Die MLPD zum Gaza-Krieg / Kritik

Karl-Heinz Goll

Kein Fußbreit für faschistische Organisationen wie die Hamas! Protest gegen den Staatsterror des imperialistischen Israel!
Presseerklärung des Zentralkomitees der MLPD vom 12.10.2023

„Bundeskanzler Scholz kündigte unter dem Beifall aller Bundestagsparteien bis hin zur AfD heute ein Betätigungsverbot für die faschistische Organisation Hamas und ein Verbot des Netzwerks palästinensischer Gefangener, Samidoun, an.

Dazu erklärt Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD: „Die MLPD weist schon seit Jahren auf den faschistischen Charakter der Hamas hin und hat an diesen Dienstag eine Erklärung veröffentlicht, in der es unter anderem hieß: ‚Kein Fußbreit der faschistischen Hamas!“ Sie ist für uns kein Teil des palästinensischen Befreiungskampfs. Es ist skandalös, dass von der Regierung über Jahre hinweg ihre Aktivitäten toleriert wurden, während es immer wieder Hetzkampagnen gegen den fortschrittlichen palästinensischen Befreiungskampf gibt. Die MLPD fordert das Verbot aller faschistischen Organisationen, ob sie ihre Wurzeln in Deutschland, der Türkei oder Palästina haben.“

Sie kritisiert die „Heuchelei und Doppelzüngigkeit“ der Bundestagsparteien: „Wer über den faschistischen Terror der Hamas spricht, darf über den jahrzehntelangen Staatsterror das imperialistischen Israels nicht schweigen, das jetzt den Gazastreifen unter schlimmem menschlichen Leid in Schutt und Asche bombt. Dazu brachte der Bundestag aber kein Wort der Kritik.“ Stattdessen richtet sich die regierungsamtliche Unterdrückung vor allem gegen palästinensische Organisationen, die in der Vergangenheit ausdrücklich erklärt hatten, dass sie den imperialistischen Zionismus verurteilen, aber sich nicht gegen jüdische Menschen richten, wie Samidoun. Gleichzeitig hetzen die Ultrareaktionäre von der AfD und dem Springer Kampfblatt ‚Welt‘ antikommunistisch, indem sie sich auf den marxistisch-leninistischen Charakter und die Zusammenarbeit zwischen MLPD und Samidoun oder Freunden der PFLP fokussieren.

Gabi Fechtner kritisiert: „Selbstverständlich arbeiten wir auch mit Organisationen des palästinensischen Befreiungskampfs zusammen, wenn diese nicht antisemitisch, reaktionär oder gar faschistisch sind. Wir protestieren gegen jede Art der Unterdrückung des palästinensischen Befreiungskampfs in Deutschland. Genauso selbstverständlich kritisieren wir, wenn palästinensische Organisationen keine klare Abgrenzung zur faschistischen Hamas vornehmen oder gar mit ihr zusammenarbeiten. Wir würden uns, übrigens im Gegensatz zur deutschen Regierung, ganz grundsätzlich nicht mit Finanziers des islamistischen faschistischen Terrors zusammensetzen, um Geschäfte zu machen, wie es gerade beim Treffen mit dem Emir aus Qatar stattfindet. Wir lehnen jede Art des Rassismus, Antisemitismus, Zionismus, Antikommunismus und Faschismus grundsätzlich ab. Wir treten für ein solidarisches Zusammenleben der Völker und eine sozialistische Perspektive ohne nationalistische Spaltung ein.“

Es ist bürgerlicher Antifaschismus, diesen auf Grundlage des Antikommunismus zu stellen und damit auf die Erhaltung des imperialistischen Weltsystems zu orientieren.“

(https://www.rf-news.de/2023/kw41/kein-fussbreit-fuer-faschistische-organisationen-wie-die-hamas-kampf-der-kriminalisierung-des-palaestinensischen-befreiungskampfs-protest-gegen-den-staatsterror-des-imperialistischen-israels-und-die-antikommunistische-hetze-gegen-die-mlpd)

Artikel der „Roten Fahne“ vom 08.10.23 (Auszüge):

„Israel/Palästina – Naher Osten: Neuer Kriegsherd. Brandgefährliche Entwicklung nach Kriegserklärung durch Israel – Kritik an faschistischer Hamas – Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf

Die MLPD verteidigt das Existenzrecht Israels und tritt entschlossen gegen Antisemitismus ein. Genauso entschlossen wendet sie sich aber entschieden gegen die imperialistische Aggression Israels, die nichts mit dem Selbstbestimmungsrecht zu tun hat. Die antiimperialistische internationale Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf ist gerade angesichts der Kompliziertheit besonders herausgefordert. (…)

Der Sprecher der Hamas brüstet sich im Sender BBC, die Gruppe habe direkte Unterstützung für den Angriff von Iran erhalten. Es scheint undenkbar, dass dieser massive Überfall ohne entsprechende Unterstützung stattgefunden haben soll, zumal mittlerweile auch die Hisbollah Israel attackiert. Das aggressive Vordringen neuimperialistischer Länder umfasst immer mehr Regionen.

Die islamistisch-faschistische Hamas und das faschistische Regime des neuimperialistischen Iran sind jedoch nicht Bestandteil des nationalen und sozialen Freiheitskampfs des palästinensischen Volkes. Sie schaden ihm und liefern Israel und den westlichen Imperialisten einen Vorwand, den gerechten Kampf des palästinensischen Volks mit Faschisten in einen Topf zu werfen. Die MLPD lehnt jede Art Querfront (faschistische Taktik der scheinbaren Aussöhnung von Rechts und Links) mit Hamas, Hisbollah oder gar dem faschistischen Regime des Iran ab. Das antisemitisch gerechtfertigte Ziel der Hamas ist ein faschistischer islamischer Staat, was keine Perspektive für die Palästinenser sein kann. Mit ihrer Sozialpolitik und sozialen Demagogie hat sie allerdings Einfluss auf Teile der Massen. Auch die faschistische Hisbollah stellt sich auf die Seite der Hamas. Der faschistische Islamische Dschihad beteiligt sich ebenfalls. Die Hauptverantwortung für die Verschärfung aber trägt das imperialistische Israel unter seiner ultrarechten Netanjahu-Regierung mit Beteiligung von Faschisten.“

 

Kritik

Brief vom 16.10.23 an die MLPD zur ZK-Erklärung vom 12. 10 und zum Artikel der „Roten Fahne“ vom 08.10.2023:

Liebe MLPD-ler,

vielem, was das ZK der MLPD und die „Rote Fahne“ zur Rolle Israels und der aktuellen Lage schreiben, kann und will ich nicht widersprechen. Doch in wesentlichen Punkten, auf die ich mich hiermit konzentrieren will, sind die Texte zum Hamas/Israel-Krieg grottenfalsch und geradezu antimarxistisch.

Was für ein Faschismus-Begriff steckt denn hinter der Einordnung der Hamas als „faschistische Organisation“? Die Hamas als palästinensischer Zweig der Muslim-Bruderschaft ist eine sunnitisch-islamistische Organisation, die eine radikal-autoritäre Politik nach der Scharia verfolgt, wobei sie – wie zuletzt – vor terroristischen Gräueln nach dem Muster des IS nicht zurückschreckt.

Die Muslim-Brüder wurden 1928 in Ägypten gegen den britisch-abendländischen Kolonialismus gegründet und spielen in vielen muslimischen Ländern eine bedeutende Rolle gegen den westlichen Imperialismus. Ihre Ideologie enthält die Selbstaufopferung in individueller Form von Selbstmordattentätern mit dem Lohn des himmlischen Paradieses, die jetzt in einem monströs- katastrophalen „erweiterten“ Hyper-Selbstmord-Krieg der Hamas gipfelte.

Bei all dem islamistisch-reaktionären Charakter der Muslimbrüder muss man sehen, dass ihre gesellschaftlich relevante Erscheinung das Ergebnis langer kapitalistischer Ausbeutung und imperialistischer Unterdrückung und insofern ein Produkt der westlichen „Zivilisation“ ist, speziell die Hamas in Palästina des israelischen Siedlerkolonialismus. (Die Gründung der Hamas 1967 verhalf Israel auch zur Spaltung des palästinensischen Widerstands.)

Die Hamas als „faschistisch“ zu etikettieren, steht vollkommen im Widerspruch auch zur Definition der Komintern (Dimitroff: „Der Faschismus an der Macht … ist … die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ „Der Faschismus ist die Macht des Finanzkapitals selbst.“ – Die Ihr sonst so orthodox am Marxismus-Leninismus festzuhalten beansprucht, stellt Ihr Euch mit der Behauptung einer „faschistischen Hamas“ gegen diese Definition.

Was hat die Hamas mit dem Finanzkapital zu tun, was mit Imperialismus? Eure Position ist geradezu identisch mit dem Gegeifer vom „Islamofaschismus“ der Antideutschen und sonstiger bürgerlicher Israel-Verteidiger und ist weder historisch- noch dialektisch-materialistisch. (Dass in der arabischen Welt antisemitische Narrative des Nazi-Antisemitismus adaptiert wurden, ist den Weltkriegs-Fronten zu verdanken, wo Deutschland gegen die nahöstlichen Kolonialmächte (besonders GB und Frankreich) Front machte.)

„Die MLPD verteidigt das Existenzrecht Israels“ – ??? Opportunistischer gehts nicht. Das Existenzrecht eines religiös-rassistischen, siedlerkolonialistischen, expansionistischen Staates, der „von einer kriminellen Bande regiert“ wird (M.Zuckermann) ???

Als „Übergangstadium“ propagiert ihr die „2-Staaten-Lösung“, die angesichts der materiellen Realität eines mit über 600.000 überwiegend fanatisch-zionistischen Siedlern in der Westbank und Ost-Jerusalems durchsetzten Territoriums völlig obsolet ist. Die Forderung nach einer 2-Staaten-Lösung ist mittlerweile nichts als eine Nebelwand des westlichen Imperialismus, hinter der das Projekt eines zionistischen Groß-Israel immer weiter vorangetrieben wird. Opportunistischer kann Euer Festhalten an diesem „Übergangsstadium“ nicht formuliert werden.

Das Ziel kann nur ein gemeinsamer säkularer Staat Israel/Palästina sein, in dem alle Bewohner, gleich ob Araber oder Israelis, ob Juden, Christen, Moslems usw. gleichberechtigt leben.

Das schreibt Ihr zwar auch, relativiert und entwertet das aber mit der Fata Morgana eures „Übergangsstadiums“.

Schließlich darf in einem einzigen Satz mit dem „Protest gegen den Staatsterror des imperialistischen Israel“ der Protest gegen die „antikommunistische Hetze gegen die MLPD“ nicht fehlen (Vorbemerkung zur ZK-Erklärung). Welch eine Selbstüberschätzung einer 0,x%-Partei, die idealistisch bis zur Realsatire gegen die ideologischen Mühlen des Antikommunismus ankämpft, statt selbstkritisch vor allem die materiellen Massenerfahrungen als Basis und Resonanzboden des Antikommunismus durch die Resultate des realsozialistischen Idealismus sämtlicher gescheiterten Anläufe zum Sozialismus zu reflektieren.

Mit kritischen Grüßen
K.-H. Goll, 64367 Mühltal