Die NPD verbieten oder politisch bekämpfen ?

Karl Niemand

Die NPD verbieten? Der SPD – Parteivorstand fordert das, ebenso die Grünen, ja die CSU; Michael Sommer, der DGB – Vorsitzende befürwortet den Schritt; der Zentralrat der Juden ist dafür; nur die Bundes – CDU schießt quer. Sie hält nichts von einem Verbot zum gegenwärtigen Zeitpunkt – worüber noch zu reden sein wird. Und die Linke? Viele Genossen plädieren für ein Verbot. Bei der DKP findet sich die Verbotsforderung sogar in den Pogrammdokumenten. – Ich bin gegen die Verbotsforderung: Nicht aus Sympathie für diese rechtsradikale Partei, sondern aus politischen Erwägungen heraus. Mir geht es darum, die NPD politisch auszuschalten.

Wer oder was ist die NPD?

Die NPD (die so genannte Nationaldemokratische Partei Deutschlands) hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Toralf Staud, ein liberaler Journalist der ‚Zeit’ charakterisiert ihren Weg summarisch so: „Natürlich, die NPD war immer eine rechtsextremistische Partei. Doch unter diesem allgemeinen Begriff verschwimmen wichtige Unterschiede und Entwicklungen. In den 40 Jahren ihres Bestehens hat die NPD eine erstaunliche Wandlung durchlaufen. In den frühen Jahren war sie (in Westdeutschland, d.V.) eine antikommunistische, besitzbürgerliche, christlich – konservative Partei von Hitlerromantikern. Zwar war sie USA – kritisch, aber die Anhänger einer Westbindung der Bundesrepublik stellten doch die Mehrheit. Sie buhlte um Anerkennung durch die CDU, nur zu gern wäre sie Koalitionspartnerin geworden. Heute ist die NPD (im vereinigten Deutschland, d.V.) eine revolutionäre Kaderpartei, sie propagiert einen grundlegenden Umsturz, sie will in Deutschland einen nationalen Sozialismus errichten. Sie ist radikal anti-amerikanisch. Sie lehnt das Christentum ab und pflegt stattdessen germanisch – heidnisches Brauchtum. Ohne diese ideologische Neuausrichtung der Partei wäre ihr Wiederaufstieg in den vergangenen Jahren, wäre der erfolgreiche Anti-Hartz-IV-Wahlkampf in Sachsen 2004 nicht möglich gewesen.“ (1) Und an anderer Stelle schreibt Staud: „Dann aber kam die Wiedervereinigung. Der Ideologiemix aus Sozialismus und Nationalismus, den die NPD seit Ende der siebziger Jahre zusammengerührt hatte, traf in Ostdeutschland auf völlig andere gesellschaftliche und mentale Voraussetzungen. Der neue Vorsitzende Udo Voigt hat ab 1996 diese Chancen konsequent genutzt. Seine Partei profitiert von wirtschaftlichen und demographischen Problemen, vom verbreiteten Gefühl der Zurücksetzung und der mittlerweile verklärten Erinnerung an den real existierenden DDR-Sozialismus, von einer fremdenfeindlichen und autoritären Gesinnung, die bis weit in die Mitte der Gesellschaft reicht. Vergleicht man die Thadden- und die Voigt-Partei miteinander, wird der pogrammatische Wandel augenfällig – und es zeigen sich einige Kontinuitäten. Die neue NPD tritt auf als eine sozialistisch-revolutionäre, europa- und globalisierungsfeindliche, antichristliche Partei. Aber sie ist nach wie vor völkisch, rassistisch und antisemitisch. Und sie verharmlost das Dritte Reich – das tat sie immer, nur hat sie es in den frühen Jahren zu verbergen gesucht.“ (2)

Über einige dieser Punkte wird noch kritisch zu debattieren sein.

Im öffentlichen Diskurs wird die NPD gewöhnlich als Neonazipartei dargestellt. Diese Kennzeichnung ist irreführend. Sie ebnet die heutigen Widersprüche der Partei ein.

Ich sehe die NPD als Wahl- und Gesinnungspartei, als Sammelbecken für rechtsradikale Positionen und Personen: denn in ihr finden sich Nationalkonservative und radikale Nationalisten, Altnazis und Neonazis, mit gesellschaftlichem Machtanspruch. Allerdings hat der Einfluss der Freien Nationalisten und anderer Nazis auf die NPD deutlich zugenommen. Noch ist die NPD kein einheitlicher ideologischer Block, keine Kaderpartei, sondern ein Sammelsurium von gefährlichen Absichten.

Derzeit hat die Partei etwa 7.200 zumeist hoch motivierte Mitglieder.

NPD – Freie Nationalisten: ein fragiles Bündnis.

Die Freien Kameradschaften in der BRD (gezählt werden etwa 160, zumeist lokal oder regional organisierte ‚autonome’ Kleingruppierungen von Neonazis) und die NPD befinden sich im Bündnis („Volksfront von Rechts“). Bereits 1996 begann sich die NPD für Freie Nationalisten und Skinheads zu öffnen. Mit der Zahl kam der Einfluss. Der Beitritt namhafter Kameradschaftsführer wie Thomas Wulff, Thorsten Heise, und Ralph Tegethoff nach 2004 hat das Gewicht der Freien Nationalisten in der NPD weiter gesteigert. Kameradschaftsführer nehmen nun auch Leitungsfunktionen war. Sie tauchen auf den Wahlkampflisten der Partei auf.

Doch der Schulterschluss von Kameradschaftsszene und NPD ist nicht ohne Spannungen.

Die Freien Kameradschaften, deren Mitglieder sich selber auch als Freie Nationalisten bezeichnen, bekennen sich mehr oder weniger offen zum Nationalsozialismus, wobei der Bezugspunkt zu SA, Hitler und der SS variiert. Die NPD vermeidet ein solches Bekenntnis. Viele Freie Nationalisten sind deshalb mit der NPD unzufrieden. Sie ist ihnen zu brav, zu vorsichtig, zu vieldeutig, zu angepasst, zu honorig, zu parlamentarisch. Noch hält die Klammer der ‚Partner’.

Was wir vor uns haben, ist ein Zweckbündnis. Die NPD braucht die aktiven, jungen Straßenkämpfer, um organisatorische und propagandistische Breitenwirkung zu entfalten. Ohne sie als Helfer wäre der Wahlkampf der NPD nicht zu führen. Die Freien Kameradschaften wiederum nutzen die NPD als parlamentarischen Arm der Bewegung und als Plattform für die eigenständige Propaganda. Das ist ein fragiler, jederzeit kündbarer Schulterschluss. Immer wieder kochen die Widersprüche hoch. Sie entladen sich z.B. in Personalfragen, aber auch in Richtungskämpfen der Partei.

Natürlich gibt es in der NPD Linien, Cliquen und persönliche Rivalitäten. Einige Konflikte haben aber einen objektiven Hintergrund. Den strategisch denkenden Köpfen dürfte nicht entgangen sein, dass sich in Deutschland seit dem Dritten Reich etwas geändert hat: nämlich die Sozialstruktur und das Gesellschaftssystem, die Klassenverhältnisse und das internationale Umfeld. Der Parteienstreit – so meine Mutmaßung – dürfte also darum gehen, wie eine modernisierte rechtsradikale Partei/Bewegung heute auszusehen hat und wie viel (offener) Nationalsozialismus dabei greifen darf. Es geht nicht nur um das Erscheinungsbild der NPD, sondern auch um ihre ‚Sendung’. So meinen einige, mit einer historischen Uniform und mit zu viel Straßenklamauk sei der nationalkonservative Bürger nicht zu gewinnen, andere sehen gerade in der Strategie und Ideologie des Nationalsozialismus den Schlüssel zum Erfolg der ‚nationalen Revolution’.

Was zeigt da der Berliner Sonderparteitag der NPD vom April 2009 an?

Udo Voigt, der Zentrist wurde mit mäßigem Erfolg als Parteivorsitzender wieder gewählt. Viele sehen darin ein ‚Duldungsergebnis’. Voigt wurden schwere Fehler und Versäumnisse in der Vergangenheit angelastet. Ihm half jedoch eine Allianz mit der Gruppe um J. Rieger und T. Wulff über die Hürde. Voigt bekannte sich zur Zusammenarbeit mit den Freien Kameradschaften – ein Bekenntnis, das auch sein Gegenspieler Pastörs abgab.

Voigts Gegenkandidat Udo Pastörs unterlag deutlich. Angetreten war Pastörs für die Clique der so genannten rechtsradikalen Modernisierer (Holger Apfel, J. Gansel, Peter Marx u.a.). Diese Gruppe ist künftig nicht mehr im Parteivorstand vertreten. „Pastörs und Rossmüller beanspruchen für sich, sie verkörperten einen „gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus, der die soziale Frage“ aufgreife. Die Voigt – Truppe hingegen stehe für einen „ziellosen Verbalradikalismus und pubertäres Provokationsgehabe“.“ (3) Dennoch versicherte man der Partei seine „kritische Solidarität“, und kündigte bei den Wahlen in Sachsen und im Saarland einen „sächsischen Weg“ an. Der Fehdehandschuh ist also geworfen. – Hier gleich von einer Zerreißprobe der Partei zu sprechen, wie die ‚taz’ das tat, dürfte aber übertrieben sein.

Eingerückt in den Vorstand sind die einflussreichen Kameradschaftsführer Thomas Wulff (vormals Norddeutschland, jetzt Mecklenburg-Vorpommern) und Thorsten Heise (vormals Niedersachsen, jetzt Thüringen).

Als stellvertretender Parteichef wurde der Hamburger Landeschef Jürgen Rieger wieder gewählt. (55%) Rechtsanwalt Rieger ist bekennender Rassist und Antisemit. Als Millionär gehört er zu den wichtigsten Finanziers der Partei.

Kurz: Die NPD steht vor einem erneuten Radikalisierungsschub, aber auch vor neuem Streit.

Voigt hat inzwischen seinen Kritikern und der Partei (im Papier „Der Deutsche Weg“) die Marschrichtung der Führung vorgegeben. Laut ‚taz’ heißt es da: Ziel der Partei sei „Das System aktiv politisch zu stürzen.“ Eine „einseitige Anpassung an nationalkonservative Inhalte“ hätte für die NPD „katastrophale weltanschauliche Folgen“, da sie ihren Charakter als Systemalternative verlieren könnte. Die Zielgruppe sei vor allem die deutsche Jugend, die nach einer völkischen Identität suche. Den Kritikern wird gesagt: Alle „nationalkonservativen Parteien“ seien gescheitert, weil deren Wähler nicht das System überwinden wollten. (4)

Die NPD und ihr Programm

Das offizielle NPD – Programm (5) spiegelt nicht das Wesen dieser Partei wieder. Ihr Programm von 1996 ist eher eine Art Tarnkappe, um naive Naturen an die NPD zu binden oder solche an sich heranzuziehen; das papierne Programm ist aber auch eine Art Schutzschirm, um den Staatsorganen ein Verbot der Partei zu erschweren.

Das wirkliche Programm der NPD ist ihre aktuelle Ideologie und Praxis.

– Die NPD versucht die soziale Frage zu besetzen und die Linke dabei abzudrängen.

Das Erscheinungsbild der NPD variiert:

– in ihren Landesbezogenen Wahlkampfzeitungen gibt sich die Partei bisher relativ ‚weichgespült’ (Außendarstellung ohne „neonazistische Akzentuierung“, wie der Verfassungsschutz befindet), um den Bürger nicht zu verschrecken – zum Ärger vieler Kameradschaftsführer.

– in den Demonstrationen (zumeist personell dominiert von den Freien Kameradschaften) gibt sie sich hingegen kämpferisch, sozialrevolutionär und antikapitalistisch.

Die Linke tut sich schwer, das reale Pogramm der NPD zu kritisieren. Man stürzt sich liebend gern auf ihren Rassismus und die geschichtsrevisionistischen Thesen: Zweifellos reaktionäre Ansichten und Absichten, die nicht zu tolerieren sind. Aber das, was der NPD Stimmen und Anhänger zutreibt, bleibt oft unreflektiert. Das sind vor allem ihre Aussagen und Aktionen zur sozialen Frage: Hier tritt die NPD als Partei des Angriffs auf, die das ‚System’ attackiert, die die hohlen Sprüche der ‚Bonzen’ geißelt, den Sozialabbau verwirft, ‚Volksinteressen’ formuliert, die ein Ohr für die Leute hat, aber auch Lebenshilfe in der kommunalen Präsenz organisiert … Zu den Zielen der Partei gehört, sich als einzig ‚wahre’ Alternative zu präsentieren, als Vertreterin der sozial Schwachen und des kleinen Mannes. Bekanntlich ist das nicht ohne lokalen bzw. regionalen Erfolg.

Ich gehe davon aus, dass nicht alle Wähler der NPD diese aus rassistischen Gründen wählen. Viele tun es, weil die NPD gekonnt auf dem Klavier der sozialen Frage spielt, welches die Linke vernachlässigt. Sie ist somit auch eine Strafe für unser eigenes Versagen. Dazu kommt, dass die NPD demagogisch die Abneigung gegen das Fremde, die Furcht vor Ausländern, Migranten usw. schürt und zugleich den Schutz vor allem verspricht.

Sozialpolitische Programmelemente

Die NPD der Straße pflegt eine sozialrevolutionäre Rhetorik. Man sollte das hinterfragen:

Frage: Die NPD sieht und zelebriert sich als revolutionäre Partei. Ist sie das? Antwort: Im 19. Jahrhundert verstand das Bürgertum unter Revolution die politische Staatsumwälzung, im Kontext eines allgemeinen gesellschaftlichen Umbruchs. Mit diesem ‚Sprachsymbol’ Revolution hantiert die NPD heute. Wenn die NPD also die ’Systemfrage’ stellt, will sie an den politischen Rahmenbedingungen in Deutschland, an der Staatsform etwas ändern und soziale ‚Gerechtigkeit’ einfordern. Ihre Sozialismuspropaganda ‚fürs Volk’ ist entsprechend schwammig. – Man beachte den Unterschied: Karl Marx wollte nicht nur die politische, sondern zugleich die soziale Revolution, die Emanzipation des Proletariats und die Ablösung der kapitalistischen Produktionsweise durch den proletarischen Sozialismus (Kommunismus). Letztlich ging es ihm darum „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, eine Zielsetzung, die dem ‚Völkischen Sozialismus’ völlig fremd ist.

Frage: Eine Parole der NPD lautet: „Nicht Kapitalismus! Nicht Kommunismus! Für Deutschen Sozialismus!“ (6) Ist die NPD also eine antikapitalistische Partei? Antwort: Die NPD fordert nicht die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie fordert nicht die Beseitigung des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln – allem Partei-Gerede von ‚Kapitalismus abschaffen’ zum Trotz. In der Tat, die NPD bekennt sich zum Recht auf Privateigentum, zum freien Unternehmertum, zur kapitalistischen Warenproduktion, zur Erzielung von Gewinn usw., also zu allem, was man klassischerweise dem Kapitalismus zuordnet. (7) Wo also sieht die NPD ihren Antikapitalismus? Alternativ zum ‚System’ stehe ihre Konzeption der ‚Raumorientierten Volkswirtschaft’ (und die der deutschen Volksgemeinschaft). Dies wird in der öffentlichen Propaganda auch als Sozialismus und als Antikapitalismus bezeichnet, im (Aktions-)Programm der Partei jedoch nur umschrieben, und nicht mit einem Etikett versehen: „Ziel nationaldemokratischer Wirtschaftspolitik ist die Synthese von unternehmerischer Freiheit und sozialer Verpflichtung. Deshalb bekennt sich die NPD zu einem freien und sozialverpflichteten Unternehmertum. Die Führung der Volkswirtschaft ist jedoch Aufgabe des Staates und unterliegt dessen letzter Verantwortung. Grundvorrausetzung zur Gestaltung einer eigenen Sozial-, Arbeitsmarkt- und Naturschutzpolitik ist die Herstellung der Handlungshoheit auf dem eigenen Markt. Hier muß das Primat der Politik gegen die Interessen der Kapitaleigner durchgesetzt werden. Nur auf dieser Grundlage ist auch eine souveräne Außenpolitik möglich.“ (8) Das NPD-Konzept, so meine Auffassung, kommt einer politischen Fesselung der kapitalistischen Entwicklung gleich sowie einer politischen Bevormundung des freien Unternehmertums, was die Kapitalisten-Klasse nicht akzeptieren kann. Die NPD – Position kann man eine kleinbürgerlich- antikapitalistische Haltung nennen, die allerdings die ökonomischen Grundlagen des Kapitalismus, der kapitalistischen Produktionsweise nicht in Frage stellt.

Die Analyse der so genannten antikapitalistischen Propaganda der NPD zeigt, dass man entweder abstrakt gegen das „Große Geld“ wettert oder konkret im Kontext einer NPD – ‚Globalisierungskritik’ gegen das „Jüdische Finanzkapital“ hetzt. Das ‚Große Geld’, schrieb ein Parteifunktionär erläuternd, sei seinem Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos, und habe seinen Standort vor allem an der Ostküste der USA. (9) Hier schwingt die alte NS – Unterscheidung vom raffenden und schaffenden Kapital mit. Das raffende (zumeist internationale) Kapital ist schlecht, das schaffende (zumeist deutsche) Kapital ist gut, bedarf aber einer Sozialbindung und dienenden Rolle fürs Deutsche Volk.

Im NPD-Programm heißt es unter dem Stichwort ‚Raumorientierte Volkswirtschaft’: „Die NPD lehnt die in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung systematisch betriebene Internationalisierung der Volkswirtschaft entschieden ab … Die NPD lehnt die Globalisierung der deutschen Wirtschaft auch deswegen ab, weil sie unmittelbar zur Massenerwerbslosigkeit geführt hat…. Die NPD fordert eine am heimischen Lebensraum der Menschen orientierte vielseitige und ausgewogene soziale Volkswirtschaft. Der internationale Handel ist eine notwendige Ergänzung der heimatlichen Wirtschaftsbasis, darf aber diese in ihrer Vielfalt und Substanz nicht aushöhlen.“ (10) In einer DGB – Broschüre heißt es zur Kritik: „Mit dem Konzept der so genannten „raumorientierten Volkwirtschaft“ will die NPD internationale Konzerne „entflechten“ und die stark vom Export abhängige deutsche Wirtschaft durch „Schutzzölle“ abschotten. So schreibt der NPD-Funktionär Per Lennart Aae: „Die raumorientierte Wirtschaftsordnung kann aber grundsätzlich nur existieren, wenn sie kultur- und werteorientiert, d.h. völkisch und national ist.“ NPD und Neonazis treten daher nicht für einen fairen Welthandel oder weltweite soziale Rechte der Beschäftigten ein, sondern fordern eine Abschottung der Bundesrepublik.“ (11) – Sicher, die NPD will Schutzzölle und Wirtschaftsförderung für die deutsche Wirtschaft, zudem den ethnisch geschlossenen Staat mit einer politischen Richtlinienkompetenz über die Wirtschaft. Die NPD, das sollte man aber zugestehen, fordert hier nicht Autarkie (d.h. ein Produzieren und Verkaufen nur auf dem Markt innerhalb der Landesgrenzen). Gefordert sind Schutzzölle für den Binnenmarkt, während der Export aus Deutschland heraus nicht behindert würde. Diese Konzeption verletzt das von der DGB-Führung hochgehaltene Prinzip des Freihandels, d.h. jenen Grundsatz, dass das Wirtschaftsleben der Völker, ihre Industrie und besonders ihr Handel innerhalb und außerhalb der Staatsgrenzen frei von staatlichen Einwirkungen sich selbst überlassen bleiben sollte. Die DGB-Auffassung rechtfertigt – meiner Ansicht nach – nicht den demagogischen Vorwurf, die NPD propagiere und betreibe „Abschottung“. Man sollte seinen politischen Gegner nicht dümmer darstellen, als er ist. Auch die NPD weiß, dass Deutschland vom Export abhängt und dass Geschäfte international abgewickelt werden. – Im übrigen täte die Linke (auch in den Gewerkschaften) gut daran, sich über ihre eigene wirtschaftspolitische Strategie klar zu werden, für Deutschland und in Europa. Viele fordern ein soziales Europa, um zugleich festzustellen, dass es dieses im Rahmen der kapitalistischen EU (derzeit und auf längere Sicht) nicht gibt. Was also fordern und erstreben wir heute (also nicht erst im Sozialismus)? Wie haben wir uns von der NPD in wirtschaftspolitischen Fragen abzugrenzen?

Frage: Die NPD und die ’Freien Nationalisten’ betreiben Sozialpolitik. Für wen? Antwort: Vor Jahren erschien eine Broschüre aus dem Autonomen-Lager mit dem Titel: „Alles Lüge. Faschisten machen auf Sozial“. (12) Liest man die Schrift, so wird deutlich, dass die Verfasser – entgegen dem Titel – sehr wohl von einer Sozialpolitik der Neonazis (NPD) ausgehen. Sie heben darauf ab, dass „die sozialstaatlichen Vergünstigungen…ausschließlich ‚national gesinnten, weißen deutschstämmigen Männern’ zugute kommen (soll) – Migrantinnen, Juden und Jüdinnen, Linke und Homosexuelle (hätten) im Bild der nationalen Volksgemeinschaft keinen Platz.“ Eine durchaus zutreffende Einschätzung.

– Die lesenswerte Broschüre des DGB „Trittbrettfahrer der Sozialen Frage“ kann es ebenfalls nicht lassen, die NPD mit Vereinfachungen und Unterstellungen anzugehen.

So heißt es beispielsweise: „Eine praktische Politik zur Lösung sozialer Missstände ist von der Partei … nicht zu erwarten.“ (13) Begründet wird das nicht. – Tatsächlich hat sich die NPD aber auf dem sozialpolitischen Gebiet gemausert. Sie verfügt über ein eigenes Aktionsprogramm und weitere Papiere. Sie meint es mit ihrer Politik bitter ernst.

Natürlich betreibt die NPD Sozialpolitik mit ‚Hintergedanken’. So erklärte der sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel: „Die Nationalisierung der sozialen Frage“… werde dem Nationalismus so viel Zulauf bescheren „dass die morschen Knochen der Volks- und Vaterlandsabwickler noch gehörig zittern werden.“ (14) Hier trifft die DGB-Kritik zu: „So bürgernah sie sich auch geben, die Kritik am System und seinen sozialen Verhältnissen dient ihnen zur Verbreitung völkischer und rassistischer Ideologien.“ (15) Festzuhalten bleibt aber: Die Sozialpolitik der NPD transportiert neben der ideologischen Fracht auch Praktisches. Das macht ja für einige die ‚Attraktivität’ aus. So hat die NPD – um nur ein Beispiel zu nennen – die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale gefordert, als die „Systemparteien“ noch dagegen waren. (16) Mit ideologischem Geschwätz alleine könnten Massen nicht geführt werden. Das sollte man – auch in der Gewerkschaft – begreifen.

Neonazis und NPD, so die DGB-Broschüre „ erzeugen durch scharfe Kritik zwar den Eindruck, hier sei eine besonders radikale Opposition am Werke, wenn es um Lösungsvorschläge geht, ist eine ernsthafte Befassung mit der sozialen Frage von ihnen nicht zu erwarten. Die Benutzung von Begriffen wie „Volksgemeinschaft“ oder „Nationaler Sozialismus“ zeigen, dass sie das Thema nur als Transportriemen für alte nationalsozialistische Ideologie nutzen. Das haben sie zuvor schon mit dem Antikommunismus, dem Umweltschutz oder anderen aktuellen Themen versucht.“ (17) Falsch: Der sozialpolitische Forderungskatalog der NPD ist keineswegs, wie hier unterstellt immer auf nationalsozialistische Ziele ausgerichtet.

Hier ein Beispiel: Im Flyer ‚Eckkneipen schützen!’ der NPD Fraktion Mecklenburg-Vorpommern heißt es: „ Die NPD-Landtagsfraktion hat im Februar 2008 einen Gesetzentwurf eingebracht, der das Rauchen in Eckkneipen wieder erlauben soll. Damit würde die Kneipenkultur gestärkt werden. Wer seine Kneipe zu Nichtraucherzone erklären will, der kann das tun. Die NPD meint: Der Staat muß sich nicht in alles einmischen.“. (18) Ist das nationalsozialistische Politik? Nein. Im Zentrum des nationalsozialistischen Denkens steht bekanntlich die gesunde germanische Rasse. Rauchen fördert aber nicht die Gesundheit, sondern unterminiert sie. Dies gilt sowohl für das Aktiv-Rauchen wie für das Passiv-Rauchen. NS-Wissenschaftler wiesen schon früh auf die karzinogene Wirkung des Rauchens hin, ja sie bewiesen es. Nazi-Deutschland führte die umfassendste Nichtraucherkampagne der Welt durch. (K.N. Procter) Es gab Werbe- und Rauchverbote in zahlreichen öffentlichen Räumen. 1941 verurteilte Adolf Hitler höchstpersönlich den Tabak als „eins der gefährlichsten Gifte der Menschheit“. Er versprach, die Tabakverpflegung der Armee zu streichen, sobald der Sieg errungen sei. (19) Das zielte, wie so vieles, auf die Gesundung des rassisch reinen und erbgesunden arischen Volkskörpers. Wer meint, NS-Wissenschaft sei nur Auschwitz gewesen, irrt. – Also: Der NPD – Flyer „Eckkneipen schützen“ ist nicht NS-lastig. Er ist ignorant, gegenüber der Ideologie sowie gegenüber der Volksgesundheit. – Und der lächerliche Satz „Der Staat muß sich nicht in alles einmischen.“, dürfte dann eher einem Flugblatt der FDP entlehnt sein als aus dem Studium von Hitlers „Mein Kampf“ zu resultieren. – Im genannten Flyer hat das gewerbliche Kleinbürgertum den Stift geführt, nicht ein NS – Ideologe.

Not tut eine sorgfältige Analyse dessen, was im NPD (Aktions-)Programm usw. steht und was nicht. Hier einige Beispiele nebst Kritik:

„Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“, heißt es bei der NPD. (20) Der Begriff ‚nationale Volksgemeinschaft’ ist interpretierbar. Er lässt sich mit einem sozialen Versprechen für Deutsche aufladen: „Gemeinschaft statt Ellenbogengesellschaft“ …. “Soziale Gerechtigkeit“ heißt es dann vollmundig im NPD-Aktionsprogramm. Die nationale (deutsche) Volksgemeinschaft ist dann aber auch ein Ausschlusskonzept: „Ausländer sind aus dem deutschen Sozialversicherungssystem auszugliedern.“ … „ Fremdarbeiter stoppen. Arbeit für Deutsche.“ …. „Rückführung der Ausländer“ heißt es bezeichnenderweise bei der NPD. – Als Gesellschaftskonzept ist die ‚nationale Volksgemeinschaft’ mehrdeutig: Freie Nationalisten werden sie im Sinne einer NS – Ordnung, Nationalkonservative eher im Sinne eines national verfassten Sozialstaates für Deutsche interpretieren und propagieren. Diese Vieldeutigkeit des NPD – Theorems macht die Sache anschlussfähig für diverse rechte Strömungen. Sie ringen dann um die Deutungshoheit in der Partei, ein Vorgang, der sich auch bei anderen Begriffen beobachten lässt.

Bekanntlich versucht die NPD mit ihrer Kritik an ‚Multikulti’ in Deutschland bei der Bevölkerung zu punkten – augenfällig mit gewissen Wahlerfolgen. Die Kritik liest sich im ,Aktionsprogramm’ der Partei u.a. so: „Durch gemeinsame Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur entsteht eine Gemeinschaft, mit der sich der Mensch identifizieren kann und deren Bestandteil er ist. Durch das Eindringen zu vieler Fremder wird diese Gemeinschaft zerstört. Der multikulturelle Wahnsinn, der vom herrschenden Parteienkartell betrieben wird, ist somit als gezielter Angriff auf die Volksgemeinschaft zu bewerten. Seine zersetzende und entmenschlichende Wirkung richtet sich ebenso gegen die einheimischen Deutschen wie gegen die zugewanderten Ausländer. Beide sind Opfer dieser Politik, von der ausnahmslos die antisozialen Kapitaleigner und die von ihnen bezahlten Helfer profitieren.“

Was am ‚Stammtisch’ der NPD Beifall eintragen kann, kommt bei der Bourgeoisie gar nicht gut an. Warum? Die Kapitalistenklasse selber hat die Gastarbeiter, Deutsch-Russen usw. ins Land geholt. Meiner Meinung nach ging es dem Kapital nach dem Krieg darum, seinen Hunger nach Ausbeutungsobjekten zu stillen. Zudem wollte es eine industrielle Reservearmee an Arbeitskräften aufbauen, um das Lohnniveau in Deutschland niedrig zu halten. So schaufelte man in Wellen zuerst Italiener, Spanier, Portugiesen ins Land. Als man die türkischen Arbeiter (vor allen die aus dem kulturell rückständigen Anatolien) nach Deutschland holte, nahmen die sozialen und kulturellen Spannungen richtig zu. Es konkurrierten Deutsche, vor allem aus den Unterschichten mit Ausländern um die Arbeitsplätze und den Sozialtransfer. Ein von der Bourgeoisie gewollter Effekt, der ein entsprechendes Echo in der Gesellschaft auslöste. Das Asylproblem tat ein Übriges. Eine Reaktion darauf war die Ausbreitung von Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung einerseits und im Anschluss der ‚Aufschrei der Anständigen’ gegen den ‚Fremdenhass’. – Die bürgerlichen Parteien waren die politischen Organisatoren dieser ungebremsten Zuwanderung. Sie schlossen lange die Augen vor den sozialen Verwerfungen und Begleiterscheinungen der Maßnahme, ja, sie nahmen sie zeitweise billigend in Kauf, bis die Wirklichkeit sie zu ersten, aber unvollkommenen Änderungen (z.B. im Asylrecht) zwang. Lösen konnten man die Probleme nicht, zumal die ‚Systemparteien’ einen Zuwanderungsstopp (zum Schaden des Kapitals) nicht erwägen wollten. Selbst die zyklischen Wirtschaftskrisen in Deutschland mit ihrer strukturellen Arbeitslosigkeit bewirkten da kein Umdenken.

Die NPD hat ihre Chance erkannt. Sie projiziert(e) fast alle Gebrechen der bundesrepublikanischen Gesellschaft auf die Anwesenheit von Ausländern, Asylanten, Migranten usw. Diese werden zu Sündenböcken der Neuzeit gemacht.

Als politische Antwort auf die Lage propagiert die NPD eine bunte Palette an Maßnahmen zur ‚Ausländerheimführung’ und Grenzabschottung im Namen der deutschen Arbeit.

Eines fällt in der ‚Analyse’ des Zuwanderungsproblems bei der NPD auf: Man spricht zwar von antisozialen Nutznießern des Arbeitskräfte-Transfers bei den Kapitaleignern, nicht aber von der Kapitalistenklasse als der treibenden Kraft im Akt der Ansiedelung. Schuld sei vor allem das ‚herrschende Parteienkartell’, das von einer liberalistischen Ideologie beseelt sei. Als ob hier keine Auftraggeber zu benennen wären. Diese scheinbare Unschärfe der Analyse findet sich auch in anderen Fragen. So weicht die NPD der unangenehmen Frage aus, warum das von ihr so hofierte deutsche Kapital ständig nach einer Erweiterung der EU mit ihren offenen Grenzen giert. Eine merkwürdige ‚analytische’ Rücksichtnahme bei einer Partei, die vorgibt antikapitalistisch zu sein.

Bei der NPD gilt die Losung: Die Ausländer sind unser Unglück. Daraus folgt die feinsinnige Unterscheidung von genehm und unerwünscht in Deutschland, von Gastrecht und Abschiebekandidaten bei uns. So heißt es im NPD-Aktionsprogramm: „Ausländische Gäste, Touristen, Studenten, Auszubildende u.a. sind uns selbstverständlich willkommen, doch Ausländer ohne Arbeitserlaubnis oder Sonderaufenthaltsgenehmigung haben Deutschland nach längstens dreimonatigem Aufenthalt unverzüglich zu verlassen.“

Da die NPD Arbeit in Deutschland zuerst für Deutsche vorsieht, schafft das einen Hebel ‚Ausländer’ zügig ‚heimzuschicken’ und das Land ethnisch zu säubern. Denn: Wer Deutscher ist, definiert sich bei ihr nicht über den Pass, sondern ausschließlich über die ‚Blutszugehörigkeit’ zum deutschen Volk. Das wird zwar nicht deutlich gesagt, ist aber so. Ein Franzhose, ein Schwarzer, Türke oder ein farbiger Asylant kann so kein Deutscher sein oder werden. Wie also soll der Arbeit und Aufenthalt bekommen oder behalten?

Der NPD geht es nicht um die Integration oder Assimilation der bei uns lebenden Ausländer/Gastarbeiter, sondern schlicht um deren Abschiebung in die ‚angestammte Heimat’. Auch geht es ihr nicht um eine gesteuerte/sozialverträgliche Zuwanderung. Vordergründig handelt es sich hier um deutsche Arbeitsplätze für Deutsche.

Der NPD geht es letztlich um die ethnisch geschlossene homogene Volksgemeinschaft bzw. um einen deutschen (völkischen) Staat mit einem reinen Volkskörper. Sie macht daraus im ‚Aktionsprogramm’ keinen Hehl. – Was dabei herauskommt, wäre, um es vorwegzunehmen, keineswegs ein deutscher Sozialstaat für deutsche Werktätige. Das mögen naive Naturen erhoffen und in die NPD hineininterpretieren. Herauskommen wird ein nach sozialdarwinistischen Grundsätzen gegliedertes Gemeinwesen, welches die Werktätigen – gleich welcher Herkunft – nach genehm oder unerwünscht sortiert und spaltet.

Die NPD lehnt den Klassenkampf ab. Das macht sie aber nicht blind für Interessenskonflikte von Kapital und Arbeit. Allerdings sucht sie nach einem ‚gerechten’ Ausgleich zwischen Arbeiterschaft und deutscher Wirtschaft. Die NPD bietet dabei den (völkischen) Nationalstaat als Schutzmacht und Schiedsrichter des kleinen Mannes an. Er habe Garant der sozialen Gerechtigkeit zu sein. So heißt es beispielsweise: „ Ein Stopp der Lohndrückerei und ein gerechter Mindestlohn können durchgesetzt werden – wenn es einen handlungsfähigen ordnungspolitischen Rahmen gibt: den Nationalstaat. Nur dieser kann unsere Wirtschaft nach außen schützen und nach innen für Gerechtigkeit sorgen.“ (21)

Die NPD fordert heute (vom bürgerlichen Staat) einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,80 Euro. Das ist mehr als beim DGB (7,50), aber weniger als bei der Linkspartei (10,-). Allerdings ist der Mindestlohn bei der NPD auch gleich gekoppelt an Sätze wie: „Eine Volkswirtschaft braucht einen nationalen Ordnungsrahmen mit staatlicher Gestaltungsmacht, eine Wirtschaftsordnung, die das ganze Volk in den Wirtschaftsprozeß einbezieht. … Arbeit darf nicht arm machen. Deshalb muß es einen gesetzlichen Mindestlohn von stündlich 8,80 Euro geben; ein Mindestlohn, der die Würde des Einzelnen sichert. Wenn in Deutschland die Wirtschaft im Gleichgewicht ist, dann können Mindestlöhne auch gezahlt werden. Denn Mindestlöhne setzen Mindestgewinne der Unternehmen und eine Schutzpolitik vor ausländischer Billigkonkurrenz voraus.“ (22)

Hier haben wir auch das kleinbürgerliche Denken des Einerseits – Andererseits, das so viele sozialpolitische Forderungen der NPD kennzeichnet: Lohnarbeiter und deutsche Wirtschaft sollen sich im ‚Gemeinwohl’ treffen. Der Profitwolf soll das Schaf lieben, der Ausgebeutete sich dem guten, weil schaffenden (deutschen) Kapital willig hingeben. Der völkische Staat würde dabei als Schiedsrichter und Treuhänder ‚der Arbeit’ fungieren. Das ist ein Konzept, das die Klassengegensätze vertuscht und die Arbeiterklasse nebst den Werktätigen entwaffnet.

Die NPD fordert „Gleiche Löhne für gleiche Arbeit“ Für wen? „ Die Ungerechtigkeit der Zahlung unterschiedlicher Löhne in West- und Mitteldeutschland muß beendet werden!“ (23), dito bei Festangestellten und Zeitarbeitern. (24) Hier kommt man einer Forderung seiner ostdeutschen Basis nach. – Was nicht gefordert wird, ist der gleiche Lohn (bei gleicher Arbeit) zwischen Männern und Frauen, sowie zwischen deutschen und ausländischen Arbeitern. Kein Wunder, bei einer Partei, die die Frau lieber am Herd und als Mutter sieht, und die den Gastarbeiter der „Ausländerheimführung“ zuführen möchte. Die NPD betreibt hier wie anderswo eine Politik der Klassenspaltung und Entsolidarisierung.

Keine Aussage findet sich im Programm zur Arbeitszeit. Weder dazu, was ein Normalarbeitstag zu sein hat, noch was mögliche Arbeitszeitverkürzungen betrifft. Das wird den Kleingewerbetreibenden, der selber Lohnarbeit ausbeutet, freuen und auf ihn zielen.

Sozialpolitik, heißt es im NPD – Programm von 1996, habe „den einzelnen in allen Wechselfällen des menschlichen Lebens vor unverschuldeter Not zu bewahren“. (25) Wirklich? Gilt das für alle deutschen ‚Volksgenossen’? Im Landtag sagte der Vorsitzende der NPD – Fraktion von Mecklenburg – Vorpommern, Udo Pastörs: „Sie sprechen von der Unterstützung benachteiligter Menschen“, doch “unser Augenmerk hat dem Gesunden und Starken zu gelten“. (26) Der Sozialdarwinismus grüßt. Ähnliche Aussagen finden sich auch bei anderen Parteiaktivisten. Und, wie heißt es im NPD-Programm von 1996? „Eine Sozialpolitik nach dem Traumbild des totalen Wohlfahrtsstaates, dessen Belastungen für alle Schaffenden zum Albtraum werden, verfehlt ihre Aufgabe und ist unsozial.“ (27) Fragt sich nur für wen.

Man kann darüber streiten, ob die NPD ihre sozialpolitischen Forderungen, die ich beispielhaft zitiert habe, jeweils aus dem ideologischen Arsenal des NS-Staates, oder aus der Gedankenwelt des heutigen (mittelständigen) Kleinbürgers oder aus sonst was entnommen hat. Der reale Forderungskatalog ist sowohl für die Freien Nationalisten wie für den kleinen Gewerbetreibenden oder den Kleinbürger anderer Couleur anschlussfähig. Der Katalog wird tatsächlich von unterschiedlichen Gruppen in der Partei bemüht. Interpretationsunterschiede bei den Aktivisten machen die Kritik dann nicht einfacher.

Die NPD will Politik ‚fürs Volk’ machen. Das Volk aber zerfällt in Schichten und Klassen mit entgegengesetzten Interessen, eine Tatsache, die die NPD verleugnet. Anders die marxistische Sozialpolitik. Sie geht bewusst vom Gegensatz Kapital und Arbeit aus. Denn zwischen Ausbeuter und dem Ausgebeuteten kann es keinen Frieden, keinen Ausgleich, keine ‚Gerechtigkeit’ geben, höchstens einen zeitweiligen ‚Waffenstillstand’. Die Aufgabe für Marxisten heute besteht nun darin, zeitgemäße, doch konsequente Arbeiterschutzforderungen zu formulieren, für die Klasse und alle Werktätigen – um der Raubgier des Kapitals Schranken zu setzen. Es geht um sozialpolitische und demokratische Forderungen für den praktischen Kampf in der Gegenwart, Forderungen an den bürgerlich-kapitalistischen Staat und die Kapitalistenklasse, um den Arbeitern (der Arbeiterklasse) den Klassenkampf zu erleichtern und sie vor körperlichem und sittlichem Verfall zu schützen.

Frage: Die NPD gibt sich (manchmal) als Friedensapostel. Demagogie oder Tatsache? Antwort: Die NPD hat sich wiederholt gegen den US-Imperialismus gewandt (gegen den Irakkrieg, Afghanistan, die Nato usw.); sie hat die Sache der Palästinenser gegen Israel verteidigt. Das aber folgt aus ihrer Deutsch-nationalen Gesinnung, ihrem Völkischen Denken bzw. in Sachen Israel aus ihrem latenten Antisemitismus.

Dieses Verhalten hat mit Antimilitarismus und proletarischem Antiimperialismus geschweige denn mit linker Politik nichts zu tun. Großdeutschland, so ihre Logik, muss sich gegen die amerikanische Hegemonie behaupten, die Völker gegen die Kettenhunde des US-Imperialismus. Das ist völkische Politik, kleinbürgerlicher Antiimperialismus.

Die rechtsradikale Stoßrichtung der NPD tritt auch in einer anderen Frage zutage. Die NPD bzw. die Freien Kameradschaften akzeptieren die Ergebnisse des 2. Weltkrieges nicht, ebenso wenig die neuen Grenzverläufe. Sie fordern unverdrossen „die Revision der nach dem Krieg abgeschlossenen Grenzanerkennungsverträge“ (28), (dahinter steht ein Deutsches Reich in den Grenzen von 1937, d. V.). Das bedeutet z.B. gegenüber Polen eine gravierende Grenzrevision, die ohne Konflikt (Krieg) nicht zu haben ist.

Die NPD gibt sich international friedfertig und sozial. Man sollte genauer hinsehen.

Das gesellschaftspolitische Pogramm der NPD ist durch und durch reaktionär, allem Revolutionstheater zum Trotz. An dieser Feststellung ändert auch die Feststellung nichts, dass die NPD manch richtige Einzel – Forderung vertritt, so die nach dem gesetzlichen Mindestlohn oder die nach dem Austritt Deutschlands aus der Nato. Die gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen der NPD, die nach einer geschlossenen deutschen Volksgemeinschaft oder die nach der Verwirklichung ihres sozialdarwinistischen Menschenbildes offenbaren aber den reaktionären Charakter der Partei. – Man darf bei dieser Feststellung jedoch nicht stehen bleiben. Die marxistische Linke täte gut daran, sich ein eigenständiges politisches und soziales Profil zu geben, das als Grundlage für unsere eigene Propaganda und Politik dienen kann. Es reicht nicht, die Partei ‚Die Linke’ zu kritisieren, man muss sich auch gegen Rechts abgrenzen (wobei ich nicht nur an die NPD denke, sondern auch an die Freien Kameradschaften). Rechts und Links sind wie Feuer und Wasser. Da gibt es keine Brücke. Das kann man aber nur mit einem eigenen Profil (Programm) herausarbeiten. Das Fehlen einer Massenbasis, die mangelnde Reife für die gesellschaftliche Umwälzung ist kein Grund auf die Propagierung des wissenschaftlichen Sozialismus (Marxismus) zu verzichten oder die politische Programmfrage einer marxistischen Linken zu vernachlässigen.

Die NPD verbieten?

Die CDU – Größen sind derzeit gegen ein NPD – Verbot. Ihre öffentliche Argumentation geht etwa so:

Unzweifelhaft sei die NPD eine verfassungsfeindliche Partei. Es sei ärgerlich, dass sie eine Klientel finde, ja, dass sie an der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung, den Abgeordnetendiäten und Fraktionszuschüssen usw. partizipieren könne. Behinderungen seien da wohl nötig, aber schwer zu machen, wegen der Gleichbehandlung der Parteien. Ein Partei – Verbot der NPD bedinge aber den Abzug der Agenten und Informanten des staatlichen Verfassungsschutzes aus der Organisation. Dann entfalle der Informationsfluss und die partielle Kontrolle über die Partei und den Anhang. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Kader der Partei nach einem Verbot einfach weiterziehen und neue Verbindungen eingehen. Möglicherweise könnten terroristische Strukturen entstehen. Ein Verbot könne sich als Schlag ins Leere erweisen. Die NPD sei politisch zu bekämpfen. Zudem hätten Familien, Vereine, Religionsgemeinschaften, Kindergärten und Schulen gemeinsam die Aufgabe Gewalt und Extremismus zu reduzieren.

Was ist von dieser Argumentation zu halten?

– Natürlich ist die NPD eine verfassungsfeindliche Partei. Sie ist ultranationalistisch, rassistisch, latent antisemitisch, revisionistisch usw. Das Grundgesetz mit seinen Werten und Normen aber ist historisch betrachtet Bürgerlicher Antifaschismus (sowie Grundriss der zukünftigen bürgerlich-kapitalistischen Ordnung in Westdeutschland nach 1949). Grundgesetz und NPD sind durchaus Gegensätze. Auch die moderne Bourgeoisie hat ihre geschichtliche Lektion über den historischen Nationalsozialismus gelernt.

– Natürlich können die Kader der NPD bei einem Parteiverbot in andere Organisationen überwechseln, z.B. zur ebenfalls rechtsradikalen DVU, die sich ja als grundgesetztreue, aber rechtsradikale Alternative zur NPD beschreibt und anbietet. Zudem steht diesen Kadern das ‚informelle’ Netzwerk der ‚basisdemokratisch’ organisierten, relativ autonom existierenden Freien Kameradschaften offen. Informell ist hier eh ein relativer Begriff. Die Neonazi-Gruppen agieren über das Internet, die Flüsterpropaganda und durch persönliche Beziehungen usw. Einflussreiche Kader der Freien Nationalisten waren schon früher in heute verbotenen Neonazi – Parteien aktiv, wie der NF (Nationalistische Front) oder der FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) (29). Es wäre naiv anzunehmen, dass die alten Sympathien und Verbindungswege da erloschen wären. Das Konzept der Freien Kameradschaften stammt ja aus ihrer Mitte, um einem Verbot und der Ausschaltung zu entgehen.

– Natürlich kann das NPD – Verbot die Illegalität von Neonazis begünstigen, ja einzelne Gruppen oder Personen könnten zu ‚Feierabend-Terroristen’ mutieren. Die Gefahr einer ‚Braunen RAF’ ist nicht auszuschließen.

– Die NPD ist derzeit ein Gravitationszentrum für die radikale Rechte. Da liegt der staatliche Gedanke doch nahe, sie durch geheimdienstliche Überwachung sowie durch politische und administrative Behinderung, aber auch durch Infiltrierung (z.B. des Verfassungsschutzes) und inszenierte Grabenkämpfe an die lange Leine zu legen. Verbieten, so das CDU-Kalkül, kann man sie dann immer noch. Allerdings wirken die Weigerung der CDU, die Informanten des Verfassungsschutzes abzuschalten oder aus der NPD abzuziehen (die Vorraussetzung für ein rechtsstaatliches Verbot der Partei) wie eine öffentliche Bestandsgarantie für die Existenz der Partei, zumindest nach außen. Doch der Schein trügt. Erhalt oder Abstrafung der NPD ist für den bürgerlichen Staat eine taktische Frage. Man sollte das als eine Form rationaler bürgerlicher Politik begreifen. – Ja, ich könnte noch einen Schritt weitergehen, und im Sinne der ‚Systemparteien’ zynisch anmerken: Die NPD bindet rechtsradikale Kräfte, die Szene, die anderswo noch mehr Schaden anrichten könnte. Und die Existenz der NPD wirkt auf die Linke wie eine Art kalkulierte Beschäftigungstherapie, um sie von ihren eigenen Aufgaben abzulenken. – Doch das sind natürlich nur Mutmaßungen, ohne Realitätsgehalt. Oder?

Ganz absurd ist die Argumentation der CDU also nicht.

In der Optik vieler Linker erscheint die Argumentation der CDU jedoch vorgeschoben. Sie unterstellen:

a) Es ginge der CDU bzw. der Kapitalistenklasse darum, der NPD Blumen auf den Weg zu streuen (30);

oder

b) sie als eine politische Reserve und Schlägertruppe der Bourgeoisie für schlechte Zeiten vorzuhalten.

Ich halte solche Argumentationsstränge für abstrus. Dahinter steht die altbekannte Auffassung, der Faschismus (Nationalsozialismus) sei schon immer ein Instrument der deutschen Bourgeoisie gewesen. Er sei eine Form der bürgerlichen Herrschaft, zu der man im Notfall greife – ein Knüppel gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung.

Falsch gedacht: Die heutige Bourgeoisie ist nicht der Pate der NPD. Warum sollte sie eine Politik fördern, die ihren internationalen Geschäften zuwiderläuft? Warum sollte sie Deutschland – entgegen den Lehren der Geschichte – in die internationale Isolation führen? Warum sollte sie eine rechtsradikale Partei gegen eine nicht existierende rev. Arbeiterbewegung vorhalten? Das wäre eine glatte politische und finanzielle Fehlinvestition. Sicher gibt es sozialen Protest im Volk und Frustration über die Ereignisse in Deutschland. Teile der Unterschichten klammern sich an die ‚Nation’, weil man von ihr Schutz vor der ‚Globalisierung’ erhofft, zum Ärger der Bourgeoisie. Das aber darf nicht mit einer antikapitalistischen Sehnsucht der Massen verwechselt werden. Auch fehlen die antibürgerlichen Tendenzen im Volk. Kurz: Die Bourgeoisie sitzt nach wie vor fest im Sattel. Weder die Erschütterung der Finanzmärkte und die derzeitige Absatzkrise noch soziale Spannungen haben sie aus der Bahn geworfen. Die Bourgeoisie hat das bürgerliche Parteiensystem und den Staatsapparat um das Volk einzuseifen und in die Schranken zu verweisen. Sie hat ihre bürgerliche ‚Antikrisenpolitik’ um die Turbulenzen abzufedern und zu verschleiern. Das reicht auf absehbare Zeit. Wählerwanderungen nach links und rechts, bzw. Wahlverweigerung sind da zwar lästig und ein Alarmzeichen, aber noch hinnehmbar. Nein, eine Chaostruppe wie die NPD hat die Bourgeoisie nicht nötig.

Unter der Überschrift: „Wozu Nazis da sind“, unterbreitet Gremliza von der Zeitschrift ‚Konkret’ nun eine zwar originelle, aber absurde Theorie. Er schreibt: „Nicht zu den Gründen, aus denen die nationalsozialistische NPD unverboten und aus der Staatskasse alimentiert bleibt, zählt wahrscheinlich, dass die deutsche Bourgeoisie sich noch einmal die Option einer erneuten Machtübergabe an die Nazis offen halten will – bei all ihrer Sympathie für Leute, die, auch wenn sie da und dort ein bißchen zu weit gehen, doch das Herz auf dem ganz rechten Fleck haben. Wenn sie auch nicht prügeln sollten – prügeln sie denn den Falschen? Was frivole Reminiszenzen an die Ermächtigung von 1933 heute und auf absehbare Zeit verbietet, ist eine Weltmeisterschaft, und zwar die in Export. Deren Verlust werden die Herren des Landes (Daimler, VW, Siemens) sich nicht leisten. Warum also wird die nationalsozialistische NPD dennoch von der Staatsmacht erhalten und protegiert? Nicht weil sie irgendwann einmal nützlich wäre, sondern weil sie es heute und morgen ist. Am Dreck ihrer Gefühlswelt, an der Mordlust in ihren Fressen, an der Gemeinheit ihrer Parolen soll der brave Staatsbürger lernen, was „Extremismus“ bedeutet.“ (31) Die Neonazis als ‚pädagogischer’ Knüppel des Staates, um seine Bürger trotz Krisenbewusstsein bei der bürgerlichen Stange zu halten? Abgedrehter geht’s nicht.

Wenn man schon von einem Zusammenhang von bürgerlicher Gesellschaft und NPD sprechen will, dann von folgendem: Der Rechtsradikalismus der NPD/der Freien Nationalisten gedeiht auf dem Mistbeet der heutigen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft in Deutschland. Diese Strömung ist ein (möglicher) personifizierter Reflex auf die Existenz und die Krise dieses nationalen Kapitalismus – durch eine Bande radikalisierter, kleinbürgerlich denkender Menschen, die einen ‚Dritten Weg’ zwischen Kapitalismus und proletarischem Sozialismus gehen wollen.(32) Wie diese Truppe (und ihre Wählerschaft) sozial zusammengesetzt ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Mag dazu publizieren, wer bessere Infos dafür hat. Jedenfalls die Bourgeoisie zum Paten dieser Strömung zu erklären, verwechselt Ursache und Wirkung der Gegebenheiten.

Der bürgerliche Staat, d.h. die Regierungsmaschine lässt die NPD keineswegs frei walten. Sie versucht ihre Bewegungsfreiheit und ihren Einfluss einzuschränken. Sein Repertoire ist dabei vielfältig: Verfolgung von Straftaten, restriktive Anwendung des Demonstrationsrechts, verschärfte Finanzkontrollen, Telefon-, Post- und Briefüberwachung, Berufsverbote, Hotel- und Kontokündigungen usw.

Tatsächlich wird hier (vielfach) die formale Demokratie gebeugt oder behindert. – Im Falle der BKA-Dateien für „Gewalttäter rechts“ – „Gewalttäter links“ wird erst gar keine Rechtsverordnung erlassen.(33)

Zumeist schweigt die Linke zum Maßnahmenkatalog. Es scheint ja nicht sie, sondern den richtigen zu treffen: den politischen Gegner. Wirklich? Eigentlich müsste man wissen, dass auch ihr – früher oder später – das gleiche ‚Schicksal’ droht. Vor allem Altgenossen, die schon einmal unter das KPD – Verbot gefallen sind, haben da ein erstaunlich kurzes Gedächtnis. Die Bourgeoisie, das zeigt die Geschichte, wird jede Opposition ausschalten wollen, die ihr im Wege steht. Sie verteidigt mit dem obigem Maßnahmekatalog auch nicht abstrakt ‚die Demokratie’ in Deutschland, sondern ihre Ordnung, die bürgerlich – kapitalistische. Insofern könnte der Stein, den man heute aufhebt, schon bald der Linken auf die Füße fallen. Es ist politisch unklug, der Kapitalistenklasse gedanklich in die Hände zu arbeiten.

Noch einmal, was tun?

Die NPD gehört nicht verboten, sondern widerlegt, heißt es beim eingangs zitierten Liberalen T.Staud. Das ist zu kurz gesprungen. Natürlich muss man die NPD vertreiben, sie aus den Köpfen entfernen. Dazu gehören die Aufklärung, die Ideologiekritik und die Bekämpfung ihres Terrors. Doch bleibt die Frage: Warum kommen die Parolen der NPD bei einigen an? Dummheit, Vorurteile oder Unmündigkeit kann das Verhalten einzelner erklären, nicht aber das Verhalten von Wählermassen. Hier kommen eben soziale Interessen und Bedürfnisse von Menschen und Schichten ins Spiel.

Meine These ist, dass die NPD in ihrer Propaganda durchaus gesellschaftliche Erfahrungen und Bedürfnisse anspricht, sowie (Schein-)Lösungen anbietet, die in gewissen sozialen Schichten und Gruppen greifen können, zumal wenn Alternativen fehlen oder nicht sichtbar sind. Wenn also die NPD erklärt: „Sozial geht nur national “ spricht sie nicht nur von ihrem Konzept des völkischen Staates, von Sicherheit und Familie, sondern auch vom schwarz- roten Sozialabbau und den negativen Eingriffen der EU in das deutsche Sozialsystem. Wenn die NPD völkische Demokratie in Deutschland fordert, so spricht sie auch die Demokratie – ‚Defizite’ in Deutschland und in der EU an. Wenn die NPD fordert, die Jugend brauche eine Perspektive, so spricht sie auch über Kinderarmut, Jugendarbeitslosigkeit und über die fehlende aktive Jugendarbeit in Deutschland usw. Das sind reale Probleme. Die NPD suggeriert, dass sich die Kritik an den Verhältnissen in ihrem Konzept der ethnisch homogenen Volksgemeinschaft und des völkischen Staates aufheben lässt. Dieses sei die Lösung der sozialen Frage. – Es ist also die Verquickung von ‚radikaler’ Gesellschaftskritik, völkischer Politik, gezielter Provokation einerseits und die Organisation von Widerstand andererseits, die dem Rechtsradikalismus der NPD Aufmerksamkeit bescheren. So kann sie im Revier der (schlappen) Linken wildern und deren Fehler gnadenlos ausnutzen.

Die NPD bietet ‚Lösungen’ für Fragen und Probleme, die die offizielle Politik ignoriert, vernachlässigt oder verniedlicht. – Wer der NPD den Resonanzboden entziehen will, darf sich nicht auf Ideologiekritik und Aufklärung beschränken. Er muss vor allem die sozialen Probleme lösen, zumindest sie benennen und Wege zu ihrer Lösung ausweisen – für die Arbeiterklasse und alle Werktätigen. Letztlich müsste er ein politisches und soziales Programm für die Einheit der Klasse und die Interessen der Werktätigen gegen die Bourgeoisie unterbreiten. – Liberale wie Toralf Staud haben da ihr eigenes Problem. Sie stehen unverbrüchlich zum Kapitalismus und zur bürgerlichen Republik. Ihre Neigung soziale Fragen anzupacken ist nicht sehr ausgeprägt. Man sägt eben nicht gerne an dem Ast, auf dem man selber sitzt. – Und die Linke? Sie hätte allen Grund ein Programm des Proletariats für den Zusammenschluss der lohnabhängigen Klassen bzw. Schichten gegen die Bourgeoisie zu entwickeln. Offensichtlich stechen ihre bisherigen Konzepte aber nicht. Die gesellschaftliche Resonanz ist mäßig. Darüber sollten wir reden.

August 2009

Quellenangabe:

1 ) Toralf Staud: Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD. Köln: Kiepenheuer, 2005. S. 68

2 ) ebenda, S. 90

3 ) Andreas Speit: NPD steht vor der Zerreißprobe. in: taz, 9/10. April 2009, S.6

4 ) Andreas Speit: Rechts gegen radikal. in: taz, 28. April 2009, S.6

5 ) NPD. Die Nationalen. Parteiprogramm (1996), 13. Aufl. Febr. 2008 / auch unter npd.de einsehbar

6 ) Bildnachweis, siehe: Hermann Babelkopf: Widerstand ist zwecklos, sie werden assimiliert …!? Die gesellschaftliche Funktion der Nazis. Thesen für eine autonome Antifa-Debatte. Broschüre. Göttingen: o. J., S.49

7 ) zum wiss. Kapitalismusbegriff siehe u.a.: Georg Fülberth: G Strich. Kleine Geschichte des Kapitalismus. Köln: PapyRossa Verl., 3.verb. Aufl., 2006

8 ) NPD-Aktionsprogramm…für ein besseres Deutschland. (Langfassung). NPD-Parteivorstand. Berlin: Broschüre o.J. / auch unter npd.de einsehbar / Zitat: S.20

9 ) DGB-Broschüre/ Bundesvorstand: Trittbrettfahrer der sozialen Frage. Sozialdemagogie von NPD und Neonazis. Berlin: April 2007 . / hier S.15

10) NPD-Parteiprogramm, S. 9-10

11) DGB-Broschüre, S.15

12) Antifaschistische Linke Berlin: Alles Lüge. Faschisten machen auf sozial. Berlin: Broschüre o. J., / Zitat S.10

13) DGB-Broschüre, S.7

14) Jürgen Gansel, zitiert in: DGB-Broschüre, S.7

15) DGB-Broschüre, S.7

16) Ökosteuer ist Volksbetrug! NPD-Flyer. Berlin: o. J., S.2

17) DGB-Broschüre, S.7

18) Eckkneipen schützen! Flyer. NPD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin: o. J., S. 3

19) Näheres und Quellennachweis bei: Robert N. Proctor: Blitzkrieg gegen den Krebs. Gesundheit und Propaganda im Dritten Reich. Stuttgart: Klett-Cotta, 2002

20) Bildnachweis, siehe: ver.di Berlin-Brandenburg (AG ‚Rechtsextremismus’): Rechte Gespenster. Berlin: (2.Aufl.), o. J., S.21

21) Soziale Erneuerung. NPD-Flyer. Parteizentrale. Berlin: o. J., S.3

22) Arbeit für alle Deutschen. NPD-Flyer. Parteizentrale. Berlin: o. J., S.3

23) NPD-Aktionsprogramm, S.23

24) Stoppt Zeit- und Leiharbeit! NPD-Flyer. Parteizentrale. Berlin: o. J.

25) NPD-Parteiprogramm, S.10-11

26) Udo Pastörs, zitiert in: Andreas Speit: „Höchststrafe für das deutsche Parteiensystem“. in: A. Röpke . A. Speit (Hg.): Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft. Berlin: Ch. Links Verl. , 2008 , S. 27

27) NPD-Parteiprogramm, S.11

28) NPD-Parteiprogramm, S.13

29) Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation: Kampf der FAP! Broschüre. Dem organisierten Neofaschismus entgegentreten. Göttingen: (1.Aufl. 1993), Neuaufl. o. J. / Martin Thein: Wettlauf mit dem Zeitgeist – Der Neonazismus im Wandel. Eine Feldstudie. Göttingen: Cuvillier Verlag, 2009

30) Richard Gebhardt (Hg.): Rosen auf den Weg gestreut. Deutschland und seine Neonazis. Köln: PapyRossa Verl., 2007

31) Gremlizas Kolumne: Wozu Nazis da sind. in: Konkret, 7/2008, S.9

32) Zum klassischen Nationalsozialismus siehe u.a.: Heiner Karuscheit: Kampf für einen germanischen Massenstaat. Modernisierung, Reagrarisierung oder Herrschaft des Monopolkapitals. – Zur Auseinandersetzung um den Nationalsozialismus. in: Aufsätze zur Diskussion. Mai 1995 (17.Jg.) Nr.61, S.3-66

33) Christian Rath: Hooligan-Datei findet keine Fans. in: taz, 28. April 2009, S.7