Noch Mal – Niedergang der US-Ökonomie?

Von Dieter Pentek

Der Genosse Schlegel hat Recht mit seiner Aussage, dass ich auf das Thema seines Artikels nicht eingehe. Das war auch nicht meine Absicht. Den Ausführungen des Genossen Schlegel zur New Economy kann ich nur zustimmen. Die von der Redaktion der Kommunistischen Debatte gewählte Themenüberschrift – Kritik an Martin Schlegel – ist irreführend. Doch bei aufmerksamen Studium meines Aufsatzes würde dies einem verständigen Leser auffallen.

Warum Schlegel

Wie in der Überschrift meines Aufsatzes – „Der ökonomische Niedergang der USA“ – sowie im letzten Satz der Vorbemerkung – „Im folgenden werden die der Einschätzung vom ökonomischen Niedergang der USA zu Grunde liegenden Angaben kurz überprüft.“ – ausgedrückt, geht es mir um den Sachverhalt des behaupteten ökonomischen Niedergangs der USA. Genosse Schlegels Artikel diente aus folgenden Gründen als Grundlage dazu:

  1. Aus der Vorbemerkung der AzD 72, S. 2:
    „Den Abschluss dieses Teils bildet eine Untersuchung von Martin Schlegel über den Niedergang der US-Ökonomie.“ (Ohne Autor, Hervorhebung von mir.)
  2. „Die Haupttriebkraft der Cheney-Bush-Politik ist in dem ökonomisch-gesellschaftlichen Niedergang der USA zu suchen, der lange Zeit durch den Zufluss ausländischen Kapitals in die USA überdeckt wurde – mit der Folge einer ungeheuren Auslandsverschuldung (Martin Schlegel: Die New Economy der USA – krisenfreier Kapitalismus?).“ (Heiner Karuscheit „Über die amerikanischen Kriegsziele im Nahen Osten“, AzD 72, S. 6. Hervorhebungen im Original.)
  3. „Zugleich hielt der wirtschaftliche Niedergang der USA gegenüber ihren Hauptbündnispartnern weiter an, wuchsen das Außenhandelsdefizit und die US-Staatsverschuldung in astronomische Höhen.“ (Alfred Schröder „Der 11. September, der Afghanistankrieg und die Linke“, AzD 72, S. 8).

In den ersten beiden Zitaten wird ausdrücklich auf den Artikel des Genossen Schlegel als Beweis für den Niedergang der US-Ökonomie Bezug genommen. Es scheint mir nicht mehr als legitim, ihn dann darauf hin überprüfen zu können. Wenn Genosse Schlegel also von einem Prokrustes-Bett schreibt, sollte er es in den Schlafzimmern der AzD-Redaktion, besonders des Genossen Karuscheit, aufstellen, und nicht meinen Windmühlenflügeln hinterher werfen.

Der dritte Punkt verlangt eine etwas nähere Textuntersuchung. Der wirtschaftliche Niedergang der USA wird hier nicht als Diskussionswiedergabe, sondern als Tatsache dargestellt. Der wirtschaftliche Niedergang hielt weiter an, er schien nicht weiter anzuhalten; der ökonomische Niedergang der USA verlangte nach einer neuen Konzeption, er schien nicht nach einer neuen Konzeption zu verlangen. Damit scheint mir eindeutig, dass der Genosse Schröder diese Auffassungen nicht als Diskussionswiedergabe schildert, sondern dass er hier seine Auffassung ausdrückt.

Da der Genosse Schröder explizit Außenhandelsdefizit sowie US-Staatsverschuldung anführt, der Genosse Schlegel in seinem Artikel dazu Zahlenangaben macht, erschien es mir gerechtfertigt, diese Zahlenangaben zur Überprüfung des vom Genossen Schröder behaupteten Sachverhaltes des Niedergangs der US-Ökonomie heranzuziehen.

Nicht Schlegel, sondern Karuscheit/Schröder

Das Ganze noch Mal in Kurzfassung: die Genossen Karuscheit und Schröder vertreten die Auffassung des Niedergangs der US-Ökonomie. Genosse Karuscheit bezieht sich explizit auf den Artikel des Genossen Schlegel. Die Angaben des Genossen Schlegel können auch für die Überprüfung der vom Genossen Schröder angeführten Argumente zur genannten Auffassung herangezogen werden. Der Genosse Schlegel behauptet in seinem Artikel keinesfalls den ökonomischen Niedergang der USA. Meine Argumente sind keine Kritik am Genossen Schlegel, sondern an der Auffassung der Genossen Karuscheit und Schröder.

Diese Kritik sei hier nochmals kurz wiederholt.

„Sie (die amerikanischen Produktivitätsraten) liegen von 1995 – 2000 nicht so deutlich über dem Rest der OECD, dass ein qualitativer Unterschied erkennbar wäre.“ (M. Schlegel, „Die New Economy der USA – krisenfreier Kapitalismus?“, AzD 72, S. 22). Die Produktivitätsraten liegen ständig über denen der Hauptbündnispartner der USA. Hier finden wir keinen Nachweis für den Niedergang der US-Ökonomie.

Die Arbeitslosenquote ist in den USA bedeutend niedriger als in der BRD, und kaum höher als in Japan. Niedergang der US-Ökonomie?

Die Staatsverschuldung der USA war bis zum Irakkrieg in Bezug auf das Bruttosozialprodukt geringer als bei den Hauptbündnispartnern. Niedergang der US-Ökonomie?

Die Pro-Kopf-Verschuldung der öffentlichen Haushalte der USA beträgt etwa 150 % derjenigen der BRD, aber nur 50 % derjenigen Japans. Niedergang der US-Ökonomie?

Zum Außenhandelsdefizit ein Zitat aus einer Veröffentlichung der KfW: „(…) aber die USA kann praktisch nicht zahlungsunfähig werden, da der Großteil der US-Auslandsschulden in US-Dollar denominiert ist, die USA also ihre eigene Währung zur Begleichung der Auslandsverbindlichkeiten einsetzen kann.“ (http://www.kfw.de/DE/Service/OnlineBibl48/Volkswirts64/MakroScope_2.pdf)

Arbeitsproduktivität

In Bezug auf das Bruttosozialprodukt hat der Genosse Schlegel eine lange Liste von notwendigen Untersuchungen erstellt, mit deren Hilfe ein Nachweis zum Niedergang der US-Ökonomie erstellt werden könne. Da ich weder Ökonom bin, noch die Absicht habe, etwas Derartiges zu beweisen, halte ich mich an die allgemein zugänglichen Statistiken und gehe von einer grundsätzlichen Vergleichbarkeit dann aus, wenn die Zahlenangaben aus einer einheitlichen Tabelle stammen und nicht ausdrücklich auf eine Unvergleichbarkeit hingewiesen wird.

Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass das ausschlaggebende Kriterium für den Erfolg einer Volkswirtschaft die Arbeitsproduktivität ist. In der Financial Times Deutschland wird beinahe täglich eine Tabelle mit den wichtigsten Konjunkturdaten der wichtigsten Industrieländer veröffentlicht. Die von mir angegebenen Daten zur Arbeitsproduktivität sind hieraus errechnet. In Bezug auf die Kaufkraft habe ich noch folgende Tabelle gefunden:

Arbeitsproduktivität 2002 – Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde – US-Dollar (reale Kaufkraft):

Frankreich

41,9

Niederlande

40,3

Deutschland

39,4

USA

38,8

Italien

37,8

EU

35,6

England

31,7

Japan

28,4

Spanien

28,0

Quelle: US-Forschungsinstitut Conference Board 2003

Auch hier sehe ich keinen Nachweis für einen Niedergang der US-Ökonomie im Vergleich zu ihren Hauptbündnispartnern.

Fazit

Alle bisher im Rahmen der Debatte über den Niedergang der US-Ökonomie als Beweis dafür gebrachten Argumente sind entweder unzutreffend oder weisen sogar eher auf das Gegenteil hin.

Der ökonomische Niedergang der US ist meiner Auffassung nach nicht nachgewiesen. Daher ist seine Behauptung als Grundlage für die US-Politik falsch. Selbst wenn in den 80er Jahren ein derartiger Niedergang stattgefunden hat, so hat er sich in den letzten 20 Jahren nicht fortgesetzt, ist eher umgekehrt worden. Ihn als Begründung für die gegenwärtige US-Politik anzuführen, muss zu falschen Erkenntnissen führen.

Bemerkungen

Abschließend noch einige eher nebensächliche Bemerkungen:

  • Ich brauche keinen Nachweis über die Überlegenheit der US-Ökonomie zu führen. Ich behaupte diese nicht. Meine Aussage, dass die US-Ökonomie in Relation zu ihren Hauptbündnispartnern in voller Blüte stehe, soll lediglich ihre gegebene Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Ich bestreite ihren behaupteten Niedergang. Der Beweis für diesen Niedergang muss geführt werden.
  • Die politische Auseinandersetzung mit den Auffassungen des Genossen Schröder habe ich bereits im Zusammenhang mit den Balkankriegen geführt. Meine Stellungnahme zu den Auffassungen des Genossen Schröder haben sich seither kaum geändert. Außerdem war dies nicht meine Absicht. Wenn hier jemand „kneift“, dann eher diejenigen, die ständig vom Niedergang der US-Ökonomie fabulieren oder sich hinter ihren „Thesen“ verstecken, deren Nachweis sie dann großzügig anderen überlassen, statt selbst Nachweise für ihre Behauptungen zu führen.
  • Statt mich zu verprügeln, der ich seine Zahlen nur zur Widerlegung von Auffassungen Dritter benutze, die sich mit ihren Auffassungen ausdrücklich auf ihn beziehen, sollte sich Genosse Schlegel bei diesen gegen die Berufung auf seinen Artikel als Nachweis für ihre Behauptungen verwahren. Oder sollten hier nach Prokrustes und den Windmühlenflügeln die Augen aushackenden Krähen zum Einsatz kommen?
  • Das von mir angeführte Schlegel-Zitat über den US-Haushaltsüberschuss ist nicht „etwas missverständlich formuliert“, sondern einfach falsch. In seinem Artikel steht wortwörtlich: „Der Haushaltsüberschuss der US-Regierung wurde für das Jahr 2001 auf 3.55 Billionen US Dollar beziffert (…)“. Ein Haushaltsüberschuss dieser Größenordnung wurde tatsächlich für die Jahre 2001 bis 2010 erwartet. Es hätte dem Genossen Schlegel gut angestanden, dies einfach mit einer kurzen Richtigstellung auszuführen, statt den Eiertanz einer „etwas missverständlichen“ Formulierung aufzuführen.

Zurück zur Artikelübersicht

Letzte Änderung: 21.03.2016