Durch die Untersuchung der verschiedenen Kriegsschauplätze sieht der Autor die These bestätigt, daß Hitler seine bäuerlich-kleinbürgerliche Programmatik gegen die Konzeptionen der anderen Klassen durchsetzen konnte. Den ganzen Krieg über konnte Hitler die Leitlinien der deutschen Außenpolitik bestimmen. Weder die Europapläne von Teilen des Kapitals kamen zur Geltung, noch wurde der Kolonialkrieg in Afrika geführt. Nur durch die Kriegserklärung der Westmächte und vor allem wegen den Niederlagen der Italiener in Afrika und auf dem Balkan mußte Deutschland auch im Westen Krieg führen. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 konnten Hitler und die SS ihr eigentliches Programm umsetzen. Der Siedlungs- und Vernichtungskrieg für „neuen Lebensraum“ im Osten wurde zur unverrückbaren Leitlinie der deutschen Außenpolitik. Somit bekam der Weltkrieg einen klaren Klassencharakter. Deutschland führte ihn für die Rettung der Bauernschaft und des Kleinbürgertums vor der Moderne und für die Herstellung einer Volksgemeinschaft aller Klassen auf bäuerlicher Grundlage.
Daß es in Hitlers Programm einen Stufenplan gab, wie Ralf Giordano konstatiert, kann nicht nachgewiesen werden. Nach Giordano soll die erste Stufe die Herrschaft über Europa, die zweite Stufe die Errichtung eines „mittelafrikanischen Ergänzungsraums“ und die dritte Stufe der Kampf um die Weltherrschaft mit den USA gewesen sein. Bei der ersten Stufe der Herrschaft über Europa endete das nationalsozialistische Programm.
Frankreich und England führten einen klassischen imperialistischen Krieg. England lag es daran, das Empire zu retten, und Frankreich wollte die Reste von Versailles sowie das Kolonialreich in Afrika verteidigen. Erst mit der Polenfrage fanden beide Mächte zusammen. Die imperialistische Politik Großbritanniens zeigte sich im besonderen durch die Prioritätensetzung. Statt einen antifaschistischen Befreiungskrieg in Europa zu führen, schoben die Briten die Eröffnung der zweiten Front in Europa auf die lange Bank, da sie lieber ihre Kolonien in Afrika und den Seeweg über den Suezkanal nach Indien verteidigten. Der Krieg in Afrika zwischen dem Empire und Italien unterschied sich nicht von anderen Kolonialkriegen. Durch den Überfall auf die Sowjetunion und die Bildung der Anti-Hitler-Koalition bekam der Krieg in Europa einen antifaschistischen Charakter. Die ganze Last des Krieges in Europa mußte die Sowjetunion bis 1944 alleine tragen. Sie führte den Krieg, um Europa vom Faschismus zu befreien.
Die Anti-Hitler-Koalition führte im wesentlichen die deutsche Bedrohung zusammen. Die USA sahen durch das Machtvakuum die Chance, sich in Europa festzusetzen. Die alte Ordnung von Versailles bestand nicht mehr und eine neue hatte sich noch nicht durchgesetzt. Die europäischen Kolonialmächte, die nach dem 1. Weltkrieg gegen die USA die Nachkriegsordnung bestimmen konnten, gerieten durch die Unterstützung in völlige Abhängigkeit zu ihrem Bündnispartner.
Neben dem Charakter des Krieges gilt es die Ursachen für die deutsche Niederlage darzustellen. Die deutsche Kriegsniederlage hatte keine innenpolitischen Gründe. Bis zum Schluß verteidigte die große Mehrheit der Bevölkerung den Nationalsozialismus. Das nationalsozialistische Programm scheiterte in der Weltpolitik.
In seinem „Testament“ analysierte Hitler in einer selbstkritischen Bilanz aus seiner Sicht die Ursachen der Niederlage. Die Judenvernichtung und den Krieg gegen die Sowjetunion hielt er für die größten Errungenschaften. Fehler sah er vor allen Dingen in seiner Bündniskonzeption. „Zum Kompromiß mit England bereit, waren wir sogar gewillt mitzuhelfen, das britische Weltreich zu garantieren.“ [320] „Ich selbst aber habe eines unterschätzt: das Ausmaß des jüdischen Einflusses auf die Engländer Churchills. Lieber lassen sie das Empire in Schmach und Schande versinken, als dem nationalsozialistischen Todfeind das kleinste Zugeständnis zu machen.“ [321] Hitler hielt die Unterstützung der aus seiner Sicht vom Weltjudentum geführten USA für den wesentlichen Grund für das Durchhalten des Empire. Mit dem Einfluß des Judentums hatte Churchills harte Linie aber nichts zu tun. England hätte den Weltmachtstatus verloren, wenn es Deutschland Kontinentaleuropa und ganz Rußland überlassen hätte. Der Preis, den England für den Sieg über Deutschland zahlen mußte, war die Unterordnung unter die USA. Hitler hielt es zu lange nicht für möglich, daß sich die alte Kolonialmacht der aufsteigenden Freihandelsmacht unterwarf und so auch ihren Abstieg einleitete. Daß England und die USA sich nicht „programmgemäß“ verhielten, war aber ein wesentlicher Grund für die deutsche Niederlage.
Als zweite Ursache der Niederlage nannte Hitler das Bündnis mit Italien. „Das Bündnis mit Italien hat ganz offensichtlich mehr unseren Feinden geholfen als es uns genützt hat.“ [322] Bezüglich des italienischen Fiaskos in Afrika unterstricht Hitler noch einmal seine antikolonialistische Haltung. Er bedauerte, wegen des Bündnisses mit Italien nicht die antikoloniale Karte gespielt zu haben. „Die Völker Ägyptens, des Iraks und des ganzen Nahen Ostens waren bereit zum Aufstand. Wir hätten alles tun müssen, ihnen zu helfen, um ihren Mut zu stärken, wie es unser Vorteil und unsere Pflicht verlangten (…) Nur die Italiener haben uns daran gehindert, auf diesem Kriegsschauplatz eine unserer besten Karten auszuspielen: sie bestand darin, alle unter französischem Protektorat stehenden Völker für unabhängig zu erklären und einen Aufstand der von den Briten unterdrückten Gebiete herbeizuführen.“ [323] Diese Politik wäre nur möglich gewesen mit der Bereitschaft, die Ostpolitik für einen längeren Zeitraum aufzugeben und die Politik des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes weiter zu betreiben. Die Ostsiedlung war aber für Hitler in Wirklichkeit unverrückbar und unaufschiebbar. Auch der von Italien ausgelöste Balkankrieg schwächte Deutschland langfristig. „Hätten doch nur die Italiener ihre Pfoten aus diesem Krieg gelassen.“ „Gegen unseren Willen waren wir gezwungen, mit Waffengewalt in die Ereignisse auf dem Balkan einzugreifen, woraus sich die unheilvolle Verspätung des Aufmarsches gegen Rußland zwangsläufig ergab.“ [324]
In der Frage der Rolle der Sowjetunion belog sich Hitler selbst und tischte die Lüge von dem bevorstehenden russischen Angriff auf, wiederholte aber gleichzeitig die Siedlungsprogrammatik. In der Unterschätzung der Widerstandskraft der Sowjetunion und ihrer Völker lag der Hauptgrund für die nationalsozialistische Niederlage. Anstatt in einem „Sandkastenspiel“ die Sowjetunion niederzuwerfen, wendete sich das Blatt und die Rote Armee befreite große Teile Europas. Obwohl über zwei Drittel der deutschen Soldaten an der Ostfront konzentriert waren, konnten sie die Niederlage nicht aufhalten. Die Rote Armee der gerade industrialisierten Sowjetunion zerschlug den Sturmlauf des Kleinbürgertums gegen die Moderne.