Graeber / Wengrow: „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“;  Fingerzeig oder doch nur ein (untaugliches) politisches Rezept?

Fritz Gött

„ANFÄNGE. Eine neue Geschichte der Menschheit.“  titelt das Buch der Autoren Graeber / Wengrow. (1) Ich habe die Studie mit Interesse gelesen. Dennoch haben mich zentrale Schlussfolgerungen, methodische Überlegungen und einige Befunde im Buch nicht überzeugt. Ausgewählte Probleme und Positionen der Studie sollen daher im Folgenden diskutiert werden. Eine vollständige Rezension und Reflexion des Werkes, so wünschenswert sie auch sein mag, sind auf wenigen Seiten nicht zu leisten. Mag ein Anderer, der sich dazu berufen fühlt, dieses nachreichen.

Ein Ritt durch die Weltgeschichte

I. Die selbst gestellte Aufgabe der Autoren

Beide Autoren der Studie sind politische Aktivisten. Sie wollen nicht nur wissenschaftliche Aufklärung zur Weltgeschichte liefern, sondern politische Beiträge zur Überwindung des Kapitalismus leisten. Es gibt also gute Gründe für uns sich mit ihren Positionen zu beschäftigen.

Wer sind die Autoren: David Graeber ist Anthropologe und bekennender Anarchist. David Wengrow ist Archäologe und Völkerkundler, mit libertären Neigungen. Beide Autoren sind durch einige wissenschaftliche Veröffentlichungen ausgewiesen bzw. bekannt.

Ihr Vorgehen im Buch ist durchaus originell: Sie stellen sich die Aufgabe „nicht neue Antworten auf soziale Ungleichheit zu finden“, sondern umgekehrt, gesellschaftliche Zustände und Rezepte der Freiheit und Gleichheit in der Historie aufzuspüren und darzustellen, als Anregung für ein selbst bestimmtes neues Handeln. – Natürlich finden sie solche Gebilde – nicht in der Fantasie, sondern in der Wirklichkeit. Sowohl bei einigen (der letzten) Jäger- und Sammlergemeinschaften der Gegenwart (jedoch nicht bei allen), ja selbst in historisch nachweisbaren komplexen Gesellschaften der Vergangenheit unter den Völkern der Welt. Viele Beispiele aus ihrem Repertoire können überzeugen, einige überzeugen mich hingegen nicht (ich komme darauf kurz zurück). – Doch es hat sie gegeben: die klassenlosen oder flach geschichteten Gemeinschaften der Vergangenheit und Gegenwart. Die Autoren widersprechen mit ihrer Empirie und Erzählung bürgerlichen Autoren, die sich Zivilisationen bzw. Gemeinschaften nur unter der Leitung und Herrschaft von Eliten oder herrschenden Klassen vorstellen können (und wollen).

Streckenweise liest sich die Studie wie ein Buch gegen liebgewordene Gewissheiten, die u.a. mit den neuesten archäologischen Befunden der letzten dreißig Jahren konfrontiert werden. So nehmen die Autoren nicht nur etablierte historische Ansichten aufs Korn, sondern auch Modeautoren wie Yuval Noah Harari, mit ihren teils abstrusen Urteilen zur Menschheitsgeschichte. Das macht das Buch auch für den politisch und historisch interessierten Leser interessant.

II. Das libertäre Credo: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar

Das Buch der Autoren umfasst viele Themenbereiche, so Fragen der Ethnologie, der Ur-,Vor- und Frühgeschichte. (2) Sie hier ausführlich zu behandeln würde den Umfang meines kleinen Aufsatzes sprengen. Ich konzentriere mich im Folgenden auf Fragen des gesellschaftlichen Übergangs zur   Zivilisationsgeschichte und ihrer Entwicklung bei den Autoren. Mir geht es dabei nicht so sehr um eine umfassende Rezension des Buches oder ihrer Fragestellungen. Vielmehr werde ich die anstehenden Auffassungen der Autoren mit jenen der Marxisten vergleichen, denen ich eine höhere Fähigkeit zur Erkenntnis der Wirklichkeit unterstelle. Was nicht heißt, das Positive in der Arbeit von Graeber und Wengrow einfach bei Seite zu wischen.

   Graeber und Wengrow widersprechen in ihrer Studie u.a. der These, die „Neolithische Revolution“  d. h. der historische Übergang des Menschen von der aneignenden Tätigkeit (als Jäger und Sammler) zur produzierenden Ökonomie (Landwirtschaft und Viehzucht usw.),  und später die „Städtische Revolution“ in einigen Teilen der Welt (im „Alten Orient“ vollzog sich die Urbanisation zwischen 5000 und 3000 v.u. Zt.) habe unmittelbar in die Klassengesellschaft und soziale Spaltung der Gemeinschaften eingemündet. Das sei falsch. Der historische Prozess sei zeitlich gesteckt (3) und ‚örtlich‘ verschieden (4), ja vielfältig ausgeprägt gewesen. Nicht immer sei man in die Straße der Klassengesellschaft eingebogen. Manche Lebensformen seien vor Ort spielerisch ausprobiert, eingerastet oder wieder verworfen worden. Und, na ja, manche Gemeinschaften seien wohl auch ‚zeitnah‘ zu Klassengesellschaften mutiert. Doch das Spielfeld sei eben divers gewesen. (Was – so gesagt – für eine gewisse Zeit auch stimmig ist und was dann später doch andere gesellschaftliche Gestalten annahm, nämlich in Richtung Klassengesellschaft, d.V.). – Viele Archäologen werden die obige Aussage von Graeber und Wengrow wohl unterschreiben – doch dann endet der Konsens auch schon wieder bei Vielen. Das Terrain wird politisch heikel.  Denn was in der Vergangenheit wirklich oder vergänglich war, könnte gedanklich als Konstante der Geschichte auch für die Gegenwart die (drohende) Vergänglichkeit des Kapitalismus anzeigen und zur eigenen Stellungnahme auffordern. Das Unbehagen nagt an den eigenen Interessen und Gewissheiten.

Theoretische Überlegungen und archäologische Befunde legen vor allem in den Anfängen der Zivilisation(en) z.B.  im „alten Orient“ in der Tat eine Vielfalt der ‚politischen‘ Ordnungen nahe. Das ist richtig. Über die Ursachen ihrer Gestalt und ihrer Vergänglichkeit lässt sich streiten. Bei Graeber und Wengrow wird die (politische) Lebensform jedoch selten aus den spezifischen Lebensbedingungen der Menschen ‚vor Ort‘ und somit aus ihren gegebenen naturhistorischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bezügen, Instrumenten und Fertigkeiten sowie historischen Umständen abgeleitet, sondern weit häufiger als voraussetzungsloser Willensakt gedeutet – „von uns selbst erdacht“.  Als gäbe es keine ‚äußere Welt‘, keine treibenden Kräfte, die den Lebenden gedanklich wie praktisch das Gesetz des Handelns (subjektiv) aufnötigen würden. Das gibt die Basis für ihre (spätere) politische Interpretation als Anarchisten ab. Also: Du hast die freie Wahl im Leben – einst und jetzt. Unser Buch erinnert Dich durch seine (positiven historischen) Beispiele an eben diese Möglichkeiten und Spielformen. Jederzeit: Du hast die Wahl. Als Aussteiger oder als ‚Vertragspartner‘ in einer freien Gemeinschaft / Gesellschaft. – Das steht nicht wortwörtlich so in ihrem Buch – aber es ergibt sich aus dem Inhalt.  –  Marxisten sehen das anders.

Schon in einem bekannten Zitat von Marx wird die unterschiedliche Herangehensweise an die Handlungsoptionen des historischen Menschen sichtbar: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“. (5) – Kurz gesagt: Die  Gedanken mögen (zeitweise) ‚frei‘ sein, die gesellschaftlichen Bezüge des  Menschen und die herrschenden Umstände in Natur und Gesellschaft sind es nicht.  Was ist da schon immer freigestellt?  – Wir haben hier eine alte Problemstellung unter Philosophen (und Politikern) vor uns, die u.a. in der Rubrik „Freiheit und Notwendigkeit“ auch heute noch kontrovers diskutiert wird. – Dafür wäre jetzt ein praktisches Diskussions-Feld nützlich, sagen wir am Gegenstand des „alten Orients“, (der ja auch bei Graeber und Wengrow häufig zitiert, aber nicht wirklich analysiert wird).   Für eine solche Diskussion fehlt hier der Raum. (6) – Doch die Geschichtsphilosophischen Widersprüche zwischen Marxismus und Anarchismus liegen noch tiefer. Dazu später mehr.

Natürlich sind die Autoren Graeber und Wengrow nicht blind. Sie wissen als Männer vom Fach, dass sich viele entwickelte Zivilisationen – ob in den Anfängen egalitär oder herrschaftsfrei  –  früher oder später doch im Zustand einer Klassengesellschaft wiederfanden  – eventuell einmal zeitweilig zurückversetzt oder modifiziert, etwa durch soziale Unruhen, Bauernaufstände, Revolutionen, Invasionen von außen, Naturkatastrophen usw.
Das selber eingebrockte ‚Schicksal‘, so könnte man nun in Analogie auf Graeber und Wengrow mutmaßen, heißt da wohl Klassenherrschaft; (natürlich in unterschiedlicher Form und mit verschiedenem Inhalt, den entsprechend jeweiligen Ausgangsbedingungen geschuldet, d.V.). Woher dieser ‚Kreislauf‘ jedoch kommt, können Graeber und Wengrow nicht wirklich erklären (und was sie selber dazu als Deutung vorgeben, bedürfte einer eigenständigen Kritik).  Zentral im eigenen Text ist für sie ja eh, Menschen zu ermutigen, das Räderwerk aus eigener Kraft zu verlassen. Darauf konzentriere ich mich hier als Diskutant.

Ansichtssache

Das Buch der Autoren Graeber und Wengrow hat Stärken und Schwächen. Stark ist es, wo es den Leser zu alternativen Lebens- und Gesellschaftsformen animieren möchte sowie in den fachwissenschaftlichen Diskursen und in der Ideologiekritik. Schwach ist es hingegen in manchen Details und in den konzeptionellen Schlussfolgerungen bei der Geschichtsbetrachtung. Gehen wir in einige Details:

III. Nicht jedes Beispiel der Autoren überzeugt

   Aus der Fülle an Beispielen für eine klassenlose, herrschaftsfreie Gemeinschaft nenne ich im Folgenden – ohne Debatte: „Catal Höyük  / auch Catal Hüyük geschrieben“ (im historischen Anatolien).  Dann zeige ich auf einige historische ‚Wackelkandidaten‘ bei den Autoren:  Teotihuacan  (in Mesoamerika) und Uruk (im heutigen Irak). Diese letztgenannten geschichtlichen Areale passen im eigenen Entwicklungsverlauf nicht wirklich in das Schema der Autoren. Über das Warum würde ich gerne diskutieren, doch es fehlt mir dazu der Platz. Ich verweise hier hilfsweise auf die angehängte Literaturliste. (7)

Ich möchte nicht missverstanden werden. Meine Vorbehalte gegen die obigen ‚Wackelkandidaten‘ in Punkto weltlicher Ordnung entwertet nicht die vielen zutreffenden Beispiele der Autoren Graeber und Wengrow für eine herrschaftsfreie oder egalitäre Gesellschaft in der Geschichte.  – Ich lehne auch die Möglichkeit nicht ab, dass die obigen ‚Wackelkandidaten‘ in ihren Anfangszeiten eine irgendwie gestaltete herrschaftsfreie Ordnung gebildet haben. Mir sind nur die bisher vorgelegten Begründungen und Beweise der Autoren zu dünn. Zudem wird der Entwicklung dieser Areale in der weiteren Geschichte zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Denn beide Gesellschaften landeten später ebenfalls in autoritären Verhältnissen. Die Beispiele gemahnen so oder so zur Vorsicht, nicht allzu schnell bei der Zuschreibung von Paradebeispielen für oder gegen etwas zu sein. Jeder neue ‚Spatenstich‘ vor Ort, jeder neue Forschungsstand kann das Urteil in die eine oder andere Richtung verändern. Man spricht im Zwischenergebnis oder im Zweifelsfall besser von der eigenen Arbeitshypothese als von gesicherten Tatsachen – wobei Unklarheiten und Widersprüche in Material und Analyse nicht unter den Teppich zu kehren sind.

IV. Eine Frage an die Autoren Graeber und Wengrow – ohne Antwort: Was ist geschichtlich (wann) machbar, Herr Nachbar?

In einer Rezension zum Buch der Autoren (in der linken Zeitschrift „aK.“) fand ich folgende Anmerkung: „Auch die Antwort auf ihre Hauptfrage bleiben sie (die Autoren, d.V.) schuldig. Diese lautet: Wenn wir Menschen über Zehntausende von Jahren immer wieder unsere politischen Verhältnisse ändern konnten, warum leben wir im Westen seit 2000 Jahren in Klassenverhältnissen?“ (8) – Das ist ein berechtigter Hinweis des obigen Rezensenten im  „aK“, wenngleich zu eng gefasst. Denn spezifische Klassenverhältnisse mit ihrer Ausbeuterordnung fanden und finden sich ja auch im Osten, z.B.  zeitweilig im „Alten-China“ oder in „Alt-Persien“, ja als Faktum bis in die heutige Gegenwart in Ost und West. – Der „aK“- Rezensent hat für seine Feststellung selber keine Erklärung, aber das Verdienst, ein Unbehagen zur Schrift in einen vorwärtstreibenden Hinweis gekleidet zu haben.

Marx und Engels bieten hier (historische) Erklärungen und methodische Hinweise für unseren eigenen Forschungsweg.

Die marxistische Herangehensweise. Alles paletti?

V. Marx und Engels äußern sich: Warum Klassengesellschaft? Wann und durch wen öffnet sich der Weg daraus?

In einer (weiteren) wohlwollenden Rezension aus der Zeitschrift „junge Welt“ zum Buch von Graeber und Wengrow heißt es zur Stoßrichtung der Arbeit: „Die Autoren … wehren sich dabei gegen einen in ihren Disziplinen vertretenen fehlgeleiteten Evolutionsgedanken: Ein teleologisches Geschichtsbild, das dazu führt, das historisch Entstehende als unvermeidlich zu sehen.“ (9) Das ist korrekt wiedergegeben. Aber ist diese Position der Autoren auch immer richtig und schlüssig? Man kann und sollte zweifeln und selber nachforschen.

Doch die Abhandlung der Autoren hat noch eine andere Seite: Sie grenzt sich vom „Historischen Materialismus“ der Marxisten ab. (10) Das ist vielleicht nicht für jeden Leser auf Anhieb einsehbar, zumal Graeber und Wengrow das Streitfeld nicht ausdrücklich thematisieren, sondern vorgeblich ‚streifen‘. – Sehen wir uns deshalb einige allgemeine Aussagen der Klassiker des Marxismus an, um den Dissens zum gegebenen Anarchismus der Autoren zu verdeutlichen:

   Marx und Engels haben sich in ihrer wissenschaftlichen ‚Karriere‘ stets für Fragen der Menschheitsgeschichte interessiert, die bestehende wissenschaftliche Literatur ihrer Zeit dazu registriert und sie gegebenenfalls ausgewertet und bewertet.  Kein Wunder, denn was war und heute ist, ist historisch geworden und weiter im Fluss. Sie selber begaben sich dabei auf eine lebenslange Forschungsreise, bei der sich ihre Positionen auch verändert oder erweitert haben. Das kann uns hier aber nicht eingehend beschäftigen. – Ich greife aus der Fülle ihrer Arbeitsergebnisse die folgenden Fragen heraus: Warum haben sich menschliche Gemeinschaften im Stadium einer örtlich und geschichtlich gegebenen Zivilisation in Klassen gespalten; worin sahen Marx und Engels die historischen Bedingungen zu einer Beseitigung der historisch entstandenen Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse (auf höherem Niveau –  im Sozialismus/ Kommunismus).  Ich werde dazu ihre ausgereiften Darlegungen und Problemstellungen in einem kurzen (und nicht erschöpfenden) Auszug antippen.

Für Marx und Engels ist die Durchsetzung von Klassenverhältnissen und der Ausbeuterordnungen, nach dem Erlöschen der egalitären Urgesellschaft(en) kein Zufall.  Ihnen lagen und liegen historische und örtlich abzuklärende (!) Gesetzmäßigkeiten zugrunde. Engels hat sich dazu ausführlich in einer Reihe von Schriften – anfänglich – modellhaft geäußert: Im „Anti-Düring“ (1878) bzw. in der daraus abgeleiteten Kurzfassung „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ (1880/83). Darin heißt es u.a.: „Die Besitzergreifung der sämtlichen Produktionsmittel durch die Gesellschaft hat, seit dem geschichtlichen Auftreten der kapitalistischen Produktionsweise, einzelnen wie ganzen Sekten öfters mehr oder weniger unklar als Zukunftsideal vorgeschwebt. Aber sie konnte erst möglich, erst geschichtliche Notwendigkeit werden, als die tatsächlichen Bedingungen ihrer Durchführung vorhanden waren. Sie, wie jeder andere gesellschaftliche Fortschritt, wird ausführbar nicht durch die gewonnene Einsicht, dass das Dasein der Klassen der Gerechtigkeit, der Gleichheit etc. widerspricht, nicht durch den bloßen Willen, diese Klassen abzuschaffen, sondern durch gewisse neue ökonomische Bedingungen. Die Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, eine herrschende und eine unterdrückte Klasse war die notwendige Folge der früheren geringen Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen Ertrag liefert, der das zur notdürftigen Existenz aller Erforderliche nur um ein wenig übersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der großen Mehrzahl der Gesellschaftsglieder in Anspruch nimmt, solange teilt sich diese Gesellschaft notwendig in Klassen. Neben der ausschließlich der Arbeit frönenden großen Mehrheit bildet sich eine von direkt-produktiver Arbeit befreite Klasse, die die gemeinsamen Angelegenheiten der Gesellschaft besorgt: Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte, Justiz, Wissenschaften, Künste usw. Es ist also das Gesetz der Arbeitsteilung, das der Klassenteilung zugrunde liegt. Aber das hindert nicht, daß diese Einteilung in Klassen nicht durch Gewalt und Raub, List und Betrug durchgesetzt worden und daß die herrschende Klasse, einmal im Sattel, nie verfehlt hat, ihre Herrschaft auf Kosten der arbeitenden Klasse zu befestigen und die gesellschaftliche Leitung umzuwandeln in gesteigerte Ausbeutung der Massen. / Aber wenn hiernach die Einteilung in Klassen eine gewisse geschichtliche Berechtigung hat, so hat sie eine solche doch nur für einen gegebenen Zeitraum, für gegebene gesellschaftliche Bedingungen. Sie gründet sich auf die Unzulänglichkeit der Produktion; sie wird weggefegt werden durch die volle Entfaltung der modernen Produktivkräfte.“ (11)

Warum sollte „heute“ also etwas möglich sein, was „damals“ noch nicht ging?  Ich verweise hier auf folgende Positionen der Klassiker:  Bereits im „Manifest der Kommunistischen Partei“ (1848) (sowie in späteren Schriften) hoben Marx + Engels die historischen Leistungen der Kapitalisten /die der kapitalistischen Produktionsweise hervor: „Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen.“, hieß es hier. Freilich, ein so geschaffener materieller Reichtum, konzentriert in den Händen des Kapitals, war gesellschaftlich produziert, aber kapitalistisch angeeignet.  / Marx formulierte im Rohentwurf zum dritten Band des „Kapitals“, geschrieben zwischen 1864 – 1867, auch: „Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft sie unbewusst die materiellen Bedingungen einer höheren Produktionsform“.  Engels, der diese Arbeit/en und die daraus zitierte Passage von Marx posthum 1894 veröffentlichte, hat dem nicht widersprochen.

Andererseits verwiesen Marx und Engels bereits zu Lebzeiten aber auch auf die Kehrseite der historischen Leistungs-Medaille des Kapitalismus als Gesellschaftsformation:  auf die „in der modernen Gesellschaft herrschenden Klassengegensätze von Besitzenden und Besitzlosen, Lohnarbeitern und Bourgeois“; auf die Ausbeutung der Arbeiterklasse, jener Kraft also, die bei steigender Kopfzahl (gemeinsam mit den Werktätigen) und bei einem erwachenden politischen Bewusstsein wohl zum Totengräber des Kapitalismus werden könnte;  weiter auf die „in der Produktion herrschenden Anarchie“ in der ganzen Gesellschaft, die sich ja in den zyklischen Wirtschafts-Krisen der kapitalistischen Ökonomien äußert; desweiteren siehe ihre Verweise , auf die Verwüstungen in der Gattung Mensch und die der Natur durch eben diese kapitalistische  Produktionsweise usw.   Marx und Engels haben das alles ausführlich in ihren Schriften entwickelt und begründet. Man muss es nur lesen.

Kurz: „In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformationen bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses …“, schrieb Marx 1859.  – Doch zeigt(e) die Geschichte eben auch, dass sie alle nur eine begrenzte Daseinsberechtigung hatten und haben,  als vergängliche Stufen im endlosen Entwicklungsgang der menschlichen Gesellschaft.
Nach Engels jedenfalls hatte der Kapitalismus schon zu eigenen Lebzeiten seine progressive Rolle nachhaltig beschädigt, wenn nicht verwirkt. –  Der Kapitalismus sei nunmehr reif für die Abwicklung – allgemein gesehen.

Engels war optimistisch, was das absehbare Ende des Kapitalismus in den Zentren der Zeit durch den Kampf der Werktätigen betraf, doch wie man später erleben musste, ist die Frage nach seinem faktischen Ende nach wie vor offen.

So oder so lässt sich sagen:  es schafft der (industrielle) Kapitalismus in seiner Geschichte und in seinen jeweiligen gesellschaftlichen Varianten (natürlich unbewusst) objektive (ökonomische) Voraussetzungen, nicht nur diese oder jene Klassenherrschaft abzuschütteln, sondern jegliche zu schleifen.
Jedoch realisiert sich diese obige Möglichkeit nicht als „selbst kommende ökonomische Naturnotwendigkeit“ Richtung Sozialismus (wie einst von den politischen „Revisionisten“ gesagt), noch im Selbstlauf, sondern – nach Marx und Engels – nur als bewusste politische Tat einer revolutionären und lohnabhängigen Klasse, die zu sich selber gefunden hat – eben durch die soziale Revolution des Proletariats und der Werktätigen – sowie im Aufbau des Sozialismus/Kommunismus. –       Doch wie oben angemerkt steht der historischen Prognose aus der jeweiligen Linken zum angestrebten politischen Exitus des Kapitalismus durch die Tat der Werktätigen die Wirklichkeit gegenüber.  Ganz wie der oben zitierte Rezensent vom „ak.“ fragte: Warum leben wir dann im Westen … noch (immer) in Klassenverhältnissen?
Die Antwort steckt in der Realgeschichte, die wissenschaftlich zu analysieren wäre und dessen gesellschaftliche Resultate durch den bewussten Akt der Lebenden – wo immer möglich – verändernd zu gestalten sind.  Geschichte wird gemacht.

VI. Nachtrag

Kehren wir noch einmal zu unseren Eingangsfragen – zu den Anfängen der Zivilisationsgeschichte und ihren Ausformungen – zurück, und folgen dabei kurz einer weiteren Arbeit von F. Engels:  1884 veröffentlichte er seine Schrift „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Im Anschluss an Lewis H. Morgans Forschungen.“  Dem zuvor abstrakten und konstruierten Modell, wie denn die Entstehung von Klassenverhältnissen aus dem Untergang der Urgesellschaft(en) zu erklären sei plus den damit verknüpften Fragen, wurde nun ein weiteres, ein historisch unterfüttertes, ein mit Leben gefülltes ergänzendes Werk, zur Seite gestellt. Die Zeit schien dafür reif. – Welche Materialien lagen dieser neuen Studie zugrunde:
*  das Buch des amerikanischen Juristen und Wissenschaftlers Lewis H. Morgan, 1877 zur „Urgesellschaft“.  (12) Nach Engels, weil dieser Autor  „die von Marx vor vierzig Jahren entdeckte materialistische Geschichtsauffassung in Amerika in seiner Art neu entdeckt“ habe, und „von ihr, bei Vergleichung der Barbarei und der Zivilisation, in den Hauptpunkten zu denselben Resultaten geführt worden (sei) wie Marx“.
*  das Exzerpt von Karl Marx zum Buch Morgans, seine Anmerkungen dazu; weiter die sogenannten „ethnologischen Exzerpthefte“ von Marx, sowie verstreute Notizen des Autors zur historischen Formationsfrage; alles Dinge, die Engels im Nachlass seines inzwischen verstorbenen Freundes gefunden oder erneut aufgespürt hatte;  Materialen, die jedoch nicht in seiner ganzen Fülle und Fragestellungen in die Studie von Engels eingingen.
*  Engels eigene Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte Griechenlands und Roms, Altirlands, der alten Germanen, der Deutschen usw.
*   zeitgenössische Reisebeschreibungen, Analysen und Zeitungsmeldungen
*  Nachträge, die Engels späteren Auflagen seiner obigen Schrift beifügte, und deren Quellen er hier auch anzeigte, um, wie er ausführte, dem „heutigen“ Stand der Wissenschaft zu entsprechen.

Ich traue mich nicht, die inhaltliche Seite dieser Studie zusammenzufassen und die Wertigkeit dieser Schrift einst und jetzt zu beurteilen. Andere urteilen schon. In einem Kommentar des SED-eigenen Dietz-Verlages Ost (von 1964) heißt es: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats “ zählt zu den grundlegenden Werken des Marxismus. Diese Schrift ist eine wissenschaftliche Analyse der Geschichte der Menschheit in den frühesten Etappen ihrer Entwicklung: sie deckt den Prozess des Zerfalls der Urgesellschaft und die Herausbildung der auf Ausbeutung beruhenden Klassengesellschaft auf, zeigt die allgemeinen Charakterzüge dieser Gesellschaft und legt die Besonderheiten in der Entwicklung der Familienverhältnisse in den verschiedenen sozialökonomischen Formationen dar. Sie enthüllt ferner die Entstehung und den Klassencharakter des Staates und weist die historische Notwendigkeit seines Absterbens nach dem endgültigen Sieg der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft nach.“ (13)

Man kann diesen SED-Kommentar durchaus kritisch lesen. Mich beschleicht jedenfalls stets das Gefühl, Engels werde hier ein allgemein-verbindlicher Fahrplan der menschlichen Geschichte jenseits von Raum und Zeit unterstellt. – Doch seit wann steht die Erde still?

Engels bezog sich in seiner eigenen oben angeführten Arbeit wesentlich auf die Schrift von Morgan zur „Urgesellschaft“ und ihrer Auflösung etc., die er aber durch konkrete Beispiele illustrierte, ergänzte, vertiefte und erweiterte. Kernaussagen von Morgan akzeptierte er. – Ein Zeitgenosse von Engels, der französische Sozialist Paul Lafargue , charakterisierte die Arbeit von Morgan damals wie folgt: „Morgan ist einer der seltensten Anthropologen, die für den Wilden und Barbaren nicht die stumpfsinnige Betrachtung des Philisters haben, und so hat er dann zuerst die zahlreichen, oft sich widersprechenden über sie gesammelten Thatsachen in eine logische Ordnung eintheilen und  die ersten Umrisse der Entwicklung des vorgeschichtlichen Menschen entwerfen können“. (14) Was der Sache nahekommt. Kurz, Engels legte dem Leser, in Anschluss an Morgan, ein offenes und zeitbedingtes historisches Modell vor, das nach neueren Erkenntnissen (von uns) natürlich auch anders gefasst werden müsste.

In der Tat hat Engels das Wissen seiner Epoche und seiner Person in dieses sein historisches Modell hineingelegt, es mit seinen methodischen Überlegungen verknüpft. Aus heutiger Sicht, durch ein erweitertes, vielfach auch neueres Wissen, sind mache Passagen seiner Arbeit revisionsbedürftig, andere Sachverhalte müssten neben dem Erhaltenswerten ergänzt werden. Wer sich da über Engels´ Versuch echauffiert, sollte bedenken, dass auch die heute gängigen akademischen Modelle aus der Archäologie usw. selber unter Druck geraten sind. Sie werden in dieser Gestalt nicht überleben. Neue Erkenntnisse zwingen eben alle Seiten zur Neu-Hypothesen- und Weiterentwicklung der konkreten Geschichtsdarstellung sowie der politischen Praxis.

 1895 starb Friedrich Engels. Die von ihm angestoßene Diskussion zur Urgesellschaft, genauer zu ihren Formen und Varianten, zur Zivilisationsgeschichte, zum Sozialismus, zum besonderen Revolutions-Problem Alt-Russlands usw. (auf der Methoden-Basis des „Historischen- und Dialektischen Materialismus“) brach danach nicht ab. Sie füllt inzwischen Bibliotheken.

Wer waren die Diskutanten der ‚ersten Stunde‘ nach dem Tode von Engels? Auf marxistischer Seite z.B. G.W.Plechanow (15) und Rosa Luxemburg; auf jener der sogenannten politischen und weltanschaulichen „Revisionisten“ Autoren wie Karl Kautsky u.a.; dann weiter die Linkssozialisten; gefolgt von der bunten Schar der Partei-Kommunisten; usw. – Wer sich näher mit ihren Arbeiten beschäftigt, wird feststellen, dass fast alle Seiten (auch jene erklärten Marxisten) am „Historischen Materialismus“ herum geschraubt haben sowie selber Korrekturen am obigen geschichtlichen Modell zur Frühgeschichte usw. von Engels vornahmen. Doch nur wenige dieser ‚Freibeuter‘ wie Karl Kautsky haben das auch offengelegt. (16) Eine Bilanz ihres Bemühens – jenes im Guten wie im Schlechten – würde mich überfordern.

Auch im politisch gespaltenen Deutschland nach 1945 fanden weitere Diskussionen statt.  Zusammenfassende Bilanzen dieser Diskussionen in Ost (17) und West (18) stehen trotz erster Versuche aus. Ich habe daher vor der Materialfülle vorerst kapituliert. Und hoffe natürlich, dass sich aus meinem kleinen Aufsatz so etwas wie eine weitergehende Diskussion unter Genossen entwickeln könnte.

VII.  Die Herausforderungen annehmen

   Graeber und Wengrow, auf die wir uns eingangs bezogen, sind respektable Libertäre. Sie werfen kein explosives Material in die herrschaftliche Runde, sondern (Geschichts-) Wissen und persönliche Anregungen in die gesellschaftliche Debatte, um ‚einfache‘ Menschen zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft, zur Mitmenschlichkeit zu animieren – für einen selbstbestimmten Austritt aus der Sackgasse des Kapitalismus. Man muss nicht (und sollte nicht) alle Standpunkte und Gedankengänge der Autoren im angesprochenen Buch teilen. Aber man muss sich zu ihren sozialen Anliegen und politischen Ideen verhalten. Auch Marxisten stellen sich hier wie eh und je ‚Hausaufgaben‘. Von nichts kommt nichts.

 

Quellenangabe /Anmerkungen:

1)  David Graeber + David Wengrow:  Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit (2021); Stuttgart: Klett Cotta 2022
2)  Zu den ersten (und keineswegs einzigen) Diskussionsbeiträgen zum Buch im Internet siehe u.a.: Axel T. Paul:  Neue Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Literaturessay zu „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“ von David Graeber und David Wengrow.  in:  „Soziopolis“, 4. 4. 2022, S. 1 – 35 .  /  Jule Govrin u. Janosch Steuwer (Gespräch):  Prähistorie als Geschichte der Gegenwart? Ein Gespräch über Anfänge von David Graeber und David Wengrow.  in: Geschichte der Gegenwart – https://geschichtedergegenwart.ch -.  11. Dez. 2022.  /  Mein Kommentar:  Diese Stellungnahmen enthalten, neben einer (mehr oder weniger verhaltenen) Würdigung oder Kritik der Arbeit von Graeber und Wengow eine Reihe kritischer Anmerkungen zur Studie der Autoren. – Ich habe einige Positionen bearbeitet und weitergehend debattiert.
3)  – Stichwort „primäres Neolithikum“; in unterschiedlichen Räumen und unterschiedlichen Zeiten, bei unterschiedlicher Ausprägung bzw. Resultaten. Hier gebe ich als Literaturhinweis: „Universalhistorisch ist … festzuhalten, daß neben dem frühen vorderasiatischen autonomen Neolithisierungszentrum ein wenigstens partiell autonomes zweites Zentrum im Einzugsgebiet des Indus bestand, daneben ein ganz autonomes drittes, wenn auch mit Kontakten zum Westen, in Ostasien, sowie ein viertes, in sich vernetztes Doppelzentrum im Hochland von Mexiko und den Anden in Amerika und schließlich ein fünftes im subsaharischen Afrika.“   aus: Hansjürgen Müller-Beck: Die Steinzeit. Der Weg der Menschen in die Geschichte. München: Verlag C.H. Beck, 3 Aufl. 2004, S.112
4)  – Beispiel Anatolien:  Der türkische Archäologe Mehmet Özdogan schrieb 2007: „Die Jungsteinzeit in Anatolien kann, der gleichzeitigen Kulturabfolge in anderen Regionen Vorderasiens entsprechend, in die zwei großen Abschnitte … eingeteilt werden: Auf die akeramische Stufe, die einen Zeitraum vom 11. Jt. bis zum Ende des 8. Jt. v. Chr. umfasste, folgte die keramisch-spätneolithische Stufe. Sie reichte bis etwa 6000 v. Chr.“  – Siehe im Detail und zur anhaltenden Diskussion:  „Vor 12000 Jahren in Anatolien. Die ältesten Monumente der Menschheit“. Herausgegeben vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe; Konrad Theiss Verl., Stuttgart: 2007.  /  Dagmar Schediwy: Wo die Jäger und Sammler wohnten. Im Südosten Anatoliens errichteten Jäger und Sammler angeblich die ersten Tempel der Geschichte. Doch neuere Grabungen zeigen: Auf dem Göbekli Tepe haben die Wildbeuter vor rund 12000 Jahren auch Wohnhäuser erbaut. Entwickelten sich die Jäger und Sammler womöglich anders als gedacht zu sesshaften Bauern?  in:  Spektrum der Wissenschaft, Nr. 1, 2024, S. 70 – 78 / Beigefügt ist dieser Arbeit: Joachim Willeitner: Göbekli Tepe ist nicht allein.  in: ebenda, S. 74 -75
– Stichwort „sekundäres Neolithikum“: definiert als die Einwanderung neolithischer Bauern mit ‚Sack und Pack‘ in die bisher von archaischen Jägern und Sammlern belegten großflächigen Landschaften; hier nenne ich als ein Beispiel: Svend Hansen / Barbara Helwing: Der Beginn der Landwirtschaft im Kaukasus.  in: Gold & Wein. Georgiens älteste Schätze (Hg. L. Giemsch u. S. Hansen; Begleitband zur Sonderausstellung Archäologisches Museum Ffm 2019), Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz: 2019, S. 26 – 41
5)  Zitiert aus:  Marx /Engels: Ausgewählte Schriften: Band 1, Berlin: Dietz Verlag Berlin, 1964, S. 226
6)  Siehe zum „Alten Orient“ einige weltanschaulich keineswegs einheitliche Übersichtswerke: Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Horst Klengel: Kulturgeschichte des alten Vorderasien. Berlin: Akademie-Verlag, 1989  /  Hans J. Nissen+ Peter Heine: Von Mesopotamien zum Irak. (2003) Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 2014. /  Dietz Otto Edzard: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen. (2004) München: Verlag  C.H.Beck, 2. verb. Aufl., 2009
7)  Das derzeitige Wissen  zu:
– „Catal Hüyük“, 7400 – 6000 v. u. Zt.; in Anatolien: –  In einigem veraltet, aber immer noch lesenswert: James Mellaart: Catal Hüyük. Stadt aus der Steinzeit. Bergisch Gladbach: 1967 /  Auf dem neuesten Stand die Arbeiten des Archäologen Jan Hodder zu Catal Hüyük. Auszüge seiner Schriften in deutscher Übersetzung bei:  Dieter Reinisch (Hg.): Der Urkommunismus. Wien: Promedia, 2012, S. 155 – 163.  / Siehe zudem die Literatur der Fußnote 4
– „Teotihuacan“, 1. Jh. v. u. Zt. – 7. Jh. u. Z.; in Mesoamerika (Mexiko): Siehe z.B :  Teotihuacan. Geheimnisvolle Pyramidenstadt. ; SOMOGY . Editions D Art,  Ausstellung im Museum Rietberg Zürich: 2010. (= Katalog)  /  Antje Gunsenheimer u. Ute Schüren: Amerika vor der europäischen Eroberung. Frankfurt/M.:  S. Fischer, (Neue Fischer Weltgeschichte, Band 16), 2016
– „Uruk“, 5. Jt. v. u. Zt. – ca. 4/5 Jh. n. u. Zt. ; südliches Babylonien (Irak):  –  Siehe z.B.:  N. Crüsemann/ M. van Ess / M. Hilgert/ B. Salje (Hrsg.):  Uruk  5000 Jahre Megacity. Begleitband zur Ausstellung „Uruk- 5000 Jahre Megacity“ Im Pergamon Museum – Staatliche Musen zu Berlin; Michael Imhof Verlag: 2013. /  Siehe des Weiteren die Übersichtswerke zum „Alten Orient“ im Quellenverzeichnis Nr. 6
8)  Simon Sutterlütti:  Revoltierend, politisch und selbstverwaltet. Geschichte. David Graeber und David Wengrow erzählen eine andere Geschichte der Menschheit.  in: „ak“. , Nr. 679, 15. Feb. 2022, S. 30
9)  Thomas Salter: Hochwertige organische Kost. Auf Weltreise: David Graeber und David Wengrow schreiben die Weltgeschichte um: in: „jw“ 16. März 2022, Nr. 63, S. 17
10)  Engels vermerkte zur „materialistischen Geschichtsauffassung“ u.a.: „Der durchgehende Grundgedanke des (kommunistischen) Manifestes: daß die ökonomische Produktion und die aus ihr mit Notwendigkeit folgende gesellschaftliche Gliederung einer jeden Geschichtsepoche die Grundlage bildet für die politische und intellektuelle Geschichte dieser Epoche; daß demgemäß (seit Auflösung des uralten Gemeinbesitzes an Grund und Boden) die ganze Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist, Kämpfen zwischen ausgebeuteten und ausbeutenden, beherrschten und herrschenden Klassen auf verschiedenen Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung; daß dieser Kampf aber jetzt eine Stufe erreicht hat, wo die ausgebeutete und unterdrückte Klasse (das Proletariat) sich nicht mehr von der sie ausbeutenden und unterdrückenden Klasse (der Bourgeoisie) befreien kann, ohne zugleich die ganze Gesellschaft für immer von Ausbeutung, Unterdrückung und Klassenkämpfen zu befreien … “. (1883) / „Hier die Antwort auf ihre Fragen! Unter den ökonomischen Verhältnissen, die wir als bestimmende Basis der Geschichte der Gesellschaft ansehen, verstehen wir die Art und Weise, worin die Menschen einer bestimmten Gesellschaft ihren Lebensunterhalt produzieren und die Produkte untereinander austauschen (soweit Teilung der Arbeit besteht). Also die gesamte Technik der Produktion und des Transports ist da einbegriffen. Diese Technik bestimmt nach unserer Auffassung auch die Art und Weise des Austausches, weiterhin der Verteilung der Produkte und damit, nach der Auflösung der Gentilgesellschaft, auch die Einteilung der Klassen, damit Staat, Politik, Recht etc. Ferner sind einbegriffen unter den ökonomischen Verhältnissen die geographische Grundlage, worauf diese sich abspielen, und die tatsächlich überlieferten Reste früherer ökonomischer Entwicklungsstufen, die sich forterhalten haben, oft nur durch Tradition oder vis inertiae (die Kraft der Trägheit), natürlich auch das diese Gesellschaftsform nach außen hin umgebende Milieu. “ (1894)  / Die hier zitierten Passagen aus: Marx/Engels :  Ausgewählte Schriften, Band 1+2, Berlin: Dietz Verlag Berlin, 1964
11)  Zitiert aus: Marx /Engels: Ausgew. Schr., 1964, Bd.2, S. 135 – 136
12)  Lewis Henry Morgan: Die Urgesellschaft. Untersuchungen über den Fortschritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation. (1877) Zürich: 1884. (ff.) ; auch Neuausgabe, Wien: 1987
13)  Redaktionelle Anmerkung des Dietz Verl., 1964,  in:  Marx/Engels: Ausgew. Schr., Bd. 2, S. 504 – 505
14)  Paul Lafargue:  Die Entwicklung des Eigentums. (Neue durchgesehene Auflage). Berlin: Verlag der Expedition des „Vorwärts“  Berliner Volksblatt, 1893, S. 7
15)  G.W. Plechanow:  Zur Frage der Entwicklung der Monistischen Geschichtsauffassung (1894) Berlin: Dietz Verlag, 1956. / G.W. Plechanow: Grundprobleme des Marxismus. (1908) Berlin: Dietz Verlag, 1958
16)  Karl Kautsky (Dargelegt von): Die Materialistische Geschichtsauffassung. Erster Band: Natur und Gesellschaft. Berlin: Verlag  J.H.W. Dietz Nachf. 1927 / Band Zwei: Der Staat und die Entwicklung der Menschheit.  ebenda, 1927 / auch:  Gekürzte Ausgabe der Arbeit, unter gleichem Autorennamen und Titel, durch John H. Kautsky (Herausgegeben, eingeleitet und annotiert)  Berlin-Bonn:  Verlag  J.H.W. Dietz Nachf., 1988
17)  Die interessantesten Diskussionen zum Themenkomplex:  Vor- und Frühgeschichte bzw.   gesellschaftliche Formationsfrage, so mein Eindruck, fanden in den Anfängen und am Ende der DDR statt.  / 1987, also noch vor dem Untergang der DDR, legte ein westdeutscher Historiker eine Beschreibung und Deutung der Ostdeutschen Diskussion zum Problemkomplex vor, nebst eigenen Anschauungen zur Marx-Interpretation. Die Studie hatte naturgemäß Lücken und Schwächen, zumal sie von Außen erfolgte. Die Resonanz der Arbeit in Ost und West war leider bescheiden. Siehe:  Wolfgang Kunkel: Geschichte als Prozeß? Historischer Materialismus oder Marxistische Geschichtstheorie. Hamburg: VSA-Verlag, 1987.  /  Zu den Spätwerken der DDR – Geschichtsschreibung beim historischen Thema zählen u.a.:  Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Heinz Grünert:  Geschichte der Urgesellschaft.  Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1982  /  Joachim Herrmann u. Jens Köhn (Hrsg.):  Familie, Staat und Gesellschaftsformation. Grundprobleme vorkapitalistischer Epochen einhundert Jahre nach Friedrich Engels Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“.  Berlin: Akademie-Verlag, 1988  –  Mein Kommentar: Die beiden angegebenen Bücher geben die damals wohl mehr oder weniger geltende offizielle Linie der Partei SED wieder. Wissenschaftliche Widersprüche oder Meinungsverschiedenheiten unter den Autoren selbst wurden dabei eher unter den Teppich gekehrt, bestenfalls angedeutet; marxistische Abweichler, die es ja auch noch unter ihnen gab, hatten hier keine wirkliche Stimme. – Frei war die Diskussion in der DDR eh meistens nicht. Selbst im Abgang kastrierte man sich.
18)  Zur westdeutschen Debatte habe ich nur partielle Kenntnisse. / Im österreichischem Verlag Promedia erschien eine lesenswerte allgemeine Dokumentation zum Thema „Urkommunismus“ in Textauszügen:  Dieter Reinisch (Hrsg.): Der Urkommunismus. Auf den Spuren der egalitären Gesellschaft. Wien: 2012. – Gegliedert ist die Dokumentation in die Abschnitte:  Marxistische Vorstellungen vom Urkommunismus; Linke Nationalisten und der Urkommunismus; Forschung in der UdSSR und der DDR; Archäologen und Anthropologen über den Urkommunismus; Erkenntnisse aus dem 21. Jahrhundert.  – Das informative Vorwort des Archäologen und Publizisten D. Reinisch verweist auf einige Diskussionsstränge im Westen und Osten.  /  In DKP-Nähe, doch unter Vorbehalten, publizierten in Westdeutschland Margarete Tjaden-Steinhauer u. Karl Hermann Tjaden zu den oben angesprochenen (historischen) Fragen. Ihre Arbeiten liegen mir zur Einschätzung nicht vor.  /  Auch in der sogenannten „Neuen Linken“  –  im Nachklang der 68er Bewegung –  kam es zu einer Diskussion der angeschnittenen Fragen. Man arbeitete an der Rekonstruktion Marxscher Gedanken; Anthropologie, Ethnologie, Formationsfrage usw. An dieser Aussprache beteiligten sich auch Linkbürgerliche Autoren. Hierbei sei an Autoren wie H-P. Harstick und Lawrence Krader erinnert, die wichtige Impulse setzten.  Weitere Arbeiten aus dem französischen, italienischen und englischsprachigen Bereich wurde übersetzt, so spezielle Überlegungen von Maurice Godelier , Eric J. Hobsbawm, Gianni Sofri, usw.  In der DDR-Diskussion kamen diese Arbeiten kaum vor.
*  Registrieren sollten Marxisten auch eine interessante Strömung in der neueren Archäologie- und akademischen Debatte Gesamtdeutschlands.  Ihre Vertreter beziehen sich nicht auf den „Historischen Materialismus“ (den sie kaum richtig kennen oder missdeuten), sondern auf eine irgendwie (zumeist individuell) gefasste „Evolutionstheorie“ in der Geschichtsbetrachtung. Nicht wenige der Autoren nähern sich dabei dem geschichtlichen Materialismus an; spürbar das Anliegen, bei der Lebenswirklichkeit und Umwelt der Menschen anzusetzen und diese aus historischen Funden zu rekonstruieren.  –  Siehe als Beispiel aus dem Literaturfundus dieser Strömung:  Harald Meller u.a. (Hrsg.): Überschuss ohne Staat: politische Formen in der Vorgeschichte; 10. Mitteldeutscher Archäologentag vom 19. – 21. Oktober 2017 in Halle (Saale). Verlag: Halle; Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt., 2018
*  Soeben erschienen ist als politischer Links-Beitrag: Stephan Krüger: Epochen ökonomischer Gesellschaftsformationen. Eckpunkte und Entwicklungslinien der Weltgeschichte. Hamburg : VSA.Verlag, (Kritik der Politischen Ökonomie und Kapitalismusanalyse, Band 7), 2023.  – Das Neunhundert-Seiten- Werk, so mein Kommentar, will erst einmal verdaut werden. Es dürfte und wird wohl unter Linken und Marxisten nicht ohne Grund ein geteiltes Echo hervorrufen. Ein Echo, das vielleicht wirklich zu einer kontroversen und nachhaltigen Debatte über die vorgelegten Ansichten unter Genossen animiert. Mal sehen.