Chinas Weg in den Kapitalismus

Martin Schlegel

1. Einleitung

Spätestens seit Beginn der Amtszeit von Präsident Obama wird in der Außen- und Wirtschaftspolitik der USA deutlich, dass von deren führender Schicht China als Hauptrivale betrachtet wird. Es ist außerdem mit der zweiten Amtszeit von Donald Trump ein neuer Realismus eingekehrt, der beinhaltet, dass es die USA finanziell und militärisch überfordert, gleichzeitig Konfliktpotentiale mit China und Russland aufrecht zu erhalten, weshalb sie von ihrer früheren Konfrontationsstrategie gegenüber Russland abrücken, um sich besser auf den Hauptgegner China konzentrieren zu können. Vom Westen wird die Auseinandersetzung zwischen den USA und China als eine zwischen Kapitalismus und Kommunismus betrachtet, eine Ansicht, die bei Teilen der Linken auf Zustimmung stößt. Grund genug, sich mit dem heutigen Charakter der Gesellschaftsordnung in China systematisch zu befassen.

Im folgenden Artikel wird der Übergang der Volksrepublik China (VRCh) zum Kapitalismus nach dem Tod Mao Tse Tungs dargestellt. Es wird konkret beschrieben, wie kapitalistische Prinzipien sich zunächst in einigen Bereichen allmählich entwickelten und dann zunehmend die ganze Volkswirtschaft quasi unaufhaltsam erfassten. Als Leitgedanke dient mir dabei die Entwicklung der Lohnarbeit, die ein Kriterium für eine kapitalistische Wirtschaftsordnung ist. Danach werden der russische und der chinesische Weg des Übergangs zum Kapitalismus behandelt. Anschließend werden die Auseinandersetzungen dargestellt, die zu Beginn der Reformperiode in Partei und Regierung Chinas stattfanden und wie sie den Weg zum Kapitalismus öffneten. Abschließend beschreibe ich die Besonderheiten des chinesischen Kapitalismus und wie sie sich entwickelten und stelle sie in historische Zusammenhänge.

2. Die Reformen der Nach-Mao-Zeit

Eine bekannte Einteilung der Refomära in einzelne Etappen macht der amerikanische Ökonom Barry Naughton[1], der die erste Etappe von 1978 bis 1988 und die zweite Etappe auf die Zeit nach 1992 datierte. Diese Einteilung ist plausibel, da mit der Krise etwa im Jahr 1988 zunächst der gesamte Reformkurs in Frage gestellt wurde. Naughton charakterisiert die erste Etappe als eine ohne Verlierer und die zweite Etappe als eine mit Verlierern. Das ist darin begründet, dass in der ersten Etappe der Lebensstandard der Bauern und der Bevölkerung insgesamt stieg, während in der zweiten Etappe mit der teilweisen Zerschlagung der Staatsbetriebe (SOEs, State owned Enterprises) und der Ausweitung der Wanderarbeit in entfernte Orte das Lohnarbeitsverhältnis sprunghaft zunahm. Eine dritte Etappe ist inzwischen deutlich zu erkennen. China wandelt sich von einem technisch unterentwickelten Land in ein sich auf fortgeschrittene Technologie und Hochtechnologie stützendes Land, die Phase nachholender Industrialisierung ist abgeschlossen. Diese dritte Etappe ist etwa ab 2015 mit dem 10-Jahresprogramm ‘Made in China 2025‘ anzusetzen. Durchgängiger Charakter der gesamten Reformära ist die wachsende Herstellung kapitalistischer Verhältnisse in allen Lebensbereichen.

 

2.1     Die Agrarreform

Am Ende der Mao-Zeit befand sich die Volksrepublik China in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Insbesondere war die Ernährungslage schlecht. Es gab einen Handlungsdruck für Reformen insgesamt und vor allem auf dem Land, die Reformen begannen dementsprechend nach 1978 in der Landwirtschaft. In der Mao-Ära wuchs zwar die landwirtschaftliche Produktion jährlich um etwa 4%[2], jedoch konnte sie damit nur eine gleichbleibende Ernährung der schnell wachsenden Bevölkerung decken[3]. Außerdem musste die wachsende Produktivität der Landwirtschaft eine wachsende Industriearbeiterschaft versorgen. Zur Verbesserung der Lage der Bauern beschloss das dritte Plenum der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im Jahr 1978 eine Erhöhung der Verkaufspreise für Landwirtschaftsprodukte um 20% und eine Senkung der Einkaufspreise von Vorprodukten für die Bauern, da die KPCh die Verbesserung der Lage der Bauern als vorrangig erkannte. Daneben vollzog sich eine Entwicklung, die die Partei zunächst nicht geplant hatte und erst im Jahr 1982 anerkannte: die Ablösung der kollektiven Bewirtschaftung des Bodens durch die Bewirtschaftung von Bauernfamilien in Eigenverantwortung. Diese private Bearbeitung wurde Haushaltsverantwortungssystem genannt.[4] Bereits 1982 wurden 80% der Böden privat bewirtschaftet, ein Jahr später waren es 95%.[5] Ein Haushaltsverantwortungssystem hatte es auch in der Mao-Ära eine Zeit lang gegeben, insbesondere am Ende des ‘Großen Sprungs‘, um die drastische Hungersnot zu beseitigen, es wurde aber wieder abgeschafft. Im Unterschied zur VRCh nach 1978 kam im postsowjetischen Russland nach 1990 die Entkollektivierung der Landwirtschaft wegen der mächtigen Agrarlobby nur langsam in Gang.[6] Eine vergleichbare Agrarlobby wie in Russland gab es in China nicht, so dass die Einführung der Privatwirtschaft auf dem Land zu einer Keimzelle der kapitalistischen Entwicklung in China insgesamt wurde.

Die neue Situation in den ländlichen Gebieten führte auch dazu, dass landwirtschaftliche Maschinen, Traktoren, Pumpen und Verarbeitungsmaschinen Privateigentum wurden.[7] Die im Jahr 1978 bestehende Verfassung kannte nur das sozialistische Volkseigentum und ein Kollektiveigentum der werktätigen Massen an den Produktionsmitteln. Zur Akzeptanz der ideologischen Neuausrichtung der KPCh auf die private Landwirtschaft trug der Begriff der Individualwirtschaft bei, der später auch auf einen Teil der städtischen Privatbetriebe angewandt wurde. Da in den ländlichen Privatbetrieben meist nur Familienmitglieder mitarbeiteten, ließ sich der Begriff der Ausbeutung schwer anwenden. Das erleichterte es, die Einführung von Privatbesitz an Produktionsmitteln nicht zu thematisieren und damit zu tolerieren. Insgesamt verhielt sich die Führung so:[8] „Sie hat private Eigentumsrechte an Produktionsmitteln nach und nach in dem Maße zugelassen, wie diese zur Ausübung erwünschter unternehmerischer Tätigkeit notwendig war.“ Die Individualwirtschaft wurde im Lauf der Zeit als Ergänzung der sozialistischen Wirtschaft anerkannt.

Die große Geschwindigkeit bei der Entkollektivierung des Bodens in der VRCh zeigt, dass sie in weiten Teilen des Landes den bäuerlichen Wünschen entsprach. Das deutet darauf hin, dass der Schritt von der Landumverteilung hin zur Kollektivierung der Landwirtschaft in der Mao-Ära verfrüht war. Zur Unzufriedenheit der Bauern trug zudem die Erfahrung der Hungersnot von 1958-1961 bei, in der sie ihren Eigenbedarf nicht decken konnten. Auch nach der Hungersnot verbesserten sich in der Mao-Ära die Ernährungslage der Bauern und ihre Lebensbedingungen nicht wesentlich. Dies lag auch daran, dass der bäuerliche Mehrwert zur Finanzierung der Schwerindustrie abgeschöpft wurde.

In der Volksrepublik China gehörte der Boden in den Städten dem Staat, auf dem Land meist den Kollektiven. Die neuen Pachtverträge der Bauern für die Nutzungsrechte von Land beliefen sich zuerst auf ein Jahr, später auf 30 Jahre und mehr, das Land blieb aber im Staats- beziehungsweise im Kollektivbesitz.[9] Im Jahr 1979 wurden die staatlichen Ernteabgabepflichten für die Bauern begrenzt und im Jahr 1985 wurde das staatliche Abgabenprogramm vollständig abgeschafft.[10] Bei den landwirtschaftlichen Produkten fand zum ersten Mal die zweigleisige Reformpraxis (dual track)[11] statt, die später dann gezielt auch bei den Staatsbetrieben praktiziert wurde: Die Beibehaltung der vom Staat geforderten Abgabemengen bedeutete eine zunehmende Menge von Produkten, die frei verkauft werden konnten. So wuchsen die bäuerlichen Betriebe sukzessive aus den Vorgaben heraus, wodurch in der Landwirtschaft anstelle der bisherigen Planwirtschaft schrittweise eine Marktwirtschaft eingeführt wurde. Es entstanden, zunächst illegale freie Märkte und eine Produktion entsprechend der Nachfrage und damit auch ein zweigleisiges Preissystem von staatlich festgelegten und frei verhandelten Preisen.

Nach der Privatisierung der Landbebauungsrechte stieg der Ertrag der Bauern pro Kopf jährlich um etwa 6% an[12] und blieb danach ungefähr in der gleichen Höhe. Die Vielfalt der landwirtschaftlichen Produkte wuchs entsprechend der Nachfrage, die den sich ändernden Essgewohnheiten folgte.[13] Zu dieser Steigerung trug auch der breitere Einsatz von Kunstdünger und die Verbesserung der Bewässerungssysteme bei, beides Maßnahmen, die schon in der Mao-Ära begonnen wurden.[14] Hinzu kam der Einsatz von verbessertem Saatgut[15] und die Mechanisierung. Der Landwirtschaft Die Reformen auf dem Land sicherten zum ersten Mal seit der Gründung der VRCh dauerhaft die Ernährung der gesamten Bevölkerung. Dies ist ein Erfolg, denn China besitzt eine unterdurchschnittliche nutzbare Ackerfläche pro Kopf der Bevölkerung.[16] Gleichzeitig stieg das Einkommen der Bauern zwischen 1978 und 1985 mit jährlich etwa 15% doppelt so stark wie das städtische Einkommen[17] und die Armutsrate auf dem Land sank. Nach der Anfangsphase mit stark steigenden Einkommen der Bauern sanken aber die Reallöhne wieder. Das lag an dem Preisverfall der Lebensmittel und dem Anstieg der Preise für Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel, außerdem erhöhten die Lokalregierungen kräftig die Steuern. Da ein Gefälle von 1:3 zwischen den Einkommen in der Stadt und auf dem Land bestehen blieb und die wachsende Industrie auf dem Land nur einen Teil der unterbeschäftigten Bauern aufnehmen konnte, begann Mitte der 1990er Jahre die Zeit der Wanderarbeiter in weiter entfernte Städte.[18] Zusätzlich sorgte die wachsende Produktivität in der Landwirtschaft für einen kontinuierlichen Nachschub an überzähligen Arbeitskräften. Es war der chinesischen Führung bewusst, dass die Verbesserung der Lage der Bauern eine entscheidende Bedeutung für die Stabilität des Landes und der Führung durch die KPCh hatte. So gab es in der Folgezeit immer wieder Initiativen, durch Subventionen und Steuererleichterungen die soziale Lage der Bauern zu verbessern. In der chinesischen Geschichte bedeuteten Bauernunruhen immer eine Gefahr für die Regierung.

Die Bodenreform hatte aber auch zur Folge, dass die Sozialsysteme auf dem Land abgebaut wurden, die bisher durch die Kollektive finanziert wurden. Sämtliche Sozialleistungen wurden reduziert oder fielen ganz weg. Erst im Jahr 2003 begann die Zentralregierung im Gefolge der SARS-Epidemie wieder ein Gesundheitssystem auf dem Land aufzubauen.[19] Dieses Thema wird in Kapitel 2.9 ausführlicher behandelt.

Wichtig erscheint mir an der Untersuchung von Coase der Hinweis, dass sich die Bewegung hin zu einer privaten Landwirtschaft wie auch zu anderen wirtschaftlichen Reformen wie etwa der Individual- und Privatwirtschaft sich spontan von unten entwickelten und erst später von der Zentralregierung gebilligt wurden. Dies wird auch durch die detaillierte Untersuchung von Kühner bestätigt.[20] Normalerweise herrscht die Meinung vor – und so stellt es auch die chinesische Regierung gern dar – dass die Ergebnisse der Reformperiode allein auf Regierungsinitiativen beruhten.

Ihre besondere Bedeutung erhielt die Entkollektivierung der Landwirtschaft dadurch, dass sie Arbeitskräfte freisetzte, die teilweise zu Lohnarbeitern wurden. Es entstanden Verhältnisse, wie es sie auch in einigen anderen Übergangsgesellschaften zum Kapitalismus gab. Vom Land kamen nicht oder nur sporadisch beschäftigte Arbeitskräfte zunächst in gewerblichen Produktionen in der Nähe des Heimatorts unter, um dort mit Lohnarbeit Geld zu ihrem Lebensunterhalt zu verdienen oder hinzuzuverdienen. Im Fall, dass der Lohnarbeiter noch Teil einer familiären Landwirtschaft war, wurde ein Teil der Lebensmittel durch seine Familie bestritten, die dafür Geld erhielt. Dadurch konnten die Löhne unterhalb der Löhne von Lohnarbeitern liegen, die ihre gesamten Unterhaltskosten durch den Lohn bestreiten mussten. Mit der Entstehung der Wanderarbeiter wurde dann der Geldtransfer ins Heimatdorf zurück zu einer wichtigen Finanzierungsquelle der Heimatfamilie, um etwa Schul- oder Krankenhauskosten zahlen zu können.

 

2.2     Wanderarbeiter und industrielle Entwicklung

In der Landwirtschaft gab es schon länger eine Überbevölkerung. Günter Schucher[21] schätzt sie zu Beginn der Reformära auf 156 Millionen. Auch später wurden auf dem Land beständig Arbeitskräfte freigesetzt, da die Produktivität wuchs. Die Anzahl der Bauern sank von 391 Millionen im Jahr 1991 auf 215 Millionen im Jahr 2016[22]. Da in der Mao-Ära aufgrund von Kapitalknappheit das Industriewachstum zu gering war, um einen größeren Zuzug vom Land aufzunehmen, wurde im Jahr 1958 das Hukou (Wohnsitzregistrierungs-)–System eingeführt. Eine Geburt auf dem Land bedeutet eine lebenslange Haushaltsregistrierung auf dem Land (ein ländliches Hukou) und ein Niederlassungsverbot in der Stadt. Die städtische Bevölkerung hatte ein städtisches Hukou und besaß eine soziale Absicherung für die ganze Familie und eine stärkere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als die Landbevölkerung. Auch wenn das Hukou-System inzwischen gelockert wurde, gilt es prinzipiell heute noch. Die Städte sind immer noch restriktiv gegenüber dem Zuzug von Wanderarbeitern, da es die Übernahme von Sozialleistungen nach sich zieht. Das Hukou-System ist eine chinesische Besonderheit.

Zunächst konnte die überschüssige Landbevölkerung regional durch die schnell wachsenden Gemeinde- und Dorfunternehmen (Town Village Enterprises, TVEs) in der Umgebung, und wenn sie in Nähe von Sonderwirtschaftszonen wohnten, in die dort gelegenen Fabriken aufgenommen werden. Ab den 1990er Jahren bildete sich darüber hinaus das zunehmende Heer der Wanderarbeiter in weiter entfernte Städte aus. Die Entwicklung lässt sich aus Tabelle 1 von Schucher ablesen.[23] Die TVEs hatten im Jahr 1978 28 Millionen Beschäftigte, im Jahr 2010 158 Millionen. Die Beschäftigten der TVEs waren in der Regel keine Wanderarbeiter. 1982 waren weniger als 1% der chinesischen Bevölkerung Wanderarbeiter, im Jahr 2014 waren es 18,5% beziehungsweise 253 Millionen.[24] Diese hohe Zahl zeigt die sich mit dem Produktivitätswachstum beständig erneuende Überbevölkerung auf dem Land. Sie bedeutete gleichzeitig eine Entvölkerung von ganzen Dörfern und Landstrichen und führte zu einer Urbanisierung der chinesischen Bevölkerung. Die Hauptzunahme der Wanderarbeit erfolgte in der zweiten Reformperiode nach 1995. Als Wanderarbeiter werden Personen bezeichnet, die mehr als 6 Monate von ihrem Heimatwohnort entfernt leben. Die Wanderarbeiter fungieren als eine Art von Leiharbeitern für die Industrie, deren Nachfrage der Arbeitskräftebedarf der Industrie bestimmt. Da dieser aufgrund der Exporterfolge kontinuierlich stieg, wuchs auch die Zahl der Wanderarbeiter. Weil sie noch Anspruch auf Landnutzungsrechte besaßen, wurde das Land oft von den Eltern und anderen Familienangehörigen bebaut, die auch die Kinder erzogen, wenn sie nicht in die Stadt mitziehen konnten. Ein Teil der Wanderarbeiter verpachtete auch seine Bodennutzungsrechte an andere Bauern. Ein besonderes Problem bildeten und bilden die Kinder von Wanderarbeitern, die zwar noch Landnutzungsrechte besitzen, aber in der Stadt aufgewachsen sind und keine Befähigung zur Landwirtschaft besitzen.

Der nach wie vor bestehende Anspruch der Wanderarbeiter auf Landnutzung bedeutet, dass sie anders als viele Bauern etwa im England der frühen kapitalistischen Entwicklung nicht unmittelbar zu freien Lohnarbeitern wurden, es fand also eine spezifisch chinesische Art der Halbproletarisierung statt. Ihre Rückkehr zur ländlichen Produktion ist jedoch meist nur theoretisch möglich. Wie Marx im Kapital betonte, kam die direkte Expropriation der ländlichen Produzenten nur in England in reiner Form vor. Daher ist auch die Klassenlage eines Teils der chinesischen Bauern als Übergangsform zu ihrer vollständigen Proletarisierung anzusehen. Diese Übergangsform hat ihren Grund in der Einführung des Hukou-Systems in der sozialistischen Periode. Die Wanderarbeiter gelten nach wie vor als Arbeiter zweiter Klasse und wurden erst 2002 als Teil der Arbeiterklasse anerkannt.[25] Als ungelernte Arbeiter arbeiten sie oft in sogenannten informellen privaten Arbeitsmärkten, in die sich kein städtischer Arbeiter freiwillig begibt.[26] Sie leben in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen, haben oft keinen Arbeitsvertrag und damit keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Sie wohnen meist in winzigen Werkswohnungen oder Wohnvierteln am Rand der Stadt. Ten Brink spricht auf Seite 285 von sozialer Apartheid, in jedem Fall bedeutet ihre gesellschaftliche Stellung eine Spaltung der Arbeiterklasse.

Ein Teil der Wanderarbeiter in China entspricht einem typischen Schema frühkapitalistischer Entwicklung. Die Industrie braucht Arbeitskräfte und Land zur weiteren Ausdehnung der Fabriken. Bei dieser Entwicklung gibt es zwei chinesische Besonderheiten, die aus der sozialistischen Ära Chinas stammen. Sie betreffen die eingeschränkte Aufenthaltsgenehmigung der Landbevölkerung in der Stadt und den Erwerb von Grund und Boden. Zum einen behielt der Bauer, wie beschrieben, seine Landnutzungsrechte. Zum anderen konnten die Industriebetriebe nicht ohne weiteres städtische und außerstädtische Grundstücke erwerben, da sie sich in kollektivem oder staatlichem Besitz befinden, sie waren also auf die Förderung durch die Behörden angewiesen. Bezüglich des Grundstückkaufs für industrielle Zwecke und Wohnbedarf für die wachsende Arbeiterschaft entwickelten sich zwei Wege: Der Verkauf der Nutzungsrechte durch das Kollektiv und die Enteignung durch den Staat[27], daneben gab es jede Menge Nutzungstransfer unter der Hand. Zunächst stand in den 1980er Jahren der Arbeitskräfte- und Grundstücksbedarf der TVEs im Vordergrund. Die Grundstücke stellten die Lokalregierungen in Erwartung höherer Steuereinnahmen durch die TVEs zur Verfügung. Wenn dazu Enteignungen notwendig waren, wurden den Bauern als Entschädigungen für Ihre Landnutzungsrechte ein Mehrfaches des Werts ihrer durchschnittlichen Jahresernte gezahlt. Mit dem Verkauf von Landnutzungsrechten finanzierten die Provinzregierungen teilweise 40% ihres Haushalts.[28] Mit der Reform der Landnutzungsrechte wurde der Transfer von Landnutzungsrechten erleichtert, um Industrieansiedlungen und die Entstehung großer Agrarbetriebe zu ermöglichen. Gleichzeitig wurden Bauern zur Abwanderung in die Industrie gezwungen.[29] Shoying Liu[30] sieht in billigen Grundstücken einen wichtigen Grund für das schnelle Wachstum der chinesischen Industrie. Mit dem Verkauf von Nutzungsrechten in Stadt und Land ist der Immobiliensektor zu einem der größten chinesischen Wirtschaftssektoren geworden, der wie in westlichen kapitalistischen Ländern sehr spekulativ und krisenanfällig ist und auch schon zu Firmenpleiten und staatlichen Stützungsaktionen geführt hat. Inzwischen ist der Arbeitskräfte- und Landbedarf der chinesischen Wirtschaft gesunken, da sie sich auf einem stärker qualitativen Wachstumspfad befindet.

In der Praxis erzeugte die Landumwandlung agrarischer Flächen die Bildung einer großen Arbeiterarmee. Ein besonderer Fall sind die landlost farmers (having no farm, having no income and having no minimal assurance). Liu beziffert ihre Anzahl auf 112 Millionen für das Jahr 2014.[31] Sie sind im Marx‘schen Sinn potentielle doppelt freie Lohnarbeiter. Sie bilden die offensichtliche Seite der Herausbildung einer freien Loharbeiterschaft, die ansonsten während der ersten Phase der Reformen eher versteckt war und sich mit der Zeit formierte. Die Landumwandlungsrate betrug im Jahr 2015 36%, dementsprechend sank die Zahl der Landbewohner und stieg die Urbanisierungsrate.[32]

 

2.3     Die Gemeinde- und Dorfunternehmen

Unternehmen auf dem Lande gibt es in China schon lange. Sie waren und sind teilweise heute noch aufgrund der Größe des Landes und der früher wenig entwickelten Straßen notwendig und zweckmäßig. Diese Unternehmen verarbeiteten landwirtschaftliche Erzeugnisse, fertigten Alltagsgegenstände und führten Reparaturen von landwirtschaftlichen Maschinen durch. In diesen Betrieben fand die ländliche Bevölkerung während landwirtschaftlicher Ruhepausen eine Beschäftigung. Nach der Revolution wurden sie zunächst aufgelöst und entstanden dann als Kommune- und Brigadeunternehmen besonders in der Phase des ‘Großen Sprungs‘ neu mit dem Ziel, die ländliche Industrialisierung zu fördern[33] und der Widerstandsfähigkeit gegenüber feindlichen Angriffen auf die Metropolen zu dienen. Diese Unternehmen wandelten sich nach Auflösung der Kollektive in die TVEs (Town Village Enterprises) um. Die TVEs erweiterten ihre Produktpalette auf Baustoffe, Konsumartikel und anderes, was die SOEs nicht befriedigten.[34]

Kollektivunternehmen waren in der sozialistischen Ära ursprünglich Eigentum kleinerer gesellschaftlicher Gruppen, während staatseigene Betriebe Eigentum des ganzen Volkes waren und der staatlichen Planung unterworfen waren. Kollektivbetriebe sind von unterschiedlicher Größe, sie reichen vom Besitz in der Hand von Straßenkomitees bis zu dem von Städten. Ihre Arbeiter sollten die Produktionsmittel im Kollektiv besitzen, weshalb sie auch als sozialistisches Vorbild galten. Die TVEs arbeiteten wie ihre Vorgänger entsprechend ihrer Aufgabenstellung weitgehend außerhalb des Plans und verkauften ihre Produkte auf den sich neu entwickelnden Märkten auch überregional. Ihr Anteil am BIP stieg von 6% auf 26% und nahmen etwa 50% des Arbeitskräfteüberschusses auf dem Land auf.[35] Die TVEs wurden von den Lokalregierungen gefördert, da sie Steuern an sie zahlten. Die Arbeiter in den TVEs hatten von vornherein nicht die Arbeitskonditionen und Sozialleistungen der Arbeiter in den SOEs. Mit wachsender Größe wurden die TVEs vor allem im Bereich der Konsumgüterindustrie zu einer Konkurrenz für die SOEs. Partei und Zentralregierung versuchten zunächst den Aufstieg der TVEs zu behindern, indem sie ihnen den Zugang zu Krediten, Rohstoff- und Verbrauchermärkten erschwerten.[36] Der Aufstieg der TVEs gegen den Willen der Zentralregierung bedeutete auch eine weitere Stärkung der Provinzregierungen gegenüber der Zentralmacht. Das rasante Wachstum der TVEs bedeutete außerdem eine entsprechende Zunahme von Lohnarbeit und eine Einschränkung der staatlichen Planfestsetzung.

Coase schreibt zum Charakter der TVEs: „Jüngste Studien haben zudem auf die schlichte Tatsache hingewiesen, dass ein erheblicher Anteil der Gemeinde- und Dorfunternehmen im Grunde privatwirtschaftliche Unternehmen sind, insbesondere in den armen Provinzen im Landesinneren. Anhand einer Stichprobenerhebung wies das Annual Book oft the Chinese Private Economy (1994, S. 71) nach, dass 83 Prozent der Gemeinde- und Dorfunternehmen in jeglicher Hinsicht (außer dem Namen nach) privater Natur waren. Zwei Jahre später kam das 1996 Annual Book (S. 112) zu einem ähnlichen Schluss.“[37] Die Aussage bedeutet, dass spätestens Ende der 1990er Jahre fast alle TVEs privater Natur waren. Inzwischen sind die TVEs ein Teil der insgesamt dominierenden Privatindustrie in China. Das Haushaltssystem in der Landwirtschaft und das schnelle Wachstum der Gemeinde- und Dorfunternehmen waren Keimzellen der kapitalistischen Entwicklung in China. Sie ging also vom Land aus, die städtische kapitalistische Entwicklung kam später hinzu. Erzwungen wurde die kapitalistische Entwicklung auch nicht durch die Entwicklung der Produktivkräfte, die in England während der industriellen Revolution eine wichtige Rolle spielte.

2.4     Die Individual- und die Privatwirtschaft

Individual- und Privatwirtschaft bestehen beide aus Privatbetrieben, die Waren oder Dienstleistungen für den Verkauf auf dem Markt produzieren. Die Hauptbranchen, in der die individuellen und privaten Betriebe zunächst tätig wurden, waren Handel, Gastronomie, Transport, Industrie und Handwerk.[38] Der Unterschied zwischen ihnen besteht hauptsächlich in der Anzahl der Beschäftigten. Nach der Festlegung der KPCh durfte die Individualwirtschaft zu Beginn höchstens sieben Mitarbeiter beschäftigen. Die Beschäftigung von sieben Mitarbeitern und weniger durch einen Arbeitgeber galt nicht als Ausbeutung. Kraus[39] weist darauf hin, dass diese Zahl vermutlich auf eine Bemerkung von Engels im Antidühring zurückgeht.[40] Als ein Beispiel nennt Engels, dass die Höhe eines Kapitals eine Größe haben müsste, dass es acht Lohnarbeiter beschäftigen kann, damit der Geldbesitzer als Kapitalist fungieren kann. Während in der Stadt nur bestimmte Antragsteller zugelassen wurden, unterlagen ländliche Antragssteller keinen Beschränkungen.[41] Die Zulassungen galten in der Regel zunächst für fünf Jahre. 75% der individuellen Wirtschaft entstand auf dem Land[42], sie beschäftigten 1987 über zehn Millionen Menschen in knapp 5 Millionen Betrieben. Nach Heberer ist der Privatsektor im Jahr 2017 mit 90% aller Unternehmen inzwischen der volkswirtschaftlich dominierende Sektor und beschäftigt 341 Millionen Personen.[43]

Es gab in der KPCh Widerstand gegen jegliche Einführung einer Privatwirtschaft. Er wurde begründet mit Lenins Schrift ‘Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit des Kommunismus‘, in der er betont: „Die Diktatur des Proletariats ist der aufopferungsvollste und schonungsloseste Krieg der neuen Klasse gegen einen mächtigeren Feind, gegen die Bourgeoisie, deren Widerstand sich durch einen Sturz (sei es auch nur in einem Land) verzehnfacht und deren Macht nicht nur in der Stärke des internationalen Kapitals sondern in der Macht der Gewohnheit, in der Stärke der Kleinproduktion. Denn Kleinproduktion gibt es auf der Welt leider noch sehr, sehr viel, die Kleinproduktion aber erzeugt unausgesetzt, täglich, stündlich, elementar und im Massenumfang Kapitalismus und Bourgeoisie.“[44] Die Zulassung der Individual- und Privatwirtschaft in China schuf eine Kleinproduktion in großem Umfang. Es war also für die KPCh notwendig, sich von Lenins Aussage zu distanzieren. Kraus schreibt[45]: „Eine vorsichtige Distanzierung von der angeführten Lenin-These ist dann im Juli 1981 auf dem sechsten Plenum des XI. Zentralkomitees im Rahmen der ‚Resolution über einige Fragen in unserer Parteigeschichte seit der Gründung der Volksrepublik China‘ vorgenommen worden. Die These Lenins sei ‚missverstanden und dogmatisch‘ ausgelegt worden. Insbesondere hieß es: ‚Wer Lenin richtig verstehen will, muss die historischen Bedingungen im Rußland Lenins und die historischen Bedingungen Chinas nach der Vollendung der sozialistischen Umgestaltung analysieren‘. Auch wurde betont, die individuelle Wirtschaft könne sich nur dann zum Kapitalismus entwickeln, wenn Bedingungen entstehen, unter denen sich Geld in Kapital und Arbeitsmärkte in Waren verwandeln‘. Es wurde hinzugefügt, daß diese Bedingungen in China nicht gegeben seien – eine Aussage, die zumindest angesichts der im ganzen Land entstehenden Arbeitsmärkte schlecht aufrechterhalten werden kann.“ Er schreibt weiter auf derselben Seite: „Eine Untersuchung des Arbeitsministeriums zeigte im Mai 1988, daß im Verlauf der letzten drei Jahre 44 Arbeitsmärkte in Peking, Xi’an, Shenyang und Guiyang mehr als eine Million Arbeitsplätze vermittelt haben.“

Die staatliche Billigung der Individual- und später der Privatwirtschaft in Städten und auf dem Land hatte den Grund, die Arbeitslosen zu beschäftigen. Die Produktionsfortschritte in der Landwirtschaft und Schulabgänger erzeugten ständig neue Arbeitskräfte, die beschäftigt werden mussten. Zusätzlich kehrten zu Beginn der Reformperiode etwa 20 Millionen Jugendliche, die in der Mao-Ära aufs Land verschickt wurden, in die städtischen Ballungsgebiete zurück[46]. Ihre offizielle Bezeichnung war ‘Jugendliche in Erwartung einer Beschäftigung‘. Im Jahr 1979 startete die erste offiziell erfasste Individualwirtschaft in Whenzou, 1981 wurde die Individualwirtschaft als notwendige Ergänzung der Kollektivwirtschaft akzeptiert[47] und 1988 wurde sie als offizieller Bestandteil des chinesischen Sozialismus anerkannt.[48] Die Unterscheidung von Individual- und Privatwirtschaft ist teilweise willkürlich. In der Praxis hatte sie jedoch eine Bedeutung, da die Privatunternehmen zu Beginn große Hürden bei der Genehmigung hatten und immer wieder unter politischen Druck gerieten. Für die Privatunternehmen auf dem Land schreibt Kraus: „Die meisten Unternehmer stammten aus den Dorf- und Gemeindeunternehmen oder waren Kader der Produktionsgruppen oder Produktionsbrigaden.“[49], es waren aber auch ehemalige Bauern. In den Privatbetrieben gab es einen Geschäftsführer, der anders als der Eigentümer in der Individualwirtschaft in der Regel nicht in der Produktion mitarbeitete. Es gab für Privatunternehmer auch die Möglichkeit, Staats- und Kollektivbetriebe zu pachten, wobei das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln erhalten blieb.[50] Das Pachtsystem war daher ideologisch einfacher zu vertreten. Den Pächtern stehen nach Errichtung der Pacht die Gewinne zu. Problematisch waren die Eigentumsrechte nach Erneuerung oder Erweiterung der Produktion, ebenso die Verlängerung der Pachtverträge, weshalb viele Pächter ihre Gewinne in den Konsum steckten.

Anders als die Entstehung des Kapitalismus aus andersartigen vorkapitalistischen Gesellschaften entstand der Kapitalismus in der VRCh aus einer sozialistischen Gesellschaft. So waren keine großen Vermögen aus Handels- und Wucherkapital für die Gründung von kapitalistischen Betrieben vorhanden, ein Handelskapital konnte erst mit der Entwicklung privater Warenmärkte entstehen. Zunächst konnten daher nur Betriebe gegründet werden, die wenig Kapital erforderten, und das erforderliche Kapital musste aus Kleinvermögen zusammengetragen werden und ermöglichte nur Kleinunternehmen.[51] In der Regel hatten Individual- und Privatwirtschaft Anteilseigentümer aus der Familie. Privatunternehmen hatten aber auch chinesische Geldgeber aus dem Ausland, die für das Kapital und den Betrieb aufkamen. Außerdem entwickelte sich ein Kreditmarkt von Bank- und Privatkrediten[52], Anteilsscheinen[53] und Wertpapieremissionen für Unternehmensgründungen.

Whenzou ist ein herausragender, aber durchaus typischer Fall, der auch in China genauer untersucht wurde. 1986 wurden achtzig Prozent des Bruttosozialprodukts von Whenzou privat erzeugt, der private Sektor beschäftigte etwa zwei Drittel der vorhandenen Arbeitskräfte. Im Bereich der industriellen Produktion verzeichnete die staatseigene Wirtschaft von 1980 bis 1986 eine Zuwachsrate von 8,4%, die kollektive Wirtschaft unter Einschluss der privaten Betriebe eine Zuwachsrate von 74,4%[54]. Der chinesische Forschungsbericht von 1988 stellt auch fest, dass es einer beträchtlichen Anzahl von privaten Betrieben gelang, sich als Individualwirtschaft oder Kollektivbetrieb zu tarnen. In Whenzou war eine große Anzahl der privaten Unternehmer ehemalige Kader und sie blieben auch weiterhin Mitglieder der kommunistischen Partei[55]. Mit der Zulassung der Individual- und Privatwirtschaft und der Entwicklung der TVEs endete das Monopol der staatlich dominierten Wirtschaft in den Städten und auf dem Land. Auf dem 13. Parteitag 1987 wurde die Gründung von Privatbetrieben abgesegnet.[56]

Dreierlei ist an der Entwicklung der Individual- und Privatwirtschaft hervorzuheben. Zum einen, dass die KPCh das Recht der Privatwirtschaft auf Eigentum an den Produktivmitteln zuließ und anerkannte. Zum anderen wurde Lohnarbeit zugelassen. Drittens ließ die KPCh zu, dass private Warenmärkte und Handelsgesellschaften aufgebaut wurden, was über die Duldung eventuell bereits vorhandener Märkte hinausging. Die Privatwirtschaft brauchte Vorprodukte und sie musste sich die Absatzmärkte für ihre Endprodukte selbst schaffen. Bei den Vorprodukten half, dass die Sollvorgaben der SOEs gesenkt wurden und sie ihre Überschussmengen frei produzieren und verkaufen konnten. Für den Verkauf mussten Absatzorganisationen aufgebaut und der Transport organisiert werden[57], was einen Zuwachs von Privatbetrieben in Logistik und Transport erforderte. So zog die Zulassung von Privatbetrieben in der Produktion Märkte und Privatbetriebe in anderen Bereichen der Volkswirtschaft nach sich, wodurch sich kapitalistische Strukturen immer weiter ausbreiteten.

2.5     Die Sonderwirtschaftszonen und die Exportorientierung

Nach dem Tod Mao Tse Tungs setzte sich bei den neuen Führern der KPCh die Erkenntnis durch, dass sich die gewünschte nachholende Industrialisierung nicht autark erreichen ließ.  Zunächst wurde im Jahr 1977 die Politik des ‘Großen Sprungs nach außen‘ gestartet, die mittels Rohstoffexporten Technologieimporte finanzieren sollte.[58] Die Politik des ‘Großen Sprungs nach außen‘ scheiterte, weil sich die Ressourcen für die Rohstoffexporte als nicht so reichhaltig erwiesen wie erhofft und die Technologieimporte nicht in die chinesische Wirtschafts- und Technologiestruktur passten. Neu war die Bereitschaft der KPCh zu westlichem Technologie- und Kapitalimport, der zuvor verboten war.

Die Modernisierung der Wirtschaft und die Steigerung der Produktivität wurden in der Reformperiode zur Hauptaufgabe von Partei und Staat. Auf der Suche nach Beispielen für eine erfolgreiche nachholende Industrialisierung studierten chinesische Delegationen und Wirtschaftsvertreter vor allem Länder, die von einem vergleichbaren Entwicklungsstand wie das revolutionäre China ausgegangen waren, das waren Staaten wie Macau, Hongkong, Singapur oder Japan, das Deng Xiaoping 1978 besuchte. Staaten wie Japan, Korea, Taiwan und Thailand hatten über 15 Jahre ein Wachstum von über 6% pro Kopf, was landläufig als Definition für ein Wirtschaftswunderland benutzt wird. China hatte in der Mao-Ära eines von etwa 5%.[59] Mit der Höhe des Wirtschaftswachstums lässt sich also eine völlig neue Wirtschaftspolitik in China nicht begründen. Aber China geriet aufgrund der weltweit vorherrschenden westlichen Führerschaft in Wissenschaft und Technik auch gegenüber ihren ostasiatischen Nachbarstaaten immer mehr in einen technologischen Rückstand. Die KPCh erkannte, dass ihre Nachbarstaaten den großen Vorsprung der westlichen Technik mit Niedriglöhnen in der Exportproduktion schrittweise aufholen konnten, da sie dadurch Zugang zu westlicher Technik erhielten. Diese Länder hatten Sonderwirtschaftszonen geschaffen, sogenannte EPZ (Export Processing Zones), die in Auftragsfertigung Produkte für die westlichen Länder billig produzierten, ein Modell, das die VRCh im Wesentlichen übernahm.[60] Von 1978 bis 2000 betrug dann das Pro Kopf-Wachstum in China 8,3%, von 2000 bis 2010 9.9% und von 2010 bis 2016 7,1%. Das ist die bisher längste weltweit gemessene Wirtschaftswunderphase und sie wurde weitgehend durch Weiterverarbeitungsprozesse für die Exportproduktion erreicht.[61]

Chinas außerordentlicher Erfolg bei der Exportorientierung lag vor allem an den geringen Preisen seiner Waren, der auf niedrigen Löhnen, geringen Sozialleistungen und geringer Besteuerung beruhte. Für die westlichen kapitalistischen Länder bestand die Attraktivität der Investitionen in China darin, dass sie in eine Phase der Überakkumulation eingetreten waren und nach neuen Anlagemöglichkeiten suchten. Der Westen erreichte mit der Auslagerung von arbeitsintensiven Produktionsschritten zwei Ziele: zum einen die Disziplinierung der eigenen Arbeiterschaft durch Drohungen mit Werksverlegungen, zum anderen die Möglichkeit zu Reallohnabbau durch den Import billiger Konsumartikel. Die Sonderwirtschaftszonen (SWZ) wurden zunächst an den Küsten eingerichtet, vor allem in der Nachbarschaft von Hongkong, woher auch die ersten Investoren kamen. Die Exportunternehmen Hongkongs suchten billige Arbeitskräfte, die ihre Roh- und Halbfertigprodukte gegen eine Bearbeitungsgebühr zu Exportgütern weiterverarbeiten sollten, außerdem brauchten sie Land für ihre Fabriken. Die Produkte blieben dabei durchgehend in ausländischer Hand, so dass das chinesische Handelsrecht nicht griff.

Die Aufgabe der chinesischen SWZ war zum einen das Kennenlernen neuer Technologien und zum andern kapitalistischer Managementmethoden. Es war von Anfang an klar, dass in den SWZ Lohnarbeit stattfinden würde und dass sich die ausländischen Firmen des Profits wegen ansiedelten. Daher griff die KPCh die Debatte auf, die bei der Konzession ausländischer Unternehmen in der Sowjetunion geführt wurde. Auch damals galt das Argument: „Die eigenen Kapitalisten haben wir davongejagt, die fremden aber wollen wir zulassen.“[62] Lenin, zitiert nach Kraus, stellte fest: „Wirtschaftlich sind die Konzessionen für uns von größtem Nutzen. Natürlich werden die Konzessionäre bei der Gründung von Siedlungen ihre kapitalistischen Gewohnheiten mitbringen und die Bauernschaft zu zersetzen versuchen. Darauf muss man aber achten und ihnen auf Schritt und Tritt unsere kommunistische Einwirkung entgegenstellen. Auch das ist eine Art Krieg, ein kriegerischer Wettkampf zweier Methoden, zweier Formationen, zweier Wirtschaftssysteme – des kommunistischen und des kapitalistischen“. „Auch hatte Lenin keine Skrupel, den Kapitalismus durch hohe Profite zu bestechen. Er wird – so hieß es bei ihm weiter Überprofite einheimsen. Zum Teufel damit, mit diesen Überprofiten. Wir werden das Wesentliche erhalten, mit dessen Hilfe wir erstarken, endgültig auf die Beine kommen und den Kapitalismus ökonomisch besiegen können.“[63] Lenin hatte erkannt, dass nach der nicht eingetretenen Revolution in einem höher entwickelten kapitalistischen Land die Beseitigung der ökonomischen Rückständigkeit Russlands nur durch das Anlocken moderner kapitalistischer Unternehmen in überschaubaren Zeiträumen gelingen könnte. „Für Lenin waren und blieben ausländische Kapitalisten auf sowjetischem Territorium weiterhin Fremdkörper, die das Privateigentum und die Ausbeutungsverhältnisse aufrechterhalten. Ausdrücklich betonte er darüber hinaus: Wir müssen die Gelegenheit beim Schopf packen und alle Kräfte darauf richten, Handelsbeziehungen zu erlangen, sei es auch um den Preis maximaler Zugeständnisse….“[64] Die Sowjetunion konnte nach der mit ausländischer Hilfe angefangenen Industrialisierung beeindruckende eigene technische Erfolge erringen, wie etwa die Kriegswaffenproduktion im zweiten Weltkrieg, die Weltraumfahrt oder die Kernkrafttechnologie nach dem Krieg zeigten. Sie erreichte eine Produktiventwicklung im Sozialismus, die die des westlichen Kapitalismus übertraf. Die KPCh betonte demgegenüber von Anfang an, man wolle und müsse die Managementmethoden der ausländischen Unternehmen in den SWZ bei Erfolg auf das ganze Land übertragen. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zu Lenins Strategie.

Inzwischen hat die VRCh in den meisten Bereichen den Technologietransfer geschafft, womit die ursprüngliche Begründung für die Einrichtung der SWZ wegfällt. Dennoch haben sich diese Unternehmen nicht nur enorm vergrößert, sondern auch über das ganze Land ausgebreitet, immer in Richtung billigerer Arbeitskräfte und stärkeren Entgegenkommens von Lokalregierungen bei der Bereitstellung von Infrastruktur, geringeren Umweltstandards und Steuern.[65] Sie sind inzwischen ein integraler Bestandteil der chinesischen Wirtschaft geworden. Im Jahr 1979 gab es vier SWZ an der Küste, um das Jahr 2003 zweihundert vom Zentralstaat kontrollierte und weitere zweitausend von den Lokalregierungen kontrollierte SWZ im ganzen Land. Inzwischen produzieren die chinesischen Inlandsprovinzen 13% des chinesischen Exports.[66] Der Gesamtanteil des Exports am BIP der VRCh betrug in den 2000er Jahren etwa 30% und sank dann ab, weil die KPCh bewusst versuchte, die große Abhängigkeit der chinesischen Volkswirtschaft vom Export zu verringern.[67] Nach dem Vorbild der SWZ werden inzwischen Technologiezentren in ganz China errichtet, in denen in Anlehnung an das amerikanische Silicon Valley Hi-Tech-Unternehmen und neue Technologien in allen Bereichen der Naturwissenschaften gefördert werden.

Hauptinvestoren der SWZ waren Firmen von Auslandschinesen aus Hongkong, Macau, Taiwan und Übersee.[68] Aufsummiert von 1985 bis 2016 stammen 52% der Investitionen aus Hongkong, aus den OECD-Ländern sind es 17%. Schon länger ist auch die anfängliche Regel nicht mehr gültig, dass 51% der ausländischen Unternehmen in chinesischer Hand sein müssen. Über die in den SWZ produzierten Waren schreibt Coase „1980 stellten Rohstoffe, in erster Linie Erdölprodukte, den größten Exportsektor des Landes dar. Auf Fertigungserzeugnisse entfiel weniger als die Hälfte der Exporte, davon über 50 Prozent auf Textilwaren. Dieses Muster zog sich bis Mitte der 1980er-Jahre durch. Ab diesem Zeitpunkt waren Fertigungsgüter die wichtigste Exportkategorie. Im Jahr 2000 entfielen 90 Prozent der chinesischen Exporte auf Fertigungsgüter, der darin enthaltene Anteil an Textilien war auf 25 Prozent gesunken.“[69] Heute sind es meist Elektronikartikel, aber auch Maschinen, Arzneimittel oder Elektroautos auf oder über westlichem Niveau. Die Produktion mancher Waren beruht teilweise immer noch auf Vorprodukten, die außerhalb Chinas entwickelt und produziert werden.[70] Dieses Manko behebt China schrittweise durch verstärkte Wissenschafts- und Technologieförderung. Die USA versuchen diese Entwicklung von Chinas Wirtschaft etwa mit Exportverboten von Chips nach China zu behindern. Eine solche Strategie hat aber in der Geschichte der Technikentwicklung bisher noch nicht auf Dauer funktioniert.

Die Gründung der SWZ waren Kern der seit Beginn der Reformära betriebenen Exportstrategie. Die Eingliederung in die kapitalistische Weltwirtschaft machte einen großen Schritt vorwärts mit der Aufnahme in die WTO (World Trade Organization) im Jahr 2001. Durch den Beitritt wuchs die Exportwirtschaft stark an. Im Jahr 2009 wurde China ‘Exportweltmeister‘, im Jahr 2016 erwirtschaftete die VRCh 18% des globalen BIPs und war damit die größte Volkswirtschaft der Welt und erzielte gegenüber vielen Ländern Handelsüberschüsse im Warenexport und damit entsprechende Devisenreserven.[71] Mit den Einnahmen aus dem Export wurde die VRCh dauerhaft finanziell unabhängig von ausländischen Geldgebern, konnte seine Infrastruktur weiterentwickeln und schuf eine wohlhabende Mittelschicht. Mit dem steigenden Wohlstand in China wurde das Land für den westlichen Kapitalismus auch als Absatzmarkt, etwa von Autos, immer wichtiger. Die VRCh wurde wegen ihrer hohen Devisenbestände aber auch abhängiger von den internationalen Finanzmärkten.

Die Arbeiter in den SWZ waren neben städtischen Arbeitssuchenden zunächst vor allem Bauern aus der Umgebung, ab Mitte der 1990er Jahren Wanderarbeiter aus dem ganzen Land. Auch wenn die Zulassung kapitalistischer Betriebe in den SWZ die Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse verstärkte, so ist ihre Zulassung nicht die Hauptursache der kapitalistischen Entwicklung in ganz China. Sie ist vielmehr in den Entscheidungen der KPCh und der Regierung zu suchen, auf allen Gebieten die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise zu fördern.

 

2.6     Die Staatsunternehmen

1978 war Chinas Industrie fast vollständig im Staatsbesitz, 77% der Industrieproduktion entfiel auf die Staatsbetriebe (SOEs, Stately owned Enterprises), der Rest verteilte sich mit 14% auf städtische Kollektive und mit 9% auf die ländlichen Kollektive, aus denen sich in der Reformperiode die TVEs entwickelten.[72] In der ersten Reformperiode wurden bei den Staatsbetrieben vor allem folgende Reformschritte durchgeführt, die schon in der Landwirtschaft vorexerziert wurden: das Herauswachsen-Lassen aus dem Plan und die stärkere Verantwortlichkeit des Managements, also eine Trennung von Betriebsführung und Politik. Die Planvorgaben wurden konstant gelassen, die darüber hinaus gehende Produktion konnte frei verkauft werden. Der Gewinn dieser Verkäufe blieb in den Unternehmen und konnte auch für die Produktion neuer Güter verwendet werden. Meist wird zwar vom Herauswachsen aus der Planwirtschaft geredet, richtiger wäre es aber, von einem Hereinwachsen in die Marktwirtschaft zu sprechen, da dies das eigentliche Ziel der Reformära war. Es entstanden Märkte, auf denen die Produkte außerhalb des Plans an die Meistbietenden verkauft wurden.[73] Das hatte wie zuvor bei den agrarischen Produkten ein zweigleisiges Preissystem von staatlich verordneten Preisen und Marktpreisen zur Folge. Die schnell wachsenden TVEs und die Privatwirtschaft setzten vor allem im Konsumgüterbereich die SOEs unter Konkurrenzdruck. Die Planwirtschaft mit ihren Branchenministerien wurde allmählich abgeschafft. In den 1990er Jahren wuchs die Gesamtwirtschaft aus dem Plan heraus.[74]

In den SOEs galt das Prinzip der ‘eisernen Reisschüssel‘ (danwei), das den Arbeitern einen lebenslangen Arbeitsplatz mit nachfolgender Rente, eine Gesundheitsversorgung, die Schulausbildung ihrer Kinder, eine Werkswohnung und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben garantierte. Das waren Bedingungen, die die neu entstehenden privaten Unternehmen nicht anboten. Die ‘eiserne Reisschüssel‘ wurde in der ersten Reformperiode nicht angetastet, womit ein zusätzliches Unruhepotential vermieden wurde, denn für die in den SOEs beschäftigten Arbeiter bestand die Alternative zunehmend nur noch darin, dass sie Lohnarbeiter in Privatunternehmen werden mussten. Das geschah dann in der zweiten Reformperiode.

Den Beginn einer zweiten Reformperiode kann man etwa um die Mitte der 1990er Jahre ansetzen. Ein Schwerpunkt der zweiten Reformperiode lag auf der tiefgreifenden Umgestaltung der SOEs durch Eigentümerwechsel und Umstrukturierung. Die Gründe für die verstärkte Konzentration auf die Umgestaltung der SOEs waren, dass viele von ihnen hochverschuldet oder insolvent waren. Waren im Jahr 1988 10,9% der Staatsunternehmen insolvent, so waren es im Jahr 1995 über 40% und der Staat konnte die Verluste nicht mehr tragen. Der Anteil der SOEs an der Gesamtproduktion war von etwa 77% im Jahr 1977 auf 34% im Jahr 1995 gesunken.[75] Wegen ihrer inzwischen geringeren Bedeutung für die Gesamtwirtschaft konnten nun einschneidendere Maßnahmen ohne zu große Verwerfungen durchgeführt werden. Die über die erste Reformperiode hinausgehenden Maßnahmen waren etwa der Verkauf von SOEs und ihre Umwandlung in Aktiengesellschaften. Diese Umgestaltung geschah hauptsächlich nach zwei Prinzipien, zum einen nach der Devise ‘Die Großen halten, die Kleinen gehen lassen‘ und zum anderen nach ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft: Mit den SOEs in Schlüsselpositionen der Wirtschaft behielt die KPCh Instrumente zur Lenkung der gesamten Volkswirtschaft in der Hand. Der Abbau der Staatsunternehmen in Zahlen: Die Anzahl der Staatsbetriebe sank von 1995 bis 2003 von 118 000 auf ungefähr 34 000, davon etwa 500 bis 1000 große SOEs.[76] Die Zahl der Beschäftigten ging von 76 Millionen im Jahr 1991 auf 43 Millionen im Jahr 2005 zurück.[77] Die freigesetzten Arbeiter wurden Lohnarbeiter in den Privatunternehmen, bei den verbliebenen Arbeitern wurden die bisherigen Rechte abgebaut. Der chinesische Staat sorgte also wie der in anderen frühkapitalistischen Gesellschaften für eine Vermehrung der Lohnarbeiterschaft.

Anders als die damalige Führung der Sowjetunion plante die KPCh nie eine vollständige Privatisierung der Staatsbetriebe. Sie sicherte sich damit die Möglichkeit zu einer Lenkung der Gesamtwirtschaft und ihre eigene Machtposition. Die staatlich gebliebenen SOEs wurden meist in Aktiengesellschaften umgewandelt, die staatlichen Vermögenswerte und Kontrolle der Unternehmen wurden von der dem Staatsrat unterstellten Kommission SASAC (State-Owned Asset Supervision and Administration Commission) verwaltet. Der Handel mit den Aktien der Staats- und Privatunternehmen findet an den in den 1990er Jahren gegründeten Börsen statt. Die Betätigungsfelder der SOEs umfassen die Grundstoffindustrie, die weltweite Rohstoffbeschaffung, den Infrastrukturausbau im In- und Ausland und zunehmend Aufgaben in der technischen Entwicklung im Allgemeinen gemäß den staatlichen Planungszielen, insbesondere der Informationstechnologie, der erneuerbaren Energien, der Luft- und Weltraumfahrt sowie der Rüstungsindustrie. Die Bedeutung der SOEs ist seit Mitte der 2000er Jahre wieder gewachsen, sie haben inzwischen die zusätzliche Aufgabe, die Voraussetzungen für eine Entwicklung zu einem Hochtechnologieland zu fördern. Denn die VRCh ist inzwischen kein Billiglohnland mehr und muss für den Export höherwertige Produkte herstellen. So setzt sie inzwischen in großem Umfang auch Industrieroboter in der Produktion ein. Die SOEs sind auch stark im Seidenstraßenprojekt vertreten, das für die VRCh eine wichtige handels- und geopolitische Bedeutung hat.[78]

Auf eine häufig geäußerte Ansicht ist noch einzugehen. Staatskonzernen auf der ganzen Welt wie auch den SOEs in China wird von der neoliberalen Ideologie mangelnde Effektivität und Profitabilität vorgeworfen. Die dahintersteckende Absicht ist, Staatsaufgaben für private Profitinteressen zu öffnen. Verkannt wird dabei, dass es die vorrangige Aufgabe von Staatsunternehmen ist, Gemeinschaftsgüter wie zum Beispiel Infrastruktur, Energieversorgung oder für Sozialaufgaben bereitzustellen. Es macht für Staat und Volkswirtschaft ökonomisch wenig Sinn, ihnen dabei als Ziel vorzugeben, möglichst hohe Profite zu erzielen. Dass die neoliberalen Verheißungen der Privatisierung von Infrastruktur oder des Sozialbereichs zu ihrem Verfall und zu überhöhten Preisen führen, zeigt das Beispiel vieler Länder, die das praktizieren. Davon abgesehen erfüllen die SOEs für den chinesischen Staat auch weitere Aufgaben. Sie dienen zum Beispiel als Puffer für die Beschäftigung.

 

2.7     Schattenwirtschaft und Untergrundprivatwirtschaft

Schattenwirtschaft oder Untergrundprivatwirtschaft[79] sind häufige Begleiterscheinungen bei der Transformation ehemals sozialistischer Staaten in kapitalistische Staaten. Bezüglich der Privatisierung unterscheidet man zwei Arten, die formelle und die informelle Privatisierung. Bei der formellen werden die Staatsbetriebe unter der Regie des Staates privatisiert. Die informelle Privatisierung bezeichnet Privatisierungen, die außerhalb von staatlichen Festlegungen und Kontrolle stattfinden. Derartige illegale Privatisierungen fanden in China insbesondere bei den TVEs von Anfang an statt, da sie außerhalb zentralstaatlicher Aufsicht standen.

Die Schattenwirtschaft umfasst hauptsächlich illegal abgezweigte staatliche Ressourcen und Vermögenswerte sowie Genehmigungen für Privatbetriebe gegen Schmiergelder oder in Form von Gewinnbeteiligungen. In beiden Fällen waren und sind Parteimitglieder die Hauptakteure: bei Genehmigungen, weil die Partei nach wie vor an den Schalthebeln der Macht sitzt, beim Handel mit staatlichen Gütern, weil Parteimitglieder Zuteilungen an die Staatsbetriebe abzweigen konnten und Einfluss auf die Verwendung der Produktion oberhalb des Plansolls hatten. Sie nutzten auch das zweigleisige Preissystem und kauften Produkte zu Planpreisen und verkauften sie zu Marktpreisen. Wegen der Vetternwirtschaft von Funktionären[80] spricht Heilmann von Kaderkapitalismus.[81] Nach offiziellen Schätzungen sollen sich in China bis 1997 mindestens 12% des gesamten Staatsvermögens verflüchtigt haben, in den Provinzen teilweise noch mehr.[82] Die nach wie vor vorhandene Korruption stellt eine Bedrohung des Führungsanspruchs der KPCh dar. Dieser ist solange nicht gefährdet, solange es großen Teilen der Bevölkerung kontinuierlich besser geht.

Eine spezifisch chinesische Form von sozialen Beziehungen stellen die Guanxi-Netzwerke dar[83], die in China eine lange Tradition haben. Sie sind nicht notwendig persönliche, aber meist langfristige Beziehungen und beruhen auf Gemeinsamkeiten wie gemeinsamer geographischer Herkunft, gleichem Studienjahrgang an einer Hochschule oder Ähnlichem. Sie drücken sich in gegenseitigen Gefälligkeiten aus und sind eine weitverbreitete, akzeptierte Form gesellschaftlicher Bindungen. Sie nehmen aber auch die Form von Korruption und Seilschaften bei Wirtschafts-, Ämter- und Sozialbeziehungen wie privilegierter Behandlung in verschiedener Hinsicht an. Daneben gab es noch eine Reihe anderer illegaler Geschäfte, so zum Beispiel umfangreiche Netzwerke, die Schmuggel und illegalen Devisenhandel oft in Zusammenarbeit mit Behörden und Banken betrieben und eine große Rolle im Außenhandel spielten.[84] Es entstanden außerdem Lotterien, Spielhöllen, Schwarzmärkte und ähnliche Gewerbe[85]. Insgesamt hatte die inoffizielle Wirtschaft im Jahr 1989 einen Anteil von etwa 15%-20% am BIP und stieg danach weiter an.[86] Oft wurden und werden illegale Gelder aus derartigen Geschäften, die es noch heute in abgewandelter Form gibt, ins Ausland geschafft.

2.8     Die Krise am Ende der ersten Reformperiode

Die teilweise Preisfreigabe der ersten Reformperiode erzeugte eine Inflation. Sie betrug 1986 etwa 13%, im Jahr 1989 etwa 28%.[87] Es kam zu Panikkäufen und Bankkontenräumungen. Inflation war die Begleiterscheinung aller sozialistischer Staaten bei der Transformation zu ihrer jeweils besonderen Form von Kapitalismus. Die Inflationsrate in der Russischen Föderation betrug mehrere Jahre über 100% und im Jahr 1992 über 2000%[88]. In China war Inflation ein sensibles Thema. So hatte die Unfähigkeit der Kuomintang, die Inflation in den Zeiten des Bürgerkriegs in den Griff zu kriegen, einen Anteil an ihrer Niederlage im Bürgerkrieg. Umgekehrt stärkten die Erfolge der KPCh bei der Bekämpfung der Inflation in den befreiten Gebieten ihre Position. Diese Erfahrungen bestimmten auch in der Reformära ihre Politik bei der Preisfreigabe.

Es wurde ein Notsparprogramm mit Kreditbeschränkungen aufgelegt, das die bisherigen Wirtschaftsreformen praktisch zum Erliegen brachte.[89] Die Kreditbeschränkungen führten etwa dazu, dass die lokalen Regierungen den Bauern ihr Getreide nur mit Gutscheinen bezahlten[90], was die Bauern an die Seite der protestierenden Studenten trieb. Es wurden wieder Preiskontrollen eingeführt. Zu der Inflation kam noch eine sinkende Wirtschaftsleistung, es entwickelte sich eine sogenannte Stagflation. In der Partei standen alle Reformpläne bis auf die Exportproduktion zur Disposition. Es wurde sogar erwogen, die TVEs und den privaten Sektor in die Planwirtschaft einzubeziehen, also die bisherigen Reformen vollständig zurückzunehmen. Es gab heftige Diskussionen in den öffentlichen Organen mit dem Tenor: ‘Sozialismus muss den Kapitalismus besiegen‘ und dass das Ziel der Marktwirtschaft in der Praxis darin bestünde, Kollektiveigentum zu enteignen.[91] Die marktorientierten Reformen galten als bourgeois und als Ursache der Inflation. Diese Debatten hielten fast die ganzen 1990er Jahre an, bis die Inflation endete.[92] Trotz dieser Debatten gingen jedoch die Reformen weiter, wie zum Beispiel die Anerkennung des Privateigentums 1988[93] oder die Errichtung einer Börse in Shanghai im Jahr 1990 zeigen.[94] Propagandistisch spielte bei der Wiederaufnahme der Reformen Dengs Südentour 1992 eine große Rolle, weil der Reformflügel nach seinen Reden wieder die Meinungshoheit gewann.[95] Coase schreibt: „Der private Sektor reagierte schnell und enthusiastisch auf Dengs Aufruf zu weiterer Reform. Er war seit Beginn des Sparprogramms 1988 durch grassierende ideologische Feindseligkeit stark in Mitleidenschaft gezogen worden, kam nun rasch aber wieder auf die Beine. 1993 erreichte die Anzahl privater Unternehmen mit 237 000 wieder den Stand von 1988. 1994 war diese Zahl auf 432 000 gestiegen, die Höhe des unter privaten Unternehmen registrierten Kapitals vervielfachte sich zwischen 1992 und 1995 nahezu zwanzigfach.“[96] Deng Xiaoping betätigte sich in allen Phasen der Reformära als Initiator und einflussreicher Antreiber. Nach dem 3. Plenum des 14. ZK der KPCh konnte 1993 der Reformkurs verstärkt fortgesetzt werden.

 

2.9     Soziale Folgen der Reformära

Mit der Durchsetzung der Lohnarbeit in China während der Reformperiode hat sich ein neuer Klassenstaat entwickelt, der von einer ständig wachsenden Schicht von Superreichen über eine neue Mittelschicht bis zum Prekariat der Wanderarbeiter und Arbeitslosen reicht. Ein bekanntes Maß für die Einkommens- und Vermögensungleichheit ist der ‘Gini-Koeffizient‘[97], der in China einer der weltweit höchsten ist. Die Neureichen können sich auf Deng Xiaoping berufen, der die Devise ausgab ‘Reichtum ist ehrenhaft‘[98], der insbesondere auch viele Parteimitglieder folgten. Ziemlich am unteren Ende der Skala befindet sich das Prekariat der Wanderarbeiter, das bis zu 250 Millionen Menschen umfasst, die kein Auskommen in der Landwirtschaft haben.[99] Sie haben deutlich geringere Löhne als die städtischen Arbeiter, tragen aber durch Geldtransfer zur Verringerung der Armut auf dem Land bei. Dieser Geldtransfer betrug 1995 fast ein Drittel des ländlichen Einkommens. Offensichtlich treiben die ländlichen Bedingungen Massen von Bauern nach wie vor in schlechte Industriearbeitsverhältnisse. Es ist zu vermuten, dass dies beabsichtigt ist, um ein großes billiges Arbeitskräftereservoir zur Verfügung zu stellen. Insgesamt gibt es innerhalb Chinas ein großes Gefälle bei Löhnen, Lebensqualität und Entwicklungsstand nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch zwischen den Küsten- und den Inlandsprovinzen. Besonders die Randprovinzen Chinas sind noch unterentwickelt, hier ist die innere kapitalistische Landnahme noch nicht abgeschlossen. Ein weiteres Problem während der gesamten Reformperiode stellt die Arbeitslosigkeit dar, die in den letzten Jahren insgesamt 5% und bei den Jugendlichen 15% und mehr beträgt.[100] Der ‘Sozialismus chinesischer Prägung‘ zeigt die grundlegenden Eigenschaften jeder kapitalistischen Gesellschaft.

Die Folgen der Reformentwicklungen werden auch im Sozialbereich deutlich. In der sozialistischen Ära wurde das Gesundheitswesen, die Schulausbildung der Kinder und die Renten auf dem Land von den Kollektiven und in der Stadt von den Betrieben gewährleistet. Im Verlauf der Reformperiode brachen diese Systeme auf dem Land schnell und in der Stadt allmählich zusammen. Um ein Beispiel zu nennen: „1979 verfügten noch 80% der Dörfer mit circa 85% der dörflichen Bevölkerung über ein kooperatives medizinisches Gesundheitssystem, Mitte der 80er Jahre waren dies nur noch 5,3% aller Dörfer mit 5% der Landbevölkerung. Die Kollektive hatten ihre Versorgungsfunktionen weitgehend verloren, womit die Gesundheitskosten wieder direkt auf die Familien zurückfielen.“[101] Letzteres gilt auch für die Altersversorgung. Inzwischen sind auf dem Land neue Systeme im Aufbau, die aber nur eine Basissicherung bieten und nicht die gesamte Landbevölkerung umfassen. In der Stadt fielen mit dem Personalabbau und dem Verkauf der SOEs die bisherigen Sozialsysteme für immer mehr ehemals Beschäftigte weg, die Privatunternehmen sahen sie ohnehin nicht vor. Auch in der Stadt sind neue, paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzierte Systeme im Aufbau. Sie sehen ebenfalls standardmäßig nur eine Basissicherung vor und erfassen zum Teil die Wanderarbeiter nicht, da sie oft keine Arbeitsverträge besitzen und damit nicht sozialversichert sind. Im Jahr 2013 besaßen nur 44% der Wanderarbeiter einen Arbeitsvertrag, was dazu führte, dass oft keine Überstunden bezahlt wurden und Löhne verspätet oder gar nicht ausgezahlt wurden[102]. Zur Verschärfung der Lage im Gesundheitswesen trägt auch die Privatisierung der medizinischen Versorgung bei. Ein sich langsam entfaltendes Problem der Altersversorgung ist die zunehmende Alterung der chinesischen Gesellschaft. Die Reform-Ära brachte also einen deutlichen Sozialabbau, der erst langsam korrigiert wird. Der wenig entwickelte Sozialstaat ist mit ein Grund dafür, warum chinesische Waren auf dem Weltmarkt nach wie vor billig angeboten werden können.

Ähnliche frühkapitalistische Zustände wie im Sozialbereich herrschten in der Reformära lange Zeit beim Umgang mit den Abfallprodukten der Industrie. Da die oft toxischen Abfallprodukte bei ordentlicher Entsorgung die Profite schmälern würden, wurden und werden sie in die Umwelt entsorgt. Die Folgen werden der Allgemeinheit überlassen, was im Wesen des Kapitalismus liegt. Die Folgen waren und sind Luft-, Wasserverschmutzung und verseuchte Böden. In China ist das Wasser in über 50% der Flüsse nicht mehr zum menschlichen Gebrauch geeignet, ähnliches gilt für die großen Seen. 34% der Böden sind inzwischen durch Kontamination und eine zunehmende Versteppung unbrauchbar, was wesentlich auf eine übermäßige Grundwasserentnahme der Industrie zurück geht. Einen nicht unerheblichen Teil der Bodendegradation verursachen die Bauern selbst durch übermäßigen Einsatz von Agrarchemie. Zur Luftverschmutzung trugen im Wesentlichen die Kohlekraftwerke und der zunehmende Kraftfahrzeugverkehr bei. Neben der Darstellung der Parallelität zur frühkapitalistischen industriellen Entwicklung im Westen möchte ich darauf hinweisen, dass die ökologischen Probleme ein erhebliches Protestpotential hervorrufen. Die Bodenverseuchung und zunehmende Wasserknappheit haben eine agrarische Binnenmigration erzeugt, von der insbesondere die ethnischen Minderheiten betroffen sind. Seit etwa 2010 sind aber ökologische Zielvorgaben und Projekte in allen 5-Jahresplänen enthalten und werden systematisch umgesetzt. Inzwischen sind die Anstrengungen und Erfolge der chinesischen Regierung bei der erneuerbaren Energieerzeugung, der ökologischen Produktion, Emissionsreduzierung und auch Aufforstung von Wäldern weltweit in Umfang, Geschwindigkeit und Konsequenz unerreicht.  Die Massenproduktion von Solarpanels und Windrädern verbilligt deren Preise und trägt maßgeblich zur weltweiten Verbreitung der Energieerzeugung durch regenerative Energieformen bei. Vergleichbare Erfolge und Anstrengungen gibt es im westlichen Kapitalismus nicht. Darstellungen und Zahlen zu diesem Thema finden sich etwa in [103]und[104]. Es gibt sicher mehrere Gründe für Chinas Schwenk in der Umweltpolitik. Der wichtigste dürften die Proteste der Bevölkerung gegen die Luftverschmutzung und Wasserverunreinigung gewesen sein. Die Umwelttechnologie ist außerdem in China ein zunehmend bedeutender Industriezweig mit großen Exportchancen. Nicht zu unterschätzen ist, dass die Umweltpolitik eine global wichtige politische Bühne für die Entwicklungsländer ist.

In der Reformära baute sich ein soziales und gesellschaftliches Konfliktpotential wie in jedem kapitalistischen Staat auf. Es soll im Folgenden nicht auf die verschiedenen gesellschaftlichen Bewegungen wie die Umweltbewegung, den Kampf gegen Landenteignungen, die Auseinandersetzungen mit den Minderheiten oder andere eingegangen werden, sondern nur auf die Kämpfe der Arbeiter gegen das Kapital, soweit darüber etwas bekannt ist. Zu dem Thema gibt es wenig systematische Darstellungen, was mit daran liegt, dass Nachrichten dazu unterdrückt werden. Insbesondere herrscht eine wirkungsvolle Kontrolle über das Internet. Aus den Darstellungen ergibt sich, dass die Auseinandersetzungen der Arbeiter wenig über die betriebliche Ebene hinausgehen Falls Ansätze dazu da sind, werden sie unterdrückt.[105] Ein Streikrecht existiert seit 1982 nicht mehr, die Bildung unabhängiger Gewerkschaften ist verboten, überbetriebliche Tarifvereinbarungen existieren nicht. Der ACGB (Allgemeine chinesische Gewerkschaftsbund, englisch ACFTU, All-China Federation of Trade Unions) ist personell von der KPCh dominiert und finanziell von den Abgaben der Unternehmen abhängig, die Mitgliedsbeiträge der Gewerkschaftsmitglieder betragen etwa 20% der Gesamtausgaben.[106] Die ideologische und politische Aufgabe des ACGB ist es, für Harmonie und Stabilität in den Betrieben zu sorgen. Das entspricht der von der KPCh vermittelten Propaganda, China befinde sich im sozialistischen Aufbau, so dass damit angeblich die chinesischen Unternehmen und ihre Arbeiter an derselben Aufgabe arbeiten. Folgerichtig sind die Gewerkschaftsfunktionäre meist auch Mitglieder der Geschäftsführung.

Für die Arbeiter gibt es als offizielle Wege des Protests die Beschwerde im Betrieb, dann eine überbetriebliche Schlichtungskommission, als nächster Schritt das Arbeitsgericht und als letzte Möglichkeit Eingaben an staatliche Stellen. Das Fehlen einer überbetrieblichen Interessenvertretung führt dazu, dass die Lage der Arbeiter in den Betrieben sehr unterschiedlich ist. Hinzu kommt die Spaltung in städtische und Wanderarbeiter. Die Angaben zu der Anzahl von Arbeitskämpfen sind sehr unterschiedlich. So gibt es Zahlen zu ‘Arbeitskonflikten‘, die zum Beispiel bei Statista um 1 Million liegen.[107] In diesen Daten sind aber auch die Schiedsgerichts- und Schlichtungsverfahren und die sogenannten ‘Massenvorfälle‘ enthalten, wie die Zahlen von Schlinger zeigen: Demnach gab es im Jahr 2012 knapp 900 000 Schiedsgerichts- und Schlichtungsfälle und 402 Streiks und im Jahr 2010 180 000 öffentliche Proteste.[108] Alle Statistiken zeigen eine Zunahme von Arbeiterprotesten, aber sie sind noch als sehr gering und beschränkt zu bezeichnen, wozu neben den rechtlichen Beschränkungen auch die Überwachung durch die KPCh beiträgt.

Großen Einfluss hatte die Reformära auch auf die Zusammensetzung der KPCh. Bereits zu Beginn der Reformperiode fand ein größerer Umbau der Partei statt. Alte Parteimitglieder wurden in den Ruhestand geschickt, Gegner der Kulturrevolution rehabilitiert und vor allem junge Technokraten rekrutiert und auf Führungspositionen in Partei und Staat gesetzt.[109] Zunehmend durchsetzt sich die Partei auch mit den Reformgewinnlern. Mit der wachsenden Lohnarbeit ist eine steigende Mehrwertaneignung verbunden, wozu sich aus naheliegenden Gründen chinesische Quellen bedeckt halten. Wikipedia führt auf: „Von den 3220 Chinesen mit einem Privatvermögen von mindestens 100 Millionen Yuan sind 2932 Kinder der höheren Parteikader. In den fünf Wirtschaftszweigen Finanzen, Außenhandel, Landerschließung, Großkonstruktionen und Wertpapiere halten Kinder der höheren Kader 85 Prozent bis 90 Prozent der Schlüsselpositionen.“[110] „Im Jahr 2020 gehörten den oberen 1 Prozent der chinesischen Bevölkerung 30,6 Prozent des gesamten Reichtums.“[111] Nach Heberer überwiegen die Absolventen mit höherer Schulbildung und Studium in der Partei die Anzahl der Arbeiter und Bauern deutlich.[112] Auch die Zielsetzung der Partei hat sich geändert. Seit 2002 steht im Parteistatut der KPCh als Aufgabe das ‘Dreifache Vertreten‘:„Mit dem „Dreifachen Vertreten“ ist gemeint, dass die Kommunistische Partei Chinas

    • die Erfordernisse der Entwicklung fortschrittlicher Produktivkräfte Chinas,
    • die Richtung des Vorwärtsschreitens fortschrittlicher Kultur Chinas und
    • die grundlegenden Interessen der überwältigenden Mehrheit des chinesischen Volkes vertreten soll.“[113] Von der Partei als Vorhut der Arbeiterklasse ist nicht mehr die Rede. Zunehmend wird auch das Leitbild von einer ‘harmonischen Gesellschaft‘ anstelle des Sozialismus propagiert. Xi Jinping spricht von der Verwirklichung des ‘Chinesischen Traums‘, womit nationalistische Gefühle angesprochen werden.

 

3. Themen der Diskussion über Chinas Reformkurs

Zur Reformpolitik in China gibt es eine Reihe von Fragen, von denen ich drei herausgreifen möchte. Als erstes beschreibe ich die Charakteristika des letztendlich in China durchgeführten Reformprozesses im Unterschied zu dem Reformprozess im postsowjetischen Russland, das wie auch andere sozialistische Transformationsländer streng neoliberalen Konzepten folgte. Das Thema wird im danach folgenden Kapitel unter dem Aspekt der Auseinandersetzung in der KPCh und Regierung über den Reformweg vertieft. Zum Abschluss gehe ich auf einige wichtige Besonderheiten der chinesischen Ausprägung des Kapitalismus ein.

 

3.1     Gradualismus versus Schocktherapie

Die zweigleisige Reformpraxis bedeutete die temporäre Koexistenz von Plan- und Marktwirtschaft bei sinkendem Plananteil. Im Oktober 1984 verabschiedete das Zentralkomitee die ‘Entscheidung über die Reform der Wirtschaftsstruktur‘. In ihr heißt es: „Die verpflichtende Planung wird auf wichtige Produkte, die große Bedeutung für die nationale Wirtschaft und das Leben der Bürger haben und vom Staat zuzuteilen und zu verteilen sind, sowie auf wichtige wirtschaftliche Tätigkeit angewandt, die sich auf die Gesamtsituation auswirken. Die übrigen Produkte und wirtschaftlichen Aktivitäten, die sehr viel zahlreicher sind, sollten je nach den Erfordernissen des Einzelfalls entweder einer indikativen Planung unterliegen oder vollkommen den Marktkräften überlassen werden.“ Und weiter: „Mit zunehmenden Entscheidungsbefugnissen der Unternehmen wird die Preisbildung wachsenden Einfluss auf ihre Produktion und ihren Betrieb haben. Das macht die Aufgabe, ein rationales System der Preisbildung zu errichten, umso dringlicher. […] Die Preisbildung ist ein sehr wirksames Regulierungsinstrument, und nationale Preise stellen eine wichtige Voraussetzung für eine dynamische, jedoch nicht chaotische Wirtschaft dar. Daher ist die Reform des Preissystems der Schlüssel zur Reform der gesamten Wirtschaftsstruktur.“[114] Bereits 1984 wurden also Weichen für die schrittweise Einführung des Kapitalismus gestellt und die Prinzipien der sozialistischen Ökonomie aufgeweicht.

Heilmannn fasst den Rückgang der bisherigen Planwirtschaft in folgender Tabelle zusammen:[115]

Chinas zweigleisige Reformpraxis: Koexistenz von Plan und Markt sowie schrittweise Senkung des Plananteils in der Wirtschaftskoordination (gerundete Angaben in Prozent)

1978 1984 1991 1993
Produktionsplanung

(Umfang zentraler und regionaler Planung)

 

91

 

80

 

16

 

5

Preisplanung

(Anteil staatlicher Fest- und Richtpreise)

 

94

 

60**

 

42

 

17

Produktionsbeitrag der nichtstaatlichen

Industrie (Anteil an der gesamten

Industrieproduktion)

 

24**

 

30

 

47

 

52***

Haushaltsbeitrag der nichtstaatlichen Industrie (Beitrag zu staatlichen Haushaltseinnahmen)  

18*

 

23

 

36

 

k.A

*1980. **1985. ***1992

Der chinesische Weg der Transformation vom Sozialismus zum Kapitalismus wird als ‘Gradualismus‘ oder ‘trial and error‘-Methode bezeichnet. Der letztere Begriff bezeichnet die in China durchgängig angewandte Methode, neue Geschäftsmodelle zunächst nur in lokalem, begrenztem Umfang zuzulassen und dann bei Erfolg weiter zu verfolgen und auszudehnen. Im Unterschied zum chinesischen Vorgehen wird die russische Transformation ‘Schocktherapie‘, ‘Big Bang‘ oder auch ‘Urknall‘ genannt. Die Schocktherapie führte in Russland und anderen postsozialistischen Ländern zu einer Inflation von zeitweilig über 2000%[116], einem starken Wirtschaftseinbruch[117], Sozialabbau sowie zu einem ausgeprägten Oligarchenherrschaftssystem, weil die staatliche Autorität gleichzeitig zerfiel und das Staatseigentum weitgehend ohne jede staatliche Kontrolle privatisiert wurde. Ein Beispiel für den Sozialabbau in der früheren Sowjetunion ist, dass das durchschnittliche Realeinkommen von 99% der Russen im Jahr 2015 niedriger als im Jahr 1991 war.[118]

Im Unterschied dazu führte der chinesische ‘Gradualismus‘ zu einer beherrschbaren Inflationsrate und zu einem Wirtschaftswachstum, das schrittweise zur kapitalistischen Produktionsweise führte. Dabei bedeutet ‘Gradualismus‘ nicht eine langsame, allmähliche Entwicklung, wie der Blick in obige Tabelle zeigt, wonach der Plananteil in 15 Jahren um fast 90% sank. Korruption war aber auch in China ein dauernder Begleiter des ‘Gradualismus‘ und ist es auch heute noch. Aber sie ist von anderer Art als in den Ländern, in denen eine Schocktherapie durchgeführt wurde. Da zunächst keine großen Staatsbetriebe privatisiert wurden, entstand zwar kein Oligarchensystem, aber eine in Teilen korrupte Machtelite, die Schmiergelder für alle möglichen Gefälligkeiten annahm (siehe Kapitel 2.7). Der gradualistische Weg ließ sich ideologisch zu einem chinesischen Weg des sozialistischen Aufbaus stilisieren, weil er ja unter Führung der KPCh stattfand. Dabei wird unterstellt, die Partei trage ihren Titel zu Recht.

Die Schocktherapie ging auf die Ideologie neoliberaler Ökonomen zurück, auf die sich IWF, Weltbank und andere internationale Geldgeber im sogenannten ‘Washington Consensus‘[119] einigten und sie zu Bedingungen für eine Geldvergabe an die Entwicklungsländer und später auch an die sozialistischen Transformationsländer machten. Die Schocktherapie umfasste im Wesentlichen die vier Punkte: schlagartige Freigabe sämtlicher Preise, Privatisierung der Staatsunternehmen, Liberalisierung des Handels und eine Stabilisierung der Wirtschaft durch strikte Geld- und Haushaltspolitik.[120] Im Mittelpunkt der Maßnahmen stand die schnelle Freigabe aller Preise. Die Schocktherapie verfolgte einen politischen Zweck, den ihre Begründer so formulierten: „Der Zusammenbruch der kommunistischen Einparteienherrschaft war die unabdingbare Voraussetzung für den effektiven Übergang zu einer Marktwirtschaft.“[121] Die Schocktherapie sollte vor allem Entwicklungsländer und sozialistische Transformationsstaaten für westliche Kapitalinteressen öffnen, indem sie bestehende Strukturen und staatliche Eigentumsverhältnisse zerstört. Wenn diese Methode gelingt, ist sie eleganter, als einen Militärputsch zu inszenieren. Das postsowjetische Russland musste sich den Bedingungen von IWF und Weltbank weitgehend beugen, weil es von ihnen Kredite annahm, zahlte aber seine Schulden vorzeitig zurück, um wieder mehr Souveränität über die eigene Politik zurück zu gewinnen. In Europa ist der IWF bestens bekannt als eines der Mitglieder der Troika, der sich Griechenland in seiner Schuldenkrise unterwerfen musste und zu Sozialabbau und nationalem Ausverkauf gezwungen wurde.

Die Möglichkeit zum gradualistischen Vorgehen Chinas beruht auf ihrer weitgehenden Unabhängigkeit von institutionellen westlichen Geldgebern wie dem IWF. Kredite wurden nur von der Weltbank aufgenommen, die dem chinesischen Reformprozess weitgehend positiv gegenüberstand.[122] Ein experimentelles Vorgehen hatte bereits den Aufbau in den befreiten Gebieten während des antijapanischen und des nachfolgenden Bürgerkriegs gekennzeichnet. Es wurden Vorgehensweisen angewandt, die bereits im alten China zur Stabilisierung der Wirtschaft benutzt wurden (siehe das Buch von Weber). Auch in China hatte die Schocktherapie zahlreiche einflussreiche Befürworter und stand mehrmals kurz vor der Einführung. Darauf wird im nächsten Kapitel eingegangen. Inzwischen wird für das chinesische Entwicklungsmodell auch der Begriff ‘Beijing Consensus‘ gebraucht. Gemeint ist damit auf der einen Seite das Modell einer selbstbestimmten länderspezifischen Wirtschaftsentwicklung. Er besagt aber auch, dass eine staatlich gelenkte Wirtschaft mit einem relevanten Anteil von Produktionsmitteln in Staatsbesitz eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben kann. Der Erfolg des chinesischen Wirtschaftsmodells wird damit zu einer zunehmenden Bedrohung des Glaubens an die Überlegenheit des westlichen Kapitalismusmodells. Bei allen Unterschieden zwischen der Schocktherapie und dem Gradualismus ist das Ergebnis beider Strategien gleich, die Errichtung einer kapitalistischen Marktwirtschaft.

3.2     Die Auseinandersetzungen in China um den Reformkurs

Viele Autoren der Linken, die sich mit der Entwicklung Chinas nach 1978 beschäftigen, behandeln die Diskussionen in der KPCh und der Regierung um die neue Kursbestimmung nicht. Es entsteht der Eindruck, als habe es in Partei, Regierung und Gesellschaft keine Auseinandersetzungen über den zukünftigen Kurs gegeben. Tatsächlich fand ein intensiver ideologischer Kampf statt, wie es zum Beispiel den Büchern von Willy Kraus, Ronald Coase, Yan Sun und Isabella Weber zu entnehmen ist. Die genannten Bücher zeichnen kein konsistentes Bild von den Auseinandersetzungen um den Reformkurs, weil sie nicht das Verhältnis der unterschiedlichen Diskussionsebenen untereinander beschreiben. In der KPCh fanden teilweise grundsätzliche Debatten über den richtigen Aufbau des Sozialismus statt, die einen ersten Abschluss in der ‘Resolution über einige Fragen zur Geschichte der KP Chinas‘ im Jahr 1981 fanden. Daneben gab es aber auch, wie es Webers Buch schildert, eine rege Auseinandersetzung in der Regierung, unter ihren Beratern und ausländischen Ökonomen. Sie drehten sich unter anderem um die Theorien der Reformökonomen der osteuropäischen Länder zur Reform des Sozialismus und um die neoliberalen Thesen, wie sie im Washington Consensus formuliert wurden. Es sieht so aus, als hätten die Regierungsdiskussionen weitgehend unabhängig von den Parteidiskussionen stattgefunden. Zunächst gehe ich auf die Auseinandersetzungen in der Partei ein, wie sie vor allem das Buch von Yan Sun schildert.[123]

Die ideologischen Debatten in der KPCh umfassten mehrere Etappen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Die erste Etappe beinhaltete neben der Auseinandersetzung mit der sogenannten ‘Viererbande‘[124] die Frage, wie man mit Maos Ideen umgehen sollte. Einerseits war es in weiten Teilen der KPCh Konsens, dass der ‘Große Sprung nach vorne‘ und die Kulturrevolution einen ökonomischen Rückschritt im Aufbau des Sozialismus gebracht hatten, andererseits war die Anerkennung von Mao in der Partei und der Bevölkerung sehr groß. Die Auseinandersetzung fand zwischen der ‘Zwei-Wasimmer-Fraktion‘ um Hua Guofeng und der ‘Praxis-Fraktion‘ um Deng Xiaoping, der 1977 rehabilitiert wurde, statt. Die ‘Zwei-Wasimmer–Fraktion‘ vertrat: Was auch immer Mao an Politik vertreten hat und welche Anweisungen er gegeben hat, wir werden ihm immer folgen. Insbesondere vertraten sie wie Mao, dass der Klassenkampf der Haupthebel zu Produktivitätssteigerungen und zum weiteren Aufbau des Sozialismus sei. Demgegenüber vertrat die ‘Praxis-Fraktion‘, dass die Praxis das einzige Kriterium der Wahrheit sei und sich die Partei von den Erfahrungen der Praxis leiten lassen sollte, und berief sich dabei auf Maos Schrift ‘Über die Praxis‘. Bezüglich der Entwicklung der Produktivkräfte beinhaltete diese Position, dass jedes Mittel gerechtfertigt ist, das zu ihrer Beschleunigung dient, eine Position, die Mao selber nie vertreten hat. Das Ziel der ‘Praxis-Fraktion‘-Position war, die Autorität der Mao-Tse-Tung-Ideen für künftige Praxisentscheidungen in Frage zu stellen und den Weg für neue Konzepte zu öffnen.

Bezüglich der Hauptaufgabe der jetzigen Periode stellt die Resolution zur Geschichte der Partei der KP Chinas von 1981 fest: „Nach der grundlegenden Vollendung der sozialistischen Umgestaltung war der Hauptwiderspruch, den unser Land zu lösen hatte, der Widerspruch zwischen den täglich wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnissen des Volkes und der rückständigen gesellschaftlichen Produktion. […] Alle Arbeit der Partei muß dem Kernpunkt Wirtschaftsaufbau untergeordnet sein und ihm dienen.“[125] Das ist praktisch identisch mit der Aussage im Beschluss des VIII. Parteitags der KPCh von 1956: „Jetzt ist der entscheidende Sieg in der sozialistischen Umgestaltung bereits errungen; das zeigt an, dass in unserem Lande der Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie in der Hauptsache gelöst ist [….]“. Und weiter: „Aber der Hauptwiderspruch in unserem Land ist gegenwärtig der Widerspruch zwischen der Forderung des Volkes nach Errichtung eines fortschrittlichen Industrielandes und der Situation, dass unser Land noch ein rückständiges Agrarland ist.“[126] Die ‘Praxis-Fraktion‘ stand also auf dem Boden der Beschlüsse des VIII. Parteitags, während die ‘Zwei-Wasimmer-Fraktion‘ sich auf die Aussagen des späten Mao berief. Dementsprechend fiel auch das Urteil der Resolution von 1981 über Mao aus: Es würdigte seine Verdienste insgesamt, bescheinigte ihm aber für die späten Jahre gravierende Fehler. Was an der Resolution von 1981 und dem Beschluss des 8. Parteitags der KPCh von 1956 im Vergleich zur heutigen Position auffällt, ist, dass in ihnen die sozialistische Umgestaltung als grundsätzlich vollendet galt. Heute betont die KPCh dagegen, dass sich China in einer langwährenden Übergangsphase zum Sozialismus befindet.

Was in der Debatte zwischen den beiden Fraktionen nach dem Buch von Yan Sun nicht diskutiert wurde, ist die Bestimmung des richtigen Verhältnisses von Theorie und Praxis, wie die Theorie die Praxis leiten und die Praxis die Theorie befruchten soll. Der Sieg der ‘Praxis-Fraktion‘ eröffnete die Möglichkeit, dass nominell an der Theorie festgehalten, in der Praxis aber anders verfahren werden konnte. Charakteristisch dafür ist der Deng Xiaoping zugeschriebene Spruch: ‘Egal ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse.‘ Diese Haltung der Beliebigkeit bei gleichzeitigem Auslassen zentraler Themen führt Deng so aus: „Wie sich Planung und Marktkräfte zueinander verhalten, ist nicht der wesentliche Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Eine Planwirtschaft ist nicht gleichbedeutend mit Sozialismus, denn auch im Kapitalismus gibt es Planung. Eine Marktwirtschaft ist nicht Kapitalismus, denn auch im Sozialismus gibt es Märkte. Planung und Marktkräfte sind beides Mittel, um die Wirtschaftsaktivität zu steuern. Die Essenz des Sozialismus ist Befreiung und Entwicklung der produktiven Kräfte, die Eliminierung von Ausbeutung und Polarisierung und das letztliche Erreichen von Wohlstand für alle. Dies Konzept muss den Leuten klargemacht werden. Sind Wertpapiere und der Aktienmarkt gut oder schlecht? Sind sie mit Gefahren verbunden? Sind sie Eigenheiten des Kapitalismus? Kann der Sozialismus sie für sich nutzen? Wir erlauben den Menschen, sich ihr eigenes Urteil vorzubehalten, aber wir müssen diese Dinge ausprobieren. Wenn sie sich nach ein oder zwei Jahren des Experimentierens als machbar erweisen, können wir sie ausweiten. Andernfalls können wir sie beenden und die Sache ist damit erledigt.“[127] Hier wird wie in anderen Aussagen der KPCh zielgerichtet Richtiges mit Falschem vermengt. Natürlich gab es etwa Märkte schon in nichtkapitalistischen Gesellschaften, aber das ist keine Begründung für ihre Existenz in einer sozialistischen Gesellschaft. Und natürlich ist die Befreiung der Produktivkräfte ein wesentliches Ziel des Sozialismus, sie ist jedoch kein Selbstzweck, sondern soll der Befreiung des Menschen dienen. Wovon Deng wohl bewusst nicht spricht, ist, dass die Abschaffung der Lohnarbeit ein grundlegendes Merkmal des Sozialismus ist.

Der Sieg der ‘Praxis-Fraktion‘ in der Frage des Hauptwiderspruchs ebnete den Weg für ökonomische Debatten. Eingeleitet wurden diese Debatten durch die Propagierung des Programms von Zhou Enlai aus dem Jahr 1964 von den ‘Vier Modernisierungen‘. Diese umfassten die Modernisierung der Landwirtschaft, der Industrie und der Verteidigung sowie von Wissenschaft und Technologie. Dieses Programm griffen Deng 1975 und Hua Guofeng 1976 auf, wodurch sie den Fokus auf die Entwicklung der Produktivkräfte lenkten.[128] Die folgenden Etappen der Auseinandersetzungen in der Partei waren vor allem grundsätzlichen Fragen des sozialistischen Aufbaus gewidmet. Zunächst begann eine Debatte über das Grundgesetz des Sozialismus. Es gab auch Diskussionen darüber, ob der von der Sowjetunion übernommene Schwerpunkt auf die Schwerindustrie für China richtig war. Das heißt, es stellte sich die Frage nach der Proportionalität der einzelnen Wirtschaftssektoren. Daneben wurde das Verhältnis von Marktwirtschaft und Planwirtschaft diskutiert, die Rolle des Wertgesetzes im Sozialismus und des Leistungsprinzips bei der Entlohnung. Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, in welchem Umfang Privatwirtschaft und Privateigentum an Produktionsmitteln zugelassen werden sollten und dürfen, also grundsätzliche Fragen zum Aufbau des Sozialismus.

Es ist offensichtlich, dass der Sieg der ‘Praxis-Fraktion‘ das Tor zur Einführung des Kapitalismus öffnete. Ihre prinzipienlosen Einstellungen ließen die Einführung von privatem Eigentum an Produktionsmitteln genauso zu wie die Einführung von Lohnarbeit, wenn es nur der Entfaltung der Produktivität diente. Nicht diskutiert wurde die Frage, woran es lag, dass das bisher nicht genügend gelungen ist. Es war, wie im Kapitel zu den SWZ beschrieben, nicht die Höhe der Wachstumsraten, sondern die Qualität des Wachstums und die Technologieführerschaft des Westens, die zu zunehmender Rückständigkeit der VRCh gegenüber vergleichbaren Nachbarländern geführt hatte. Keine Debatte scheint es darüber gegeben zu haben, wie die Sowjetunion dieses Problem gelöst hat. Nun wurde als einziger Weg zur Entfaltung der Produktivkräfte die Einführung kapitalistischer Methoden festgelegt. Treibende Kraft bei allen Weichenstellungen war Deng Xiaoping.

Neben der Diskussion in der Partei gab es eine weitere Diskussionsebene, die von der chinesischen Regierung und ihren Beratern mit osteuropäischen und westlichen Ökonomen eröffnet wurde. Auch diese Diskussionen, wie sie etwa im Buch von Weber dargestellt werden, fehlen weitgehend in den Darstellungen der Linken. Aus dem Buch von Weber geht hervor, dass die chinesische Regierung als einzigen Weg aus den ökonomischen Schwierigkeiten am Ende der Mao-Ära die Einführung einer Marktwirtschaft sah. Vorstellungen von einer sozialistischen Marktwirtschaft waren bereits seit Mitte der 1950er Jahre in den osteuropäischen Ländern aufgetaucht, etwa in Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der DDR. Dementsprechend wurden die führenden osteuropäischen Reformökonomen wie Wlodzimierz Brus, Ota Sik, Janos Kornai und andere zu Beratungsgesprächen nach China eingeladen.[129] Ein Teil der osteuropäischen Reformökonomen lebte inzwischen im westlichen Exil und hatte den Glauben an die Reformierbarkeit der sozialistischen Planwirtschaft verloren. Sie traten für einen Systemwechsel in den sozialistischen Ländern ein, wie es auch das politische Ziel der neoliberalen Schocktherapie war, sie vertraten also Varianten der neoliberalen Entwicklungsstrategie. Regierungsdelegationen aus China bereisten mehrere Länder in Europa, wie etwa Jugoslawien und die Bundesrepublik Deutschland, in Asien Singapur und Japan und in Südamerika zum Beispiel das Chile Pinochets, um vor Ort die dortigen Wirtschaftsreformen zu studieren. Im Mittelpunkt der Beratungen der chinesischen Regierung und ihren Beratern stand die Frage der Preisreform als Hebel zur Einführung einer Marktwirtschaft. Eine wichtige Rolle spielten dabei die internationalen Konferenzen in Moganshan 1982 und die an Bord des Boots Bashanlun 1985, auf der sich osteuropäische Reformökonomen, westliche Ökonomen und die Weltbankvertreter ein Stelldichein gaben.[130] Der bekannteste westliche Ökonom, der China Reformvorschläge unterbreitete, war der damals einflussreichste neoliberale Ökonom Milton Friedmann, in seinem Gefolge waren mehrere Mitglieder der Mont Pelerin Gesellschaft, dem wichtigsten neoliberalen Think-Tank. Friedman wurde vom damaligen Premierminister Zhao Ziyang empfangen und erhielt eine Ehrenprofessur in China. Friedman sprach sich für eine Schocktherapie aus und nannte dabei als Beispiel das ‘Erhard-Wunder‘ der Währungs- und Preisreform in der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg, wobei er es mit der historischen Wahrheit nicht so genau nahm.[131] Besonderes Vertrauen der chinesischen Regierung besaßen die Berater der Weltbank, die die Kreditwürdigkeit der VRCh prüften. Ihre Vorschläge gingen in den siebten 5-Jahresplan ein. Wie man sieht, gab es bei der chinesischen Regierung keine Bedenken, neoliberale Rezepte anzuwenden. So wie es aussieht, bewegte sie sich dabei außerhalb der Diskussionen, die etwa zeitgleich in der KPCh geführt wurden.

In dem Beraterkreis der Regierung gab es zwei Gruppen, eine, die den gradualistischen Weg vertrat, das war die ‘ländliche Entwicklungsgruppe‘, aus der das ‘Systemreforminstitut‘[132] hervorging. Auf der anderen Seite stand das ‘Programmbüro‘[133], das sich auf neoliberale Theorien berief und verschiedene Varianten der Schocktherapie vertrat. Im ‘Programmbüro‘ versammelten sich meist jüngere Ökonomen, wobei sie aber auch Revolutionsveteranen wie Xue Muqiao oder Chen Yun teilweise unterstützten. Der ‘ländlichen Entwicklungsgruppe‘ gehörten empirisch untersuchende Ökonomen an, die teilweise während der Kulturrevolution aufs Land verschickt worden waren. Sie kannten die ländlichen Verhältnisse gut und hatten die Erfolge der von Ihnen befürworteten erfolgreichen Landreform als Argument für ihre Reformvorschläge. Das überzeugte die Regierung, so dass im ersten Anlauf Anfang der 1980er Jahre die Forderung nach einer Schocktherapie unterlag. Als Deng Ende der 1980er Jahre von der Regierung einschneidendere Reformen forderte, wurden wieder Maßnahmen zu einer radikalen Preisreform eingeleitet, die dann wegen der sich beschleunigenden Inflation und den breiten Unruhen gestoppt wurden.[134] Dennoch wurden nach 1992 die Preiskontrollen letztendlich, wenn auch nicht auf einen Schlag, abgeschafft. „Der Anteil der Erzeugnisse, die zu Marktpreisen gehandelt wurden, stieg beständig, von nahezu null im Jahr 1978, auf 13 Prozent in 1985, 46 Prozent in 1991 und 78 Prozent in 1995.“[135] Es sei nochmal darauf hingewiesen, dass China im Unterschied zum postsowjetischen Russland Herr über seine Politik blieb, da es wenig von institutionellen ausländischen Geldgebern und deren Bedingungen abhängig wurde. Es gab neben den westlichen Beratern noch andere Pfade, auf denen die neoliberale Ideologie Eingang nach China fand. Während der Kulturrevolution waren die chinesischen Universitäten geschlossen, darunter auch die wirtschaftlichen Institute, so dass keine Ausbildung in sozialistischer Ökonomie stattfand. Der Wiederaufbau der wirtschaftswissenschaftlichen Fachrichtungen fand mit amerikanischer Unterstützung und westlichen Lehrbüchern statt. Daneben gab es Förderprogramme, vor allem in den USA, so dass sich bald eine vom Westen beeinflusste Elite entwickelte und die Geschicke der chinesischen Politik bestimmte.[136] Der westliche Kapitalismus versuchte in China eine ideologische Beeinflussung auf allen ihm zugänglichen Ebenen.

Es ist müßig, bestimmen zu wollen, wann genau die Entwicklung zu einer kapitalistischen Gesellschaft in der VRCh unumkehrbar wurde. Es war spätestens zu dem Zeitpunkt der Fall, als die Lohnarbeit zum Normalzustand wurde. Die wirtschaftlichen Erfolge der neuen Wirtschaftspolitik im Vergleich zu den zeitweiligen wirtschaftlichen Misserfolgen der Mao-Ära waren so deutlich, dass an der seit 1978 eingeleiteten Politik kaum zu rütteln war, zumal es kein Gegenkonzept gab.

 

3.3 Besonderheiten der chinesischen Wirtschaftsordnung

Die Auseinandersetzung zwischen liberalem und gelenktem Kapitalismus

Der Kapitalismus hat in jedem Land neben seinen gemeinsamen grundlegenden Eigenschaften auch Besonderheiten, die aus der vorangegangenen Gesellschaft stammen. Man muss also für jeden Staat konkret untersuchen, aus welcher vorherigen Staatlichkeit und Klassenkonstellation er sich entwickelt hat, um seine heutige Form zu verstehen. In diesem Kapitel sollen einige Besonderheiten der staatlichen Regulierung der Wirtschaft in China dargestellt werden. Oft wird der westliche Kapitalismus als ‘liberal‘ und der chinesische als ‘staatlich gelenkt‘, ‘Staatskapitalismus‘ oder ‘gelenkte Marktwirtschaft‘ bezeichnet (siehe zum Beispiel[137]). Die Wirtschaftspolitik des Staatskapitalismus wird auch als ‘Industriepolitik‘ bezeichnet.[138] Beim staatlich gelenkten Kapitalismus hat der Staat stärkere Einflussmöglichkeiten auf die Gesamtwirtschaft als im liberalen Kapitalismus und nutzt sie auch, indem er Entwicklungsrichtungen vorgibt. Im Idealbild des von den neoliberalen Ökonomen propagierten sogenannten liberalen Kapitalismus überlässt der Staat in der Theorie die wirtschaftliche Entwicklung dem freien Spiel der Marktkräfte und gibt für die Unternehmen keine Ziele vor, er soll nur günstige Rahmenbedingungen für das Kapital bereitstellen. Im liberalen Kapitalismus geht die Entscheidungsrichtung vorwiegend von den Unternehmen zum Staat, während sie im Staatskapitalismus eher umgekehrt vom Staat zu den Unternehmen verläuft.

Beide Typen des kapitalistischen Staates kommen in der Realität nicht rein vor. Die Methoden zur Wirtschaftssteuerung sind in beiden Staatstypen weitgehend gleich: Kredite, Steuervergünstigungen, Subventionen, Förderprogramme, Bereitstellung von Infrastruktur, Exportförderung, Importbeschränkungen, kurz gesagt, das ganze Repertoire möglicher wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Und nicht zu vergessen: Gesetze und Regularien zur Ausgestaltung gesellschaftlicher und sozialer Beziehungen. Natürlich spielen in beiden Systemen auch persönliche Beziehungen von Entscheidungsträgern eine wichtige Rolle. Während aber zum Beispiel Kredite, Subventionen und andere staatliche Maßnahmen im liberalen Kapitalismus meist nicht an die Erfüllung von Geschäftsvorgaben geknüpft sind, ist das im staatlich gelenkten Kapitalismus die Regel. Sie sind also stärker zielgerichtet anstatt hauptsächlich lobbygesteuert. Das verdeutlicht etwa ein Beispiel aus der Automobilindustrie: Während China seit längerem die Entwicklung von Elektromotoren fördert und auf einer verbindlichen Elektromotorenquote für die Automobilproduzenten im Inland besteht, stützt die deutsche Regierung nach wie vor im Interesse der Automobilindustrie den Verbrennungsmotor. Die oft ziellosen Subventionen des liberalen Kapitalismus werden gern euphemistisch als ‘ergebnisoffen‘ bezeichnet, die Subventionen selbst als ‚Anreize‘.

Die beiden Typologien kapitalistischer Staatlichkeit resultieren mit aus einer unterschiedlichen historischen Entstehungsgeschichte. In Europa entstanden die kapitalistischen Unternehmen oft in einer feudalen Gesellschaft und mussten eine für sie passende Staatlichkeit erst allmählich formen oder den feudalen Staat durch eine bürgerliche Revolution beseitigen. Sie existierten also schon vor einer für sie passenden Staatlichkeit. Der angestrebte bürgerliche Staat sollte für sie günstige Bedingungen schaffen, sie aber ansonsten frei schalten und walten lassen. Dabei gibt es zwischen den Einzelkapitalen durchaus gegensätzliche Interessen, wie etwa die Auseinandersetzung zwischen fossiler und erneuerbarer Energieerzeugung zeigt. In China entstand der heutige Kapitalismus aus einer sozialistischen Gesellschaft mit einem Staat, der die Produktionsverhältnisse bestimmte. Der gleiche Staat setzte dann unter der Leitung der KPCh seit Beginn der Reformära die Entstehung kapitalistischer Verhältnisse durch. Er war also zum einen Geburtshelfer des Kapitalismus und steuerte dann erfolgreich seine Entwicklung zu einer wirtschaftlichen und politischen Großmacht. Es gibt für die Privatwirtschaft in China also derzeit keinen Grund, sich prinzipiell gegen eine gesamtwirtschaftliche Lenkung des Staates aufzulehnen.

Ein historisch früher Typ eines staatlich gelenkten Kapitalismus trat häufig im Fall einer nachholenden Industrialisierung auf, da sie sich gegen die bisherige Produktionsweise durchsetzen musste. Wichtige Mittel dabei waren und sind Schutzzölle und Einfuhrbeschränkungen, um die heimische Industrie zu schützen, bis sie konkurrenzfähig ist. Beispiele dafür sind im 19. Jahrhundert etwa das deutsche Kaiserreich und die USA in dem zunehmenden Wettbewerb mit England, der damaligen Werkbank der Welt. Am Beispiel Japans im 19. Jahrhundert wird auch ein Motiv für eine staatlich forcierte Industrialisierung deutlich, es ging um die Verteidigung der Integrität der Nation und ihrer herrschenden Klasse gegen eine mögliche militärische Bedrohung von außen. Ein weiteres Beispiel ist die Industrialisierung in vielen ostasiatischen Ländern nach dem 2. Weltkrieg, insbesondere in den sogenannten ‘Tigerstaaten‘ Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong. Sie wird oft als ‘ostasiatisches Entwicklungsmodell’ bezeichnet. In ihnen führten autoritäre Regierungen Bodenreformen durch, die für Lohnarbeiter in der wachsenden Industrie sorgte, und beseitigten sonstige Hemmnisse für die Entwicklung des Kapitalismus.

Zu Maßnahmen wie bei der nachholenden Industrialisierung führt heute auch der Versuch westlicher Staaten, die zuvor aus Profitgier in Billiglohnländer verlagerte Produktion wieder zu renationalisieren. Die USA sind Vorreiter bei dem Versuch, ihr Land wieder zu reindustrialisieren. Nicht nur führen sie wie im 19. Jahrhundert Zölle für die Exportnationen ein, sie greifen auch zu weiteren Maßnahmen, um Auslands- wie Inlandsfirmen zur Produktion in den USA zu zwingen. Keine Handelsnation wird von diesen Maßnahmen der USA ausgenommen. Die Maßnahmen laufen unter Präsident Trumps Motto ‘Make America great again‘. Die Wirtschaftsmaßnahmen werden mit einer angeblichen Bedrohung der nationalen Sicherheit begründet, was sie auf eine politische Ebene hebt und zusätzliche politische Maßnahmen rechtfertigt. Die Einnahmen durch Zölle sollen neben der Verlängerung der Steuererleichterungen für die Reichen aus der ersten Amtszeit von Präsident Trump dazu beitragen, die hohe Staatsverschuldung zu finanzieren. Inzwischen betragen die Aufwendungen der USA für ihre Staatsschulden etwa so viel wie ihre Militärausgaben. Die Regierung Trump hat also durchaus sowohl wirtschaftliche wie militärische Gründe für ihr Vorgehen.[139] Zu einem militärischen: Ein Land, dass sich auf eventuelle militärische Auseinandersetzungen mit China vorbereitet, sollte von chinesischen Stahllieferungen und sonstigen militärisch relevanten Importen unabhängig sein, es geht Trump offenbar um eine weitgehende Autarkie der USA. Mit verschiedenen Maßnahmen versucht der amerikanische Staat unter Trump sich auch zunehmend die Notenbank und die inländische Wirtschaft unterzuordnen und beteiligt sich an strategisch wichtigen Unternehmen. Auch andere Bereiche der Gesellschaft werden systematisch auf Trumps politische Agenda ausgerichtet. Er scheint anzustreben, sich und seiner Regierung eine Machtfülle zu verschaffen, wie sie etwa der chinesische Staat und Xi Jinping bereits besitzen.

Es gab in der historischen Entwicklung des liberalen Kapitalismus immer wieder Situationen, in denen eine Staatslenkung in weiten Teilen der Wirtschaft angewandt wurde: Etwa in Krisen, bei Kriegsvorbereitungen und dem Wiederaufbau nach Kriegen. In den USA startete Präsident Roosevelt nach der Weltwirtschaftskrise von 1928/1929 das ‘New Deal‘-Programm, das umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen vorsah. In den USA setzten sich die staatlich dirigistischen Maßnahmen bei den Kriegsvorbereitungen, insbesondere auch beim Atombombenbau (‘Manhattan-Projekt‘) fort, nach dem Krieg dann etwa bei der Raumfahrt, dem Kernkraftwerksbau, der Computerindustrie, alles Projekte, die sich wegen der hohen Investitionskosten und unsicheren kurzfristigen Renditeaussichten im freien Spiel der Kräfte nur schwer entwickelt hätten. Ähnlichkeiten zum amerikanischen ‘New Deal‘ wies das Wirtschaftsprogramm der Nationalsozialisten auf. Es beinhaltete ebenfalls weitreichende Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere aber auch die Aufrüstung zur Vorbereitung eines Eroberungskriegs. In den USA fand die Aufrüstung erst nach Ausbruch des 2. Weltkriegs statt. Derartige Lenkungsmaßnahmen betrafen jeweils mehr oder weniger große Teile der Gesamtwirtschaft.

Im China der Reformperiode entwickelte sich eine eigene Art von gelenktem Kapitalismus. Sie beruht wesentlich auf der Kontinuität des Machtmonopols der KPCh und dem Staatsbesitz an Banken und strategisch wichtigen Unternehmen. Die Steuerung der Kreditvergabe über staatliche Banken, Investmentfonds und gezielte Subventionen sind dabei die wichtigsten Instrumente zur Lenkung der Entwicklungsrichtung der Gesamtwirtschaft und zur Durchsetzung der staatlichen Industriepolitik. Dadurch werden gewünschte Entwicklungen gefördert und nicht gewollte beschränkt. Zusätzlich verstärken Parteizellen in den Unternehmen den Einfluss von Staat und Partei.[140] Die heutige Form der chinesischen Planung wird meist ‘indikativ‘ genannt (siehe Kapitel 3.1) im Unterschied zur sozialistischen Planwirtschaft, die als ‘imperativ‘ bezeichnet wird. Sie unterscheidet sich unter anderem dadurch von der sozialistischen Planwirtschaft, dass sie keine Produktionsmengensteuerung vorsieht und damit kapitalistische Überproduktionskrisen nicht vermeiden kann. Die Mittel zur Wirtschaftslenkung, wie sie der VRCh zur Verfügung stehen, besitzen Staaten des liberalen Kapitalismus in der Regel heute nicht mehr, da sie die ehemaligen Staatsunternehmen und Banken privatisiert haben. Es gab in der chinesischen Regierung und bei ihren Beratern eine Zeit lang starke Kräfte gegen jede Form von staatlichen Wirtschaftseingriffen, die sich aber nicht durchsetzen konnten. Es wurde die aus der sozialistischen Ära übernommene Praxis der 5- und 10-Jahrespläne zur Steuerung der Gesamtwirtschaft beibehalten und es werden jährlich Statusberichte der Regierung erstellt, die zur Präzisierung der Pläne dienen. Verfolgt man die 5-Jahrespläne – sie wurden inzwischen in Programme umbenannt – im Einzelnen, so werden die jeweiligen konkreten Etappenziele und ihre Einordnung in strategische Zielsetzungen deutlich.[141] Wurde die staatliche Steuerung der Wirtschaft im Verlauf der Reformära erst schwächer, so fand Mitte der 2000er Jahre ein Umdenken in Richtung einer stärkeren politischen Lenkung statt und nahm mit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 an Fahrt auf.[142] Der Fokus der Prioritätensetzung verschob sich von der Massenproduktion zur Herstellung von High-Tech-Produkten (Innovation Driven Development Strategy), wie es sich in Programmen wie ‘Made in China 2025‘[143] ausdrückt. Ziel ist dabei auch, die Export- und Importabhängigkeit des Landes zu verringern. Im Kern gab es zu Beginn der Reformära drei Institutionen zur Wirtschaftsregulierung, die Planungskommission, die Wirtschaftskommission und die Strukturreformkommission. Nach mehreren Vorläufern ist heute die NDRC (National Development and Research Commission) die entscheidende Planungsbehörde. Sie wurde in Anlehnung an das Vorbild des japanischem MITI (Ministry of International Trade and Industry) gestaltet. Mit japanischen Behörden fand auch ein reger fachlicher und personeller Austausch statt.[144] Die NDRC erstellt die kurz- und längerfristigen Entwicklungspläne für die Gesamtindustrie.[145] Es soll hier nicht um Details gehen, sondern darum darzulegen, dass es in der VRCh langjährig erfahrene Planungsbehörden mit Exekutivbefugnissen zur Durchführung einer Industriepolitik gibt. In der VRCh sitzt eine technokratische Elite mit an den Schalthebeln der Macht. Daher können staatliche Wirtschaftspläne im Unterschied zu ähnlichen Ideen im liberalen Kapitalismus in der VRCh weitgehend durchgesetzt werden. Natürlich gibt es aber auch in China Beeinflussung von großen Unternehmen und Fehlentscheidungen. Eine wesentliche Einschränkung der Wirtschaftslenkung durch die Zentralregierung besteht in der weitgehenden Autonomie der lokalen Regierungen, die ihre eigenen Ziele oft gegen die Pläne der Zentralregierung verfolgen. Man sollte sich also die gelenkte Wirtschaft nicht als ein generalsstabmäßiges Unternehmen vorstellen, ebenso wenig wie der liberale Staat nur Erfüllungsgehilfe der Kapitale ist.

Dass die chinesische Wirtschaftspolitik erfolgreicher als die Industriepolitik des liberalen Kapitalismus ist, lässt sich an vielen Beispielen darlegen, die fast alle Bereiche der industriellen Produktion, von Technik und Wissenschaft umfassen. Gerade erst zeigte sich, dass China etwa auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz durchaus mit den Entwicklungen in den USA mithalten kann. Nach bisherigen Erfahrungen ist zu erwarten, dass sie dort schnell eine produktive Anwendung finden. Der Unterschied zwischen einem liberalen und gelenkten Kapitalismus zeigt sich etwa auch an dem 500 Milliarden-Programm der Regierung Merz im Frühjahr 2025 für ein Sondervermögen Infrastruktur. Selbst Gemeinschaftsaufgaben wie die Instandhaltung der Infrastruktur, die genuine Staatsaufgabe ist, können im liberalen Kapitalismus oft nur außerhalb des regulären Staatshaushalts finanziert werden, während sie im gelenkten Kapitalismus in der Regel integraler Bestandteil des Staatshaushalts sind. In der Nachkriegs-Bundesrepublik wie in allen kriegszerstörten Ländern Europas fand der Wiederaufbau mit einer weitgehend gelenkten Wirtschaft statt. Erst mit dem Sieg des Neoliberalismus machte der Staat einem weitgehend unregulierten und ungezügelten Kapitalismus den Weg frei. Ob im westlichen Kapitalismus heute überhaupt noch eine Rückkehr zu einer gelenkten Gesamtwirtschaft möglich ist, scheint mir zweifelhaft.

Zum Abschluss soll noch ein Projekt der VRCh genannt werden, das für ein liberal kapitalistisches Land kaum realisierbar ist, die ‘Neue Seidenstraße‘ auf dem Land und auf den Meeren, bei deren Verwirklichung die SOEs wesentlich beteiligt sind. Die Seidenstraße dient ebenso wie das BRICS-Bündnis[146] gleichzeitig der Erweiterung und Diversifizierung des chinesischen Außenhandels und der Vergrößerung von Chinas geopolitischem Einfluss gegenüber dem von den USA dominierten westlichen Hegemoniebündnis. Diese chinesischen Erfolge stellen das liberale Modell des westlichen Kapitalismus und seine Ideologie in Frage, denn nach seiner derzeit vorherrschenden Ideologie sollte ein solcher Erfolg in einer gelenkten Wirtschaft nicht möglich sein. Es sieht so aus, als würde der chinesische Typ von Kapitalismus derzeit besser funktionieren als der gegenwärtige neoliberale westliche Typ. Aber auch er wird nicht von Überproduktion, Fehlinvestitionen und Konkursen verschont bleiben, wie es sich vor allem im Immobiliensektor, aber auch in der Stahlerzeugung, dem Bau von Windrädern, Solarpaneelen und Elektroautos abzeichnet. Überproduktionskrisen ließen sich bisher durch vermehrte Exporte und staatliche Stützungsmaßnahmen weitgehend vermeiden. Es ist zu erwarten, dass der chinesische Kapitalismus ähnliche Krisenerscheinungen wie der westliche zeigen wird, natürlich mit chinesischen Besonderheiten.

Insgesamt hat es in der chinesischen Reformperiode eine Entwicklungsgeschwindigkeit der Produktivkräfte gegeben, die die der Länder des liberalen Kapitalismus deutlich übersteigt. Denn Chinas Wirtschaftsmodell war nicht nur in der Lage, einen großen Rückstand gegenüber den westlichen kapitalistischen Ländern aufzuholen, sondern schickt sich an, sie in immer mehr Bereichen zu überholen. Was in Zukunft noch zu erwarten ist, zeigt sich unter anderem an der Entwicklung der Anzahl chinesischer Patentanmeldungen und der Zunahme von Hochschulabsolventen und Spitzenforschern. Da Japan und die ostasiatischen Tigerstaaten, aber auch die USA nach der Weltwirtschaftskrise 1929 und die Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg ebenfalls eine ähnliche Erfolgsbilanz vorweisen konnten, zeigt das die mögliche Überlegenheit einer gelenkten Wirtschaft gegenüber einem laissez-faire-Kapitalismus, aber nicht die der kapitalistischen Wirtschaftsweise als solche. Die Tatsache, dass sich der gelenkte Kapitalismus gerade in den ostasiatischen Ländern so lange hält, weist auf eine geschichtliche Tradition hin. Dieser Erfolg zeigt auch, zu welchen Leistungen der Kapitalismus immer noch fähig sein kann und dass nicht zu erwarten ist, dass er aus sich heraus an seinen ökonomischen Widersprüchen zugrunde gehen wird. Für Marxisten stellt sich die Frage, warum es in den bisherigen sozialistischen Gesellschaften kaum Beispiele für eine größere Produktivitätsentwicklung als im Kapitalismus gab. Es ist zu erklären, warum diese wenigen Perioden endeten.

 

3.4 Abschließende Anmerkungen

In dem Artikel wurde die konkrete Entwicklung der chinesischen Gesellschaft zu einer kapitalistischen Gesellschaft beschrieben. Es haben sich keine entscheidenden Hinweise dafür gefunden, dass die Entwicklung der VRCh zum Kapitalismus wesentlich durch ausländische Einwirkungen gesteuert wurde. Die Ursachen sind somit in Fehlern bei dem sozialistischen Aufbau zu suchen. Dies erfordert eine Analyse der Entwicklungen in der Mao-Ära, was nicht Gegenstand dieses Artikels war.

Die heutige chinesische Wirtschaftsform eines gelenkten Kapitalismus ist eine Alternative zu der sonst weit verbreiteten Form des liberalen Kapitalismus. Die unübersehbaren Erfolge der chinesischen Wirtschaft sind nicht Ergebnis eines Wettbewerbs zwischen Sozialismus und Kapitalismus, sondern zwischen unterschiedlichen Ausprägungen des Kapitalismus.

 

Literatur

Viele Referenzen sind mit ihren Internetadressen in den Fußnoten aufgeführt. Sie werden deshalb in der Literaturliste nicht durchgängig nochmals aufgeführt.

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[1] The Chinese Economy Second Edition Adaption and Growth.

[2] Jikun Huang; Scott Rozelle: China’s 40 years of agicultural development and reform, In: China’s 40 Years of Reform and Development 1978 – 2018, Seite 487.

[3]  Naughton, Seite 291.

[4] Ronald Coase; Ning Wang: Chinas Kapitalismus Weg ohne Plan und Zukunft?, Seite 56 f.

[5] Coase, Seite 82; Naughton, Seite 268.

[6] Sebastian Heilmann: Die Politik der Wirtschaftsreformen in China und Russland, Seite 162 f.

[7] Willy Kraus: Private Unternehmerwirtschaft in der Volksrepublik China. Wiederbelebung zwischen Ideologie und Pragmatismus, Seite 30 f.

[8] Kraus, Seite 31.

[9] Naughton, Seite 268.

[10] Tobias Ten Brink: Chinas Kapitalismus Entstehung, Verlauf, Paradoxien Seite 116; Coase, Seite 103.

[11] Naughton, Seite 104 f.

[12] Coase, Seite 81; Huang, Seite 487; Naughton Seite 269.

[13] Huang, Seite 489; Naughton, Seite 268.

[14] Naughton, Seite 284.

[15] Naughton, Seite 291.

[16] Naughton, Seite 23 f.

[17] Huang, Seite 488; Naughton, Seite 238 f.

[18] Sergio Grassi: Chinas Agrarreform – in Zeiten der globalen Finanzkrise. Friedrich Ebert Stiftung.

[19] Naughton, Seite 270 f.

[20] Hans Kühner: Armut in China Anspruch und Wirklichkeit der chinesischen Agrarpolitik seit den 1950-er Jahren, https://zeithistorische-forschungen.de/regionale-klassifikation/china.

[21] Günter Schucher: Chinas Arbeitsmärkte: Umbrüche, Risiken, Perspektiven, In: Länderbericht China 2014, Bundeszentrale für politische Bildung, Seite 708.

[22] Naughton, Seite 163.

[23] Schucher, Tabelle 1, BpB Seite 706, 707.

[24] Naughton, Seite 139.

[25] Schucher, BpB Seite 716.

[26] Ten Brink, Seite 286 f.; Naughton, Seite 217 f.

Shoying Liu:The structure of and changes to China’s land system, In: China’s 40 years of reform and development 1978 – 2018, Seite 429 f.

[28] OECD: Survey China 2017, Seite 20.

[29] Kühner, Seite 100.

[30] Shoying Liu, Seite 440.

[31] Yansui Liu; Jintao Li; Yanyan Yang: Strategic adjustment of land use policy under the economic transformation, Seite 7, 9.

[32] Shoying Liu, Seite 438.

[33] Naughton, Seite 308 f.

[34] Coase, Seite 67.

[35] Coase, Seite 64.

[36] Naughton, Seite 313.

[37] Coase, Seite 66.

[38] Kraus, Seite 70.

[39] Kraus, Seite 24.

[40] Marx Engels Werke, Band 20, Seite 116.

[41] Kraus, Seite 153.

[42] Kraus, Seite 63, Tabellen Seite 64 f.

[43] Thomas Heberer; Armin Müller: Entwicklungsstaat China Politik, Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt und Ideologie, Seite 28.

[44] Lenin Werke, Band 31, Seite 8.

[45] Kraus, Seite 59.

[46] Coase, Seite 68.

[47] Coase, Seite 69.

[48] Kraus, Seite 13.

[49] Kraus, Seite 103

[50] Kraus, Seite 113 f.

[51] Kraus, Seite 109.

[52] Kraus, Seite 157 f.

[53] Kraus, Seite 131.

[54] Kraus, Seite 105.

[55] Kraus, Seite 106.

[56]Gideon Joffe: Entstehung und Entwicklung des Unternehmertums in China und sein Einfluß auf Transformation und Demokratisierung, Seite 60.

[57] Kraus, Seite 166 f.

[58] Coase, Seite 36; Naughton, Seite 87.

[59] Xiaolu Wang: China‘s macroeconomics, In: China’s 40 Years of Reform and Development 1978 – 2018, Seite 168.

[60] Naughton, Seite 403, 427 f.

[61] Naughton, Seite 159.

[62] Kraus, Seite 204.

[63] Kraus, Seite 204, 205.

[64] Kraus, Seite 205, Aus Lesbarkeitsgründen wurden dort, wo Kraus Lenin zitiert und Anführungszeichen setzt, diese weggelassen.

[65] Naughton, Seite 427; Ten Brink, Seite 177 f.

[66] Naughton, Seite 420, 427 f.

[67] Ten Brink, Seite 222.

[68] Naughton, Seite 433 f.; Ten Brink, Seite 181 f.

[69] Coase, Seite 173.

[70] Naughton, Seite 417.

[71] Mikko Huotari: China in der Weltwirtschaft, Bundeszentrale für politische Bildung.

[72] Naughton, Seite 343.

[73] Naughton; Seite 100.

[74] Heilmann, Seite 76, siehe auch die Tabelle in Kapitel 3.1.

[75] Coase, Seite 155.

[76] Ligang Song: State owned enterprise reform in China: Past, present and prospect, In: China’s 40 years of reform and development 1978 – 2018, Seite 352.

[77] Naughton, Seite 116.

[78] Wikipedia: Neue Seidenstraße, https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Seidenstra%C3%9Fe.

[79] Kraus, Seite 136.

[80] Kraus, Seite 150.

[81] Heilmann, Seite 243.

[82] Heilmann, Seite 241.

[83] Ten Brink, Seite 210 f.; Joffe, Seite 120 f.; Brunhild Staiger; Stefan Friedrich; Hans-Wilm Schütte: Das große Chinalexikon, Seite 280 f.

[84] Heilmann, Seite 183 f.

[85] Kraus, Seite 136 f.

[86] Heilmann, Seite 257.

[87] Naughton, Seite 109, Seite 457, Weber, Seite 305 f.

[88] Heilmann, Seite 148.

[89] Coase, Seite 124.

[90] Coase, Seite 126.

[91] Coase, Seite 130.

[92] Coase, Seite 125 f.

[93] Kraus, Seite 13.

[94] Coase, Seite 134.

[95] Coase, Seite 138 f.

[96] Coase, Seite 146.

[97] Wikipedia: Gini-Koeffizient, https://de.wikipedia.org/wiki/Gini-Koeffizient.

[98] Coase, Seite 115.

[99] UNDP (United Nations Development Programme): China in Numbers (2023), Seite 9, https://www.undp.org/china/publications/china-numbers-2023.

[100] UNDP, Seite 8.

[101] Fortunat Reiser: Harmonische Gesellschaft in der VR China Soziale Herausforderungen, Sozialversicherung und ideologische Fragen. https://socio.ch/internat/t_reiser.pdf .

[102] Karl Schlinger, Günter Schucher: Impossible! Gewerkschaften und Arbeitsfrieden in China, Institut für Asien-Studien, GIGA Hamburg.

[103] Walter Bückmann; Yeong Heui Lee: Probleme mit den Wasser- und Bodenressourcen in China. Internationales Asienforum.

[104] Thomas Heberer; Anja D. Senz: Regionalexpertise – Destabilisierungs- und Konfliktpotenzial prognostizierter Umweltveränderungen in China bis 2020/2050.

[105] Schlinger; Schucher, Seite 2.

[106] Schlinger; Schucher, Seite 4.

[107] Statista: Arbeiter in China pochen auf ihre Rechte, https://de.statista.com/infografik/10452/arbeitskonflikte-in-china/.

[108] Schlinger; Schucher, Seite 5.

[109] Coase, Seite 30.

[110] Wikipedia: Wirtschaftsgeschichte der Volksrepublik China.

[111] Yungjie Guo: Klasse und soziale Ungleichheit in China, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/themen/asien/china/344711/klasse-und-soziale-ungleichheit-in-china/.

[112] Thomas Heberer; Jörg-M. Rudolph: China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Seite 26.

[113] Wikipedia: Dreifaches Vertreten, https://de.wikipedia.org/wiki/Dreifaches_Vertreten.

[114]Isabella M. Weber: Das Gespenst der Inflation Wie China der Schocktherapie entkam, Seite 263, 264. Suhrkamp Verlag AG., Berlin, 2023.

[115] Heilmann, Seite 76, Übersicht 2H.

[116] Heilmann, Seite 148.

[117] Heilmann, Seite 93.

[118] Weber, Seite 16.

[119] Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Washington_Consensus.

[120] Weber, Seite 19.

[121] Weber, Seite 23.

[122] Weber: Origins of China’s Contested Relation with Neoliberalism: Economics, the World Bank, and Milton Friedman at the Dawn of Reform.

[123] Yan Sun: The Chinese Reasessment of Socialism, 1976-1992.

[124] Wikipedia; https://de.wikipedia.org/wiki/Viererbande

[125] Resolution über einige Fragen zur Geschichte der KP Chinas Angenommen auf der 6. Plenartagung des ZK der KP Chinas am 27.Juni 1981, http://www.trend.infopartisan.net/trd0716/t100717.html,  Auf Englisch: On Question of Party History Resolution on Certain Questions in the History Of Our Party Since the Founding of the People’s Republic Of China, Beijing Review, No. 27, https://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/resolution-certain-questions-history-our-party-founding-peoples-republic-china.

[126] Der VIII. Parteitag der kommunistischen Partei Chinas Dokumente Band I, Seite 77 f.

[127] Coase, Seite 139, 140.

[128] Coase, Seite 32 f.

[129] Weber, Seite 189 f.

[130] Weber, Seite 206 f., Seite 286 f.

[131] Weber, Seite 191 f.

[132] Weber, Seite 236 f.

[133] Weber, Seite 236f, 298, 302.

[134] Weber, Seite 335 f.

[135] Coase, Seite 148.

[136]Isabella Weber: Origins of China’s Contested Relation with Neoliberalism: Economics, the World Bank, and Milton Friedman at the Dawn of Reform.

[137] Ten Brink, Tobias; Nölke, Andreas: Staatskapitalismus 3.0., https://d-nb.info/1253284660/34.

[138] ApuZ 4-5/2024, Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung, Beilage der Wochenzeitung Das Parlament: Industriepolitik, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/industriepolitik-2024/.

[139] Heribert Dieter: Die unterschätzten Risiken in der US-Ökonomie Trumps Zollpolitik ist fragwürdig, aber Handlungsbedarf besteht, SWP-Aktuell 2025/A23. https://www.swp-berlin.org/10.18449/2025A23/. Siehe auch Stephan Bales: Droht ein fiskalischer Tipping Point? Zentrale Herausforderungen der USA für die nächsten Jahre, KFW, https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/Service/Download-Center/Konzernthemen/Research/Fokus-Volkswirtschaft/

[140] Ten Brink, Seite 295 f.

[141]Siehe zum Beispiel das gründliche Buch von Barry Naughton:  The Rise of China’s Industrial Policy 1978 to 2020; Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Five-year_plans_of_China

[142] Sebastian Heilmann; Lea Shih: The Rise of Industrial Policy in China, 1978-2012, Seite 3..

[143] Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Made_in_China_2025

[144] Heilmann; Shih, Seite 6.

[145] Margot Schüller: Chinas Industriepolitik: auf dem Weg zu einem neuen Erfolgsmodell? Seite 545.

[146] https://de.wikipedia.org/wiki/BRICS