie zu verlangen! Das Mitglied der provisorischen Regierung, der Oktobrist Gutschkow, und das Mitglied des Dumakomitees, der Ultrareaktionär Schulgin,20 begaben sich mit dem Segen des Kadetten Miljukow bereits ins Hauptquartier um die „Heimat vor Anarchie zu bewahren“, d. h. durch Verrat der Revolution und des Volkes einen Vertrag mit den Banditen des Zarismus zu schließen. Aber Michail Romanov erwies sich nicht als so tapfer, wie Paul Miljukow. Ihm imponierte augenscheinlich doch die „physische Kraft“, auf welche sich der Sowjet stützte. Das Geschäft der Zensusbourgeois21 mit den Bewohnern des Wespennestes der Romanow kam nicht zustande. (…)

Kommentar

1. Doppelherrschaft

Bucharin geht in seinem Text von einer Doppelherrschaft von Sowjet und „imperialistischer Bourgeoisie“ aus („das Gefüge der Regierungsmacht konnte doch nur auf dem Kompromiss beruhen“). Steklov und die anderen Führer des Sowjets sahen dies durchaus anders22 und formulierten treffend den Handlungsspielraum der Regierung: „insofern sie im Einverständnis mit dem Rat standhaft in Richtung der Festigung der Revolutionseroberungen und der Erweiterung dieser Eroberungen arbeitet.“ (siehe oben) Die „imperialistische Bourgeoisie“ war an der Regierung, besaß aber nicht die politische Macht, die weiterhin beim Sowjet verblieb.

2. Opportunismus „des damals vorherrschenden Flügels der Arbeiterbewegung“ und die Wirklichkeit

„Zwei Umstände müssen hervorgehoben werden, um verständlich zu machen, warum die vom Volke eroberte Macht in die Hände der Provisorischen Regierung – der imperialistischen Bourgeoisie – überging“, so Bucharin zu Beginn der angeführten Auszüge und benennt die stärkere Organisation der Bourgeoisie und den Opportunismus der Führung der Arbeiterbewegung, genauer: „ihres damals herrschenden Flügels“, womit die Bolschewiki von dieser Kritik ausgenommen werden. Dies ist eine beschönigende Form der Geschichtsschreibung, da es bis zur Rückkehr Lenins und der Durchsetzung seiner April-Thesen in der bolschewistischen Partei keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Positionen der Menschewiki, besonders ihres linken Flügels, und den Bolschewiki gab. Bis in den Sommer 1917 hinein gab es allerorten Versuche zur Wiederherstellung der Parteieinheit der SDAPR.23

Die Übertragung der Regierungsverantwortung vom Sowjet an die „imperialistische Bourgeoisie“ des Dumakomitees hatte ganz handfeste, von Bucharin und der nachfolgenden Geschichtsschreibung gerne unterschlagene Gründe: Der Sowjet und die ihn bestimmenden sozialen und politischen Kräfte hatten zu den anstehenden Fragen (Krieg und Frieden, Inhalt der Bodenreform, Zeitpunkt der Einberufung der Konstituierenden Versammlung) keine gemeinsamen Positionen. Sie waren somit politisch unfähig, eine Regierung zu bilden, ohne ihre jeweiligen Parteien zu spalten oder ihre soziale Basis zu verlieren.24 Dies war der eigentliche Grund, warum die „Revolutionäre Demokratie“ – wie die sozialistischen Sowjetgruppierungen sich selbst nannten – sich sträubte, selbst eine Regierung zu bilden.

3. Die politische Bedeutung der Debatte über die Staatsform

Die größte Schwäche des zitierten Bucharin-Textes besteht darin, dass er die Ursache dieser Debatte nicht versteht, sie nur zitiert, um den Opportunismus der Sowjetführung anzuprangern. Weshalb warf Miljukow diese Frage als einzig ernsthafte Differenz mit dem Sowjet in den Verhandlungen auf? Weil er der festen und durch die Ereignisse bestätigten Auffassung war, dass die russische Bourgeoisie allein zu schwach sei, die politische Herrschaft in Russland zu behaupten.25 Die Monarchie sollte Adel und Militärführung in die Herrschaft einbinden, um so die politische Macht der besitzenden Klassen gegen den Sowjet und das Volk behaupten zu können. Die Bourgeoise und ihre politischen Parteien allein waren dazu, so Miljukows Einschätzung, zu schwach. Was Suchanow in seinem Tagebuch bei den Verhandlungen mit der Provisorischen Regierung erkannte26, blieb Bucharin verborgen.

 

  1. Die Klassen der russischen Gesellschaft nach der Februarrevolution

Bucharin:

Mit der imperialistischen Bourgeoisie vereinigten sich um die Losung „Krieg bis zum Ende“ alle Fraktionen der herrschenden Klassen. Die „Rechten“ verschwanden von der Szene, als ob sie physisch vernichtet wären. Ihre zahlreichen Organisationen mit besonderen Benennungen, ihre von der Zarenherrschaft ausgehaltenen Zeitungen, ihre „Stützen“ … verloren ihren scharf ausgeprägten Charakter schwärzester Reaktion. Dieser ganze Apparat, der formell halb aufgelöst war, ging faktisch in den Dienst des allgemein bürgerlichen Blockes über, deren politischer und ideologischer Repräsentant die Partei der Volksfreiheit (Kadetten) war. … Aber die Führung ging in die Hände des Finanzkapitals über mit seinen „europäischen“ Methoden der Erstickung der Welt.

Das Kleinbürgertum, die Bauernschaft (und die aus Bauern bestehende Armee) steckten sich durchaus nicht imperialistische Eroberungsziele. Die russische Bauernschaft hatte sich noch nicht nach dem Typus des deutschen Großbauern formiert, dessen Verbände eigentlich landwirtschaftliche Kartelle darstellen, die mit ihren hohen monopolistischen Preisen gegen das Proletariat gerichtet sind. Anstatt eines Blocks mit dem Großgrundbesitzer haben wir einen Kampf gegen den Großgrundbesitzer, den Kampf ums Land. Der Krieg sichert dem Bauern nicht nur keinen Gewinn, den er dem Finanzkapital verheißt; er schadet der Bauernwirtschaft, indem er sie der Arbeiter und des Arbeitsviehs beraubt. Der Bauer weiß, dass Land da ist, das ist das Land des Gutsbesitzers. Es ist unmöglich, den Bauern durch Aneignung irgendwelcher unbekannter Länder zu begeistern. In dieser Beziehung ist er ein beschränkter Empiriker. Und die ganze Kraft seines Gedankens ist auf ein nahes und ihm zugängliches Ziel gerichtet: das Land des Gutsbesitzers. Er hat es mit seinem Schweiß gedüngt. Er hat es mit seinem Pflug bearbeitet. Er hat dafür, selbst Hunger leidend, dem Gutsbesitzer so viel Geld gezahlt. Er muss es um der Gerechtigkeit willen bekommen.

Ein wenig anders ist es um das städtische Kleinbürgertum bestellt. Ein Teil desselben, der durch das Band der Mitarbeit mit dem Finanzkapital verbunden ist, wiederholt, eigentlich ein Anhängsel des Großkapitals bildend, alle Losungen des reinen Imperialismus. An diese schließt sich in bedeutendem Maße auch die sogenannte Intelligenz an (Arzte, Advokaten, Lehrer, mit einem Wort, die „freien Berufe“). Dagegen sind die halbproletarischen Schichten, die unmittelbar unter dem Kriege leiden, bereit, gegen das „verdammte Gemetzel“ zu protestieren.

Eine erdrückende Mehrheit des Kleinbürgertums in der Stadt und auf dem Lande war also gegen den imperialistischen Krieg. Sie konnte sich aber ihrer ganzen Struktur nach nicht den Standpunkt der revolutionären Internationale zu eigen machen. Sofern sich die Bauernschaft auf eigenes Land und auf Land, das sie sich zu eigen machen will, stützt, muss sie dieses Land gegen den „äußeren Feind“ verteidigen; wie sie sich nicht um Annexionen fremdländischer Besitzungen kümmert, so kümmert ihn auch das nicht, dass sein Verteidigungskrieg mit den imperialistischen Plänen der verbündeten Bankiers verknüpft sein kann, und sich in der Tat in einen Annexionskrieg der ganzen Koalition verwandelt. … Seine Taktik kann wesentlich nicht anders als erbärmlich, bisweilen aber auch verräterisch sein. Seine Ideologie ist der kleinbürgerliche Sozialismus, sozialistische Phrasen vor allen Dingen. … Der Sozialismus der Sozialrevolutionäre ist der Ausdruck dieses kleinbürgerlichen Hin- und Herschwankens.

Die soziale Lage des Proletariats befreit es von den Fesseln, die das Eigentum ihm angelegt hat. Die Arbeiter haben kein Vaterland, sie haben nur die Ketten der Lohnsklaverei, in die dieses Vaterland sie schmiedet. Die staatliche Organisation des Kapitals, die unter dem Namen „Vaterland“ auftritt, flößt dem Arbeiter nur insofern Achtung ein, soweit er sich in der ideologischen Gefangenschaft des Kleinbürgertums oder des Großkapitals befindet. Oft befindet sich die Arbeiterklasse in solcher Gefangenschaft. Aber nur sie als Klasse kann die Grenzen dieser Abhängigkeit überschreiten. Nur sie kann sich zu einem Standpunkt erheben, der das Interesse der internationalen Revolution höherstellt als das „ihres“ Vaterlandes, der staatlich-nationalen Organisation des Kapitals. Nur sie kann daher eine konsequent revolutionäre, erbarmungslos kritische, standhaft internationale Klasse sein. Das Hin- und Herschwanken ist die Natur des Kleinbürgertums. Fürs Proletariat ist es eine Krankheit. Das Kleinbürgertum hält niemals eine konsequente und entschiedene Linie ein. Das Proletariat hat fast immer eine unbeugsame, revolutionäre Fraktion.

Die russische Arbeiterbewegung kann diese beiden Fraktionen aufweisen: die sozialpatriotische und nach ihrer Ideologie kleinbürgerliche Partei der Menschewiki und den konsequent revolutionären Flügel der Arbeiterbewegung – die Bolschewiki. Die alsbald sich anbahnende Verbrüderung der Sozialrevolutionäre und Menschewiki ist der Ausdruck ihrer kleinbürgerlichen Ideenverwandtschaft.

„Gegen Annexionen, aber für Aufrechterhaltung der Verpflichtungen gegen die Verbündeten und für die Landesverteidigung“ – das musste die Losung des Kleinbürgertums und eines Teils der Arbeiter sein. „Gegen alle Verbindung mit irgendwelchen Kapitalisten, gegen den Krieg, der im Verbund mit ihnen geführt wird“ – das war die Position des revolutionären Proletariats.

Kommentar

Bucharin gibt in diesem Abschnitt eine politische Beschreibung des Verhaltens der Klassen im Frühjahr 1917 ab. Diese Beschreibung abstrahiert von der ökonomischen und gesellschaftlichen Bedeutung der Klassen und kann deshalb weder das politische Gewicht dieser Klassen quantifizieren noch ihr Handeln erklären. Seine Klassen wirken mehr einem marxistischen Lehrbuch als der russischen Wirklichkeit entlehnt und haben deshalb wenig mit den konkreten Klassenkräften in Russland gemein.

Bei der Bourgeoisie beschreibt er richtig ihr Zusammenrücken um die Partei der Kadetten im Frühjahr 1917. Aber dies bleibt der einzig konkrete Punkt seiner Darstellung. Kein Wort zur ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Schwäche der russischen Bourgeoisie.27 Kein Wort zu ihrer Zersplitterung, da der schwerindustrielle Flügel durch Abhängigkeit von Staataufträgen konsequent zaristisch war28, die Leichtindustrie (Textilindustrie) oktobristisch29 und der liberale Landadel und die Freien Berufe der Städte die Basis der Kadetten bildeten. Dies alles ist für ihn „die imperialistische Bourgeoise“.

Noch wirklichkeitsferner ist Bucharins Darstellung der russischen Bauernschaft30 („Die russische Bauernschaft hatte sich noch nicht nach dem Typus des deutschen Großbauern formiert“) Damit gibt er eine rein negative Umschreibung, ohne positiv ihr konkretes ökonomisches und gesellschaftliches Gesicht bestimmen zu können. Die Mehrzahl der russischen Bauernschaft war entgegen aller bürgerlichen und marxistischen Statistiken noch nicht der mittelalterlichen Umteilungsgemeinde entwachsen31 und hatte auch gar nicht die Absicht, dies zu tun. Die Bauern wollten das Land, aber nicht um es unter sich aufzuteilen, sondern um es umzuteilen. Ein wesentlicher Unterschied, da die Landaufteilung einen bürgerlich-kapitalistischen Bauernstand hervorbringt; die regelmäßige Umteilung nach Arbeits- oder Verbrauchsnorm genau dies verhindern soll. Ohne diesen Unterschied zu sehen, ist aber der Oktober nicht zu verstehen.

Nicht besser die Darstellung des Proletariats. Hier gibt es überhaupt keinen Bezug zu den Besonderheiten der russischen Entwicklung.32 Das russische Proletariat ist nicht wie im Westen Europas aus der Handwerkerschaft entstanden, sondern direkt aus der Bauernschaft und es besaß zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch enge Bindungen an das Dorf. Zugleich war es in den russischen Metropolen in Großbetrieben konzentriert, was nicht nur zu einer schnelleren Radikalisierung beitrug, sondern ihm ein deutlich stärkeres politisches Gewicht verlieh, als es zahlenmäßig zu erwarten war.

 

  1. Die „revolutionäre Vaterlandsverteidigung“

Bucharin:

Die Provisorische Regierung stützte sich in sozialer Beziehung auf die imperialistische Bourgeoisie, sie wurde aber auch von dem englisch-französischen Kapital unterstützt, das in der Person Sir George Buchanans33 seinen tatkräftigsten Vertreter hatte, in der Person Paul Miljukows aber seinen übers Ohr gehauenen Partner34. Die ganze politische Haltung der Provisorischen Regierung war eingestellt auf den Imperialismus der Verbündeten.

Der Arbeiter- und Soldatenrat stützte sich nicht nur auf die Arbeiterklasse, sondern in bedeutendem Maße auch auf das Kleinbürgertum (die Bauern und Soldaten). Der kleinbürgerliche Teil des Sowjets und ein Teil der Arbeiter, der sich noch an das Kleinbürgertum anschloss, bildete die Mehrheit im Sowjet, die politisch durch die Sozialrevolutionäre und die Menschewiki ausgedrückt wurde. Das bestimmte die politische Haltung des Rates. Am 14. März erschien der berühmte Aufruf: „An die Völker der ganzen Welt“.

Der Aufruf „An die Völker der ganzen Welt” war das erste offizielle Dokument, das die Volksmassen aller kriegführenden Länder über die wirkliche Lage der Dinge und die wirkliche Stimmung der proletarisch-bäuerlichen Massen Russlands aufklärte. Bisher waren alle Nachrichten augenscheinlich verfälscht gewesen. Die kapitalistischen Kreise der „Verbündeten“ freuten sich anfangs über die Umwälzung, die Russland von der Deutschfreundlichkeit der nächsten Anverwandten Georg V.35 rettete. Aber bei der Nachricht über die Entstehung der Räte wurde das Organ der Finanzclique „Times“ schon unruhig. …

Die Tatsache des Aufrufs selbst musste schon gewaltigen Eindruck machen. Noch während des Krieges wendet sich die revolutionäre Organisation der Arbeiter und Soldaten an alle Völker, darunter auch an den „äußeren Feind“! Ist das denn kein Bankrott der militärischen Barbarei?

Das Manifest litt jedoch an einem tiefen inneren Widerspruch. Einerseits rief es zur Beendigung des Krieges auf, zum Kampf für einen demokratischen Frieden, andererseits machte es den Krieg als Verteidigungskrieg zur Pflicht, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Geheimverträge mit den Verbündeten, Verträge ausgeprägt annexionistischen Charakters; einerseits rief es die Völker – und insbesondere die Völker der Mittelmächte – zur Revolution gegen ihre Regierungen auf, andererseits setzte es stillschweigend den Burgfrieden mit der eigenen Bourgeoisie voraus, einen Frieden, der seinen grellsten Ausdruck in der Unterstützung der imperialistischen Provisorischen Regierung fand. Mit einem Wort: es verkörperte dieselbe Doppeldeutigkeit und Halbheit, die dem kleinbürgerlichen „Sozialismus” eigen ist. Im Kern enthielt es schon die Möglichkeit der Unterwerfung der Demokratie unter die annexionistischen Ziele der imperialistischen Haie.

Unter dem unmittelbaren Einfluss der Ideen des „Aufrufs“ standen die Front-Kongresse in Minsk, Pskow u. a. Die Vertreter der Armee, die Front, äußerten sich einmütig gegen die annexionistische Politik. Die Losung der internationalen Verbrüderung fand, wie es schien, zahllose Anhänger. Die Friedenssehnsucht konnte sogar ein Blinder sehen. Die Verbrüderung in den Schützengräben war der klare Beweis dafür.

Beinahe gleichzeitig mit dem Minsker Kongress fand die Gesamtrussische Konferenz der Sowjets der Arbeiter und Soldatendeputierten statt; sie bestätigte die Machtstellung des Petersburger Rates. Dieselbe Konferenz aber ging in die Falle der Provisorischen Regierung, indem sie ihre äußere Politik guthieß. Die Sache verhielt sich so: Am 28. März veröffentlichte die Provisorische Regierung unter dem Druck der revolutionären Demokratie36 einen Aufruf an die Bürger Russlands, in dem als „Aufgabe des freien Russlands“ der „Abschluss eines dauernden Friedens auf Grund der Selbstbestimmung der Völker“ aber ohne „gewaltsame Annexion fremder Gebiete“ angekündigt wurde. Die Herren, die auf allen Kreuzwegen privatim für Annexionen auftraten und bis zur Unendlichkeit von einem siegreichen „Ende“ trommelten. …

Man musste wahrlich eine mehr als normale Gutmütigkeit besitzen, um unter dem edlen Äußeren nicht die Wolfszähne und den Fuchsschwanz zu sehen. Die Räte bemerkten das nicht. Sie sahen in dem Aufruf der Regierung einen „wichtigen Schritt in Richtung der Verwirklichung des demokratischen Prinzips in der äußeren Politik.“ Sie sahen nicht, dass die Sprache den Diplomaten dazu gegeben ist, um ihre Gedanken zu verbergen. Sie zogen nicht in Betracht, dass alle Regierungen hunderttausend Phrasen machen, um die sie ein Machiavelli37 hätte beneiden können. Statt ihr schärfstes Misstrauen gegen die Bourgeoisie anzuwenden, statt die Betrüger zu entlarven, sanktionierten sie diesen Betrug.38 (…)

Die April-Ereignisse – Miljukow-Note

Bucharin:

Mit kaltem Wasser übergoss sie Paul Miljukow. Am 20. April veröffentlichte dieser Minister des Äußeren seine „Erläuterung“ zur Note vom 27. März. Herr Miljukow hatte die Unverschämtheit, sie mit dem 18. April zu datieren, an welchem Tage eine noch nie dagewesene Demonstration unzähliger Massen der Arbeiter und Soldaten in ganz Russland die Losungen des Weltfeiertags der Proletarier in den Vordergrund hob. Die „Erläuterung“ war nicht mehr für die „Bürger des freien Russlands“ bestimmt, sondern für die verbündeten Regierungen. Hier hielt man eine andere Sprache und andere Formeln für erforderlich. Und Herr Miljukow begann, nicht nur von einem „entscheidenden Sieg über den Feind“ zu reden, sondern auch von „Sanktionen und Garantien eines dauernden Friedens“, was im diplomatischen Jargon gerade dieselben Annexionen und Entschädigungen bedeutet, gegen die die Note der Regierung am 27. März angeblich protestieren sollte. …

Auf die Note Miljukows antworteten die Arbeiter und Soldaten mit einer grandiosen Massenaktion. Am 20. und 21. April fanden in Petersburg, Moskau und einer Reihe anderer Städte mächtige Protestdemonstrationen gegen die Provisorische Regierung, insbesondere aber gegen Miljukow statt. Die elende Provokation der Kadetten, die Verwirrung hervorzurufen strebten, fiel in sich zusammen. … Wie sehr die Anhänger Miljukows sich aber auch mühten, die gegen Miljukow gerichtete Demonstration zu desorganisieren, – es gelang ihnen nicht, das zu tun. Die provokatorischen Schüsse verursachten einige Opfer; sie sprengten aber nicht die dichten Reihen der Massen, die mit elementarer Kraft auf die Straße strebten.

Unter dem Druck der bewaffneten Demonstration der Arbeiter und Soldaten veröffentlichte die Provisorische Regierung eine „Erläuterung“ zur „Erläuterung“ des Ministers Miljukow, in der sich der „entscheidende Sieg“ als die „Lösung der Aufgaben“ darstellte, die in der Note vom 27. März veröffentlicht waren. Die imperialistischen „Sanktionen“ und „Garantien“ aber verwandelten sich in einen unschuldig frommen Seufzer nach Entwaffnung und nach einem internationalen Schiedsgericht. Der Rat gab sich mit dieser Erläuterung zufrieden und ermahnte die Arbeiter- und Soldatenmassen zur Ruhe, nachdem er ihnen das ihnen Gebührende gegeben hatte. Die „Provisorische Regierung“, schrieb die „Iswestija“ in der Nummer vom 22. April, „vernichtete durch ihre Erläuterung alle verderblichen Zweideutigkeiten der Note vom 18. April und setzte damit die Losung von der Tagesordnung ab: „Nieder mit der Provisorischen Regierung“.

Nichtsdestoweniger dachten die Herren Minister in der Tat gar nicht daran, nachzugeben. Am Tage der Demonstration, dem 20. April, machte Gutschkow in Kiew von der Verschiebung der Nationalversammlung bis zum Ende des Krieges Mitteilung. Schon nach der Veröffentlichung der Erläuterung der Provisorischen Regierung, nämlich am 22. April, erklärte Herr Miljukow dem Korrespondenten des „Manchester Guardian“, dass Russland die Herrschaft über den Bosporus und die Dardanellen erlangen „müsse und dass es die Teilung Österreichs fordern werde“. Am folgenden Tage, dem 23. April, hielt ein anderer Krieger russischer Marke, Herr Gutschkow, eine glühende Rede, in der er sich gegen die Beendigung des Krieges und für „vollständige Vernichtung Österreichs und Deutschlands“ erklärte. …

Der Wille zum Frieden äußerte sich in den tiefen Schichten der Armee durch eine noch nie dagewesene Ausbreitung der Verbrüderung an der Front. In Blut und Gemeinheit, worin die vertierte Menschheit erstickte, war die Verbrüderung ein reiner und lichter Schein. Sie bedeutete eine tatsächliche Beendigung der Kriegshandlung an einer der Fronten. Es zeigten sich bald auch Symptome der „Verbrüderung“ an den anderen Fronten. Der Krieg, dieses garstige Scheusal, drohte erstickt zu werden durch die Bemühungen der Massen selbst, die müde waren, unter der Peitsche Gewalt zu verüben. Es schien, dass die Massen selbst über die Köpfe der Regierungen hinweg Frieden schließen wollten. (…)

Nach dem Austritt Gutschkows und Miljukows aus dem Ministerium, zwei Ministern, die der Demokratie besonders verhasst waren („nicht ich ging – man ging mich“ – so resümierte Herr Miljukow das „Ereignis“), begann man, die zahmsten „Sozialisten“ ins Kabinett zu locken.

Kommentar

Mit nicht mehr als dem obigen Satz geht Bucharin in seiner Darstellung der Ereignisse auf den Sturz der führenden Köpfe des Dumakomitees und der ersten Provisorischen Regierung ein. Sein Bild von den Klassenkräften im Revolutionsjahr hindert ihn daran, die Bedeutung dieses Ereignisses zu verstehen. Die führenden Köpfe der Regierung und der russischen Bourgeoisie suchten im April die offene Machtprobe mit dem Sowjet und scheiterten schmählich.39 Sie mussten gehen und Sowjetvertreter mussten der Regierung beitreten, um die demonstrierenden Massen der Hauptstadt zu beruhigen.

Suchanow fasst die Ereignisse treffend zusammen: »Kurze Zeit nach dem Märzumsturz hatte sich die russische Plutokratie in der Partei der Kadetten konsolidiert. Während der Periode, da Miljukow als Minister fungierte, waren die Kadetten durchaus eine Regierungspartei gewesen. Aber mit der Liquidierung Miljukows und der Bildung der Koalitionsregierung in den Apriltagen änderte sich die Situation. Die Bildung der Koalition war gegen den Willen der führenden Kreise der Kadetten zustande gekommen und die Kadetten konnten nun nicht mehr im bisherigen Sinne Regierungspartei bleiben. Sie wurden die Rechtsopposition. Freilich verblieben noch Mitglieder dieser Partei im Kabinett, aber von einer echten Unterstützung der Regierung konnte keine Rede mehr sein.« (zitiert aus: Schröder/ Karuscheit, S. 63)

 

 

  1. Kerenski-Offensive und Juli-Krise

Bucharin:

Die Bourgeoisie war sich genauestens dessen bewusst, dass die Politik der militärischen Offensive ein verwegenes Hasardspiel war. Sie bereitete sich auch beizeiten auf den Zusammenbruch dieser Offensive vor. Es galt daher die Verantwortung zu teilen und sie nicht im Ganzen auf sich zu nehmen. Es gab wohl noch einen Trumpf – die Bolschewiki. Auf sie konnte man den möglichen Zusammenbruch schieben. Es war aber dazu notwendig, dass die „Sozialisten“ erst die Sache in Gang brachten. Die Armee hatte kein Vertrauen zu den kapitalistischen Ministern. Sie würde die Befehle zur Offensive als Provokation des Kapitals betrachten. Mögen daher die Räte selbst sie ins Blutmeer stürzen! Mögen die „Sozialisten“ die Tat Gutschkows vollbringen! Mögen sie, die zum Frieden aufrufen, selbst die Sache des Friedens vernichten! Mögen sie sich in den Augen ihrer westlichen „Genossen“ diskreditieren! Es lebe das Koalitionsministerium!

In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai entschied sich das Exekutivkomitee der Arbeiter- und Soldatendeputierten grundsätzlich für den Eintritt in die Provisorische Regierung. Das Exekutivkomitee stellte dabei Bedingungen, die in 8 Punkten Ausdruck fanden: Aktive äußere Politik zum besten des allgemeinen Friedens, Demokratisierung der Armee und Hebung ihrer Kriegstüchtigkeit für den Fall der Defensive und Offensive, Kampf gegen den wirtschaftlichen Verfall durch Kontrolle der Produktion und Verteilung, Arbeitsschutz, Vorbereitung des Überganges des Grund und Bodens in die Hände der Arbeitenden (Vorbereitung!), Besteuerung der besitzenden Klassen und Finanzreform, demokratische Selbstverwaltung und baldigste Einberufung der Nationalversammlung in Petersburg. Im Laufe einiger Tage traten nach Unterhandlungen ins Kabinett als Abgeordnete des Exekutivkomitees: M. J. Skobelew40, Vertreter der Menschewiki, ein fügsamer und nachgiebiger Mann, zudem auch vollständig unvorbereitet auf die Rolle, die er dank der Laune der Geschichte spielen sollte; W. M. Tschernow41, das theoretische Haupt der Sozialrevolutionäre, eben noch Zimmerwalder und Erzrevolutionär, ein Feind jeglichen Burgfriedens und der Ideologie der „Vaterlandsverteidigung“, der sogleich, nachdem er die Reichsgrenze überschritten hatte, das Banner des revolutionären Internationalismus zusammengerollt hatte; J. G. Zereteli42, der im Laufe einiger Stunden seinen „grundsätzlichen“ Standpunkt über den Eintritt in das bürgerliche Ministerium änderte; endlich W. Peschechonow43, ein nationaler Sozialist, „liberal” und „volksfreundlich“, ein „alter, guter Demokrat“. Jetzt konnte man das Spiel beginnen!

Diesem Spiel der Imperialisten kamen die Räte selbst immer mehr entgegen. Sogleich nach der Bildung des Koalitionsministeriums hielt es der Rat für notwendig, sich entschieden gegen eine Veröffentlichung der Geheimverträge zu äußern, die die revolutionäre Sozialdemokratie dauernd verlangte. Alle Voraussetzungen, deren das Kapital bedurfte, waren vorhanden: die Verurteilung der Verbrüderung an der Front durch die Räte, Eintritt ins Ministerium, Ruf zur Offensive auf Grund des Verzichts auf Veröffentlichung der Geheimverträge des Zaren, die als heilige bindende Verpflichtungen anerkannt wurden. Was brauchte die imperialistische Clique denn noch mehr? Der Umfall der kleinbürgerlichen Mehrheit der Räte wurde noch klarer dadurch, dass die englische und die französische Regierung als Antwort auf die Wünsche der russischen Demokratie Noten abfeuerte, die nicht riefen, sondern schrien: „Wir sind für Annexionen! Wir sind für Kontributionen!“ …

Zu gleicher Zeit begann aber der neue Kriegsminister A. Kerenski seine Agitationsreisen und feurigen Siegesreden, wobei er mit gleichem Eifer die Front und das Hinterland, Theaterlokale und Schützengräben, Konzerte und Räte der revolutionären Demokratie, Kasernen und privilegierte Kriegslehranstalten besuchte. Die vereinigte Bourgeoisie betrachtete ihn mit entzückten Blicken, innerlich lachte sie die biedere Mehrheit der Räte aus. Die Bilder Kerenskis wurden zu patriotischen Heiligenbildern. Für seine Namenszüge, die auf den Auktionen verkauft wurden, gaben die Bourgeois Tausende. Damen aus der „guten“ Gesellschaft überschütteten ihn mit Rosen und überhäuften ihn mit Liebenswürdigkeiten. Und schon deutete sich in der gelben Presse die Losung an: „Es lebe der Diktator Kerenski!“

Dennoch konnte die Verständigung zwischen der imperialistischen Bourgeoisie und der proletarisch-bäuerlichen Demokratie aus inneren Gründen nicht von Dauer sein. Das Ringen um die Macht, das sich bisher zwischen den sich gegenüberstehenden beiden höchsten Machtorganen, dem unablässigen, bald milderen, bald schärferen Kampf zwischen der Provisorischen Regierung und dem Arbeiter- und Soldatenrat Petersburgs abgespielt hatte, dieses Ringen, das den Kampf zweier wichtiger Klassengruppierungen widerspiegelte, war nicht bis zu Ende durchgeführt worden, es ging nur in eine andere Form über, in die Form der verborgenen Krisis, die im Schoße der Koalitionsregierung versteckt war. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass der Kampf zwischen dem Exekutivkomitee und der Provisorischen Regierung, richtiger, ihrer kapitalistischen Mehrheit, endgültig aufgehört hätte. Er ging aber zum Teil schon in die Gemächer und Räumlichkeiten der Ministerien über, und die düsteren Mauern der Staatsgebäude verdeckten ihn vor den Blicken der großen Massen.

Der Formel der neuen Provisorischen Regierung von dem „Frieden ohne Annexionen und Kontributionen“ stellten die Verbündeten unter „vollständiger Anerkennung“ der Worte ihren deutlich ausgeprägten annexionistischen Willen entgegen. (…)

Die Eigentümlichkeit der russischen Verhältnisse bestand jedoch im Vorhandensein eines Antagonismus zwischen Bauer und Gutsbesitzer. … Der Bauer wollte den Boden verteidigen, – und darum ging er auf die trügerische Losung der „Verteidigung“ ein, die die Imperialisten, die in Wirklichkeit den Angriff wollten, ausgaben, – gerade deshalb ging er auch auf einen Kompromiss mit dem Gutsbesitzer ein. Er wollte aber den Boden sich zu eigen machen und deshalb musste er mit diesem Gutsbesitzer brechen. Aus diesem Zauberkreis versuchte die Taktik des Kleinbürgertums einen Ausweg zu finden – und fand ihn nicht. Sie „geht nur ewig davon aus“, wie nach der Lehre der christlichen Kirche der Heilige Geist von Gott Vater. (…)

Am 3. Juni wurde das Parlament der revolutionären Demokratie – der Gesamtrussische Kongress der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten – eröffnet. Schon am ersten Tage, während der ersten Sitzung zeigte sich die erdrückende kleinbürgerliche Mehrheit des Kongresses. Das wirkliche Verhältnis der Kräfte war wohl durch die unrichtige Vertretung ein wenig entstellt. Nichtsdestoweniger war das ungeheure Übergewicht des kleinbürgerlichen „Sozialismus“ im Verhältnis zum revolutionären Sozialismus des Proletariats eine Tatsache, die keinerlei Zweifel unterlag.

Der Kongress brachte keine Veränderung des schon Vorhandenen. … Als Gegengewicht gegen die Bolschewiki, die von Anfang des Kongresses an vorschlugen, unverzüglich ein revolutionäres Machtorgan in der Gestalt der Sowjets zu organisieren, um alle revolutionären Elemente zusammenzufassen und eine Taktik mit entschiedener Richtung nach links durchzuführen, erklärte sich die Mehrheit des Kongresses für die Richtung nach rechts.

Zum 10. Juni bereitete der Zentralausschuss der Bolschewiki eine Demonstration der Arbeiter und Soldaten vor, eine Protestdemonstration gegen die Politik der Provisorischen Regierung. Die Massen forderten eine solche Demonstration, die Arbeiter und Soldaten wollten durchsetzen, dass man ihre Stimme höre. Das Kleinbürgertum aber begann schon, sich vor der revolutionären Avantgarde zu fürchten: sie konnte sie in den Augen ihrer Freunde von rechts kompromittieren, sie konnte ihre Ministerherrlichkeit ins Verderben stürzen, sie konnte schließlich das schwerste „Verbrechen gegen die Revolution“ verüben: die Bourgeoisie einschüchtern. …

Der Kongress verbot die Demonstration der Proletarier und Soldaten und eröffnete durch sein Verbot den Angriff gegen die Partei des revolutionären Proletariats. Nur deshalb, weil das Zentralkomitee der Bolschewiki beschloss, sich zu fügen und sich mit einem entsprechenden Aufruf an die Massen wendete, fand die Demonstration nicht statt. Die proletarische Partei selbst verschob sie. Ungeachtet dessen konnten es die Führer des kleinbürgerlichen sogenannten „Sozialismus“ nicht lassen, über die Bolschewiki herzufallen. Die ganze bürgerliche Presse entlud sich in hysterischem Wehklagen und forderte einen Fangstrick! In der historischen Sitzung der Fraktion des Sowjets trat Zereteli …mit Verschwörungs-Beschuldigungen gegen die Bolschewiki auf. Entschiedene Unterdrückungsmaßregeln – das war das Rezept Zeretelis. …

Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre aber, die ihre Agitatoren in die Fabriken, Werkstätten und Kasernen schickten, sahen, was für eine Stimmung unter den Massen herrschte. Sie sahen, dass die Demonstration objektiv notwendig war. Obgleich sie für die Organisation der Demonstration über die Bolschewiki hergefallen waren, veranstalteten sie jetzt selbst eine Demonstration. Der 18. Juni wurde unter dem Druck der Bolschewiki zur Heerschau über die Kräfte der Revolution bestimmt. Man musste nur dafür Sorge tragen, dass die Demonstration für die Bourgeoisie „nicht furchtbar“ sei. Eine „Prozession zum Grab der Opfer der Revolution“, – das war das kleinbürgerliche Pseudonym der proletarischen Protestdemonstration gegen die Provisorische Regierung.

Der 18. Juni wurde zu einem historischen Tage. Er wurde zum Symbol der Widersprüche, zum Symbol der ungeheuren historischen Antithese und zugleich zum Symbol des Abfalls des Kleinbürgertums von dem revolutionären Proletariat. Am 18. Juni trat die fast eine halbe Million zählende Arbeiter- und Soldatenmasse mit der Losung: „Gegen die Politik der Offensive!“ auf. – Am 18. Juni führte der „revolutionäre“ Minister die Armee zu dieser Offensive.44

Rote Fahnen wehten über Petersburg. Die erdrückende Mehrheit der Demonstranten ging unter bolschewistischen Losungen: „Nieder mit der Gegenrevolution!“, „Nieder mit der vierten Duma und dem Reichsrat!“, „Nieder mit den zehn kapitalistischen Ministern!“, „Nieder mit den ‚verbündeten‘ Imperialisten!“, „Nieder mit den kapitalistischen Aussperrungen!”, „Alle Macht den Räten!“, „Es lebe die Kontrolle der Produktion!“, „Gegen Auflösung der Regimenter!“, „Gegen Entwaffnung der Regimenter!“, „Keinen Separatfrieden mit Wilhelm, keine geheimen Verträge mit den englischen und den französischen Kapitalisten!“, „Unverzügliche Veröffentlichung der Verträge!“, ”Gegen die Politik der Offensive!“

Und an demselben Tage telegraphierte Kerenski dem Fürsten Lwow: „Bitte nachdrücklich, mir ohne Aufschub zu erlauben, den Regimentern, die an der Schlacht am 18. Juni teilnahmen, im Namen des freien Volkes die roten Banner der Revolution auszuhändigen.“

Die Demonstration am 18. Juni zeigte, dass die Avantgarde der Revolution, das Proletariat und der beste Teil der Armee, sich den Bolschewiki anschlossen. Andererseits zeigte sie, dass die Bolschewiki die einzige proletarische Partei, die Partei des revolutionär-internationalen Sozialismus, bildeten. Die Demonstration vom 18. Juni war eine scharf ausgeprägte Massendemonstration. Die Bourgeoisie versteckte sich. Keine neugierigen Bourgeois gafften die Demonstranten an. Sie verschwanden von den Straßen Petersburgs, die den Proletariern und Soldaten überlassen blieben. Das „Herz und Gehirn der Revolution“, die Stadt des Umsturzes, stellte sich auf die Seite der Internationale.

Die (zeitgleich beginnende) Offensive (an der Front) vom 18. Juni bedeutete einen Wendepunkt in der Entwicklung der Revolution. Sie bedeutete den tatsächlichen Sieg der gegenrevolutionären Imperialisten. Sie bedeutete, dass das Kleinbürgertum mit den „eigenen“ und mit den „verbündeten“ Kapitalisten ein imperialistisch-militärisches Bündnis einging. Sie bedeutete, dass die organisierten Kräfte der russischen Revolution außer ihrer linken proletarischen Flanke in einen Fangstrick geraten waren, der sie zum imperialistischen Galgen schleppte. …

Unlängst schrieb die Iswestija noch, dass die Armee nicht offensiv vorgehen könne, ehe nicht eine Reihe radikaler Maßregeln getroffen wären. Diese Maßregeln wurden nicht getroffen. Nichtsdestoweniger erließ der Gesamtrussische Kongress der Sowjets einen „Aufruf an die Armee“, in dem er behauptete, dass die Offensive zwecks „Herbeiführung des allgemeinen Friedens“ unternommen werde. Hier äußerte sich in vollem Umfange der Abgrund der Feigheit einerseits und von erstaunlichem Leichtsinn andererseits, die das Kleinbürgertum an den Tag legte. Ihre Führer kannten die Sachlage in der Armee, sie konnte ihnen nicht unbekannt sein. Sie mussten wissen, dass die Armee weder physisch noch moralisch durchhalten konnte. …

Andererseits wuchs die Unzufriedenheit mit der Lage der Dinge in den Arbeiterkreisen immer mehr. Mit jedem Tage wurde die Atmosphäre schwüler. Der Trommelschlag der Chauvinisten, die aufs Neue mit Siegeslosungen, für die Verlängerung des Krieges, hervortraten, empörte die Proletarier und Soldaten bis in die Tiefe der Seele. Man fühlte, dass die Luft gewitterschwer war.

Öl ins Feuer goss der für die Mehrheit unerwartete Austritt der Kadetten aus dem Ministerium. Der Austritt der Kadetten aus dem Ministerium war die logische Vollendung ihrer Taktik der Sabotage. Der Augenblick dazu war sehr geschickt gewählt. Die Nachrichten von beginnenden Misserfolgen und von der bevorstehenden Niederlage an der Front hatten die Ohren der Minister zu erreichen vermocht. Und sie handelten so, wie es ihnen die kalte, zynische Berechnung diktierte. Die Taktik der Offensive wurde ihrerseits den Sozialisten zur Last gelegt. Sie wollten aber nicht im Geringsten für diese Taktik die Verantwortung tragen. In dem Augenblick mussten sie freie Hand haben, als die Nachrichten von dem Unvermeidlichen und Unabwendbaren einzutreffen begannen. Sie mussten abseits stehen, wenn die Resultate des Kriegsabenteuers Kerenskis in ihrem ganzen Umfang klar wurden. Mögen dann die sozialistischen Narren als „Verantwortliche“ dasitzen! Konnte man denn ein besseres Mittel erdenken, sie zu diskreditieren?

Ihre Uneinigkeit mit dem Beschluss Kerenskis, Zeretelis und Tereschtschenkos über die ukrainische Frage ausnützend (diese Minister arbeiteten eine Einigung mit der Zentralrada der Ukraine45 aus), traten die Kadetten aus der Regierung aus. Es blieb nur Nekrassow, der aus der Kadettenpartei ausschied. Fürst Lwow erklärte, dass die ukrainische Frage nur die Veranlassung sei, den Grund müsse „man aber suchen … in der Nichtübereinstimmung des sozialistischen und des bürgerlichen Standpunktes“. …

Die Krisis in der Regierungsmacht löste auf einmal die elementare revolutionäre Energie aus. Gerade als die Nachrichten von der unruhigen Stimmung der Petersburger Massen eintrafen, tagte die Stadtkonferenz der Petersburger Organisation der Bolschewiki. In dieser erklärte sie sich gegen eine Demonstration. Das Zentralkomitee der Partei sprach sich, den Ernst der Lage in Betracht ziehend, auch dagegen aus, und die entsprechenden Anordnungen wurden den Bezirken mitgeteilt. Während der am Abend des 3. Juli stattfindenden Sitzung des Petersburger Sowjets der Arbeiterdeputierten verbreitete sich plötzlich das Gerücht, dass die Maschinengewehr- und Grenadierregimenter bereits vorgerückt wären und zum Taurischen Palast zögen. Man meldete auch den bevorstehenden Aufmarsch anderer Regimenter und Fabriken. Und da schlugen die Bolschewiki zum ersten Mal vor, in den Gang der Ereignisse einzugreifen, um der Demonstration einen friedlichen, organisierten Charakter zu verleihen. Die proletarische Partei konnte nicht die heuchlerische und verächtliche Rolle des Pontius Pilatus spielen, sie konnte die Massen im entscheidenden, kritischen Moment nicht verlassen. Sie mischte sich ein – und nur dank dieser Einmischung wurde ein fürchterliches Straßengemetzel verhindert.

In der Versammlung der Arbeitersektion des Arbeiter- und Soldatenrates zeigte sich, dass die Mehrheit auf Seiten der Bolschewiki war. Die Sozialrevolutionäre und Menschewiki verließen die Versammlung. Die Mehrheit nahm eine Resolution über die Notwendigkeit des Übergangs der Macht in die Hände der Sowjets an und wählte eine Deputation von 25 Personen, die beauftragt wurde, „im Namen der Arbeitersektion im Kontakt mit dem Petrograder und Gesamtrussischen Exekutivkomitee zu verhandeln.“

Gegen 10.30 Uhr näherte sich das 1. Maschinengewehrregiment dem Taurischen Palais. Es wurde von Wojtinski46 im Namen des Zentralrates begrüßt. Darauf entwickelten sich die Ereignisse mit überraschender Schnelligkeit. Die Stadt verwandelt sich in ein bewaffnetes Lager. Am Palais befinden sich die 1., 2., 3., 5., 6., 7., 8., 13. und 14. Kompanie des 1. Maschinengewehrregiments, die 4. leichte Maschinengewehrkompanie, das 1. Infanterieregiment mit seinem ganzen Tross und das ganze Reserve-Pionierbataillon. Eine gewaltige Versammlung wird abgehalten. Die Hauptlosung: Alle Macht den Räten! Um 2 Uhr nachts trifft die ganze Arbeiterschaft der Putilow-Werke ein. Indessen findet die Sitzung der Vereinigten Vollzugsräte statt. Die Arbeiter- und Soldatenmasse fordert, dass ihre Vertreter die Macht ergreifen, dass sie die Sache des Volkes in ihre Hände nehmen. Die Konferenz erklärt die Demonstration für gegenrevolutionär. Die Lage wird immer beunruhigender. Zwischen dem bevollmächtigten Organ der revolutionären Demokratie und der Blüte der revolutionären Massen deutet sich in dem allerkritischsten Moment die tiefste Meinungsverschiedenheit an. Diese Meinungsverschiedenheit schafft eine chaotische Lage und die Bewegung nimmt an einer Reihe von Orten einen verwirrten Charakter an. Die Kronstädter und die Maschinengewehrtruppen aus Orangenbaum treffen eben ein. Auf den Straßen hört man schießen. Die Gegenrevolutionäre provozieren eine Panik. Die Bewegung wächst beständig an.

Da treffen aber die Regierungstruppen von der Front ein. Mit tatsächlicher Unterstützung der Vollzugsräte wird ein Gericht über die Demonstranten vorbereitet. Und in demselben Augenblick platzt als betäubende Bombe das Dokument Alexinskijs47, das besagt, dass Lenin ein deutscher Spion sei!

Der Schachzug der Gegenrevolution war äußerst geschickt erdacht. Einerseits – die materielle Kraft der Bajonette zur Unterdrückung des „Aufstandes“ vorbereiten, andererseits – die Bewegung demoralisieren, ihre geistigen Führer mit Schmutz bewerfen, die Einigkeit der revolutionären Kräfte auflösen und zerfleischen, die ganze Atmosphäre mit derartig üblem Geruch und derartiger Verleumdung vergiften, zu der ein vor Wut sinnlos gewordener Bourgeois fähig ist. (…)

Freilich hätte keinerlei Verleumdung ihr Werk verrichten, noch eine gegenrevolutionäre Bande die Macht an sich reißen können, wenn ihnen die Parteien des Kleinbürgertums, die Sozialrevolutionäre und Menschewiki, nicht geholfen hätten. Die „Julitage“ stellten diese Parteien in entschiedenster Form vor die Frage: mit der Gegenrevolution gegen das Proletariat oder mit dem Proletariat gegen die Gegenrevolution? Ihre Antwortlosung war die „Rettung der Revolution“. Ihr tatsächliches Verhalten war Verrat dieser Revolution. Indem sie das Herbeirufen der Kavallerie und der Kosaken zur Beruhigung der Petersburger Arbeiter und Soldaten guthießen, die revolutionären Regimenter und die Arbeitergarde entwaffneten, im kritischen Augenblick die gemeinsame Kampagne gegen die Führer des Proletariats unterstützten, versetzten sie nicht nur der proletarischen Flanke der Revolution einen Hieb, sondern machten auch sich selbst kampflos. Seitdem beginnt die Zersetzung der Sowjets. …

Derart war die Politik des Zentral-Exekutivkomitees. Hinter den Kulissen fand ein offener Handel mit den Köpfen der Führer der Revolution, den eroberten Freiheiten, mit der Ehre des revolutionären Volkes statt. Indem sie die revolutionären Truppen und das Proletariat entwaffneten, entwaffneten die Räte auch sich selbst. Die Hauptquelle ihrer Macht versiegte in bedeutendem Maße. Umgekehrt gaben die Kosakentruppen, die Junker u.a., die Petersburg überschwemmten, der Gegenrevolution eine reale Kraft – bewaffneten sie.

Kommentar

Bucharin kommt hier in seiner ausführlichen Beschreibung der Ereignisse im Juni/Juli 1917 fast ganz ohne die „herrschende Finanzbourgeoisie “ aus. Er erwähnt sie am Rande im Zusammenhang mit der Kabinettskrise, die ganz richtig als eine von den Kadetten bewusst herbeigeführte Regierungskrise dargestellt wird. Bei den Hauptereignissen, den Massendemonstrationen im Zusammenhang mit dem Sowjetkongress, kommt die Darstellung ganz ohne die vermeintlich „herrschende Klasse“ aus. Und dies aus gutem Grund. Die Bourgeoisie hatte mit dem Kern der Juli-Ereignisse nichts zu schaffen; denn dies war der Machtkampf zwischen dem Proletariat der Hauptstadt, den Kronstädter Matrosen und den ihnen nahestehenden Truppenteilen einerseits sowie der Masse der Bauernschaft im Land und der Armee, verkörpert durch den tagenden Sowjetkongress, andererseits. Es war eine Auseinandersetzung innerhalb der sog. „revolutionären Demokratie“ zwischen der proletarischen Avantgarde einerseits und dem über Russland und seine Armee herrschenden Kleinbürgertum, vertreten durch die Sozialrevolutionäre und Menschewiki, andererseits. Im Juli war die kleinbürgerliche Dominanz in Petrograd und Moskau bereits gebrochen, im gesamten Land und in der Armee war sie aber noch immer vorherrschend, und diese Mehrheit bestimmte die Politik des Zentralen Exekutivkomitees.48

 

  1. Nach den Juli-Tagen – die „bonapartistische Diktatur“ Kerenskis

Bucharin:

Die unvermeidliche Niederlage an der Front wurde den Bolschewiki zur Last gelegt. Die Hetze gegen die proletarische Partei verwandelte sich in eine rasende, wütende Kampagne, die sich auch schon auf die Sowjets erstreckte. Nach den Kadetten ging auch das Haupt aller Provisorischen Regierungen, Fürst Lwow, indem er erklärte, dass die Räte „unter dem moralischen Niveau des russischen Volkes“ stehen. Und zu gleicher Zeit schätzte dieser Ehrenmann vom Standpunkt seiner Klasse die Sachlage vollkommen richtig ein: „Die Durchbrechung der Front ist nicht so wichtig wie eine tiefe Durchbrechung der Front Lenins.“ Nachdem die „Front Lenins“, d. h. die Front der Revolution, durchbrochen war, brauchten sich die russischen Imperialisten nicht mehr zu genieren, die „Organe der revolutionären Demokratie“ wie Hunde zu behandeln. Die Amtsniederlegung Lwows49 zeigte den endgültigen Zerfall der „Koalitions“-Macht an. …

Die kleinbürgerlichen Führer handelten so, wie man es nicht anders von ihnen erwarten konnte. Sie neigten sich vor dem persönlichen Willen Kerenskis und übergaben ihm alle Vollmachten. Als „Demokraten“ entsagten sie der Demokratie; als „Sozialisten“ kapitulierten sie vor dem, dem seine eigene Partei nicht vertraute; als Anhänger der „Freiheit“ wendeten sie sich schroff der bonapartistischen Alleinherrschaft zu. Dieses wahrhaft ekelhafte Bild wurde noch ekelhafter dadurch, dass alle handelnden Personen auf dem Schachbrett der Geschichte nur die Rolle von Bauern spielten, die die Hand der imperialistischen Bourgeoisie hin- und herschob.

Diese setzte an der ganzen Linie den Vormarsch fort und strebte mit Volldampf zur Militärdiktatur. General Kornilow50 forderte gebieterisch die Wiedereinführung der Todesstrafe. Der Kommissar der Provisorischen Regierung Sawinkow51, derselbe, der in den Tagen schwärzester Reaktion sein Renegatentum durch gottesfürchtige Betrachtungen rechtfertigte über das Thema: ob man einen Spitzel töten darf oder nicht, begann in einem Telegramm, das in der Sprache der Helden Dostojewskis verfasst war, um Massenerschießungen zu flehen.

Kerenski, der früher mit theatralischen Gesten und Krokodilstränen in den Augen von gänzlicher Aufhebung der Todesstrafe gesprochen hatte, davon, dass er nicht der „Marat der russischen Revolution“ sein wolle, wollte jetzt augenscheinlich ihr Stolypin sein. Denn Marat schlug die Häupter hochgestellter Gegenrevolutionäre ab, Kerenski aber ordnete, dem früheren Zaren den Hof machend, Massenhinrichtungen der grauen Soldaten an. Es begann ein wildes Bacchanal von Erschießungen, wie es sogar während der blutigen Herrschaft des Zaren nicht vorgekommen war, eine Kampagne gegen die Soldatenorganisationen, die Soldatenräte, die revolutionäre Literatur. …

Dafür trat Kerenski in Unterhandlungen mit den Vertretern der Gegenrevolution (der Kadetten) über die Bildung des Kabinetts. … Nach einigem Sprödetun und von Kerenski inszenierten Ohnmachtsanfällen einigte man sich auf Grundlage einer fast völligen Kapitulation der Räte. Die Kadetten nahmen teil an der Regierung, nachdem sie sich lange hatten bitten lassen. … Schließlich „ergaben sich“ die Kadetten unter Bedingungen, die für sie einen vollständigen Sieg bedeuteten. Das neue Ministerium wurde als ein von den Sowjets unabhängiges Ministerium gebildet. Diese Tatsache übertrug die den Räten entrissene Staatsmacht endgültig in die Hände der Bourgeoisie. Die Räte verwandelten sich in den Augen der Bourgeoisie in „private, eigenmächtige Organisationen“. …

Die Gegenrevolution nahm die Macht in die Hände. Nach fünf Monaten der Revolution, in denen diese Macht gleichzeitig den Räten und der Regierung, der Demokratie und den Imperialisten gehörte, wurde endlich die Macht der imperialistischen Bourgeoisie, die Macht des Finanzkapitals, gesichert. Arm in Arm mit dem verbündeten Imperialismus und den reaktionären Spitzen der Armee tanzt sie jetzt Cancan auf den Leichnamen der von ihr zerfleischten „freien Bürger“. …

Der Sieg der Gegenrevolution in den Julitagen führte zur Bildung eines Ministeriums, in dem die Minister „außer von ihrem Gewissen von niemanden abhängig waren“, d. h. einfach ganz und gar vom Kapital abhängig waren. Das Leiborgan Miljukows „Retsch“ erklärte … jedem, der es hören wollte. „Die Forderungen der Kadetten“ – schrieb das Blatt – „dienten zweifellos als Grundlage für die Tätigkeit der gesamten Regierung … Da die Hauptforderungen der Kadetten angenommen wurden, hielt es die Partei gerade deshalb nicht für möglich, den Streit wegen besonderer Parteidifferenzen fortzusetzen.“

Die Form aber, die der tatsächliche Sieg der Gegenrevolution annahm, war nicht die Form einer rein-kadettischen Regierung, sondern eine Fixierung des bonapartistischen Regimes Kerenskis. …

Die Gegenrevolution war zum Auseinanderjagen der Räte noch nicht stark genug, während die Räte selbst bereits zu kraftlos waren, um einen entschiedenen und mächtigen Widerstand zu leisten. Sie, die das Proletariat verraten hatten, litten nun selbst mit dem Kainszeichen auf der Stirn unter den schweren Folgen dieses Verrats. Sie verwandelten sich in eine spanische Wand, eine dekorative Form, hinter der sich ein reaktionärer Inhalt verbarg. Aber auch die wahre Demokratie – die Arbeiterdemokratie in erster Linie – war nicht imstande, durch einen kräftigen Stoß den immer unverschämter werdenden Imperialismus zurückzuschlagen; denn sie war, wenn auch nicht total geschlagen, so doch entkräftet und vorübergehend desorganisiert. So entstand ein verhältnismäßiges Gleichgewicht der sozialen Kräfte, das dem russischen Bonapartismus als Grundlage diente. …

Es ist kein Wunder, dass sich Kerenski, als das Finanzkapital einer untergeschobenen Person bedurfte, als diese Person erwies. Er vereinigte in sich alle Elemente, die dazu nötig waren, dass die Finanzaristokratie diesen „Demokraten“ herablassend mit dem Stempel der Billigung und der Erkenntlichkeit versah. In der Vergangenheit ein Revolutionär, aber nicht von den Standhaften; ein Held der Frühlingsrevolution mit ihren sentimentalen Ausbrüchen und der Verbrüderung der Bauern-Soldaten mit dem Gutsbesitzer Rodsjanko; ein Schauspieler und Phrasenheld bis ins Mark, der zu weinen und zu lachen und sein Haar tragisch zu raufen und die Erde zu küssen verstand, – wenn es die Umstände forderten; ein Liebling des großen Publikums und ein hoffnungsvoller Abenteurer; ein Spezialist, die Revolution zu prostituieren, der mit dem roten Banner geschickt den imperialistischen Raub verdeckt; ein Feigling, der seine politischen Gegner tapfer Feiglinge schimpft: Mitglied einer sozialistischen Partei, der auf Schritt und Tritt ihre Beschlüsse umgeht; ein Schützling der „bevollmächtigten Organe der Demokratie“, der in der Tiefe seiner Seele diese Organe verachtete; ein Mensch, der Nikolaus II. vor der Todesstrafe rettete, aus „demokratischen“ Erwägungen aber die Todesstrafe für die Soldaten einführte; ein Anhänger der Revolution, der dieser Revolution ins Gesicht schlägt …

Die bonapartistische Macht Kerenskis sollte als Übergangsbrücklein zur Rettung des kapitalistischen Profits und der Grundrente vor den Anschlägen der Arbeiter und Bauern dienen. Zwischen dem Volk und dem Block der Großeigentümer trat diese Macht in der Rolle eines Schiedsrichters, einer „völkischen Regierung“ auf, die angeblich über den Klassen stand, in den verborgenen Winkeln der Ministerkanzleien aber mit den offenen Feinden des Volkes herumschacherte. Die Spitzen der Bankokratie glaubten schon, nachdem sie das Brücklein des Regimes Kerenskis überschritten, zur Festigung ihrer unzerstörbaren Macht überzugehen. …

Während des Kongresses des Handels- und Industriekapitals in Moskau trat der bekannte Millionär und Mäzen Rjabuschinski offen mit einem zynischen Programm auf, die Revolution zu erdrosseln, die Räte auseinanderzujagen, und gegen die Arbeiterklasse die Hungerblockade zu verhängen. „Unsere Provisorische Regierung – erklärte Rjabuschinski – befand sich unter dem Einfluss unbekannter Leute. Bei uns begann tatsächlich ein Häuflein Scharlatane zu herrschen … Die Regierung fördert nicht die Handels- und Industrieklassen … Es ist notwendig, dass der Staat sich wenigstens einigermaßen (!) auf den Standpunkt dieser Klasse stellt. Die Regierung muss bürgerlich denken und bürgerlich handeln … Vielleicht bedarf es zum Ausweg aus der Lage der knochigen Hand des Hungers, des Volkselends, das die falschen Freunde des Volkes, die demokratischen Räte und Komitees, an der Gurgel packt.“ Rasender Applaus der Geldprotzen löste diese wahrhaft kannibalische Rede aus. Daraus schöpfte aber gerade die Regierung des Bonapartisten ihre Erleuchtung. …

Bereits im Juli fand ein Kongress der dreizehn wichtigsten Unternehmerorganisationen mit der Zentralstelle der Aktienbanken an der Spitze statt. Die Naphta- und Zuckerkönige, die Kohlenbarone und Holzhändler, die Eisenbahnprotzen und die Ledermonopolisten, die Schlotbarone und die Papierfabrikanten, – sie alle entschieden einstimmig, dass eine allrussische Vereinigung des Kapitals notwendig sei. So entstand das “Hauptkomitee der Vereinigten Industrie“, alias „Komitee zum Schutze der Industrie“. …

Das Programm des Finanzkapitals war kurz und bündig in „Industrie und Handel“, seinem offiziellen Organ formuliert: „Wiederherstellung der Ordnung in den Fabriken und Hüttenwerken“, „eiserne Disziplin in der Heimat und an der Front“.52 Auf dieser „Basis“ hofften aber die Herren Industriellen, auch den entsprechenden Aufbau zu errichten, indem sie den Arbeitslohn einschränkten, sich Riesendividenden sicherten, für die Arbeiter eine Zwangsarbeit einführten und den Arbeitern zu verstehen gaben, dass die „feste Macht wieder hergestellt sei“…

Über die Bauern fiel die Regierung Kerenskis mit Verhaftungen, Strafexpeditionen und Gerichten her. Man verurteilte wegen Verletzung der alten Leibeigenschafts-Verträge und wegen Durchführung der Richtlinien Tschernows;53 man verhaftete gewöhnliche Bauern und Mitglieder der Landkomitees; man ergriff einfache Komiteemitglieder und die Vorsitzenden dieser Komitees. Und diese und andere und dritte gerieten auf die Anklagebank und wurden in den Staatspensionen der neuen „Majestät“ einquartiert. …

Die aus Bauern bestehende Armee teilte das Schicksal des ganzen Volkes. Sie wurde von dem „Demokraten“ Kerenski den zaristischen Generälen, die im Hauptquartier den Generalstab der bewaffneten Gegenrevolution organisierten, mit Leib und Seele ausgeliefert. „Eiserne Disziplin“, d.h. grausame Bestrafung des Soldaten, gleich Schnellfeuer wirkende Feldjustiz gegen die Verräter der Revolution, die die Frechheit hatten, sich revolutionär zu nennen; das System der abscheulichen Verleumdung der Soldaten, das von demselben Hauptquartier organisiert wurde – alles das verwirrte sich zu einem schmutzig-blutigen Klumpen, mit dem man den revolutionären Geist der Armee zu ersticken hoffte. …“

Kommentar

Hier ein Versuch, den wortreich-verwickelten Gedankengang Bucharins zu rekonstruieren.

1.“Die Gegenrevolution nahm die Macht in die Hände. Nach fünf Monaten der Revolution, in denen diese Macht gleichzeitig den Räten und der Regierung, der Demokratie und den Imperialisten gehörte, wurde endlich die Macht der imperialistischen Bourgeoisie, die Macht des Finanzkapitals, gesichert“ schreibt Bucharin. Hier finden wir die „kanonisierte“ Fassung der marxistischen Geschichtsschreibung des Revolutionsjahres. Obwohl die „imperialistische Bourgeoise“ nach dieser Geschichtsschreibung bereits seit Februar/März im Besitz der Macht war, soll sie nun ab Juli gänzlich ungeschmälert, unabhängig vom Sowjet herrschen. Die „Doppelherrschaft“ findet mit dieser Interpretation der Juli-Ereignisse ihr Ende.

Damit entsteht aber eine neue Frage: Warum sollte die im Besitz der ungeteilten Macht befindliche „imperialistische Bourgeoisie“ die Kornilowiade organisieren und damit ihre „gesicherte“ Macht an einen Militärdiktator abtreten? Dazu an einen Militärdiktator, der während seiner Kriegsgefangenschaft bei den Österreichern noch versichert hatte, er würde die Gutschkows und Miljukows (die Führer des „Progressiven Blocks“ und erwiesenermaßen Finanziers bzw. Unterstützer der Kornilowiade waren), aufhängen lassen?54

2. Zur Auflösung dieses Problems finden wir dann einige Zeilen später eine ganz andere Schilderung der politischen Situation durch Bucharin: „So entstand ein verhältnismäßiges Gleichgewicht der sozialen Kräfte, das dem russischen Bonapartismus als Grundlage diente“, und Bucharin meint damit ein Gleichgewicht zwischen dem Sowjet und der „Arbeiterdemokratie“ auf der einen Seite und der Bourgeoise auf der anderen Seite. So verwandelt sich die „gesicherte Macht“ der Bourgeoisie nach einigen Zeilen in ein Machtgleichgewicht zwischen Sowjet und Bourgeoisie, welches die Grundlage für eine bonapartistische Herrschaft Kerenskis schaffen soll.

3. Womit wir bei dem dritten Gedankengang Bucharins angelangt sind. „Die Form aber, die der tatsächliche Sieg der Gegenrevolution annahm, war nicht die Form einer rein-kadettischen Regierung, sondern eine Fixierung des bonapartistischen Regimes Kerenskis.“ Die „gesicherte Macht“ der Bourgeoise existierte somit in der „Form“ der bonapartistischen Diktatur Kerenkis, die wiederum auf dem Machtgleichgewicht zwischen Sowjet und Bourgeoisie fußte. Soweit die Bucharinsche Interpretation der politischen Situation für den Juli/August 1917.

Unbenommen, dass Kerenski eine solche Herrschaft anstrebte und die Führung der Sowjets bereit war, diese zu unterstützen,55 so fehlte ihm die andere Seite: die Bereitschaft der Bourgeoisie, diese bonapartistische Herrschaft Kerenskis zu stützen. Diese Unterstützung zu erreichen, war das Anliegen Kerenskis und der Sowjetführung auf der Moskauer Staatskonferenz. Die Bourgeoisie aber, die sich durchaus nicht „gesichert“ an der Macht fühlte, unterstützte mehrheitlich eine andere Lösung, die Militärdiktatur Kornilows. Kerenski beteiligte sich an der Kornilowiade, um so die Möglichkeit einer bonapartistischen Herrschaft weiterhin zu erhalten.

Objektiv gab es aber keine Voraussetzungen zu einer bonapartistischen Herrschaft im revolutionären Russland. Kerenskis Machtbasis war der Sowjet, das Programm der Bourgeoisie die Entmachtung des Sowjets, das der Militärs die Zerschlagung und physische Vernichtung aller Sowjetparteien, wobei die Übergänge zwischen dem Programm der Bourgeoisie und der Militärführung durchaus fließend waren. So überlebte das „Bonapartismus“-Programm Kerenskis die Moskauer Staatskonferenz gerade um zwei Wochen, die Pläne der Militärführung mit dem Kornilow-Putsch nur wenige Tage mehr.56

 

  1. Moskauer Konferenz und Kornilowiade

Bucharin:

„Wenn so die Zentralregierung eine imperialistische Diktatur verkörperte, so wurde dadurch der Entfesselung der gegenrevolutionären Kräfte ein weiterer Spielraum gegeben. …

Der entscheidende Schlag, den die Reaktion der Revolution versetzen wollte, sollte unter der Fahne einer „allrussischen“ Versammlung vor sich gehen. Die Errungenschaften des Kapitals sollten unter einer Schutzdecke von „Ordnung und Vaterland“ gesichert werden. Man musste den Schein einer allrussischen Sanktion des künftigen endgültigen Umsturzes, der Restauration und der Rückkehr zur Monarchie schaffen, wonach die März-„Republikaner“ wie die Fische nach Wasser dürsteten. Man musste sich schließlich eine feste Organisationsgrundlage schaffen. So entstand die Idee der Moskauer Staatskonferenz, einer neuen Landesversammlung, in der die „Leichen“ der Reichsduma die russische Revolution an der Gurgel packen sollten.“

Den bürgerlichen Spitzen schien nun die Politik Kerenskis und seiner Clique schon unzureichend. Obwohl Kerenski die Diktatur verwirklichte, war er doch ein Fremdling, der sich zur Bourgeoisie verirrt hatte. Kerenski diente dem Kapital nicht aus Furcht, sondern weil seine Überzeugung ihn dazu bewog. Er hatte aber „Jugendsünden“. Er war bereit, dem „Rücken“ des Kapitals seine Ehrfurcht zu bezeigen. Kerenski war aber immerhin ein Held der Phrase, nicht der Tat. Seine Bestimmung hatte er schon erfüllt: er half dem Kapital, die Volksmassen durch die Junioffensive dem imperialistischen Streitwagen vorzuspannen; er half dem Kapital, durch die Vernichtung des Proletariats im Juli die Arbeiter und Soldaten zu zügeln; er führte die Todesstrafe an der Front ein. Seine Popularität war aber bereits fast erschöpft. Da er alles verwirklichte, was die Bourgeoisie von ihm forderte, verlor er jeglichen Kredit bei der Masse.

Nachdem er seine Bestimmung für die „Industriekapitäne“ erfüllt hatte, war sein Name den Soldaten und dem Proletariat schon verhasst. Er wurde zu einer ausgepressten Zitrone, er wurde zu einem Schwätzer, dessen Phrasen nur noch lächerlich waren. Er fuhr fort, im Namen der Revolution zu reden, aber man schleuderte ihm schon den Namen eines Verräters der Revolution ins Gesicht. Seine Beschwörungen wirkten nicht. Seine Figur hörte auf, zu imponieren. Unter dem äußeren Glanz und tragischen Geflüster erkannten die Massen schon den gewöhnlichen Schelm. Die Bourgeoisie rief nun nach einem Militärdiktator; Kerenski aber war alles in allem nur ein Schwätzer in Zivil.

So wurde der Boden für das Entstehen eines neuen Prätendenten57, der die historische Rolle eines „Retters des Vaterlandes“ spielen sollte, vorbereitet. Zu diesem Prätendenten bestimmten die Finanzaristokratie, die handelsgewerblichen Kreise und die Großgrundbesitzer Kornilow. Die Moskauer Konferenz sollte den Erlöser-General zum Diktator proklamieren.58

Das Proletariat aber war auf der Hut. Es sah die drohende Gefahr, die sich immer mehr näherte, und mobilisierte seine Kräfte. Mit einem Streik des Protestes, der Empörung und Verachtung empfing das Moskauer Proletariat die von allen Seiten eintreffenden Vertreter des „Volkes“ in Generalsuniformen, Fracks und Bischofsmützen.

„Es lebe der allgemeine Streik, unsere erste drohende Warnung an die Herren Gegenrevolutionäre!“ – schrieb das Moskauer Organ der Bolschewiki, der „Sozialdemokrat“. Gewerkschaften beschlossen mit erdrückender Stimmenmehrheit, diesen Streik zu proklamieren. Die feigen „Revolutionäre“ aus dem Moskauer Rat, die Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die, obgleich sie in Worten Vertreter der Massen waren, nichts so sehr fürchteten wie ein Auftreten dieser Massen, beeilten sich freilich, sogleich den Streik „abzuwürgen“: sie nahmen eine Resolution an, die den Streik als „für die Revolution verderblich“ erklärte. Das Moskauer Proletariat aber bestätigte aufs Neue seinen Beschluss und 400.000 Arbeiter stimmten wie ein Mann den Losungen ihrer Klassenorganisationen zu. Und während alle Tage auf den Namen des Vorsitzenden der ultra-reaktionären Duma, Rodsjanko, Glückwunschtelegramme von Börsenversammlungen, Grundbesitzerverbänden und handelsgewerblichen Organisationen eintrafen, liefen von allen Seiten Nachrichten ein über Streiks und Demonstrationen des revolutionären Proletariats.

So stieß das „gesellschaftliche Bewusstsein“ der bürgerlich-gutsherrlich-militärischen Spitzen aufs schärfste mit dem „gesellschaftlichen Bewusstsein“ des Proletariats zusammen. „Es lebe die Militärdiktatur!“ rief die Großbourgeoisie, „Nieder mit der Gegenrevolution!“ erklärte entschieden das Proletariat. …

Die Moskauer Konferenz, die schon zur „Staatskonferenz“ erklärt wurde, erwies sich als eine geschickte Komödie ersten Ranges. Kaum kann man ein Beispiel größerer Heuchelei finden als jene Szenen, die wie nach Noten in der Großen Oper gespielt wurden. Alles, was dort geschah, war ein Geschäft, das die Form eines Kampfes hatte, um nicht ein Kampf zu sein, der keinem Geschäft gleicht.

Die „Konferenz“ war ein Geschäft der kleinbürgerlichen Führer des Sowjets mit der Großbourgeoisie, zugleich war sie aber auch ein Geschäft zweier Diktatoren: eines, der schon vorhanden war, und des anderen, dessen Kommen erst erwartet wurde.59 (Hervorhebung im Original, A.S.) … Die Konferenz sprach im Namen der „Nation“. In Wirklichkeit war aber der Hauptbestandteil der Nation – das Proletariat und die ärmsten Bauern – davon ausgeschlossen. Dafür waren aber alle Schattierungen des Eigentümerblocks vertreten. Das Geschäft wurde ohne den Wirt abgeschlossen, es hörte aber deswegen nicht auf, ein Geschäft zu sein. …

Kerenski wusste, dass Kornilow seine Truppen sammelte, um einen bewaffneten Umsturz durchzuführen. Er begrüßte ihn aber unter begeistertem Gebrüll aller Großgrundbesitzer und Börsenhaie als „den ersten Soldaten der Revolution“. Zugleich aber wurden für jeden Fall Gegenvorbereitungen getroffen und die beiden Rivalen begaben sich umsichtig allabendlich zum Übernachten in Eisenbahnwagen, die jeden Augenblick zu eiliger Abfahrt bereit standen. …

Das Triumvirat: Alexejew, Kornilow, Kaledin60 – legte völlig das Henkerprogramm des Finanzkapitals dar. Zerstörung der Revolution, Vernichtung der „Räte und Komitees“, Vertilgung oder gänzliches Unschädlichmachen der Soldatenräte – das war das Programm der Generale, das Fabrik, Bank, Grundbesitz und Börse guthießen. Aber nicht nur unmittelbar diese. Die Programmrede, die Kornilow las, hatte der Handlanger Kerenskis, Filonenko, für den General verfasst, derselbe Filonenko, der zusammen mit Sawinkow für Kerenski den Gesetzentwurf über die Todesstrafe für die Soldaten verfasst hatte. Es ist wohl auch klar, dass die Miljukows und Rjabuschinskis dieselbe Linie verfochten wie ihre Freunde aus dem Militär.“ …

 

Kommentar

Dass Miljukow und die Alliierten „dieselbe Linie verfochten wie ihre Freunde aus dem Militär“ ist keineswegs klar. Der englische Botschafter verfocht ebenso wie Miljukow die Aufrichtung eines Direktoriums unter Einbindung Kerenskis, als Vertreter des Sowjets. Die Militärführung fühlte sich aber an ihre Absprachen mit den Verbündeten und Finanziers nicht gebunden und plante die Aufrichtung einer Militärdiktatur ohne Einbindung der rechten Sowjetführer.

Während Miljukow auf der Staatskonferenz Besprechungen mit den Verschwörern führte, beschwor Kerenski die Unausweichlichkeit einer Koalitionsregierung. Gleichzeitig war er aber von den rechten Kadetten und den Alliierten als feste Größe für die Einrichtung eines drei- bis fünfköpfigen Direktoriums im Rahmen der Militärdiktatur vorgesehen; als Überrest des Sowjets sollte er das demokratische Feigenblatt für die Konterrevolution abgeben. Dieses Konzept wurde auch vom englischen Botschafter in Petrograd favorisiert. »Obwohl alle meine Sympathien auf Seite Kornilows waren, hatte ich immer von einem militärischen Handstreich nachdrücklich abgeraten, denn Russlands einzige Hoffnung auf Rettung lag in einer engen Arbeitsgemeinschaft zwischen ihm und Kerenski. Kornilow, der kein Reaktionär war, … wäre wohl bereit gewesen, mit Kerenski zu arbeiten, doch dahinter standen Männer, die die Regierung seit Wochen stürzen wollten. Das Geheimnis dieser Gegenrevolution kannten so viele Menschen, dass es schon lange kein Geheimnis mehr war. Auch Kerenski wusste davon …«61 (Schröder/Karuscheit 1917, S. 129)

Die Vorbereitungen zur Kornilowiade

Bucharin:

„Wenn das Geschäft mit der Richtung nach rechts das Ergebnis der Moskauer Konferenz war, so war das nicht nur den natürlichen Reaktionären nach ihrem Geschmack, sondern auch im Sinne des internationalen Kapitals, das daran tief interessiert war. Die alliierten Gesandten, die die Zarenloge füllten, begrüßten niemanden so heiß wie das blutdürstige Generalskleeblatt. Es ist kein Wunder, dass die „Möglichkeit, auf dem ausländischen Markte eine Anleihe von fünf Milliarden zu machen, das nächste Ergebnis der Moskauer Konferenz war.“62 Das war umso eher „möglich“, als General Kornilow, während er im Rücken der Armee die Todesstrafe forderte, offen mit der Übergabe Rigas drohte, eine Drohung, die er auch später wahr machte.

Die „Staatskonferenz“ verwandelte sich nicht in ein Dauerparlament, wie die Herren von der „Nowoje Wremja“ gehofft hatten. Es fand aber auch kein äußerer Umsturz statt, den die Bourgeois jeden Kalibers so eifrig erwarteten. Der „Name“ des „Helden“ war freilich schon auf allen Lippen. Ein Kriegsabenteurer, ein „ehrlicher Haudegen“, beschränkt indes, da er direkt auf das Ziel losging, war dieser stämmige General mit der Kalmückenphysiognomie, – der die feste Entschlossenheit besaß, die Straßen der Städte mit Arbeiterblut zu überschwemmen und mit den revolutionären Soldaten durch Niederschießen aufzuräumen …

Die größte Vorbereitungshandlung zu dieser Verschwörung war die ungeheure Provokation an der Front. Kornilow übergab Riga als Austausch gegen die Todesstrafe.63 Absichtlich wurden die besten lettischen Schützenregimenter, die ohne Ausnahme bolschewistisch waren, in sicheres Verderben geschickt. Kornilow spielte ohne Verlust. Wenn sie sich weigern, dem Armeebefehl zu gehorchen, kann man die Niederlage auf sie wälzen und sie durch die Hand der Henker vernichten. Die Todesstrafe fängt dann an, im ganzen Lande zu blühen. Wenn sie gehorchen, werden sie von den deutschen Kugeln vernichtet. Sie gehorchten, um den Abenteurern der Gegenrevolution nicht die Möglichkeit zu geben, die Bolschewiki zu verleumden. Und sie wurden vernichtet. Aber ihr Verderben rettete sie nicht vor Verleumdung. Während Kornilow durch geheime Nachrichten die alliierten Räuber „beruhigte“, indem er ihnen die wahren Beweggründe der Übergabe Rigas mitteilte, verbreitete er aus dem Hauptquartier die abscheulichsten Verleumdungen über die Soldaten. Vergebens protestierten die Soldatenräte, vergebens protestierten sogar die Kommissare der Provisorischen Regierung, vergebens beteuerte Woitinski, der in den Julitagen zum Niederschießen der Arbeiter aufgerufen hatte, „im Angesicht des ganzen Landes“, dass die Soldaten sich heldenhaft geschlagen hätten. Das Hauptquartier log ununterbrochen, indem es von eigenmächtigem Verlassen der Stellung, von Ungehorsam gegenüber den Armeebefehlen, von deutschen Agenten berichtete. Eine neue Welle unerhörter Lüge und verräterischer Hetze gegen die Soldaten überflutete das ganze Land. …

In der Heimat und an der Front, in den Hauptstädten und am Don bildeten sich Kampfzentren der Gegenrevolution. Der „Höchstkommandierende“ und „erste Soldat der Revolution“ ordnete fieberhaft seine Streitkräfte, indem er die revolutionären Truppen aus den Zentren der Revolution fortschickte und diese mit zuverlässigen Kavallerietruppen anfüllte.

Diese ganze Vorbereitungsarbeit wurde unter der von den Lockspitzeln der Kadetten und Generale ausgedachten Losung „Kampf gegen die Verschwörung der Bolschewiki“ geführt. Indem sie die Verschwörung der Kapitalisten und Gutsbesitzer vorbereiteten, schrien sie von einer Verschwörung der Arbeiter; indem sie die Truppen von der Front wegführten, beschuldigten sie die Partei des Proletariats des Verrats; indem sie die Gegenrevolution organisierten, wehklagten sie über die Gegenrevolution der Arbeiter und Soldaten; indem sie auf den Bürgerkrieg lossteuerten, trommelten sie vom Bürgerkrieg des Proletariats …

„In nüchterner Beurteilung der Lage“ – telegraphierte der Direktor der diplomatischen Kanzlei beim Stabe im Hauptquartier Trubetzkoi geheim dem Minister des Äußeren – „muss man anerkennen, dass das ganze Oberkommando, eine erdrückende Mehrheit der Offiziere und die besten Fronttruppen der Armee sich Kornilow anschließen. Auf seine Seite stellen sich in der Heimat das ganze Kosakentum, die Mehrheit der Kriegsschulen und auch die besten Fronttruppen. Zur physischen Kraft muss man hinzufügen … die moralische Sympathie aller nicht sozialistischen Schichten der Bevölkerung, in den untersten Schichten aber … Indifferenz, die sich jedem Schlag der Reitpeitsche unterordnet. Es ist zweifellos, dass eine ungeheure Menge der Märzsozialisten nicht zögern wird, auf Ihre Seite überzugehen … Dass Kornilow den Triumph Wilhelms vorbereitet, kann man in dem Augenblick nicht sagen, wo den deutschen Truppen nur übrigbleibt, unsere weiten Länder zu überwinden.“ So schätzten die Verschwörer der Gegenrevolution das „reale Verhältnis der Kräfte“ ein. …

Offen gegen Kornilow auftreten – das hieß mit der Finanzclique und den Generalen brechen, mit ihnen offen einen Bund schließen – das hieß die letzten Reste des Vertrauens zu seiner eigenen Person vernichten, deren Ruf auch ohnedies bereits völlig untergraben war. Unter solchen Umständen blieb nur noch eins übrig: indem man die Komödie des Kampfes spielte, in Wirklichkeit aber auf Geschäfte hinter den Kulissen einzugehen, d. h. tatsächlich, sich in eine Verschwörung gegen die Revolution einzulassen. Das war umso leichter, als alle Gehilfen Kerenskis erklärte Anhänger Kornilows waren; Sawinkow, Filonenko, Burzew, von den Mitgliedern der Kadettenpartei gar nicht zu reden, waren feurige Anhänger einer Staatsumwälzung zum Wohle des Rittergutes und des Bankkontors. Deshalb wurden die ersten Vorbereitungen zum Kampf (und zum Kampf nicht mehr nur gegen die „Bolschewiki“, sondern auch gegen die menschewistisch-sozialrevolutionären Räte) nach Anordnung des bonapartistischen Komödianten getroffen; und Sawinkow führte mit Einwilligung Kerenskis das 3. Kavalleriekorps nach Petersburg zur Vernichtung derselben revolutionären Demokratie, für deren Anhänger er sich ausgab.

Am 26. August stellte Kornilow durch den Fürsten Lwow, einen der Minister der ersten „revolutionären“ Regierung, sein Ultimatum. Kerenski „verhaftet“ Lwow. Kornilow, in dessen Hauptquartier sich die „Stützen der Gesellschaft“ verschanzt hatten, veröffentlicht ein feierliches Manifest „an das russische Volk“, dass die Regierung in Händen der Deutschen und der Bolschewiki sei. Die „Kriegsoperationen“ beginnen …

Kommentar

Dies ist eine äußerst verkürzte Darstellung der durchaus verwickelten und von Charaden nicht freien Geschehnisse bei der Aufdeckung der Kornilowiade, bei der durchaus mehrere Kräfte als nur die Reaktion agierten.

„Inzwischen hatte Kerenski von einem ehemaligen Mitglied der Provisorischen Regierung erfahren, wie die Stimmung im Armeehauptquartier war und welche Pläne die hinter Kornilow stehenden Kräfte mit der Sowjetführung und ihm selber hatten. Über sein weiteres politisches Schicksal war u.a. der Satz gefallen: »Den Namen Kerenski brauchen wir, um die Soldaten etwa zehn Tage bei der Stange zu halten, danach wird er eliminiert.«64 Nach diesen Informationen war er nicht mehr bereit, weiterhin die Verschwörung Kornilows zu decken oder mit ihm zusammen ein Direktorium zu bilden, wie es die Pläne Miljukows und der Alliierten vorsahen. Er enttarnte die von ihm selber mitgetragene Verschwörung und entließ Kornilow als Oberkommandierenden.“ (Schröder/Karuscheit, 1917, S. 129) Der entscheidende Zug zur Aufdeckung der Kornilowiade ging von dem Mitverschworenen Kerenski aus, als ihm klar wurde, dass der Staatsstreich sich nicht mit der Liquidierung der politischen Linken in den Sowjets begnügen würde und damit sein Kopf ebenso zur Disposition stand wie der Kopf Lenins, Trotzkis oder Martows.

Die wesentliche Aussage der Kornilowschen Proklamation zum Staatsstreich ist nicht die Behauptung, „dass die Regierung in Händen der Deutschen und der Bolschewiki sei“, eine Behauptung, die nur eine Handvoll verstockter und wirklichkeitsfremder Reaktionäre glaubhaft gefunden hätte, sondern Kornilows Appell an die Massen der russischen Bevölkerung, an die Bauernschaft.

»Ich, General Kornilow, der Sohn eines Kosakenbauern, sage einem jeden, dass ich persönlich nichts anderes als die Erhaltung Großrusslands begehre, und ich gelobe, dem Volk durch den Sieg über den Feind die Konstituierende Versammlung zu bescheren, in der es sein Schicksal selbst entscheiden und die Form seines neues Staatslebens wählen wird.«65 Was kann den Charakter der russischen Revolution deutlicher enthüllen als die Tatsache, dass selbst der vom Großgrundbesitz, der rechten Bourgeoisie, der Armeeführung und den Alliierten favorisierte Militärdiktator erst einmal seine bäuerliche Herkunft beschwören muss, um Anspruch auf die Macht zu erheben?

Darüber hinaus reduzierte sich sein politisches Konzept auf die Wiederherstellung der Disziplin in der Armee, die Erhaltung Großrusslands (von Miljukows weitergehender imperialer Zielsetzung kein Wort) und das Versprechen der Einberufung der Konstituierenden Versammlung, die die künftige Staatsform festlegen sollte. Das erscheint als Programm der Konterrevolution äußerst gemäßigt, der Unterschied zu Kerenski ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen.

Der reale Unterschied bestand in der konsequenten Absicht, die Macht des Sowjets über die Armee und die Hauptstadt zu brechen. In diesem Ziel trafen sich Kornilows Absichten zwar faktisch mit denen Kerenskis, der dies im Vorfeld seiner Juni-Offensive und nach den Juli-Tagen ebenfalls wiederholt versucht hatte, da aber Kerenskis Rolle und Bedeutung von der Existenz des Sowjets abhing, waren seinen Versuchen enge Grenzen gesetzt gewesen.“ (Schröder/Karuscheit, 1917, S. 130-131)

 

  1. Das Ende der Kornilowiade

Bucharin:

„Während Gutschkow, Rodsjanko, Nabokow und andere Führer der kadettisch-ultra-reaktionären Bourgeoisie aus dem Hauptquartier einen Raubüberfall organisieren, sprengen die kadettischen Minister die Regierung von innen, um ihre einfältigen „sozialistischen“ Kollegen zu schwächen. Das Kabinett geht mit Krach und Getöse auseinander. Es beginnt ein unglaublicher Wirrwarr in den Regierungsstellen. Nach Überredungen, Unterhandlungen, Drohungen und Bitten erblickt in dem Netze gemeinster Intrigen die Regierung Kerenski-Kischkin66 das Licht der Welt.

Die Börse antwortet auf den Putsch Kornilows mit einem allgemeinen Ansteigen der Werte. Das internationale Kapital applaudiert in seiner Presse mit seltener Eintracht dem „Erlöser Russlands“. Nicht nur die Organe der verbündeten Bankokratie von dem Schlage der „Times“, „Temps“ oder der Söldlinge amerikanischer Trusts, sondern auch die deutsch-imperialistische Presse begrüßt laut den neuen Helden. Die englische Regierung stellt Kornilow ihre Panzerautomobile zur Verfügung, um bei der Vernichtung des roten Petersburg zu helfen. Waffen und Finanzen werden gegen die Arbeiter und Bauern gerichtet.

Ein rasender Wind brauste durchs Land. Das Proletariat, das die ganze Zeit auf der Hut war, dass die kleinbürgerliche Demokratie vergebens anrief und vor der Todesgefahr warnte, fuhr auf. Die Arbeiter der Hauptstädte und in der Provinz ergriffen die Waffen, überall, wo es nur die geringste Möglichkeit gab, die stählernen Beschützer der Freiheit zu erhalten, bewaffneten sich die Proletarier. Petersburg erschuf im Handumdrehen die Rote Garde. Die Arbeiter der Kanonenfabriken erhöhten die Produktivität dieser Fabriken sogleich aufs doppelte und begannen, Maschinengewehre, Kanonen und Geschosse zur Verteidigung gegen die Klassengegner zu verfertigen. Die proletarische Partei, die Bolschewiki, gab als Losung den Kampf bis zum letzten Blutstropfen aus, nicht den Kampf für Kerenski, sondern für die Revolution. Und überall traten in diesem kritischen Augenblicke die Arbeiterklasse und ihre Partei durch den Lauf des Kampfes selbst auf die gefährlichsten Posten.

Die Räte und die kleinbürgerliche Demokratie drängten sich zu den Proletariern. Die bolschewistischen Matrosen Kronstadts, die man so viel verleumdet, die man Gegenrevolutionäre und Feinde der Freiheit genannt hatte, wurden zu ihren besten Verteidigern ausgerufen und eiligst nach Petersburg berufen. Die Arbeiter, gegen die im Juli die „zuverlässigen“ Kavallerieregimenter und die „Todesbatallione“ herbeigerufen worden waren, wurden zur Schutzwehr der Revolution erklärt. Die Partei des Proletariats, die früher über die Achsel angesehen worden war, wie ein Gesindel von Verbrechern, Lockspitzeln und Spitzeln, wurde in 24 Stunden rehabilitiert und zum erwünschten Verbündeten erklärt. Die Führer des Kleinbürgertums in den Räten stürzten auf die Seite der Arbeiterklasse; sie begriffen sehr wohl, dass die Gegenrevolution ihre Logik hat, sie wussten, dass die siegreichen Banden Kornilows nicht nur die Bolschewiki, sondern auch alle Anhänger des Kompromisses wegfegen würde; sie sahen ein, dass die Reaktion bereit war, nach der Forderung Miljukows und Rjabuschinskis alle „Räte und Komitees“ zu vernichten. Und an allen Gliedern zitternd, begannen sie kläglich, von „Einigkeit der revolutionären Front“ zu wimmern.

Der Ansturm der Massen war außerordentlich stark. Buchstäblich waren alle Arbeiterorganisationen auf den Beinen. In den Räten pulsierte ungeachtet der Mehrheit der Kompromissler neues, kampfbereites Leben. Überall in den Hauptstädten bis in die fernen Provinzstädte wurden revolutionäre Machtorgane geschaffen. In Petersburg und Moskau erschien aufs Neue das bewaffnete Volk auf der Szene. Und überall, wo nur von Mobilisation der Kräfte, vom Einflüsse auf die Garnison, von verantwortlichen Kampforganisationen die Rede war, erwies sich die Partei des Proletariats als beweglichste, kühnste, entschiedenste und kampffähigste Organisation.

Der Aufstand Kornilows war verblüht, ehe er sich zu entfalten vermochte. Die Streitkräfte Kornilows, die, von ihren Generälen betrogen, gegen Petersburg vorrückten, lösten sich auf bei der ersten Berührung mit den Truppen, die gegen sie ausgeschickt wurden – ausgeschickt weniger von dem eine Komödie des Kampfes spielenden Kerenski, als von den Organisationen der Räte, in deren Hände tatsächlich die Leitung der Kriegsoperationen überging. In den städtischen Zentren aber, wo die Georgsritter, die männlichen und weiblichen Todesbataillone, die Offiziere und Generäle so viel vom lichten „Tage“ redeten … – wagten diese Helden überhaupt nicht aufzutreten. Sie kannten den Wert ihrer Verbündeten – der Spießbürgermasse, die nur dann kühn ist, wenn sie sich außer Gefahr befindet. …

Die „untersten städtischen Schichten“ äußerten durchaus keine Neigung, dem Schlag der Reitpeitsche zu gehorchen, wie die Banditen des Kapitals gehofft hatten. Diese untersten Schichten riefen als Antwort auf das Auftreten des Generals einmütig: „Tod oder Sieg!“ und mit einem Enthusiasmus, den nur eine arbeitende, vor Begeisterung strahlende, ihre großen historischen Aufgaben verstehende, junge und heroische Klasse fähig ist zu entwickeln, eilten sie auf die Vorposten des Bürgerkrieges.

Verbrüderung war das Hauptmittel zur Auflösung der Kornilowschen Truppen. Sogar die halbwilden Tekiner,67 aus denen der kühne General auserlesene Kompanien zur Rettung der bürgerlichen Zivilisation gebildet hatte, sogar diese „Wilden“, die man zur Vernichtung der Hunnen des „Sozialismus, Kommunismus und der Anarchie“ zu gebrauchen gedachte, verloren ihre sklavische Unterwürfigkeit vor Kornilow. Der Vormarsch der Truppen an der inneren Front, der in den auserlesensten Salons der russischen Kunstfreunde68 vorbereitet worden war, den die bürgerliche Presse durchs schönste Geläute aller Glocken angekündigt hatte, dieser Vormarsch schrumpfte plötzlich zusammen wie eine mit der Stricknadel durchstochene Blase. Der strenge Held der Bourgeoisie aber erschien als halsstarriger Tropf, der sich durch alles Mögliche, nur nicht durch die Genialität des Siegers auszeichnete.

Der Kornilowsche Putsch spielte eine direkt entgegengesetzte Rolle als die, die die bürgerliche Verschwörerbande angestrebt hatte; er öffnete nicht nur den zurückgebliebenen Arbeitern die Augen, sondern auch den Bauern, nicht nur der Heimat, sondern auch der Front; er rief die größte Umgruppierung der Kräfte hervor und verstärkte die Position der Partei des revolutionären Proletariats gewaltig. … Das politische Wachsen des Klassenbewusstseins der breiten Volksmassen äußerte sich in einem völligen Zusammenbruch der Kompromissparteien.

Die Menschewiki, die sich in erheblichem Maße auf zurückgebliebene, durch kleinbürgerliche Vorurteile, Hoffnungen und Zuversicht angesteckte Schichten der Arbeiterklasse stützten, verschwanden als Partei fast ganz von dem politischen Kampfplatz; denn das Schwinden der politischen Illusionen entwickelte sich besonders schnell gerade unter dem Proletariat. Diese Illusionen wurden mit einer fast katastrophalen Schnelligkeit überwunden.

Die Sozialrevolutionäre traten in eine Periode innerer Auflösung ein, indem sie immer schärfer in Ideologen des standhaften Bäuerlein-Blutsaugers und in Ideologen des ärmsten Bauerntums zerfielen; dieser Prozess fand seinen Ausdruck in der Abspaltung eines linken Flügels der Sozialrevolutionäre, der mit jedem Tage stärker wurde. Schließlich begann die Partei des Proletariats gleich einer Lawine zu wachsen. Das Land zerfiel immer mehr in zwei feindliche Lager; das eine – an dessen Spitze das revolutionäre Proletariat und seine Partei stand – dieses Lager wurde zum Lager aller Arbeitenden, zum „Volks“-Lager und das andere – es vereinigt alle Fraktionen der herrschenden Klassen, mit dem früheren Hoffräulein beginnend und mit dem Mehlhändler und Dorfwucherer schließend. An der Spitze dieses Lagers standen das Finanzkapital und die Partei des Volksverrats. … Aber ehe es zum entscheidenden Kampfe kam, ließ die Geschichte das Land noch einmal unter dem theatralischen Bogen einer allrussischen Komödie hindurchziehen. Der Name dieser Komödie war die „Demokratische Konferenz“.

 

  1. Die demokratische Konferenz

Bucharin:

Die „Liquidation“ des kornilowschen Aufstandes nahm den Charakter einer wahren Verhöhnung der Massen an. Zuerst wurde Kornilow, der feierlich als Verräter erklärt worden war, bis zur Ernennung eines anderen als tatsächlich Höchstkommandierender auf seinem Platze belassen. Später ernannte Kerenski sich selbst zum Höchstkommandierenden, während er zum Befehlshaber des Stabes, d. h. wieder zum tatsächlichen Höchstkommandierenden den General Alexejew ernannte, einen zaristischen Henker, den nächsten Freund General Kornilows69, einen direkten Mitschuldigen der Kornilowschen Verschwörung und den Vermittler zwischen Kornilow, Rjabuschinski und Miljukow. … Dieses Subjekt wurde also ernannt, um die Armee von der Gegenrevolution zu reinigen. Noch mehr: ihn, den Mitschuldigen an der Verschwörung, beauftragte man mit der Untersuchung der Affäre. Kerenski, selbst bis an den Hals im Dreck, beauftragte seinen Mitschuldigen, die Sache ihres Hauptkompagnons zu untersuchen! …

Die Herren Kapitalisten waren aber auch außerordentlich unzufrieden mit dem Benehmen Kerenskis, von dem sie entweder größere Entschlossenheit oder den Abschied zugunsten Kornilows forderten. Das letztere war der von den Verschwörern ausgearbeitete Plan. Kerenski hatte ja im allerkritischsten Augenblick Kornilow nicht mit bewaffneter Macht unterstützt, sondern eine Komödie des Kampfes gegen ihn gespielt. Diese Rolle war durchaus nicht nach dem Geschmack der Realpolitiker, der Textil- und Metallurgiekönige. Und sie begannen einen energischen Feldzug, der das ganze Doppelspiel des der Demokratie so verhassten „Demokraten“ Kerenski entlarvte. …

Durch Urkunden wurde die Teilnahme Kerenskis an der Vorbereitung des Planes zur Errichtung der Militärdiktatur bewiesen, ebenso an dem Bestreben, Petersburg und Kronstadt zu erwürgen, an der Berufung des dritten Kavalleriekorps, an der Provokation der „Verschwörung der Bolschewiki“ und an der Vorbereitung des Planes, die Räte auseinanderzujagen. Es kam ein ganzer Haufen Intrigen, Betrügereien und gegenseitiger Verrätereien an den Tag. Jeder neue Tag brachte Nachrichten, von denen eine sensationeller als die andere war. Es wurde allen klar, dass neben der Kornilowiade noch eine Kerenskiade existierte, die sich von jener „prinzipiell“ nur durch größere Tücke und Feigheit unterschied. …

Wie sehr das Direktorium Kerenskis sich auch bemühte, seine Sünden gegen die Bourgeoisie gutzumachen, sie suchte Kornilow zu retten… Kerenski proklamierte die Republik, um zu beweisen, dass es in Russland eine „Staatsordnung gibt“. Er verbot aber in Petersburg die Zeitungen „Rabotschi“70 und „Nowaja Shisn“, bereitete unter dem Vorwand des Kampfes gegen die Anarchie eilig Strafexpeditionen gegen den Arbeiter- und Soldatenrat von Taschkent vor …

Während sich oben ein unablässiger Wechsel der Minister vollzog, der schon für das zaristische Regime so charakteristisch war, … entwickelte sich in den unteren Schichten der Prozess eines rapiden „Ruckes nach links“. Dieser Prozess fand auch in der veränderten Stellung der wichtigsten Räte seinen Ausdruck. Die menschewistisch-sozialrevolutionären Führer versuchten, ihren Einfluss durch ein System bürokratischer Scheidewände zu festigen und sich vor den „Anschlägen der Massen“ zu verschanzen. Je rascher das Land aber nach links rückte, in umso höherem Maße wurden die Räte wieder zu Organen des Klassenkampfes des Proletariats und der Soldaten gegen die imperialistische Staatsgewalt …

Die Neuwahl einiger ihrer Mitglieder, der Übergang anderer zur Linken, hatte zur Folge, dass der Petersburger Rat in die Hände der Bolschewiki überging. Das Präsidium des Vollzugsrats mit Tscheidse und Dan an der Spitze war gezwungen, seinen Abschied zu nehmen. Nach dem Petersburger Rat ergab sich auch im Moskauer Arbeiterrat die Mehrheit für die Partei des revolutionären Proletariats. …

Die Räte in den Hintergrund rücken, die Koalition sanktionieren, eine Organisation des starken mittleren Bürgertums schaffen, damit die Finanzoligarchie durch diese herrschen könne, endlich dem Druck der Bolschewiki zuvorkommen durch Errichtung einer soliden „demokratischen“ Schranke gegen die revolutionäre „Anarchie“, – das war der Plan der Liber und Dan, deren Namen schon zu Gattungsnamen für Personen des sozialverräterischen Typus geworden waren.

Aus solchen Bedürfnissen entstand der Plan der „demokratischen Konferenz“. Das Ziel, das die Spitzen des Zentralrats sich stellten, bestand in der Bildung einer Scheindemokratie. Es ist kein Wunder, dass dieses Ziel nur durch Fälschung realisiert werden konnte. Wenn die Moskauer „Staats“-Konferenz die Stimme der „Nation“ fälschen sollte, indem sie dieser Nation Henker in Epauletten oder ohne Epauletten unterschob, so sollte die demokratische Konferenz die Stimme der Demokratie fälschen, indem sie ihr anstatt der Bauern, Soldaten und Arbeiter den wohlhabenden Mittelstand und die Kornilowsche Intelligenz unterschob.

Den Räten, diesen einzigen Vertretern der revolutionären Demokratie, wurde ein Platz dritten Ranges zuerteilt. Auf die ersten Plätze ließ man die Vertreter der Semstwos, Städte, Genossenschaften, an die sich noch eine ganze Reihe Intelligenzler-Berufsorganisationen anschlossen. …

In ihrer Grundlage gefälscht, konnte die demokratische Konferenz nicht anders, als sich während der ganzen Zeit ihrer Tätigkeit mit Fälschungen beschäftigen. Kerenski, der durch die Presse vorbeugend den privaten Charakter der Konferenz bekannt gemacht hatte (für eine Staatsversammlung fehlten hier doch die Rjabuschinskis und Kaledin), „gab“ schon in der ehrenwerten Versammlung „den Ton an“, indem er erklärte, dass er, d.h. Kerenski, die Kornilowiade vollständig unterdrückt habe. (Das wurde gerade zu der Zeit gesagt, als die Untersuchungskommission in aller Öffentlichkeit verkündete, dass es „ihr schwerfalle Kornilow zu verhören“).

Darauf ergossen sich endlose Reden früherer und amtierender Minister, nach ihnen aber zahllose Vertreter zahlloser Organisationen. … Mit einem Wort, alle Minister, die sich an die Bequemlichkeiten des Kompromisses gewöhnt hatten, verteidigten ihn aus allen Kräften. Die „Masse“ aber, die die Fachleute der Prellerei gewandt zusammengebracht hatten, gab 766 Stimmen für die Koalition und 688 dagegen ab, die Räte stimmten mit erdrückender Mehrheit dagegen, mit noch erdrückenderer Mehrheit auch die Gewerkschaften. Einstimmig dagegen äußerte sich die Flotte; sogar die Hälfte der alten Armeeorganisationen lehnte die Koalition ab. Die Koalitionsfreunde siegten mit Hilfe derer, denen sie im Voraus das Übergewicht garantiert hatten: durch die Semstwoabgeordneten, die Stadtverordneten, die Genossenschaftler zusammen mit den Sozialverrätern aus allen anderen Organisationen.

Als aber die Frage nach einer Koalitionsregierung von den Kadetten gestellt wurde, da wagte sogar diese ausgesuchte Mehrheit nicht, für die Kornilow-Partei des Volksverrats zu stimmen. Wie die sozialverräterischen Nachtigallen auch sangen, diese Nummer konnten sie nicht durchführen. Und als es klar wurde, dass eine Koalition mit der Bourgeoisie ohne Kadetten ein Unsinn sei, als die Frage nach der Bildung einer scheinsozialistischen Regierung „ohne Bourgeoisie“ auf die Tagesordnung gesetzt wurde, wichen die Menschewiki und Sozialrevolutionäre mit Grauen vor einer solchen Perspektive zurück und stimmten einstimmig gegen die Resolution. Am Resultat erwies sich, dass die Demokratische Konferenz ihre eigene Resolution hatte durchfallen lassen und ihre welke und dürftige Nacktheit entblößend, mit leeren Händen sitzen blieb. …

So gebar der Koloss der Demokratischen Konferenz vor allen Dingen den lächerlichen Balg des „Vorparlaments“. Ein machtloses und beratendes Organ Kerenskis, eine elende Kanzlei, wo der eingeschränkte Bestand der Konferenz durch eine gründliche Portion von Großbourgeois mit den Kadetten an der Spitze ergänzt wurde, gegen die seinerzeit die Konferenz gestimmt hatte – das war das Ergebnis der Debatten „über die Regierung“. Das Problem der Aufhebung der Verantwortungslosigkeit des Bonapartisten fand seine Lösung in der Bildung eines „Vorparlaments“, das gerade vor dem verantwortlich war, dessen Verantwortungslosigkeit es überwinden sollte. …

 

  1. Die Oktoberrevolution

Bucharin:

„Alle Macht den Räten“, „Einberufung des Zweiten Räte-Kongresses!“ – das war die Losung, mit der die Bolschewiki in die Demokratische Konferenz und ins Vorparlament gingen. Die Partei des Proletariats sah die objektive Unvermeidlichkeit des Bürgerkrieges sehr wohl ein. Das Großbürgertum hatte keinen anderen Ausweg als einen offenen Angriff aufs Volk, gegen das es einen dauernden Kleinkrieg führte. Als Antwort auf die Losung des Proletariats löste Kerenski den Arbeiter- und Soldatenrat von Taschkent auf; als Antwort auf die Stimme der Bauern setzte „seine“ Regierung die Verhaftung der Landkomitees fort; als Antwort auf die Beschwerden der Eisenbahnarbeiter und der Grubenarbeiter am Don wurden sie „beruhigt“; als Antwort auf die Forderung der Anerkennung der Rechte Finnlands schickte man Strafexpeditionen und entfernte die revolutionären Truppen; als Antwort auf die Resolutionen der Arbeiter, die die Befreiung der Bolschewiki forderten, befreite man Kerkermeister und Gendarmen; schließlich als Antwort auf den einmütigen Ruf des ganzen Volkes: „Nieder mit den Verräter-Kadetten!“ ernannte Kerenski ein Kadettenministerium mit Livreelakaien aus der Mitte gewesener Sozialisten. Nach allen Entlarvungen, nach der Hetze der Kadetten gegen die Armee, nach der Niederlage des Kadettenaufstandes, nach dem Verrat Rigas, … wirft Kerenski dem Proletariat eine Herausforderung ins Gesicht, indem er die gebrandmarkten Verräter ins Ministerium beruft.

Regierung des Bürgerkrieges – unter diesem Namen wird das neue Kabinett der russischen Republik in der Geschichte verewigt. Konowalow, der größte Moskauer Industrielle, Ideologe und Praktiker der allrussischen Sabotage – jetzt Minister für Handel und Industrie und Vertreter des Ministerpräsidenten. … Tretjakow, auch Industrieller und Börsenmann, einer der Monopolisten Zentralrusslands – Vorsitzender der ökonomischen Konferenz. … Als Reichskontrolleur wird Smirnow bestimmt. Smirnow, der in seiner Fabrik nicht nur den Arbeitern Hungerlöhne zahlte, ihnen Feuer und Wasser entzog, sondern auch seine Pferde des Hungers sterben ließ, um nachher die Möglichkeit zu haben, aus politischen Erwägungen den Betrieb zu schließen. … Als Minister des Äußeren blieb Tereschtschenko. … Kischkin, mit dem die Moskauer Räte sich weigerten, irgendwie zu verkehren, wurde als Minister der Volksfürsorge bestätigt. …

Die Herren aus der Provisorischen Regierung hofften dabei auf die Unterstützung des Spießbürgers und jenes Mittelstandes, der sich in der Demokratischen Konferenz unter der politischen Führung der Genossenschaftler vereinigte. … Die Zeitung Kerenskis, Sawinkows und Konsorten, die Wolja Naroda, aber läutete Sturm und rief auf zum Kampfe gegen den Bolschewismus, und behauptete, dass „ein Kompromiss nicht mehr am Platze sei“, und dass „die Demokratie sich vereinigen und mit eiserner Hand den Bolschewismus zwingen müsse, sich ihrem Willen zu beugen.“ …

Die Zuspitzung des Klassenkampfes ging von dieser Seite auf einmal nach allen Richtungen aus. Auf wirtschaftlichem Gebiet wurde systematisch und hartnäckig der Plan Rjabuschinskis durchgeführt, die Arbeiter „mit der knochigen Hand des Hungers“ zu fassen. Die „verschleierten“ und „offenen“ Aussperrungen wiederholten sich immer öfter. Bei völligem Verfall der Industrie und Desorganisation der ganzen Wirtschaft goss die „handelsgewerbliche Klasse“ geschickt Öl ins Feuer durch bewusst berechnete Sabotage, die wuchs und wuchs. …

Die Deklaration, die von der neuen Regierung veröffentlicht wurde, bestätigte vollkommen die schlimmsten Befürchtungen: Weiterführung des Krieges „in Einigkeit mit den Verbündeten“; die „Regulierung“ der Agrarverhältnisse „ohne Verletzung der Rechte des bestehenden Grundbesitzes“; die Erhöhung der indirekten Steuern; endlich Führung des „entschiedensten, konsequentesten und systematischsten Kampfes gegen alle Erscheinungen der Gegenrevolution und Anarchie“ – das war das „Programm“! In eine einfache Sprache übersetzt, bedeutete das internationalen Raub, Schutz der Gutsbesitzer, Ausplünderung der Massen, Erwürgung der Revolution. So musste das Programm der Regierung des Bürgerkrieges sein, und ein solches war es.

Das Proletariat mobilisierte mit immer größerer Beharrlichkeit die Kräfte der Räte. … Es begannen die Vorarbeiten zur Einberufung einer Reihe von Gebiets- und Armeekongressen. Es begann eine fieberhafte Agitation für die Einberufung des Allrussischen Räte-Kongresses, die seinerzeit – unter starkem Druck seitens der Massen – auch vom Zentralrat beschlossen war. Zum Brennpunkt des politischen Lebens wurde auf diese Weise nicht der elende Rat der Republik, sondern der künftige Kongress der russischen Revolution. Im Mittelpunkt dieser Mobilisationsarbeit stand der Petersburger Rat, der in der demonstrativsten Weise Trotzki, den glänzendsten Tribunen des proletarischen Aufstandes, zu seinem Vorsitzenden erwählte.

Zu derselben Zeit entlarvten sich die bürokratischen Spitzen der Räte endgültig als Verräter, jene, die schon während der Demokratischen Konferenz vor den Räten zurückgewichen waren, da sie fühlten, dass ihnen der Boden dort schon endgültig entschwunden war. Das offizielle Organ der Räte begann, einen Kampf zur Vernichtung dieser Räte zu führen!

„Die provisorische Organisation der Räte – schrieb die Iswestija – wollen wir (!) durch eine beständige, vollkommene und allseitige Organisation des staatlichen und lokalen Lebens ersetzen. Als der Zarismus fiel und zugleich damit die ganze bürokratische Ordnung, errichteten wir (!), die Arbeiter- und Soldatenräte, provisorische Baracken, wo die ganze Demokratie Zuflucht finden konnte. Nun wird anstatt der Baracken der beständige Steinbau neuer Ordnung errichtet, und es ist natürlich, dass die Menschen aus Baracken in bequemere Räumlichkeiten ziehen, nachdem Stockwerk auf Stockwerk fertig wird.“ …

So tief fielen die „Demokraten“ und „Sozialisten“! Aber sie proklamierten nicht nur Entsagung, sie führten auch eine erbitterte Kampagne für die Sprengung des Sowjet-Kongresses, der schon für den 20. Oktober festgesetzt war. Im Büro des Zentralrats stellte Bürger Dan, dieser alte Fuchs des Kompromisses, der Heuchelei und hinter den Kulissen abgewickelter Geschäfte, als erster die Frage nach der Aufhebung des Kongresses. Das gelang nicht. Aber alle Agenten des Zentralrats an Ort und Stelle, alle Menschewiki und Sozialrevolutionäre, waren bestrebt, den Kongress in die Luft zu sprengen oder ihn wenigstens zu diskreditieren. … Der Feldzug der Anhänger des „Verteidigungskrieges“ gegen den Kongress war jedoch im Voraus durch den ganzen Verlauf des Klassenkampfes, der mit jedem Tage immer heftiger entbrannte, völlig dem Zusammenbruch geweiht. …

Daneben aber erringen die Eisenbahner einen Sieg; der allgemeine Streik in Baku bricht den Widerstand des Kapitals; die Wahlen in den Moskauer Stadtbezirksverordnetenversammlungen geben den Bolschewiki einen glänzenden Sieg, die ihre Stimmenzahl von 11 auf 50 Prozent steigern; der Kongress der Baltischen Flotte äußert sich im Ganzen für die Bolschewiki; der ganze Moskauer Bezirk wallt und wogt; die Gerber streiken; die Stadtbeamten, die Holz- und Textilarbeiter, die Metallarbeiter bereiten sich zum Streik vor. In den Räten beginnt ein Niederreißen des Alten von Grund auf, die Neuwahlen ergeben ohne Ausnahme Bolschewiki; hier und da treten die Arbeiter auf und fordern schon, dass die Räte von den Worten zur Tat übergehen …

Den ersten Schuss tat die Gegenrevolution – Kosakentruppen sprengten den Rat von Kaluga. Nur durch reinen Zufall wurden die Mitglieder des Rates nicht niedergeschossen. Alles wurde ausschließlich deshalb barbarischer Verwüstung unterzogen, weil die Woge der Unzufriedenheit des Volkes an die Spitze des Rates von Kaluga Bolschewiki gestellt hatte, an denen die Kosakentruppen mit dem Kommissar der Provisorischen Regierung an der Spitze und bei wohlwollender Teilnahme der Mitglieder der örtlichen Stadtverordnetenversammlungen sich zu trainieren beschlossen. Der Kommissar und diese „Mitglieder“ erwiesen sich als „Sozialrevolutionäre“. Das erste Wort des Verrats und des Mordes gehörte ihnen.

Die Ereignisse von Kaluga veranlassten die Räte, rasch vorwärts zu schreiten. Währenddessen geht der Rat in Petersburg schon in den Kampfzustand über. Eine scharfe Resolution gegen die Regierung bedeutete, dass Kriegsoperationen nahen. Die Kronstädter Matrosen verfluchten den „elenden Bonaparte“; der Kongress der Räte des Nordgebietes verlief als einmütige und stramme Musterung der revolutionären Armee; der Kongress der Vertreter des 6. Armeekorps verkündete seinen Entschluss, der Regierung Kerenskis keinerlei Unterstützung zu leihen und proklamierte die Notwendigkeit der Machtergreifung durch die Räte.

Am 20. Oktober beschloss der Petersburger Arbeiter- und Soldatenrat, ein Kriegs-Revolutionskomitee zu organisieren. Der Zentralrat der Baltischen Flotte, der Finnländische Gebietsrat, die Fabrikräte, die Gewerkschaften, der Rat der Bauerndeputierten Petersburgs, die Kampforganisationen der Partei usw. schickten dorthin ihre Vertreter. Das war der militärische Generalstab der neuen Revolution und des Aufstandes gegen die imperialistische Diktatur. …

Den Anfang machte der Konflikt zwischen dem Kriegs-Revolutionskomitee und dem Bezirksgeneralstab, der sich weigerte, die Bevollmächtigten des Komitees anzuerkennen. Die Unvermeidlichkeit des Zusammenstoßes wird allen klar. Für den 22. Oktober wird der „Tag des Petersburger Rates“ anberaumt, der sich in eine Hauptmusterung der revolutionären Kräfte verwandelt. Das Kriegs-Revolutionskomitee trifft Maßnahmen zur Bewachung der Stadt, ernennt seine Kommissare in allen Truppenteilen und an den wichtigsten Punkten. Die tatsächliche Verfügung über die Kriegskräfte geht auf diese Weise in die Hände des Rates über.

In der Nacht auf den 25. Oktober besetzen die revolutionären Truppen die Bahnhöfe, die Post, das Telegraphenamt, die Reichsbank, die Petersburger Telegraphen-Agentur. Einzelne Minister wurden verhaftet. Noch um 6 Uhr abends des vorhergehenden Tages versuchte die Provisorische Regierung die Zeitung Rabotschi i Soldat zu verbieten. In der Nacht aber befand sich ein Teil dieser Regierung bereits hinter Schloss und Riegel. Die bonapartistische Macht wurde ohne Blutvergießen gestürzt. So einmütig, harmonisch und mächtig war der Ansturm der Arbeiter und Soldaten, die in den Kampf für die Macht der Räte zogen.

Am 25. Oktober berichtete Trotzki, der glänzende und heldenmütige Tribun des Aufstandes, der unermüdliche und feurige Prediger der Revolution, im Namen des Kriegs-Revolutionskomitees unter donnerndem Applaus den im Petersburger Rat Versammelten, dass die „Provisorische Regierung nicht mehr existiert“. Und als lebender Beweis dieser Tatsache erscheint auf der Tribüne, mit stürmischer Huldigung empfangen, Lenin, den die neue Revolution von der Illegalität befreite.

Um 10 Uhr abends wird der Zweite Allrussische Räte-Kongress eröffnet. Von Anfang an ist es klar, dass die Anhänger des „Verteidigungskrieges“ hier nicht mehr hingehören. Herren der Situation in der Vergangenheit, verlassen sie nun den Kongress; ihnen folgt auch ein Häuflein „Internationalisten“ mit Martow an der Spitze, die plötzlich über Gewalt und Verschwörung zu jammern begannen. Die Beschlüsse des Kongresses wurden aber desto einmütiger gefasst.

Kerenski führte die Todesstrafe ein. Der Kongress schaffte sie vor allem anderen wieder ab. Kerenski warf die Mitglieder der Landaufteilungskomitees ins Gefängnis. Der Kongress befreite die Bauern, Arbeiter und Soldaten, die in den Kerkern der bonapartistischen Regierung schmachteten. Die Dekrete über Frieden und Land, die unverzüglich Friedensverhandlungen verlangten und das Land den Bauern gaben, wurden mit einem noch nie dagewesenen Enthusiasmus aufgenommen. Die Proklamierung der Macht der Räte und die Wahl des Rates der Volkskommissare mit Lenin an der Spitze wurden von den Arbeitern und Soldaten mit stürmischer Begeisterung gefeiert und von der Bourgeoisie, die vor Angst den Verstand verlor, mit hämischem, tierischem Hass begleitet. Lenin an der Spitze der russischen Regierung – musste das denn nicht allen „wohlgesinnten Elementen“ als das Ende der Welt erscheinen?

Am 29. Oktober versuchten die früheren Führer des Kleinbürgertums in Petersburg, einen Aufstand der Junker zu veranstalten. Der Aufstand wurde in einigen Stunden unterdrückt, sein Organisator – Hotz – aber floh. Kerenski versuchte, nachdem er die Reste der Truppen gesammelt hatte, gegen Petersburg vorzurücken. Die roten Truppen schlugen ihn aber bei Gatschina, und er, der feierlich erklärt hatte, dass diejenigen, die die Koalition zu stürzen wagten, über seine Leiche schreiten müssten, floh schmachvoll, wie ein Feigling und Verräter flieht.

Ungeachtet des bewaffneten Widerstandes siegte die Revolution in den wichtigsten Mittelpunkten. Dadurch wurde das Geschick der früheren Regierung entschieden. Die Diktatur der Imperialisten wurde ersetzt durch die Diktatur des durch die Dorfarmen unterstützten Proletariats. Weiter geht ihr Ansturm gegen den Feind, der schon seine Hauptposition übergeben hat, und ein heroischer Kampf gegen den internationalen Imperialismus, ein Kampf zur Vernichtung des Kapitals, für aktives Durchführen der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft. …

Der siegreiche Aufstand im Oktober bewies, dass eine sozialistische Revolution in Russland nicht nur möglich, sondern auch historisch notwendig ist. Gegen die kompakten Kräfte des Feindes trat eine viele Millionen zählende Masse auf, die diesen Feind in den Hauptmittelpunkten des gesellschaftlichen Lebens mit einer Leichtigkeit vernichtete, die niemand erwartet hatte. …

In den Pulverkeller des alten bluttriefenden Europa ist die Fackel der russischen sozialistischen Revolution geschleudert worden. Sie ist nicht tot. Sie lebt. Sie verbreitet sich. Und sie vereinigt sich unvermeidlich mit dem großen siegreichen Aufstande des Weltproletariats.“

Schlussbemerkung

Das Ende des Bucharin-Textes ist der schwächste Teil der gesamten Broschüre. Der Autor schweigt zum Charakter der Oktoberrevolution ebenso wie zu ihren sozialen und politischen Inhalten. Sein Anliegen ist nicht, den russischen Oktober zu verstehen, sondern die Fackel der Revolution „in den Pulverkeller des alten bluttriefenden Europa zu werfen“. Dies entspricht ziemlich genau dem Gedankengang der Mehrheit der bolschewistischen Führung zu jener Zeit (Winter 1917/1918), die die Lösung der Probleme der russischen Revolution in ihrer Ausbreitung nach Westeuropa sah. Bezeichnenderweise ist Bucharin deshalb ebenso wie die von ihm die ganze Broschüre über gegeißelten Führer der Sozialrevolutionäre und Menschewiki gegen den Separatfrieden mit Deutschland und für den revolutionären Krieg gegen das Kaiserreich.

Da die Revolution im Westen Europas ausblieb, ist es unausweichlich, sich mit den Besonderheiten Russlands und der russischen Revolution zu beschäftigen, umso das Allgemeingültige bzw. Einzigartige verstehen zu können. Die wesentliche Besonderheit im Vergleich zu Westeuropa liegt in dem völlig unterschiedlichen Gewicht und politischen Gesicht der Klassen in Russland, als da sind: die ökonomische und politische Schwäche der Bourgeoisie, die Konzentration eines jungen, nicht ständischen, sondern aus der Bauernschaft entstandenen Industrieproletariats in Großbetrieben, sowie einer Bauernschaft, die 80 Prozent der Bevölkerung ausmacht, die Masse der Truppen stellt und das Land des Adels und der Kirche fordert, aber nicht, um es unter sich aufzuteilen, sondern um es innerhalb ihrer Dorfgemeinde nach ihren Bedürfnissen umzuteilen. Dies sind grob die klassenpolitischen Besonderheiten Russlands, die Bucharin in seiner Broschüre nicht ansatzweise herausarbeitet.

Diese Besonderheiten bestimmen das Geschehen des Revolutionsjahres. Nach Tagen heftiger Straßendemonstrationen schlagen sich im Februar die bäuerlichen Reserveregimenter in der Hauptstadt auf die Seite des aufständischen Proletariats und ermöglichen den Sieg der Revolution. Der Preis des Sieges war die Dominanz des Kleinbürgertums in den Sowjets. Dies war, zugespitzt ausgedrückt, die „demokratische Diktatur des Kleinbürgertums über das Proletariat und die Bourgeoisie.“ Es erklärt das Scheitern Miljukows im April, die Niederlage des Proletariats der Hauptstadt im Juli und das letztendliche Scheitern Kornilows im August. Jeder dieser Versuche zielte auf die Brechung der Macht des Sowjets, die in den Händen des Kleinbürgertums lag. Die Führer der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums, jene Kerenskis, Tschernows, Liber, Dan, Zeretelli etc. suchten fortwährend das Bündnis mit der Bourgeoisie und der Kadettenpartei. Sie suchten es auch dann noch, als die Massen der Bauernschaft sich von diesem Programm abwandten und ihre Führer abwählten.

Damit schlug die Stunde des Proletariats und, wie man ab Ende August 1917 mit Recht sagen kann, seiner Partei. Die Bolschewiki hatten zu diesem Zeitpunkt die große Mehrheit des Proletariats für ihre Forderungen gewonnen. Um zu siegen, um zum Hegemon der Revolution zu werden, war ein weiterer Schritt notwendig, die Übernahme des bäuerlichen Agrarprogramms. Dies ist von zentraler Bedeutung, um den Oktoberumsturz zu verstehen.

„Mit der Abwendung der Bauernschaft vom Bündnis mit der Bourgeoisie, mit ihrer Loslösung aus der kleinbürgerlich geprägten Führung der alten Sowjetmehrheit, eröffnete sie dem russischen Proletariat die Möglichkeit, die Staatsmacht zu ergreifen und zu behalten. Der Preis für die proletarische Macht war eine antikapitalistische, rückwärtsgewandte Agrarrevolution, die jeden direkten Weg zur sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft versperrte. Lenin und weitere bolschewistische Führer – keineswegs alle – waren bereit, diesen Preis zu zahlen. Über die Rechnung hatten sie im Oktober noch keine Klarheit.“ (Schröder/Karuscheit 1917, S. 140)

Und hier kann man auch die Frage beantworten, warum die Fackel im europäischen Pulverfass zwar zündete, aber letztlich zu Niederlagen des Proletariats führte. Die Linke im Westen war nicht bereit, dem Kleinbürgertum in Stadt und Land so weit entgegenzukommen, dass es ein Bündnis mit dem Proletariat der Zusammenarbeit mit der Reaktion vorgezogen hätte. Rosa Luxemburgs Kritik an den Positionen der Bolschewiki in der Agrarfrage gibt darüber beredte Auskunft.71

1 Lenin: Brief an den Parteitag 24.12.1924, LW 36, 579. In dem zitierten Kontext weist Lenin allerdings auch darauf hin, dass Bucharin „die Dialektik nie studiert und … vollständig begriffen habe.“

2 „Bucharin gehörte von 1917 bis 1934 dem ZK der KPR(B) und von 1919 bis 1929 ihrem Politbüro sowie dem Präsidium des Exekutivkomitees der von ihm mitbegründeten Kommunistischen Internationale an.“ W. Hedeler: Nikolai Bucharin – Stalins tragischer Opponent, Berlin 2015, S. 17.

3 Genauer ihres linken Flügels

4 Eine interessante Begriffswahl. Hatte der Krieg durch den Eintritt der „sozialistischen Minister“ in die bürgerliche Regierung seinen Charakter verändert und war er deshalb nur noch zur Hälfte imperialistisch? (A.S.)

5 Kerenski, A.F. (1881 geb.), Rechtsanwalt, Sozialrevolutionär, Fraktionsführer der Trudowiki in der letzten Reichsduma. Justizminister in der 1., Kriegs- und Marineminister in der 2. Provisorischen Regierung, anschließend Ministerpräsident bis zur Oktoberrevolution, nach deren Sieg er ins Ausland floh.

6 Gutschkow, A.I. (1862-1936), Moskauer Industrieller und Anführer der Oktobristen. Von 1909-1911 Präsident der Duma. Kriegsminister in der 1. Provisorischen Regierung, floh später nach Frankreich.

7 Miljukow war Professor der Geschichtswissenschaften.

8 Konowalow, A.I. (1875-?), bedeutender Textilindustrieller und Mitglied der 4. Duma. Handels-und Industrieminister der 1. Provisorischen Regierung, dann stellv. Ministerpräsident unter Kerenski. Im Oktober 1917 verhaftet, dann entlassen und ins Ausland geflohen.

9 Tereschtschenko, M.I. (1869-1954), reicher Zuckerindustrieller aus der Ukraine. Zuerst Finanzminister und später Außenminister der provisorischen Regierung, floh nach der Oktoberrevolution ins Ausland.

10 Fürst Georgi Jewgenjewitsch Lwow. 1905 wurde er in die 1. Reichsduma gewählt, wo er sich der Fraktion der Konstitutionellen Demokraten anschloss. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde er Vorsitzender des neugebildeten Allrussischen Semstwo-Verbands. Im folgenden Jahr wurde er führendes Mitglied des Vereinigten Komitees der Semstwo- und Stadträteverbände Russlands, das im Auftrag der Regierung die Versorgung der Armee sowie von Verwundeten und Flüchtlingen organisierte. Er wurde ein führendes Mitglied im Progressiven Block, der für die Bildung einer Duma-Regierung eintrat. Nach der Machtübernahme durch die Bolschewiki wurde Lwow 1918 von der Tscheka verhaftet und floh in die USA.

11 Nekrassow, N.W. (1879-1941), linksliberaler Kadett, Mitglied der 3. und 4. Duma. Verkehrsminister der 1. Provisorischen Regierung, Finanzminister der 3. Koalition. Nach der Oktoberrevolution unterstützte er den Aufbau der Sowjetunion.

12 Godnew, I.W., Oktobrist, Minister für Staatskontrolle (Staatsrechnungsprüfer) in der Provisorischen Regierung.

13 Lwow, W.N., Prokurator des Heiligen Synods. Seit der Abschaffung des Patriarchen durch Peter den Großen ist dies die staatliche Oberinstanz der orthodoxen Kirche.

14 Es war, wie wir Suchanow, einem Mitglied der Verhandlungskommission des Sowjets entnehmen konnten (siehe AzD Nr. 84, S. 60-66), auch der einzige ernste Streitpunkt mit der Provisorischen Regierung.

15 Steklov, J.M. (1873-1941), parteiloser Revolutionär, der sich nach der Oktoberrevolution den Bolschewiki anschloss.

16 Hier ist die Ausführung Steklows nicht korrekt. Suchanow, ebenfalls Teilnehmer der Verhandlung, schildert dies anders. Nicht die Gesamtheit der Kadetten, sondern nur eine Gruppierung um Miljukow, dem Oktobristen Gutschkow und dem Monarchisten Schulgin forderten dies vehement. Nach Suchanows Schilderung waren sie damit im Dumakomitee nicht mehrheitsfähig. (Siehe dazu AzD 84, S. 64)

17 Großfürst Michail Alexandrovitsch war ein Bruder des Zaren und wegen einer unstandesgemäßen Ehe eigentlich von der Thronfolge ausgeschlossen.

18 „Istwestija Petrogradskago Sowjeta“ Nr. 32. (Nachrichten des Petrograder Sowjets), offizielles Organ des Petrograder Sowjets.

19 Gemeint ist die Partei der Kadetten.

20 Schulgin, W.W. (1878-1946), Großgrundbesitzer, konservativer Dumaabgeordneter in der 2., 3. und 4. Duma. Bildete nach der Februar-Revolution zusammen mit Konowalow, Rodsjanko, Miljukow etc. das „Provisorische Komitee der Reichsduma”. Aktiver Bürgerkriegsteilnehmer, der später ins Ausland floh.

21 Die Duma war nach einem ausgeprägten Zensuswahlrecht gewählt worden, das die besitzenden Schichten stark bevorteilte.

22 „Dem Sowjet, insbesondere seinen führenden Kräften, war nach der Februarrevolution bewusst, dass die eigentliche politische Macht in seinen Händen und nicht bei der später gebildeten Provisorischen Regierung lag. Aber keiner der aktuellen Führer des Sowjets dachte daran, diese Macht tatsächlich zu ergreifen. Der Stand der ökonomischen Entwicklung – dies war ihre in der Öffentlichkeit verfochtene Position – würde eine Machtergreifung durch den Sowjet ausschließen. Die Herrschaft der Bourgeoisie wäre für die nächste Etappe der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung die für das ehemalige Zarenreich nun anstand, vorgegeben. Somit sei die Übergabe der Regierungsgewalt an die Bourgeoisie unvermeidlich und außerdem notwendig, um einen erneuten Sieg der Konterrevolution durch ein eventuelles Abschwenken der Bourgeoisie von der Revolution zu verhindern.“ (Schröder/Karuscheit S. 53/54)

23In Petrograd gab es drei verschiedene Parteizentren, die sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten. Nachdem Lew Kamenew und Josef Stalin aus dem sibirischen Exil zurückgekehrt waren, hatte sich die Partei auf begrenzte Unterstützung für die Provisorische Regierung, auf eine revolutionär-defentistische Haltung zum Krieg und auf Verhandlungen mit den Menschewiki zur Wiedervereinigung der SDAPR festgelegt.“ (Stephen A. Smith, Revolution in Russland, Darmstadt 2017, S. 134)

24Die Sowjetführung konnte nämlich die von der Revolution aufgeworfenen Fragen nicht beantworten, ihr fehlte ein politisches Programm für die Regierungsübernahme. Wie sollte sie die Interessen und Erwartungen der Arbeiter und Bauern während des laufenden Krieges umsetzen? Weder die Menschewiki noch die Sozialrevolutionäre verfügten über Antworten zu den beiden entscheidenden Fragen der Revolution, der Stellung zum Krieg und der Lösung der Agrarfrage. Klar war ihnen lediglich, dass beide Fragen miteinander verknüpft waren, denn es konnte keine grundlegende Agrarreform stattfinden, ohne zuvor den Krieg beendet zu haben. Tschernow, einer der Gründer der Sozialrevolutionären Partei und späterer Landwirtschaftsminister in den Koalitionsregierungen, bekannte unverblümt, dass den Sowjetparteien »ein einstimmig angenommenes Programm zur Bildung einer Regierung (fehlte). In ihrer Mitte gab es eine Vielfalt von Ansichten sowohl über den Charakter der Revolution als auch über das Verhältnis zwischen der Revolution und dem Krieg.«“ (Schröder/Karuscheit S. 53 f)

25 „Allein, dass diese Versuche unternommen wurden, verweist auf die Schwäche der russischen Bourgeoisie. Sie scheute sich, die Regierungsverantwortung im eigenen Namen – ohne Deckung von Monarchie und Adel – zu übernehmen. Miljukow »glaubte ganz einfach nicht, dass irgendeine Regierung lebensfähig wäre und dem Druck des Sowjets (…) standhalten könnte, falls nicht das traditionelle Schwergewicht der Monarchie für sie in die Waagschale gelegt würde.“ (Schröder/ Karuscheit, S. 40)

26 „Für mich persönlich war nicht die Tatsache überraschend, dass Miljukow die Romanow-Monarchie verteidigte, sondern dass er von allen unseren Bedingungen gerade diesen Punkt zum Hauptstreitobjekt erhob. Jetzt verstehe ich ihn allerdings gut und finde, dass er, von seinem Standpunkt aus gesehen, viel Scharfsinn bewies. Er kalkulierte, dass er unter einem Zaren aus dem Hause der Romanows, vielleicht überhaupt nur unter diesem, die bevorstehende Schlacht gewinnen und das ungeheure Risiko rechtfertigen könne, dass die gesamte Bourgeoisie als herrschende Klasse durch seine Person einging. Er rechnete damit, dass unter einem Romanow sich das übrige auf irgendeine Weise geben werde. Die Freiheiten für die Armeeangehörigen, »irgendeine« konstituierende Versammlung fürchtete er darum vergleichsweise weniger und hielt sie für annehmbare und überwindbare Hindernisse.

Seine Mitstreiter, in ihrer Mehrzahl im Vergleich zu ihm einfache Bürger, die damals noch dazu von einem »revolutionären Enthusiasmus« erfasst waren, verstanden von dieser Angelegenheit und ihren möglichen Folgen ziemlich wenig. Die übrigen Dumamitglieder, und zwar fast bis zu Rodsjanko aufwärts, krallten sich keineswegs so fest an die Monarchie und an die Romanows. So glitt Miljukow von der Stellung eines Führers der Opposition unversehens auf den äußersten rechten Flügel ab. Er erlitt Schiffbruch, aber er wusste, was er tat.“ (Zitiert in AzD Nr. 84, S. 64)

27 „1913 machte ausländisches Kapital etwa 41 Prozent der in der Industrie und Bankwesen getätigten Gesamtinvestitionen aus. Eine mögliche Sorgenquelle war das Ausmaß des Handelsvolumens mit Deutschland, das sich per Valuta auf etwa 40 Prozent des gesamten Außenhandels belief. Die staatlich geförderte Industrialisierung wurde finanziell durch den Getreideexport abgesichert …“ (Stephen A. Smith: Revolution in Russland, Darmstadt 2017, S. 47)

28 „Die entscheidenden Sektoren der Schwerindustrie und des Transportwesens hingen von staatlichen Aufträgen, Subventionen und Vorzugszöllen ab, weshalb die Unternehmer, die oftmals Ausländer waren, hier kaum mehr taten als sich über bürokratische Kontrollen zu beschweren. In St. Petersburg waren die Besitzer der Fabriken für Metallverarbeitung und Maschinenbau zusammen mit den Großbankiers recht gut organisiert, vor allem um ihren Einfluss auf Regierungskreise bemüht, statt politische Reformen oder die Modernisierung der Produktionsverhältnisse zu unterstützen.“ (Stephen A. Smith: Revolution in Russland, Darmstadt 2017, S. 49-50)

29 Oktobristisch: auf dem Boden des Oktober-Manifestes des Zaren von 1905 stehend. „Die Textilfabrikanten in der Moskauer Industrieregion bildeten den einflussreichsten Sektor der einheimischen Kapitalisten; sie waren in der Führung ihrer Betriebe eher konservativ und paternalistisch. Viele entstammten einer Familie von Altgläubigen. Anders als die Eisen- und Stahlfabrikanten waren sie nicht von staatlichen Aufträgen abhängig und unterstützten und unterstützen nach 1905 die Forderung nach politischen Reformen. (Stephen A. Smith: Revolution in Russland, Darmstadt 2017, S. 49)

30 Bucharin selbst hielt sich für einen Kenner der russischen Agrarverhältnisse. W. Hedeler zitiert in seiner Biographie folgende Selbstbeschreibung Bucharins zu seinem Werdegang: „Während ich in Russland ein Allgemeinwissen und recht spezielle Kenntnisse in der Agrarfrage erworben hatte, so gaben mir die Bibliotheken im Ausland zweifellos das wichtigste Kapital.“ (W. Hedeler, Bucharin, S. 72)

31 „An der Wende zum 20. Jahrhundert waren etwa drei Viertel des in bäuerlichem Besitz befindlichen Landes, darunter fast die Hälfte des Ackerlands, einer einzigartigen Form von Verwaltung unterworfen, in der die Haushaltsvorstände das der Gemeinschaft gehörende Ackerland periodisch neu unter die betreffenden Haushalte aufteilten. Des Weiteren entschied diese Dorfversammlung darüber, wann die Haushalte pflügen, säen, ernten oder Heu machten sollten. Solche Art von kollektiver Kontrolle hatte den Zweck, unwägbare Umweltrisiken zu minimieren und dafür zu sorgen, dass die Armen nicht zur Belastung wurden. Die Dorfversammlung war auch für die Steuerzahlung der Haushalte verantwortlich und musste Recht und Ordnung aufrechterhalten.“ (Stephen A. Smith: Revolution in Russland, Darmstadt 2017, S. 37-38)

32Das russische Proletariat war als Ergebnis staatlicher und ausländischer Investitionen in wenigen industriellen Zentren und dort wiederum in Großbetrieben konzentriert; über die Hälfte der Arbeiter arbeitete in Betrieben von mehr als 500 Personen. Obwohl es mit 3-4 Mio. nur eine absolute Minderheit der zwischen 165 und 175 Mio. zählenden Bevölkerung Russlands ausmachte, war es durch seine Ballung in den politischen und industriellen Zentren (in erster Linie Petersburg und Moskau) ein wesentlicher politischer Faktor. Dieses Proletariat ging nicht wie in Westeuropa aus Handwerk und städtischen Unterschichten hervor, sondern aus der Bauernschaft, was erhebliche politische Folgen hatte. … Bis zur Agrarreform 1906 war fast jeder städtische Arbeiter noch Mitglied der Dorfgemeinde und hatte dort Anspruch auf ein Stück Land.“ (Schröder/Karuscheit, S. 37)

33 Sir George Buchanan, englischer Botschafter in Russland

34 Der englische Botschafter unterstützte den Regierungsflügel um Kerenski und Teresch-tschenko, der keine Ansprüche auf die Dardanellen und Konstantinopel erhob, wie dies wiederholt von Miljukow in der Tradition der zaristischen Außenpolitik gefordert worden war.

35 Georg V. war ein Cousin des russischen Zaren Nikolaus II. und des Deutschen Kaisers Wilhelms II.

36 So bezeichnete sich der Sowjet und die ihn tragenden Parteien selbst.

37 Machiavelli, Nicolo (1469-1527), fortschrittlicher Politiker und Schriftsteller in der Republik Florenz. In seinen Ratschlägen in dem Buch II Principe, die der Herstellung der Einheit Italiens dienen sollten, schreckte M. nicht vor Empfehlung solcher Kampfmittel wie Betrug, Treubruch, Verrat und Mord zurück.

38 „Wie die Mehrheit der Provisorischen Regierung diese durchaus dehnbare Sowjetformel interpretierte, erläuterte der Ministerpräsident dieser Regierung, Fürst Lwow, dem britischen Botschafter, der dies seinem Tagebuch anvertraute: »Über die Phrase ›Frieden ohne Annexionen‹ in der Resolution des Arbeiterrates meinte Lwow, dass sie jede uns genehme Interpretation zuließe, z. B. auch die ›Befreiung vom Feindesjoche‹.« In den Augen der bürgerlichen Politiker ließ diese Formell also durchaus weiterhin Annexionen und Kontributionen zu. Sie benötigten für den Sowjet nur eine demokratische Umschreibung der alten Kriegsziele, wie z. B. »Befreiung der Völker« statt »Annexionen«, oder »Garantien des Friedens« statt »Kontributionen«. Mit dieser Losung war es also durchaus möglich, die unterschiedlichen Interessen der Bourgeoisie, der Alliierten und der vom Sowjet vertretenen Massen mit einer gemeinsamen Parole zu überdecken. Ein weiterer Vorzug dieser Parole war, dass sie ziemlich genau der Stimmung der Bauernschaft und damit der Soldaten im Frühsommer 1917 entsprach.“ (Schröder/ Karuscheit, S. 59)

39 „Miljukows Versuch und sein schmähliches Scheitern dokumentieren das Ende einer eigenständigen außenpolitischen Linie der Bourgeoisie in der russischen Revolution. Die bewaffnete Bauernschaft machte den imperialen Zielen anhängenden Kräften deutlich, wer der »Herr der Revolution« war. In der Februarrevolution vom Petrograder Sowjet an die Regierung gebracht, verloren die führenden Köpfe der bürgerlichen Rechten ihre Stellung bereits wenige Wochen nach der Revolution. Diese Entwicklung und die in der ersten Provisorischen Regierung aufgebrochene politische Uneinigkeit über Kriegsziele und Außenpolitik dokumentieren die Unfähigkeit der russischen Bourgeoisie zur politischen Herrschaft im Revolutionsjahr 1917. Ökonomisch zu schwach, sozial zu unbedeutend, politisch zersplittert und unerfahren, ging die weitere Entwicklung der Revolution über sie hinweg. Der Verabschiedung Miljukows und Gutschkows war der Abschied der Bourgeoisie von einer durch sie bestimmten Regierungspolitik. Ab jetzt reagierten die Überreste der Kadetten in den künftigen Provisorischen Regierungen des Jahres 1917 nur noch auf die politischen Veränderungen, ohne sie selbst entscheidend beeinflussen oder gar bestimmen zu können.“ (Schröder/Karuscheit, S. 63)

40 Skobelew, M.I. (1885-1930?), Menschewik und Mitglied der 4. Duma. Nach dem Sieg der Oktoberrevolution Anschluss an die Bolschewiki.

41 Tschernow, V.M. (1876-1952), Politiker und Publizist, Mitbegründer und eigentlicher Führer der Partei der Sozialrevolutionäre. Landwirtschaftsminister in der 2. und 3. Provisorischen Regierung. Aktiver Bürgerkriegsteilnehmer auf Seiten der Konterrevolution, floh 1920 ins Ausland.

42 Zereteli, H.G. (1882-1959), Publizist adliger Abstammung, führender Vertreter der Menschewiki. Postminister in der 2. und Innenminister in der 3. Provisorischen Regierung, floh nach der Auflösung der Konstituierenden Versammlung 1918 in das Ausland.

43 Peschechonow, A.W. (1867-1934), Anhänger der Narodniki und Versorgungsminister der Provisorischen Regierung.

44 Der 18. Juni war auch der Beginn der „Kerenski-Offensive“

45 Ukrainische Zentralrada: bürgerlich-nationalistische Regierung, die im April 1917 in Kiew auf dem Gesamtukrainischen Nationalkongress von bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien aus der Ukraine gebildet wurde. Sie wurde im Januar 1918 nach der Eroberung der Ukraine durch sowjetische Truppen aufgelöst.

46 Wojtinski, Anführer der Putilow-Arbeiter, später sowjetischer Kommissar der Nord(west)front.

47 Alexinski, Mitglied der Reichsduma

48 „Der Ablauf der Ereignisse klärt sich auf, wenn man die Zustimmung und Ablehnung der Klassenkräfte zu dem Aufstandsversuch der Petrograder Arbeiter und Kronstädter Matrosen im Juli 1917 näher betrachtet. Die Mehrheit der Arbeiterschaft Petrograds war bereit, die Provisorische Regierung zu stürzen und die gesamte Macht dem Sowjet zu übertragen. Dieser Meinung waren auch die in Kronstadt stationierten Matrosen der Baltischen Flotte. Gespalten war dagegen die Stimmung innerhalb der Garnison der Hauptstadt. Einzelne radikale Regimenter standen mit an der Spitze der revolutionären Massenbewegung, aber die Mehrheit der Garnisonstruppen war weder bereit, den Umsturz zu unterstützen noch die ungeliebte Provisorische Regierung zu verteidigen. Sie blieben während der Juli-Aktionen erst einmal passiv in ihren Kasernen. Gleichzeitig standen die Fronttruppen noch weitgehend hinter der Provisorischen Regierung.… Noch war die Abwendung der bewaffneten Bauernschaft – besonders bei den Frontarmeen – von der sozialrevolutionären Kompromisspolitik mit der Bourgeoisie und den Alliierten nicht weit genug entwickelt.
Nichtsdestotrotz versetzten die Juli-Demonstrationen Sowjetführung und Provisorische Regierung in Panik. Kerenski reiste an die Front, um verlässliche Truppen nach Petrograd zu schaffen, und der Justizminister veröffentlichte – vermutlich im Einvernehmen mit Kerenski – angebliche Dokumente, die Lenin als deutschen Spion enttarnen sollten. Dadurch wurde die Stimmung innerhalb der passiven Regimenter gekippt.“ (Schröder/Karuscheit, S. 71)

49 Suchanow beschreibt den Rücktritt Lwow als Intrige Kerenskis, da derselbe „damals bereits überzeugt (war), dass es für ihn an der Zeit war, Regierungschef zu werden.“ (Suchanow, S. 468)

50 Kornilow, Lew, Kosakengeneral, Kommandeur des Wehrkreises Petrograd, später zeitweilig Oberbefehlshaber der russischen Armee. Nach seinem Putschversuch August/September 1917 (der Kornilowiade) von Kerenski abgesetzt.

51 Sawinkow, B.V. (1879-1925), bekannter Terrorist, Sozialrevolutionär und Schriftsteller der von Kerenski gefördert wurde.

52 „Industrie und Handel“ Nr. 26/27

53 Worum ging es bei den „Richtlinien Tschernows, die von Bucharin nicht näher dargestellt werden? „Der Landwirtschaftsminister Tschernow hatte Ende Juni einen Versuch unternommen, der wachsenden Unruhe in der Bauernschaft zu begegnen, indem er die Auflösung der »Landeinrichtungskommissionen« verfügte, jener der Dorfgemeinschaft zutiefst verhassten Kampfinstrumente der Stolypinschen Agrarreform zur kapitalistischen Neuordnung der Agrarverhältnisse. Mitte Juli verbot er außerdem jegliche Art von Landtransfer (Verkauf, Tausch, Verpfändung), um ein Unterlaufen der kommenden Agrarreform durch den Großgrundbesitz zu verhindern. Weiterhin gestand er ohne Zustimmung des damaligen Rumpfkabinetts den stark durch die Dorfgemeinschaft beeinflussten Landkomitees vor Ort das Recht zu, bei Differenzen über den Pachtzins den Zins einseitig festzulegen, Zugtiere an bedürftige Bauern auszuleihen sowie dergleichen mehr.
Alle diese Verordnungen und Gesetze stärkten die Dorfgemeinde und waren erste Ansätze zu einer Verwirklichung des eigentlichen sozialrevolutionären Agrarprogramms. Deshalb verstand die Dorfgemeinde die Reformen auch als ersten Schritt hin zur vollen Verfügung über das Land und begann sie dementsprechend zu handhaben. Gleichzeitig stand Tschernows Vorgehen im diametralen Gegensatz zur Agrarpolitik der Kadetten, die den Grundgedanken der Stolypinschen Reform (Schaffung kapitalistischer Privateigentümer gegen die Dorfgemeinde) entschieden verteidigten und deshalb eine Pressekampagne gegen den Landwirtschaftsminister entfachten. Aber die sozialrevolutionären Sowjetführer wurden von ihrer bäuerlichen Basis gezwungen, Tschernow im Amt zu lassen, so dass die Kadetten schließlich klein beigeben mussten.
Abgesehen von der erneuten Niederlage der bürgerlichen Kräfte verdeutlicht der Streit zwischen Sowjetführung und Kadetten, wie schwierig es nach den Juli-Tagen war, zu einer neuen Machtverteilung in der Regierung zu gelangen. Anfang August hatte man sich endlich auf die neue Koalitionsregierung mit vier Kadettenministern und einer eindeutigen sozialistischen Mehrheit geeinigt.“ (Schröder/Karuscheit, 1917, S. 126-127).

54 Rabinowitsch, Die Sowjetmacht, Essen 2012, S. 140-141

55 Suchanow schreibt dazu: „Unter solchen Umständen (gemeint ist die Niederlage der Kerenski-Offensive und die Massendesertation an der Front, A. S.) kam die Frage einer Diktatur von selbst auf. Nicht nur die Bourgeoisie, sondern auch der sowjetische Teil der Koalition zeigte ganz natürlich den unaufhaltsamen Drang nach einer starken Regierung. Die Diktatur war objektiv notwendig … Die Frage war nur, welche Diktatur unter den gegebenen Verhältnissen in Betracht kam. Jetzt da Kerenski Träger der Staatsmacht war, konnte es sich einzig um eine bürgerliche Diktatur handeln. Aber hier erhob sich sofort die weitere Frage, ob sie tatsächlich zu verwirklichen gewesen wäre. Kerenski selbst war sich bei all seinem Drang nach der Fülle der Macht über die Problematik durchaus im Klaren. Der Störenfried war nach Kerenskis Ansicht eben der Sowjet; eine starke Regierungsgewalt musste diese ‚private‘ Klassenorganisation abschütteln. …
Auch Dan (einer der Führer den Menschewiki, A. S.) leistete Schützenhilfe. Von linken Argumenten ausgehend, setzte er im Interesse der Rechten alle i-Tüpfelchen auf: ‚Wir dürfen unsere Augen nicht davor verschließen, dass Russland am Vorabend einer Militärdiktatur steht. Es ist unsere Pflicht, der Militärdiktatur die Waffen aus den Händen zu reißen. Das können wir nur dadurch, dass wir die provisorische Regierung zu einem Wohlfahrtskomittee (Anspielung auf die Französische Revolution, A. S.) erklären. Sie muss von uns unbeschränkte Vollmachten erhalten, damit sie die Anarchie von links und die Gegenrevolution von rechts an der Wurzel fassen kann …‘
Die Annahme der von Dan vorgelegten Resolution war gesichert. Am nächsten Tag wurde die gleiche Resolution nach ähnlichen Berichten und Reden auch vom Petersburger Sowjet verabschiedet.
Freilich hätte die Entschließung über die unbeschränkten Vollmachten nur dann einen Sinn gehabt, wenn sie das Kerenski-Kabinett tatsächlich zu einer starken Staatsgewalt gemacht hätte. Aber davon konnte keine Rede sein. Die Regierung hatte weiterhin weder einen autoritativen Apparat noch reale Machtmittel zu ihrer ‚freien‘ und ‚unabhängigen‘ Verfügung.“ (Suchanow, München 1987, S.480-481) Diese „Machtmittel“ lagen noch immer beim Sowjet. Solange „die politische Macht aus den Gewehrläufen kommt“, lag sie weiterhin bei der bäuerlichen Armee und ihren politischen Repräsentanten im Sowjet. Dies zu den objektiven Möglichkeiten einer bonapartistischen Herrschaft in Russland im Juli/August 1917.

56 Bucharins widersprüchliche Darstellung der politischen Lage nach der Juli-Niederlage dürfte eine Widerspiegelung der tiefgehenden Differenzen innerhalb der bolschewistischen Partei sein, allerdings wiederum ohne sie zu benennen. Auf der einen Seite Lenins Forderung nach dem Fallenlassen der Forderung „Alle Macht den Sowjets“, auf der anderen Seite die Parteimehrheit, die weiterhin für eine Mehrheit in den Sowjets kämpfen will. (Näheres dazu siehe Rabinowitsch: Sowjetmacht, Kapitel 5 und Schröder/Karuscheit 1917, S. 122-123)

57 Prätendent – Anwärter, Bewerber, der mit vermeintlichem Recht etwas beansprucht.

58 Die Moskauer Staatskonferenz war eine Idee der Regierung (und nicht Kornilows oder Miljukows) um ihre soziale Basis und politische Abhängigkeit von den Sowjets zu lösen und die Bourgeoisie stärker einzubinden. Kerenski schreibt dazu: „Gleichzeitig jedoch waren wir in der Regierung uns völlig darüber im Klaren, dass wir engere Verbindungen zu allen Bevölkerungsschichten schaffen mussten. Wir erkannten, dass wir sonst jedem demagogischen Druck hilflos ausgesetzt waren, sowohl bei einem Rückschlag an der Front … als auch bei der bestehenden Abneigung gegen uns in militärischen und zivilen Kreisen. Deshalb schlug ich sofort nach der Beilegung der Juli-Krise und der Neubildung einer Regierung vor, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Staatskonferenz nach Moskau einberufen werden sollte. Der direkte Kontakt mit Vertretern aller Klassen und Gruppen sollte uns Gelegenheit geben, den Puls der Nation zu fühlen. Gleichzeitig konnten wir auf einer solchen Versammlung sowohl unsere Politik als auch unsere Probleme aufzeigen.“ (Kerenski, Memoiren, Hamburg 1989, S. 347)

59 Die Formulierung Bucharins „Die Konferenz war ein Geschäft …“ trifft nicht den Kern der Sache. Die Konferenz war geplant worden, um ein Geschäft der Führer des Sowjets mit der Bourgeoisie abzuschließen. Genau das aber klappte nicht. Das „Geschäft“ kam nicht zustande, da die Bourgeoisie mit der Militärführung und nicht mit der Sowjetführung abschloss. Deshalb sind auch die Ausführungen Kerenskis in seinen Memoiren (S. 346-349) zu dieser Konferenz von erstaunlicher Kürze und bar jeglicher inhaltlichen Darstellung der vorhandenen Differenzen.

60 Alle drei sind Vertreter der Militärführung.

61 Tagebucheintrag vom 12.09.1917; Buchanan 1926, S. 229f.

62„Birshewyje Wedomosti“ (Börsennachrichten) vom 17.08.1917

63 Eine Anspielung darauf, dass Kornilow die Verteidigung Rigas bewusst schwächte, um Truppen für die Erstürmung Petrograds zusammenzuziehen und nur bereits zu den Bolschewiki übergelaufene Truppenteile in den Kampf gegen die deutschen Truppen zu schicken. Ziel war es, die Niederlage an der Front zur dauerhaften Durchsetzung der Todesstrafe auszunutzen.

64 Rabinowitsch 2012, S. 179

65 Chamberlin 1958, S. 197

66 Kischkin, N.M. (1864-1930), Arzt, Mitglied der Kadettenpartei, in der letzten Kerenski-Regierung sog. „Diktator von Petersburg“ für den Kampf gegen die Bolschewiki. Nach der Oktoberrevolution im Volkskommissariat für das Gesundheitswesen tätig.

67 Tekiner – Turkmenen, Volksstamm aus Zentralasien. Die Tekiner waren Kornilows Leibgarde.

68 Anspielung auf den bereits mehrfach erwähnten Moskauer Industriellen und Bankiers Rjabuschinski, einen der Finanziers des Kornilow-Putsches und bekannten Kunstmäzen. Seine Moskauer Villa ist heute ein Museum.

69 Dieser Freund Kornilows hielt ihn für einen Dummkopf.

70 „Rabotschi“ (Der Arbeiter) – Unter diesem Namen gelang es den Bolschewiki einige Zeit, die „Prawda“ wieder erscheinen zu lassen.

71 Siehe dazu: Schröder/Karuscheit, 1917, S. 166-167; Karuscheit: Die verlorene Demokratie. Der Krieg und die Republik von Weimar; VSA Hamburg 1917; S. 113 ff