Antwort auf Heiner Karuscheits Thesen zum iranischen Nuklearkonflikt

Von Dieter Pentek

„Die fehlende grundsätzliche Opposition der ‚Demokraten‘ gegen den außenpolitischen Kurs der Bush-II-Administration deutet darauf hin, dass die herrschende Klasse in ihrer Mehrheit der Überzeugung ist, dass die Bedingungen für die Ausübung einer ’sanften‘ Hegemonie nicht gegeben sind und man Formen der direkten Herrschaft und des militärischen Eingreifens anwenden muss, um die Weltvormachtstellung zu sichern.“

„Da wirtschaftliche Stellung und politischer Einfluss der USA nicht hinreichend sind, um die eigene Vormachtposition zu sichern, ist die Fortsetzung des von der Bush-II-Administration eingeschlagenen ‚militärischen Wegs‘ ohne Alternative. Darüber scheint sich ein mehr oder weniger breiter Konsens in der herrschenden Klasse hergestellt zu haben; anders ist das Fehlen einer oppositionellen Alternativstrategie nicht zu erklären. Als nächster Schritt auf diesem Weg ist in naher Zukunft ein Angriff auf den Iran zu erwarten.“

Als ausgewiesener Gegner der Karuscheit-/Schröderschen Niedergangstheorie bezüglich der USA und des Zusammenbruchs ihrer Vormachtstellung im Kapitalismus sind es diese beiden Absätze, welche mir von den ansonsten durchaus treffenden, sicherlich auch kontrovers zu diskutierenden Aussagen des Genossen Karuscheit in seinem Aufsatz „Zum iranischen Nuklearkonflikt“ mehr als fragwürdig erscheinen.

Zum Ersten sprechen fast alle relevanten ökonomischen Daten gegen die Annahme eines akut bevorstehenden US-Niedergangs. Lediglich die Verschuldungssituation der US-Ökonomie kann als Argument für einen solchen herhalten. Diese Verschuldung ist es aber, welche ein Andauern der Konjunktur in den anderen Staaten hervorruft und ermöglicht. Ohne die US-Verschuldung wäre z. B. die BRD kein „Exportweltmeister“. Schon aus ökonomischem Interesse werden die privatkapitalistischen Geldgeber es sich sehr genau überlegen, wie weit sie ihre Forderungen an die US-Ökonomie präsentieren. Wie gesagt: alle anderen relevanten Kennziffern zeigen eine kraftvolle US-Wirtschaft – zumindest nicht kraftloser als die der anderen kapitalistischen Wirtschaftssysteme.

Zum Zweiten wird der „missionarische“ Eifer der relevanten Eliten in den USA ausgeblendet. Nicht die Einsicht in den bevorstehenden Untergang der USA eint diese, sondern das Verlangen nach Ausbreitung der Demokratie US-amerikanischer Ausprägung. Der 11. September hat zu diesem Verlangen maßgeblich beigetragen, da nur das Überstülpen demokratischer Verhältnisse so genannte Schurkenstaaten eliminiert und zur Sicherheit der USA beiträgt – zumindest nach Ansicht aller – und nicht nur amerikanischer – kapitalistischen Eliten.

Ich denke, dass allgemein in den USA, ob bei „Demokraten“ oder „Republikanern“, sich das Verlangen durchgesetzt hat, die Errungenschaften der „Demokratie“ der noch nicht demokratisierten Welt nahe zu bringen, sprich aufzuzwingen. Wenn nicht anders, dann eben mit militärischen Mitteln. Dieser breite Konsens in den USA ist es, der jede substantiell anders gewichtete Politik gegenüber den so genannten Schurkenstaaten verhindert. Als Erfolg der Politik des „Demokratieexports“ kann ja auf die merklich konziliantere Haltung Libyens und Syriens nach dem Irak-Krieg 2003 verwiesen werden.

Es geht meiner Meinung nach nicht in erster Linie um Sicherstellung der Weltmachtstellung der USA. Diese Behauptung impliziert den falschen Zungenschlag, dass sich die US-Aktionen in erster Linie gegen die anderen kapitalistischen Mächte richteten, welche ja als einzige die US-Weltmachtstellung bedrohen könnten. Tatsächlich ist es eine Auseinandersetzung mit der islamischen Bewegung, aber nicht nur der USA, sondern des Kapitals insgesamt. Natürlich werden die innerkapitalistischen Spannungen dabei nicht ausgeklammert, sondern spielen durchaus eine Rolle. Letztlich ist aber die Sicherstellung der Hegemonie des Kapitals als Ganzes, als herrschende Ideologie, sowie die damit gegebene „Richtlinienkompetenz“ gegenüber allen anderen Denkrichtungen Ziel der Aktionen. Dass als ökonomischer Ausfluss die Verfügungsgewalt über die wichtigen Ölquellen zu dieser Richtlinienkompetenz gehört, versteht sich dabei. Diese Rohstoffe dürfen der Verfügungsgewalt des Kapitals nicht entzogen werden. Dadurch bestimmt sich auch die Intensität der US-Bemühungen. Nordkorea hat nichts, was das Kapital braucht. Hier kann man auf einen günstigen Augenblick zuwarten. Der Iran kann eine Lebensader des Kapitals bedrohen. Hier kann man nicht abwarten.

Die anderen europäischen Staaten haben dabei kaum eine Wahl, als dem von der US-Regierung gesteuerten Kurs zu folgen. Auch sie sind vom Öl abhängig, und der dauerhafte Ausfall der irakischen Produktion macht die iranische noch wichtiger. Gleichzeitig können auch sie keine Bedrohung aus dem Iran tolerieren, wo schon Russland bei den Gaslieferungen gezeigt hat, was passieren könnte. Daher auch ihr Bestreben, den Iran nicht zu einer selbständigen Macht am persischen Golf werden zu lassen.

In dem Papier zeigt sich immer wieder die Tendenz, die Auseinandersetzungen der Kapitalisten untereinander für den Beweggrund des Geschehens zu kennzeichnen, statt ihr gemeinsames, bei weitem nicht nur ideologisches, sondern eben auch ökonomisch begründetes Interesse an der Herrschaft des Kapitals über die restliche Welt aufzuzeigen. Der Satz „Der aktuelle Konflikt bestätigt, dass die gegenwärtige Hauptauseinandersetzung weltweit zwischen den USA und der islamischen Bewegung stattfindet.“ ist falsch. Gerade das bestätigt er nicht. Ersetzt man „USA“ durch „kapitalistische Staaten“, wird der Satz richtig. Dass die USA dabei die hauptsächlichen Mittel für diese Auseinandersetzung zur Verfügung stellen, ist dabei von geringerer Bedeutung, wenn auch nicht bedeutungslos.

„Die islamische Bewegung bleibt der Hauptfaktor, der die Stabilität des kapitalistischen Systems untergräbt.“ Das trifft den Nagel auf den Kopf. Die Auseinanderdifferenzierung der kapitalistischen Staatengemeinschaft ist in diesem Zusammenhang grundverkehrt und legt den Schulterschluss mit den eigenen „guten“ Kapitalisten gegen die „bösen“ US-Kapitalisten nahe.

Noch eine kleine konkrete Anmerkung. Ein Luftkrieg gegen den Iran wird nicht ausreichen. Bombardiert man nur die industriellen Anlagen des Iran, riskiert man einen Stopp der iranischen Energielieferungen. Also müssen die Ölquellen in Isfahan gesichert werden. Weiterhin muss die Straße von Hormuz für den Öltankerverkehr gefahrlos bleiben, was eine Kontrolle der iranischen Küste erfordert.

Denkbar wären gerade im Gegensatz zu den offiziellen israelischen Behauptungen ein einzelner Angriff oder auch mehrere Schläge der israelischen Luftwaffe unter (geheimer) US-Anleitung. So könnten die Kapitalisten die iranische Atomforschung zurückwerfen, Zeit gewinnen und sich selbst als schuldlos darstellen. Eine halbherzige Verurteilung Israels; Hilfsangebot an den Iran bei Verzicht auf Wiederaufnahme der Atomforschung. Der Iran protestiert und verurteilt die israelischen Handlanger des US-Imperialismus, kann aber weiterhin Öl verkaufen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Israel kann seinen schurkischen Ruf eh nicht weiter ruinieren. Mit anderen Worten: Allen wohl, niemandem weh.