Der Ukraine-Krieg und die Stellung der Kommunisten

Von Alfred Schröder

Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit militärischen Mitteln. Wie begründete W. Putin den Einmarsch in die Ukraine, welche Politik will er mit der russischen Militäraktion verwirklichen? Putin selbst hat dies ausführlich dargestellt in seiner Rede an die Nation vom 21.02.2022.

„Also, dies zuerst: Die heutige Ukraine wurde voll und ganz und ohne jede Einschränkung von Russland geschaffen, genauer: vom bolschewistischen, kommunistischen Russland. Dieser Prozess begann im Grunde gleich nach der Revolution von 1917. Lenin und seine Mitstreiter gingen dabei äußerst rücksichtslos gegen Russland selbst vor, von dem Teile seiner eigenen historischen Gebiete abgetrennt und abgestoßen wurden. …
Vom Standpunkt des historischen Schicksals Russlands und seiner Völker waren die Leninschen Prinzipien des Staatsaufbaus nicht nur einfach ein Fehler, sie waren, sozusagen viel schlimmer als ein Fehler. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist das vollkommen offensichtlich. …
Lenin (…) schlug vor, Zugeständnisse an die Nationalisten zu machen, an die „Unabhängigkeitler“, wie er sie damals nannte. Auf Basis genau dieser Leninschen Ideen eines konföderativen Staatsaufbaus und der Parole vom Selbstbestimmungsrecht der Völker bis hin zur Abspaltung wurde dann die sowjetische Staatlichkeit errichtet; 1922 wurden sie in der Erklärung zur Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verankert, und dann, nach dem Tod Lenins, 1924 in der Verfassung der UdSSR.“

Putin gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Mit der Kritik an der Leninschen Politik „vom Selbstbestimmungsrecht der Völker bis hin zur Abspaltung“ begründet er die heutige Einflusssphären- und Großmachtpolitik Russlands. Dies ist eine Rückkehr zur imperialen Politik des Zarismus. Eine solche Politik verdient keine Unterstützung, sondern fordert entschiedene Kritik.

Auf der anderen Seite stehen die USA und die von ihnen dominierte Nato. Die USA haben den ukrainischen Staat militärisch aufgerüstet und zu fortgesetzter Aggression gegen Teile seiner eigenen Bevölkerung angestiftet (Ostukraine). Ziel war und ist, die Ukraine fest in die us-amerikanische Weltordnung einzugliedern und politisch und militärisch gegen Russland zu positionieren.

Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine gelang es den USA, die Versuche Frankreichs und Deutschlands, gestützt auf die EU eine eigenständige Aussenpolitik zu betreiben, die auf eine Einbindung Russlands in Europa zielte, zu unterbinden und die genannten Länder wieder fest in die amerikanische Einflusssphäre und Hegemonie einzubinden. Der Sieg der USA über Kerneuropa ist das erste deutlich sichtbare Ergebnis des Ukraine Krieges.

Welche Positionen müssen Kommunisten unter den oben geschilderten Bedingungen zu diesem Krieg beziehen?

Zum besseren Verständnis möchte ich auf einen über 20 Jahre alten Artikel in der AzD Nr. 68 zum damaligen Jugoslawien-Krieg verweisen. Ich halte die dort gemachten Aussagen weiterhin für hoch aktuell und die dort geführte Kritik an der Linken, ihrem Marxismus- und Politikverständnis, weiterhin für zutreffend. Der Artikel ist auch im Netz auf der Seite der Kommunistischen Debatte zu finden. Hier der entsprechende Link: Der Krieg um Jugoslawien und seine Lehren – Kommunistische Debatte (kommunistische-debatte.de)

Dort wird zum Jugoslawienkrieg u. A. die Aussage getroffen: „NATO raus aus dem Balkan, Deutschland raus aus der NATO, NATO raus aus Deutschland, Für das Selbstbestimmungsrecht aller Völker auf dem Balkan“ – das war die einzig mögliche politische Position. Ihr politischer Kern ist, dass der Hauptfeind weiterhin im eigenen Land steht und dass der nationale Befreiungskampf der unterdrückten Völker die Kommunisten in den Metropolen der westlichen Welt nicht an die Seite ihrer Unterdrücker führen darf.“

Diese Position Deutschland raus aus der NATO, NATO raus aus Deutschland“ wird m.W. nirgendwo von der Linken in Deutschland verfochten, da sie dem „Zeitgeist“ und der politischen Stimmung diametral widerspricht. Nichtsdesto trotz ist sie völlig zutreffend, da in der bisherigen Nato-Politik die Ursachen der politischen Krisen auf dem Balkan und auch in Osteuropa zu finden sind und die BRD ein zentraler Bestandteil dieser Nato ist.

Ein Frieden in der Ukraine muss das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkennen

Ein Frieden in der Ukraine kann nur auf dem Boden der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und Nationen gefunden werden, was die Anerkennung der selbstständigen staatlichen Existenz der ukrainischen Nation einschließt. Dies gilt aber ebenso für die Krim und die Gebiete im Osten der Ukraine. Auch sie haben das Recht auf nationale Selbstbestimmung bis hin zum Anschluss an Russland.

Aber auch für die Ukraine und ihren Krieg gegen Russland gilt die im Jugoslawien Artikel verfochtene Position: „Dort, wo sich der nationale Befreiungskampf mit der NATO und den USA verbindet, wird er eine abgeleitete Größe der imperialen Politik der USA und verliert jeglichen fortschrittlichen Charakter. Dies ist die zweite wesentliche Lehre des jugoslawischen Krieges.“ Sie trifft auch für den Krieg der ukrainischen Armee gegen Russland zu.

Im Unterschied zum ehemaligen Jugoslawienkrieg führt die Nato und damit auch Deutschland bisher diesen Krieg nicht mit eigenen Truppen, sondern als „Wirtschaftskrieg“. Wir sind „Wirtschaftskriegsteilnehmer“, so der deutsche Wirtschaftsminister dieser Tage. Gemeint ist damit, dass das deutsche und das russische Volk die Kosten dieses Wirtschaftskrieges tragen sollen. Die bereits durch die verfehlte Corona-Politik gewachsene Staatsverschuldung wird über die Inflation auf die Bevölkerung abgewälzt und durch den Ukrainekrieg weiter vorangetrieben. Deshalb ist es völlig richtig, ein Ende der Waffenlieferungen und des „Wirtschaftskrieges“ zu fordern (Ende aller Sanktionen).

Festzuhalten bleibt im gegebenen Moment das Faktum: Tatsächlich haben die USA unter der Biden-Administration mit dem Ukraine-Krieg die europäischen Staaten bis weit hinein nach Osteuropa unter ihre Fuchtel gebracht und die amerikanische Vorherrschaft auf der atlantischen Gegenküste gefestigt. Deshalb ist die Forderung „Deutschland raus aus der NATO, NATO raus aus Deutschland“ unbedingt die zentrale Parole für den Kampf um den Frieden.